Bundespatentgericht, Beschluss vom 07.08.2012, Az. 35 W (pat) 410/10

35. Senat | REWIS RS 2012, 4040

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Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das Gebrauchsmuster 20 2007 012 877

(hier: Löschungsantrag)

hat der 35. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 7. August 2012 durch den [X.] [X.] als Vorsitzenden sowie die [X.] Dipl.-Phys. [X.] und Dipl.-Phys. Dr. Friedrich

beschlossen:

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beschwerdeführerin und Antragsgegnerin zu tragen.

Gründe

I.

1

Die Beschwerdeführerin und Antragsgegnerin ist Inhaberin des [X.] 877, das aufgrund der Abzweigung aus der Patentanmeldung PCT/[X.]/006085 (WO 2008/009369 [X.] bzw. EP 2 040 581 [X.]) als Anmeldetag den 10. Juli 2007 erhalten hat und für das die innere Priorität vom 19. Juli 2006 aus der Voranmeldung 10 2006 033 369.1 beansprucht wird. Die Schutzdauer des am 27. Dezember 2007 unter der Bezeichnung „Einrichtung zur Sitzplatznummerierung der einzelnen Sitze von in Hallen, Sälen o. dgl. aufgestellten Sitzreihen“ mit 3 [X.]n eingetragenen [X.] ist auf 6 Jahre verlängert.

2

Die von der Antragsgegnerin wegen Verletzung des [X.] verklagte Antragstellerin hat mit [X.] vom 26. September 2008 bei der Gebrauchsmusterabteilung des [X.] ([X.]) die vollständige Löschung des [X.] beantragt und als Löschungsgründe geltend gemacht,

3

- dass der Gegenstand des Gebrauchsmusters ein Verfahren beschreibe und daher nicht gebrauchsmusterfähig sei,

4

- dass der Gegenstand des Gebrauchsmusters weder neu sei noch auf einem erfinderischen Schritt beruhe und

5

- dass der Gegenstand des Gebrauchsmusters nicht ausführbar sei.

6

Zudem sei die beanspruchte Merkmalskombination gemäß Anspruch 1 des Gebrauchsmusters in der Voranmeldung (Druckschrift [X.] 10 2006 033 369 [X.]) in ihrer Gesamtheit nicht als zur angemeldeten Erfindung gehörig offenbart, weswegen das Gebrauchsmuster dessen Priorität nicht wirksam in Anspruch nehmen könne. In diesem Zusammenhang verweist sie u. a. auf die Dokumente

7

[X.] [X.] 100 44 589 [X.]

8

[X.] GB 2 287 113 A

9

[X.] [X.] 1 893 656 U1

[X.] [X.] 10 2005 054 398 [X.]

und sie führt zur Frage der Schutzfähigkeit insbesondere aus, dass der Gegenstand des [X.] 1 des Gebrauchsmusters weder neu sei jeweils hinsichtlich der [X.], [X.] und [X.] noch auf einem erfinderischen Schritt bezüglich dieser Druckschriften beruhe, wobei das Kuppeln von Stühlen in einer Reihenlinie zudem aus Druckschrift [X.] bekannt sei.

Die Beschwerdeführerin und Antragsgegnerin hat diesem Vorbringen widersprochen und u. a. folgende Dokumente in das Verfahren eingeführt:

[X.] Zwischenbescheid der [X.] vom 18. Oktober 2011, wonach der Einspruch gegen das parallele Patent (vgl. Druckschrift [X.]) keinen Erfolg haben dürfte.

AG2 Entscheidung der [X.] vom 16. Mai 2012, wonach das parallele Patent (vgl. oben) in der erteilten Fassung aufrechterhalten wird.

Sie verteidigt das Gebrauchsmuster gemäß Hauptantrag in der eingetragenen Fassung, hilfsweise in der Fassung des mit [X.] vom 29. Januar 2010 eingereichten [X.] und weiter hilfsweise in den in der mündlichen Verhandlung am 23. Februar 2010 vor der [X.] des [X.] überreichten Fassungen der [X.] und 3.

