Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.06.2002, Az. IV ZR 147/01

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2002, 2752

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[X.] DES VOLKESURTEILIV ZR 147/01Verkündet am:19. Juni 2002FritzJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstellein dem [X.] 2 -Der IV. Zivilsenat des [X.] hat durch den [X.], [X.], die Richterin [X.], denRichter [X.] und die Richterin Dr. [X.] auf die mündliche [X.] vom 19. Juni 2002für Recht erkannt:Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 9. Zi-vilsenats des [X.] vom 24. [X.] aufgehoben.Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entschei-dung, auch über die Kosten des Revisionsverfah[X.]s,an das Berufungsgericht zurückverwiesen.Von Rechts [X.]:Im vorliegenden Revisionsverfah[X.] geht es nur um die verfah-[X.]srechtliche Frage, ob der Kläger rechtzeitig Berufung gegen das [X.] [X.] eingelegt hat, und hier insbeson-dere darum, ob das Urteil dem erstinstanzlichen [X.] [X.] (Rechtsanwalt [X.] in K.) an dem in seinem [X.] angegebenen Datum oder erst später zugestellt worden [X.] -Das von Rechtsanwalt M. unterzeichnete [X.] das von anderer Hand eingetragene Datum "15.06.00". Das [X.] ging am 28. Juni 2000 bei Gericht ein. Mit [X.] 27. Juni ersandte Rechtsanwalt M. das Urteil dem [X.] Verkehrsanwalt mit der Anmerkung: "Das Urteil wurde [X.] am 15.06.2000." Der Verkehrsanwalt, dem das Schreiben [X.] zuging, leitete das Urteil mit eigenem Schreiben [X.] an den [X.] weiter und bat [X.] der Berufung "fristgerecht bis zum 29. Juli 2000". Mit [X.] vom 13. Juli ersandte der Verkehrsanwalt dem Beru-fungsanwalt auch seine Handakte. Bei de[X.] Durchsicht fiel dem Beru-fungsanwalt die Mitteilung von Rechtsanwalt M. r die Zustellung [X.] am 15. Juni 2000 auf. Er legte daraufhin noch am Freitag, [X.], Berufung ein.Auf den Hinweis des Berufungsgerichts, die Berufung sei [X.] worden, hat der Kler vorgetragen, eine Verstung liegenicht vor. Das im [X.] angegebene Datum sei unrichtig.Die [X.] habe den Tag eingesetzt, an dem das Urteil inder Kanzlei eingegangen sei. Rechtsanwalt M. habe das Urteil aber [X.] am 23. Juni 2000 zur Kenntnis genommen. Zur [X.] [X.] und zum Beweis hat der [X.] je eine eidesstattliche Versicherungvon Rechtsanwalt M. und der Kanzleiangestellten [X.] vorgelegt und sichauf de[X.] Zeugnis berufen. Hilfsweise fr den Fall etwaiger Versmungder Berufungsfrist hat der Kler Wiedereinsetzung in den vorigen [X.] 4 -Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag wegenVerschuldens des [X.] als unbegrndet zurckgewiesen unddie Berufung des [X.] als unzulssig verworfen. Hiergegen richtetsich die Revision des [X.], der zwar seinen Wiedereinsetzungsantragnicht weiterverfolgt, sich aber dagegen wendet, daß das Berufungsge-richt die Berufung als nicht innerhalb der Berufungsfrist eingegangen an-gesehen hat.Entscheidungsgrnde:Die Revision hat Erfolg. Sie fhrt zur Aufhebung des angefochte-nen Urteils und zur Zurckverweisung der Sache an das Berufungsge-richt.[X.] Das Berufungsgericht hat [X.]: Die eidesstattliche Versi-cherung von Rechtsanwalt M., wonach er das Urteil nicht am [X.], sondern wahrscheinlich erst am 26. Juni 2000 zur Kenntnis ge-nommen habe, könne nicht erzeugen. Sie sei nicht mit seinem Schrei-ben vom 27. Juni 2000 an den Verkehrsanwalt in Einklang zu bringen, indem er nochmals und [X.] die Zustellung des Urteils am [X.] mitgeteilt habe. Angesichts dieses Widerspruchs, den [X.] M. mit keinem Wort erklrt habe, sei eine Zeugenvernehmung [X.] M. und der Kanzleiangestellten [X.] zum Beweis der Rich-tigkeit ihrer Angaben in den eidesstattlichen Versicherungen nicht erfor-derlich [X.] 5 -I[X.] Das lt der rechtlichen Überprfung nicht stand. Zu Recht rgtdie Revision als Verfah[X.]sfehler, daß das Berufungsgericht die [X.] vernommen und dadurch dem [X.] den Beweis fr die Rechtzei-tigkeit seiner Berufung auf prozeßordnungswidrige Weise abgeschnittenhat.1. Die Berufung ist rechtzeitig, wenn sie binnen eines Monats nachZustellung des Urteils eingelegt worden ist (§ 516 ZPO a.[X.]). Die [X.]([X.], Urteil vom 30. Januar 1991 - [X.] - VersR 1991, 896 un-ter 2 b). Im vorliegenden Fall, wo der Eingang der Berufungsschrift am21. Juli 2000 unstreitig ist, muß der [X.] also beweisen, daß das [X.] M. nicht vor dem 21. Juni 2000 zugestellt wurde. [X.] ist nicht der Eingang des Urteils in der Kanzlei des [X.] der maßgebliche Zeitpunkt. Zugestellt ist ein Urteilerst dann, wenn der Rechtsanwalt es entgegennimmt mit dem Willen, esals zugestellt gegen sich gelten zu lassen, und dies durch seine Unter-schrift auf dem [X.] mit Angabe des Zustellungszeit-punkts dokumentiert (std. Rspr. des [X.], vgl. nur Urteil vom 15. Juli1998 - [X.] 37/98 - NJW-RR 1998, 1442 unter 2 a). Hier spricht [X.] den 15. Juni 2000 datierte [X.] fr eine Zustellungan diesem Tage. Denn ein [X.] erbringt grundstzlichBeweis nicht nur fr die Entgegennahme des darin bezeichneten Schrift-stcks als zugestellt, sondern auch fr den Zeitpunkt der [X.] durch den Unterzeichner und damit fr den Zeitpunkt der Zustellung.Jedoch steht dem Berufungsklr der Gegenbeweis der Unrichtigkeitdes im [X.] angegebenen Datums offen. Dieser setztallerdings voraus, daß die Beweiswirkung des § 212a ZPO a.[X.] vollstn-- 6 -dig entkrftet und jede Möglichkeit ausgeschlossen ist, [X.] die Angabendes [X.]ses richtig sein können; hingegen ist [X.] nicht schon dann gefhrt, wenn lediglich die Möglichkeitder Unrichtigkeit besteht, die Richtigkeit der Angaben also nur ersct-tert ist. Dabei gilt, wie allgemein fr die Prfung der [X.] des Rechtsmittels, so auch hinsichtlich der Entkrftungdes aus einem [X.] ersichtlichen [X.],der sogenannte Freibeweis; in dessen Rahmen kbli-chen Beweismitteln, insbesondere dem Ergebnis von Zeugenverneh-mungen, auch eidesstattliche Versicherungen bercksichtigt werden. [X.] jedoch bei den Anforderungen des § 286 ZPO an die richterlicheÜberzeugungsbildung, so [X.] voller Beweis zu erbringen ist (st. Rspr.des [X.], vgl. nur Urteil vom 24. April 2001 - [X.]/00 - VersR 2001,1262 unter [X.] bis 3 b).Der [X.] [X.] also zum einen den Gegenbeweis f[X.], [X.] [X.] Rechtsanwalt M. nicht schon am 15. Juni 2000 zugestellt wurde,und [X.] gegebenenfalls darr hinaus beweisen, [X.] die [X.] nicht vor dem 21. Juni 2000 erfolgte.2. Den Gegenbeweis, [X.] die Zustellung nicht schon am [X.] erfolgte, hat das Berufungsgericht zu Unrecht allein an der unge-Überzeugungskraft der vom [X.] vorgelegten eidesstattli-chen Versicherungen von Rechtsanwalt M. und seiner Kanzleiangestell-ten