Durch Beschluss der [X.] des [X.] vom 4. März 2010 (Datum der Ausfertigung) ist das [X.] in vollem Umfang gelöscht worden. In der Fassung gemäß Hauptantrag und gemäß Hilfsantrag 2 ist es wegen fehlender Neuheit bezüglich der Lehre der Druckschrift [X.] und in der Fassung gemäß den [X.] 1 und 3 wegen Fehlens eines erfinderischen Schritts bezüglich der Druckschriften [X.] und [X.] als nicht schutzfähig angesehen worden.

Gegen diesen der Antragsgegnerin am 12. März 2010 zugestellten Beschluss richtet sich die fristgemäß am 1. April 2010 beim [X.] eingegangene Beschwerde der Antragsgegnerin. Sie vertritt in ihrer schriftlichen Begründung vom 30. August 2010 insbesondere die Auffassung, dass der Gegenstand des [X.] durch die Druckschrift [X.] nicht neuheitsschädlich vorweggenommen werde, denn dort seien u. a. weder eine [X.] noch entgegengesetzt gerichtete [X.] zum [X.] beidseits benachbarter Sitze oder eine in dem jeweiligen Stuhl eingebaute Elektronik offenbart. Ferner erhalte der Fachmann, der zudem als Möbelbauer und nicht als Elektroniker zu definieren sei, im vorgelegten Stand der Technik keine Anregung, die Signalübertragung zwischen den Stühlen zu verbessern, d. h. [X.]n mit Hilfe entgegengesetzt gerichteter [X.] zum [X.] benachbarter Stühle einzusetzen, weshalb auch ein erfinderischer Schritt vorliege. Schließlich verweist die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin in einer weiteren Eingabe auch auf die Entscheidung der [X.] vom 16. Mai 2012, mit der das parallele EP-Patent (vgl. oben) gegenüber der Lehre der [X.], [X.] und [X.] als schutzfähig angesehen wurde.

Diesen Ausführungen widerspricht die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin mit ihrem [X.] vom 23. Juli 2012; sie verweist diesbezüglich auch auf ihre vorhergehenden Eingaben.

In der mündlichen Verhandlung vom 7. August 2012 hat die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin sinngemäß die Anträge gestellt,

1. den Beschluss der [X.] vom 23. Februar 2010 (Datum der Ausfertigung: 4. März 2010) aufzuheben und den Löschungsantrag zurückzuweisen und

2. hilfsweise das [X.] nach den Fassungen der [X.] bis 3, mit denen das Gebrauchsmuster bereits vor der [X.] des [X.] verteidigt wurde, aufrechtzuerhalten.

Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin hat den Antrag gestellt,

die Beschwerde gegen den Beschluss des [X.] vom 23. Februar 2010 in vollem Umfang zurückzuweisen.

Im Übrigen hat sie angeregt, die Rechtsbeschwerde zu folgenden Themen zuzulassen:

Es stellt sich die Frage, ob die [X.]-Entscheidung „[X.]“ auf den vorliegenden Fall so gelesen werden muss, dass der [X.] der im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen restriktiver beurteilt werden muss als der [X.] von [X.], auf die ein Anmelder bei der Formulierung seiner [X.] zurückgreifen möchte.

Es stellt sich die Frage, ob die Grundsätze dieser Entscheidung beschränkt nur auf den Bereich der Chemie, nicht aber auf das Gebiet der Mechatronik anzuwenden sind.

Schutzanspruch 1 nach Hauptantrag hat folgenden Wortlaut:

a) „Einrichtung zur Sitzplatznummerierung der einzelnen Sitze von in Hallen, Sälen oder dergleichen aufgestellten Sitzreihen entlang einer [X.] (R),

b) bei der jeder Sitz (2) einer Sitzreihe (1) ausgestattet ist mit einem elektronischen Display (6) und einer eingebauten Elektronik (5), und

c) die Elektronik (5) der Sitze (2) jeweils eine Sitznummer über eine [X.] (9) überträgt,

d) die entgegengesetzt gerichtete [X.] (10, 11) zum [X.] beidseits benachbarter Sitze (2) aufweist,

e) so dass durch ein Eingabegerät (4) eine Start-Sitznummer an die Elektronik (5) eines ersten Sitzes (2) an dem einen oder dem anderen Ende der Sitzreihe (1) eingebbar ist,

f) die von den Elektroniken (5) der jeweils aufgestellten Sitze (2) der Sitzreihe (1) einer Reihenzählung folgend als jeweils um 1 erhöhte [X.] an den jeweils nächsten Sitz (2) [X.] ist.“

Schutzanspruch 1 des [X.] (Zusatzmerkmale zum Hauptantrag sind fett gedruckt) lautet folgendermaßen:

a) „Einrichtung zur Sitzplatznummerierung der einzelnen Sitze von in Hallen, Sälen oder dergleichen aufgestellten Sitzreihen entlang einer [X.] (R),

der einzelnen über Kopplungsstücke (3) miteinander verbundenen Stühle einer Sitzreihe (1) ausgestattet ist mit einem elektronischen Display (6) und einer eingebauten Elektronik (5), und

c) die Elektronik (5) der Sitze (2) jeweils eine Sitznummer über eine [X.] (9) überträgt,

in der [X.] (R) aufweist,

e) so dass durch ein Eingabegerät (4) eine Start-Sitznummer an die Elektronik (5) eines ersten Sitzes (2) an dem einen oder dem anderen Ende der Sitzreihe (1) eingebbar ist,

f) die von den Elektroniken (5) der jeweils aufgestellten Sitze (2) der Sitzreihe (1) einer Reihenzählung folgend als jeweils um 1 erhöhte [X.] an den jeweils nächsten Sitz (2) [X.] ist.“

Schutzanspruch 1 des [X.] unterscheidet sich vom Schutzanspruch 1 des [X.] lediglich dadurch, dass die [X.] explizit als bidirektional bezeichnet wird. Das Merkmal c) lautet dementsprechend folgendermaßen (Zusatzmerkmale zum Hauptantrag sind fett gedruckt):

bidirektionale [X.] (9) überträgt,“.

Schutzanspruch 1 des [X.] kombiniert die Merkmale des neuen [X.] 1 nach Hilfsantrag 1 mit denen des [X.] 1 nach Hilfsantrag 2, d. h. er unterscheidet sich vom Schutzanspruch 1 des [X.] lediglich dadurch, dass die [X.] explizit als bidirektional bezeichnet wird. Das Merkmal c) lautet dementsprechend folgendermaßen (Zusatzmerkmale zum Hilfsantrag 1 sind fett gedruckt):

bidirektionale [X.] (9) überträgt,“.

Die abhängigen [X.] 2 und 3 des [X.] und der [X.] bis 3 sind identisch und entsprechen denen der eingetragenen Fassung des Gebrauchsmusters. Sie haben folgenden Wortlaut:

„2. Einrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Elektronik (5) eines Sitzes (2) von einem [X.] gebildet ist.“

„3. Einrichtung nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass ein Schaltimpuls vom Eingabegerät (4) kontaktlos einspeisbar ist.“

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg, denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung liegt bei den mit Hauptantrag verteidigten [X.]n der geltend gemachte [X.] des fehlenden erfinderischen Schritts nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 [X.] [X.] m. § 1 Abs. 1 [X.] vor. Gleiches träfe auch auf die [X.] gemäß den [X.] 1 bis 3 zu, sofern diese an die Stelle der eingetragenen treten würden.

1. Gebrauchsmustergegenstand

Nach den Angaben in der Beschreibungseinleitung betrifft das [X.] eine Einrichtung zur Sitzplatznummerierung der einzelnen Sitze von in Hallen, Sälen oder dergleichen aufgestellten Sitzreihen.

Bei Veranstaltungen werden in der Regel die Stühle der Sitzplätze in den Reihen über gut sichtbare Platznummern kenntlich gemacht, die meist mittels eines beschrifteten [X.] an einer magnetischen Oberfläche des Stuhles befestigt werden, oder es werden dazu Aufkleber mit Sitznummern verwendet. Diese [X.] müssen der Reihe nach sortiert und dann an jedem Stuhl einzeln angebracht werden. Bei Einsatz der Stühle an wechselnden Orten muss somit die Nummerierung der Stuhlreihen nach jedem Aufbau neu durchgeführt werden

Vor diesem Hintergrund liegt dem [X.] die Aufgabe zugrunde, diesen Vorgang zumindest teilweise zu automatisieren, so dass der bisher erhebliche Arbeits- und Zeitaufwand beträchtlich reduziert wird

Gelöst wird diese Aufgabe durch die Merkmale der Einrichtungen zur Sitzplatznummerierung der jeweiligen [X.] 1 nach Hauptantrag bzw. nach den [X.] 1 bis 3.