scheitern lassen.a) Allerdings [X.] auch der erkennende [X.] diese eidesstattli-chen Versicherungen fr nicht ausreichend. Da es hier um die fristge-- 7 -rechte Einlegung der Berufung und damit um eine Zulssigkeitsvoraus-setzung geht, ist das Revisionsgericht nicht auf eine lediglich rechtlicheberprfung der Beweiswrdigung des [X.] beschrnkt.Vielmehr hat das Revisionsgericht den fr die Zulssigkeit des [X.] maûgebenden Sachverhalt in tatschlicher Hinsicht [X.]; es hat demgemû auf der Grundlage des Beweisergebnis-ses eigenstndig und unabhgig von der Beurteilung des [X.] maûgeblichentatschlichen Feststellungen zu treffen (st.Rspr. des [X.]; vgl. nur [X.] 24. April 2001, aaO unter [X.]). Der [X.] teilt indessen die Be-denken des Berufungsgerichts gegen die berzeugungskraft der eides-stattlichen Versicherungen, die sich darauf sttzen, [X.] Rechtsanwalt [X.] seiner eidesstattlichen Versicherung keine Erklrung [X.], weshalb er in seinem nach dem Vortrag des [X.] "[X.] am Vortag diktiert(en)" Schreiben vom 27. Juni 2000 an den [X.] noch einmal [X.] den 15. Juni 2000 als Datum [X.] nannte.b) Wenn das Berufungsgericht wegen dieser unerklrten Wider-sprche von der Vernehmung der Zeugen M. und [X.] abgesehen hat, sostellt das jedoch einen Verfah[X.]sfehler dar.aa) Das Berufungsgericht hat damit gegen die [X.] des Gerichts zur Erhebung der angetretenen Beweise verstoûen,die sich aus dem Gebot zur mlichst vollstdigen Aufklrung [X.] (§ 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO) und dem Anspruch auf [X.] vor Gericht (Art. 103 Abs. 1 GG) ergibt ([X.], Urteil vom29. Januar 1992 - [X.] - NJW 1992, 1768 unter 2 a aa; [X.] 8 [X.], ZPO 23. Aufl. vor § 284 Rdn. 8 a). Der Umstand, [X.] fr dieRechtzeitigkeit der Berufung der [X.] zu erbringen ist, [X.] einerseits den Berufungsklr hinsichtlich des [X.], [X.] aber andererseits zu seinen Gunsten, [X.] sein Vorbringen und Be-weisanerbieten in vollem Umfang von Amts wegen zu prfen und die [X.] Beweise lckenlos zu erheben sind. [X.] konnte [X.] die streitige Frage des Datums der Zustellung des er-stinstanzlichen Urteils nicht allein unter Wrdigung der vorgelegten ei-desstattlichen Versicherungen abschlieûend kl[X.], wenn es diese [X.] hinreichend aussagekrftig erachtete. Vielmehr kann eine ab-schlieûende prozeûordnungsmûige [X.]ung des Zustellungsdatum [X.] einer die volle berzeugungsbildung ermlichenden [X.] Rechtsanwalts und der Anwaltsgehilfin als Zeugen erfolgen (vgl.[X.], Urteil vom 7. Dezember 1999 - [X.] - NJW 2000, 814 unterII 3).bb) Es liegt auch kein Fall vor, in dem ein entscheidungserhebli-cher Beweisantritt ausnahmsweise einmal unbeachtet gelassen werdendarf. Die vom [X.] angebotenen Zeugenaussagen sind insbesonderekeine ungeeigneten Beweismittel. Es erscheint nicht von vornherein aus-geschlossen, [X.] sie sachdienliche Erkenntnisse erbringen werden (vgl.Zller/[X.], aaO Rdn. 10 a).Die vom Berufungsgericht gegebene Begrng, die eidesstattli-che Versicherung von Rechtsanwalt M. stehe in einem nicht erklrtenWiderspruch zu seinem Schreiben vom 27. Juni 2000, rechtfertigt keineausnahmsweise Ablehnung der Zeugenvernehmung. Dies wre nur dannanders zu beurteilen, wenn der vom Berufungsgericht beanstandete Wi-- 9 -derspruch ein logischer wre, den infolgedessen die Zeugen durch [X.] Aussage [X.]