Hierbei ist nach den geltenden [X.]n der Anträge erfindungswesentlich vorgesehen, dass jeder Sitz einer Sitzreihe mit einem elektronischen Display und einer eingebauten Elektronik ausgestattet ist und die Elektronik der Sitze über eine [X.], die entgegengesetzt gerichtete [X.] zum [X.] beidseits benachbarter Sitze aufweist, jeweils eine Sitznummer überträgt.

Dabei gestatten die entgegengesetzt gerichteten [X.] ein [X.] benachbarter Sitze und ein fortlaufendes Durchnummerieren der Sitze von links oder rechts, indem durch ein Eingabegerät eine Start-Sitznummer an die Elektronik eines ersten Sitzes an dem einen oder dem anderen Ende der Sitzreihe eingebbar ist. Diese Start-Sitznummer ist von den Elektroniken der jeweils aufgestellten Sitze der Sitzreihe einer Reihenzählung folgend als jeweils um 1 erhöhte [X.] an den jeweils nächsten Sitz [X.], so dass durch die zum Teil automatisierte Platznummernvergabe und Sitzkennzeichnung eine erhebliche Arbeits- und Zeitersparnis bei der Bestuhlung von Hallen gegeben ist

Mit dem Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 wird der vorstehend beschriebene Schutzgegenstand dahingehend konkretisiert, dass die einzelnen Stühle über [X.] miteinander verbunden sind und die entgegengesetzt gerichteten [X.] zum [X.] beidseits benachbarter Sitze in der [X.] geeignet sind.

Die Ansprüche 1 der [X.] und 3 spezifizieren die [X.] des [X.] gemäß Hauptantrag bzw. Hilfsantrag 1 als bidirektional.

nur an dem einen oder nur an dem anderen Ende der Sitzreihe eingebbar ist.

Den Begriff „[X.]“ erläutert das [X.] in der Beschreibung entsprechend der Formulierung des Merkmals d) der [X.] 1 aller Anträge lediglich dahingehend, dass die Schnittstelle für ein fortlaufendes Durchnummerieren der Sitze von links oder rechts entgegengesetzt gerichtete Infrarotsender aufweist, die zum [X.] beidseits benachbarter Sitze in einer [X.] vorgesehen sind. Demnach versteht das [X.] unter dem Begriff „Kommunikation“ auch bereits die Übertragung der Sitznummern zwischen benachbarten Stühlen. Eine Quittierung der empfangenen Signale über „handshake“- und Rückmeldungssignale ist entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin dem [X.] nicht zu entnehmen und wird von dem allgemeinen und breit auszulegenden Begriff „Schnittstelle“ auch nicht umfasst.

2. Inanspruchnahme der Priorität

Mit den geltenden [X.]n kann das [X.] nicht die Priorität der Patentanmeldung mit dem Aktenzeichen 10 2006 033 369.1 und dessen Anmeldetag, den 19. Juli 2006, wirksam beanspruchen. Die Inanspruchnahme der Priorität einer früheren Anmeldung setzt voraus, dass die [X.] die Gesamtheit der Merkmale der durch den Patent- bzw. Schutzanspruch umschriebenen, technischen Lehre offenbaren (vgl. [X.], 1133, 1135 - „UV-unempfindliche Druckplatte“). Dies ist hier nicht der Fall denn das Merkmal d) des [X.] 1 aller Anträge, wonach die Elektronik eines Stuhls entgegengesetzt gerichtete [X.] zum [X.] beidseits benachbarter Sitze aufweist, ist in dem [X.] nicht offenbart. Somit stellt die am 24. Mai 2007 offengelegte Patentanmeldung [X.] gegenüber dem am 10. Juli 2007 angemeldeten [X.] einen vorveröffentlichten Stand der Technik dar.

3. Schutzausschluss

Verfahrensmerkmale in einem Schutzanspruch nehmen der Lehre nicht von vornherein die Schutzfähigkeit als Gebrauchsmuster, wenn sie die Lehre als ein Erzeugnis umschreiben (vgl. [X.], [X.], 10. Aufl., § 2 [X.], Rn. 11; [X.] 2004, 495, 496 - „Signalfolge“; [X.], Beschluss vom 29.7.2008, [X.]. [X.]/07 - „Telekommunikationsanordnung“). Dies ist vorliegend der Fall, denn gemäß Schutzanspruch 1 umfasst die Einrichtung zur Sitzplatznummerierung Sitze, die in einer Reihe angeordnet sind und vorgegebene gegenständliche Merkmale sowie bestimmte Eigenschaften aufweisen.

4. Ausführbarkeit

Das [X.] offenbart die Erfindung so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Eine Erfindung ist ausführbar offenbart, wenn die in der Patentanmeldung enthaltenen Angaben dem fachmännischen Leser so viel an technischer Information vermitteln, dass er mit seinem Fachwissen und seinem Fachkönnen in der Lage ist, die Erfindung erfolgreich auszuführen (vgl. [X.] 2010, 916, 918 - „Klammernahtgerät“). Dies ist hier der Fall.Zwar werden im [X.] ausschließlich Sender erwähnt, jedoch ergibt es sich bereits aus den Merkmalen c) und d) des [X.] 1, wonach „die Elektronik der Sitze jeweils eine Sitznummer über eine [X.] überträgt, die entgegengesetzt gerichtete [X.] zum [X.] beidseits benachbarter Sitze aufweist“, dass die [X.] auch zwangsläufig Infrarot-Empfänger aufweisen muss, denn ansonsten wäre sie nicht zum [X.] benachbarter Sitze geeignet. Darüber hinaus zeigt Figur 3 des [X.] auch das Vorhandensein eines [X.] entsprechend der Notwendigkeit des Vorhandenseins eines [X.]s und -Empfängers.

5. Zulässigkeit

Die Frage der Zulässigkeit der [X.] nach den [X.] kann in Folge dahinstehen, denn die jeweiligen Gegenstände der [X.] 1 der [X.] bis 3 erweisen sich nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung als nicht schutzfähig (vgl. [X.] 1991, 120, 121, li. Sp., Abschnitt II. 1. - „Elastische Bandage“).

6. Schutzfähigkeit

Die Einrichtungen zur Sitzplatznummerierung gemäß den [X.]n des [X.] und der [X.] bis 3 beruhen im Hinblick auf die technische Lehre der Druckschrift [X.] [X.] m. der Druckschrift [X.] nicht auf einem erfinderischen Schritt des zuständigen Fachmanns. Dieser ist hier als Entwicklungsingenieur mit Fachhochschulabschluss auf dem Gebiet der Elektrotechnik und Kenntnissen im Bereich Nachrichtentechnik zu definieren, der im Möbelbau mit der Entwicklung von Stühlen mit elektronischer Sitzplatznummerierung betraut ist (vgl. zum „Fachmann“ in verschiedenen Gewerken: [X.], 482, 484 - „Pfeffersäckchen“). Dabei konnte sich der [X.] den Ausführungen der Beschwerdeführerin, wonach der Fachmann ein Möbelbauer mit Kenntnissen in Elektronik sei, nicht anschließen, denn das [X.] betrifft in erster Linie die technische Ausgestaltung einer elektronischen Sitzplatznummerierung von Sitzen und die Datenkommunikation zwischen den Sitzen über Sender und Empfänger.

6. a) Hauptantrag

Da, wie vorstehend ausgeführt, das [X.] den Zeitrang des [X.]s vom 19. Juli 2006 nicht wirksam beanspruchen kann, stellt die Druckschrift [X.] vom 24. Mai 2007 ([X.] 10 2005 054 398 [X.]) vorveröffentlichten Stand der Technik dar. Diese offenbart in Übereinstimmung mit dem Wortlaut des eingetragenen [X.] 1 des [X.] gemäß Hauptantrag eine

a) Einrichtung zur Sitzplatznummerierung der einzelnen Sitze von in Hallen, Sälen oder dergleichen aufgestellten Sitzreihen entlang einer [X.],

b) bei der jeder Sitz einer Sitzreihe ausgestattet ist mit einem elektronischen Display und einer eingebauten Elektronik,

c) und die Elektronik der Sitze jeweils eine Sitznummer über eine Schnittstelle überträgt,

d) die einen Sender und einen Empfänger aufweist,

e) so dass durch ein Eingabegerät eine Start-Sitznummer an die Elektronik eines ersten Sitzes an dem einen oder dem anderen Ende der Sitzreihe eingebbar ist,

(

f) die von den Elektroniken der jeweils aufgestellten Sitze der Sitzreihe einer Reihenzählung folgend als jeweils um 1 erhöhte [X.] an den jeweils nächsten Sitz [X.] ist

Wie die Figuren 11 und 12 der Druckschrift [X.] zeigen, kann durch ein Eingabegerät

Demnach weisen die in Druckschrift [X.] beschriebenen Stühle entsprechend Merkmal d) des [X.] 1 nach Hauptantrag auch eine Schnittstelle mit Sende- und Empfangseinheit zum [X.] beidseits benachbarter Sitze auf.