. Nur dann w[X.] die Zeugenaus-sagen ungeeignete Beweismittel. Es liegt aber keine logische [X.] vor. Im Revisionsverfah[X.] hat der Kler die Erklrung nachge-liefert, das Schreiben vom 27. Juni 2000 sei als kanzleiblicher "[X.]" von der Kanzleiangestellten [X.] geschrieben, in dieses Schreibensei der Eingangsvermerk des Bros rnommen und es sei [X.] M. ohne weitere Beachtung des darin vermerkten [X.] 27. Juni 2000 unterschrieben worden. Ein solcher Hergang ist nichtundenkbar. Wie die Revision zutreffend ausfrt, stellt deshalb [X.] vom 27. Juni 2000 nur ein Indiz fr eine tatschlich am 15.Mai 2000 erfolgte Zustellung dar, das im Rahmen der noch ausstehen-den Gesamtwrdigung des Beweisergebnisses einschlieûlich der [X.] zu bewerten sein wird.Ebenso wenig kann der Ansicht der Beklagten gefolgt werden, [X.] seien deshalb von vornherein nicht geeignet, den [X.] der Unrichtigkeit des angegebenen [X.] zu er-bringen, weil die eidesstattlichen Versicherungen nicht besagen wrden,[X.] Rechtsanwalt M. am 15. Juni 2000 auch nach seiner Rckkehr vonseinem auswrtigen Termin in [X.] seine Kanzlei nicht mehr aufgesuchthabe; deshalb sei nicht jede Mlichkeit einer Kenntnisnahme am ange-gebenen Zustellungsdatum ausgeschlossen. Zwar [X.] eidesstatt-lichen Versicherungen in diesem Punkt objektiv unvollstdig sein. [X.] aber gleichwohl das Verstndnis, [X.] die Erkl[X.]den konklu-dent zum Ausdruck bringen wollten, Rechtsanwalt M. habe an jenem Ta-ge seine Kanzlei rhaupt nicht betreten. Wegen dieser mlichen Be-deutung der eidesstattlichen Versichertte das Berufungsgericht,- 10 -falls es sie [X.] hielt, entweder die Zeugen sogleich zu die-sem Punkt vernehmen oder aber dem [X.] einen Hinweis geben ms-sen (§ 139 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.[X.]). Der Kler tte dann, wie jetzt imRevisionsverfah[X.] geschehen, seinen Vortrag und seinen Zeugenbe-weisantritt dahin erzt, [X.] Rechtsanwalt M. am 15. Juni 2000 [X.] nicht aufgesucht habe.3. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus ande[X.] [X.] als im Ergebnis richtig (§ 563 ZPO a.[X.]). Aufgrund des [X.] kann der erkennende [X.] nicht etwadie weitere Voraussetzung fr die Rechtzeitigkeit der Berufung, [X.]mlich Rechtsanwalt M. auch nicht vor dem 21. Juni 2000 von dem er-stinstanzlichen Urteil Kenntnis genommen hat, als nicht erfllt ansehen.Der [X.] kann offenlassen, ob die eidesstattlichen Versicherungen hin-sichtlich der darin enthaltenen Schluûfolgerung, Rechtsanwalt [X.] am 23. Juni 2000 Kenntnis genommen, hinreichenrzeu-gend sind oder nicht. Sie sind jedenfalls auch zu diesem Punkt nicht vonvornherein unschlssig, so [X.] auch insoweit das Berufungsgericht,sollte es sie fr zu weniberzeugungskrftig halten, um eine Zeugen-vernehmung nicht umhinkommen [X.] -II[X.] Der [X.] sieht davon ab, die erforderliche Zeugenvernehmungzur [X.]ung des [X.] im Revisionsverfah[X.] durchzufh-[X.]. Vielmehr erscheint es angebracht, die Sache zur weite[X.] [X.] an das Berufungsgericht zurckzuverweisen.[X.] [X.] [X.] [X.] Dr. [X.]

Meta

IV ZR 147/01

19.06.2002

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.06.2002, Az. IV ZR 147/01 (REWIS RS 2002, 2752)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 2752

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