Wie Druckschrift [X.] weiter ausführt, sind „die in einer Reihe verketteten Sitzplätze mit einer lösbaren strom- und signalführenden Steckverbindung ausgestattet“, vgl. Abs. [0006], was einer drahtgebundenen Kommunikation zwischen benachbarten Stühlen entspricht. Alternativ schlägt Druckschrift [X.] auch eine drahtlose Kommunikation benachbarter Stühle bzw. Anzeigevorrichtungen über Funk vor

Funk-Schnittstelle überträgt, die eine Funk-Sende- und Empfangseinheit zum [X.] beidseits benachbarter Sitze aufweist, während gemäß dem [X.] die Kommunikation über Infrarot erfolgt und dementsprechend die Elektronik der Sitze jeweils eine Sitznummer über eine [X.] überträgt, die entgegengesetzt gerichtete [X.] zum [X.] beidseits benachbarter Sitze aufweist.

Dieser Unterschied beruht jedoch auf keinem erfinderischen Schritt des vorstehend definierten Fachmanns.

Dem Fachmann ist aus der Druckschrift [X.], deren Lehre in Abs. [0003] der Druckschrift [X.] im Rahmen der Darlegung des Stands der Technik erläutert wird, ein elektronisches Sitzplatzbezeichnungssystem bekannt, bei dem über eine Bedienvorrichtung, die eine drahtlose Sendeempfangsvorrichtung enthält, jeder Sitzplatz individuell angesprochen wird und bei dem die drahtlose Kommunikation zwischen der Bedienvorrichtung und dem Sitzplatz wahlweise über Infrarot oder Funk erfolgt

Der Fachmann wird daher bei der Lehre der Druckschrift [X.] in naheliegender Weise auch eine Infrarot-Signalübertragung zwischen den Stühlen mittels einer [X.] vorsehen.

Wie vorstehend ausgeführt besteht ein zentraler Aspekt der Lehre von Druckschrift [X.] darin, dass die Stühle beim Auf- und Abbau wahllos entnommen bzw. gestapelt werden können, was nur aufgrund der Tatsache möglich ist, dass die Datenübertragung durch die Stühle in beide Richtungen erfolgen kann. Dementsprechend wird der Fachmann die [X.] auch so ausgestalten, dass sie sowohl nach links als auch nach rechts senden und auch empfangen kann, was den Fachmann wegen der ihm bekannten Richtungsabhängigkeit der [X.] sofort zu einer Ausgestaltung der Schnittstelle mit zwei entgegengesetzt gerichteten [X.]n bzw. Empfängern führt. Ausgehend von der Lehre der Druckschrift [X.] und der dort im Stand der Technik diskutierten Druckschrift [X.] gelangt der Fachmann somit ohne erfinderischen Schritt zum Gegenstand des [X.] 1 nach Hauptantrag.

Der Schutzanspruch 1 des [X.] ist daher nicht rechtsbeständig.

6. b) Hilfsantrag 1

Die Einrichtung zur Sitzplatznummerierung des [X.] 1 nach Hilfsantrag 1 beruht ebenfalls nicht auf einem erfinderischen Schritt.

Denn sowohl das zusätzlich zum Anspruch 1 nach Hauptantrag unter Gliederungspunkt b) angefügte Merkmal, wonach die einzelnen Stühle über [X.] miteinander verbundenen sind, als auch das unter Gliederungspunkt d) zusätzlich aufgenommene Merkmal, wonach das [X.] beidseits benachbarter Sitze in der [X.] der Stühle erfolgt, entnimmt der Fachmann ebenfalls der Druckschrift [X.].

So ist das Merkmal bezüglich der [X.] beispielsweise im Oberbegriff des Anspruchs 1 der Druckschrift [X.] offenbart (

Der Gegenstand des Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 ist daher ebenfalls nicht gewährbar.

6. c) [X.] und 3

Auch die Einrichtungen zur Sitzplatznummerierung der [X.] 1 nach den [X.] 2 und 3 beruhen nicht auf einem erfinderischen Schritt.

Das Zusatzmerkmal der Bidirektionalität der Schnittstelle ist in Druckschrift [X.] insofern offenbart, als die Signalübertragung zwischen den Stühlen in beide Richtungen erfolgen kann (vgl. obige Ausführungen zum Hauptantrag, wobei die in Druckschrift [X.] angeführte Druckschrift [X.] in Abs. [0009] explizit Rückmeldungs- und Bestätigungssignale vorsieht, um eine korrekte Datenübertragung gewährleisten zu können.

Mithin eignet sich das einschränkend in die Ansprüche 1 bezüglich der Bidirektionalität aufgenommene Zusatzmerkmal nicht, den erfinderischen Schritt der gemäß den [X.] 2 und 3 verteidigten Einrichtungen zu begründen.

Auch die Gegenstände der [X.] 1 der [X.] und 3 sind daher nicht gewährbar.

6. d) [X.]

Die Merkmale der [X.] und 3, wonach die Elektronik eines Sitzes von einem [X.] gebildet ist und ein Schaltimpuls vom Eingabegerät kontaktlos einspeisbar ist, entnimmt der Fachmann ebenfalls der Druckschrift [X.], vgl. deren Anspruch 1

Die auf den jeweiligen Schutzanspruch 1 nach dem Hauptantrag und den [X.] rückbezogenen [X.] weisen somit keinen eigenständigen erfinderischen Gehalt auf. Sie teilen daher das Schicksal ihres jeweiligen Hauptanspruchs.

7.) Ergebnis in der Sache

Die zum parallelen EP-Patent 2040581 von der Beschwerdeführerin und Antragsgegnerin vorgelegte Entscheidung der [X.] vom 16. Mai 2012 hat der erkennende [X.] zwar berücksichtigt; aus ihr folgt jedoch für den vorliegenden Fall nichts anderes. Letztlich war die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen und die vollumfängliche Löschung des Gebrauchsmusters 202007012877 zu bestätigen.

8.) Anregung der Rechtsbeschwerde

Der Anregung zur Zulassung der Rechtsbeschwerde zu den von der Beschwerdegegnerin und Antragstellerin formulierten Rechtsfragen konnte der [X.] nicht folgen, da die gesetzlichen Voraussetzungen des § 18 Abs. 4 [X.] [X.] m. § 100 Abs. 2 [X.] nicht vorliegen. Weder war eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden (§ 100 Abs. 2 Nr. 1 [X.]) noch ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 100 Abs. 2 Nr. 2 [X.]). Der [X.] hat sich im [X.] an seine „[X.]“-Entscheidung (veröffentlicht z. B. in GRUR 2009, 382 ff.) bereits eingehend zur Frage des [X.]s von Druckschriften einerseits und ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen andererseits sowohl auf dem Gebiet der Chemie als auch dem der Mechatronik geäußert (vgl. [X.] 2010, 509, 511 - „Hubgliedertor I“; GRUR 2010, 910, 916 - „[X.] Dokument“; GRUR 2010, 917, 918 - „Klammernahtgerät“; GRUR 2012, 1133, 1135f. - „UV-unempfindliche Druckplatte“). Die von der Antragstellerin hinsichtlich einer Zulassung der Rechtsbeschwerde aufgeworfenen Fragen sind mithin von der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits hinreichend beantwortet.

[X.]

Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs. 2 Satz 2 [X.] in Verbindung mit § 84 Abs. 2 [X.] und § 97 Abs. 1 ZPO. Hiernach hat die Beschwerdeführerin und Antragsgegnerin als in vollem Umfang unterlegene [X.] die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Die Billigkeit erfordert keine andere Entscheidung.

Meta

35 W (pat) 410/10

07.08.2012

Bundespatentgericht 35. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 07.08.2012, Az. 35 W (pat) 410/10 (REWIS RS 2012, 4040)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 4040


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. X ZB 1/13

Bundesgerichtshof, X ZB 1/13, 02.12.2014.


Az. 35 W (pat) 410/10

Bundespatentgericht, 35 W (pat) 410/10, 07.08.2012.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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