Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.08.2022, Az. 3 StR 206/22

3. Strafsenat | REWIS RS 2022, 4697

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Gegenstand

Grenzwert der nicht geringen Menge für das Betäubungsmittel 2C-B


Leitsatz

Für 2C-B (Bromdimethoxyphenethylamin, BDMPEA) beginnt die nicht geringe Menge im Sinne von § 29a Abs. 1 Nr. 2 sowie § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG bei einem Gramm.

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 15. März 2022 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2

Der Erörterung bedarf nur Folgendes:

3

1. Der Grenzwert der nicht geringen Menge für das Betäubungsmittel 2C-B ist - wie das [X.] zutreffend angenommen hat - mit 1 g festzusetzen.

4

Bei 2C-B ([X.], [X.]) - chemische Bezeichnung: 4-Brom-2,5-dimethoxyphenethlyzan - handelt es sich um ein halluzinogen wirkendes Phenethylamin aus der 2,4,5-trisubstituierten 2C-Reihe, deren Vertreter durchweg eine große Affinität zu den zwei Serotonin-Rezeptoren 5-HT2A und 5-HT2C zeigen. Die in Tabletten- oder Kapselform zur oralen Einnahme angebotene Substanz stimuliert das Nervensystem mit der Folge von [X.] bis hin zu Halluzinationen oder Wahnvorstellungen. Damit ähnelt sie in ihrer Wirkung Rauschmitteln wie MDMA, Amphetamin oder - bei entsprechend hoher Dosierung, mit der die Gefahr einer irreversiblen Schädigung des zentralen Nervensystems einhergeht - LSD. Zur Bestimmung des Grenzwertes der nicht geringen Menge von 2C-B sind Konsumentenangaben und experimentell ermittelte pharmakologisch-toxikologische Daten heranzuziehen, da keine sicheren Erkenntnisse zur äußerst gefährlichen bzw. Letaldosis vorliegen. Der Grenzwert von 1 g ergibt sich dabei aus einem Vergleich von 2C-B mit dem in Wirkungsweise und Molekülstruktur ähnlichen Mescalin. Auch weil Konsumenten bei dieser Substanz von üblichen Dosierungen zwischen 200 und 300 mg berichten, wohingegen bei [X.] von 5 bis 20 mg üblich sind, ist anzunehmen, dass 2C-B 16fach potenter als Mescalin ist. Dessen nicht geringe Menge errechnet sich dabei auf 15 g, verglichen mit LSD, das ebenfalls am 5-HT2A-Rezeptor wirkt, dessen Grenzwert bereits auf 6 mg festgesetzt worden ist (vgl. [X.], Urteil vom 1. September 1987 - 1 [X.], [X.]St 35, 43, 48 f.) und das 2.500mal potenter als Mescalin ist (vgl. [X.]/[X.]/u.a., [X.] 2019, 5, 18 f., 40 ff.; [X.], [X.]. 2016, 264, 311 ff.; [X.], Rechtsmedizin 2019, 511; [X.]/Bull/u.a., [X.]. Journ. of Pharmac. 2004, 1167; siehe auch [X.], Urteil vom 26. Januar 2022 - 843 [X.]/21, NStZ-RR 2022, 251 m. Anm. Lang/[X.]).

5

2. Soweit die Revision einen Rechtsfehler darin sieht, dass das [X.] eine Anwendung des Jugendstrafrechts mit der Bemerkung abgelehnt hat, es sei auszuschließen, dass bei dem Angeklagten eine "Reifeverzögerung von fast 2 Jahren" vorliege, nimmt sie im Ansatz zutreffend Bezug auf Entscheidungen des [X.] (vgl. [X.], Urteile vom 6. Dezember 1988 - 1 [X.], [X.]St 36, 37; vom 29. Mai 2002 - 2 StR 2/02, [X.]R [X.] § 105 Abs. 1 Nr. 1 Entwicklungsstand 8; vom 20. Mai 2014 - 1 [X.], [X.], 230, 231; Beschluss vom 14. August 2012 - 5 [X.], [X.], 289).

6

Die beanstandete missverständliche Formulierung macht die [X.] des Tatgerichts indes nicht durchgreifend rechtsfehlerhaft. Denn es ist auszuschließen, dass die [X.] die bei § 105 Abs. 1 Satz 1 [X.] geltenden Maßstäbe verkannt hat, wonach für die Frage der Anwendung von Jugendstrafrecht bei einem Heranwachsenden entscheidend ist, ob er sich noch in einer für Jugendliche typischen Entwicklungsphase befand und in ihm noch Entwicklungskräfte in größerem Umfang wirksam waren (vgl. [X.], Urteile vom 23. Oktober 1958 - 4 StR 327/58, [X.]St 12, 116, 118; vom 16. Januar 1968 - 1 [X.], [X.]St 22, 41, 42; vom 15. Mai 1992 - 3 StR 535/91, [X.], 2103, 2104; Beschluss vom 11. Mai 2021 - 2 [X.], juris Rn. 5). Sie hat nachvollziehbar und mit Tatsachen unterlegt eine Gesamtwürdigung seiner Persönlichkeit unter Berücksichtigung der [X.] Lebensbedingungen vorgenommen. Zutreffend hat sie auf die unauffällige und regelgerechte Entwicklung des Angeklagten abgestellt, der keine Rauschmittel konsumiert und keine körperlichen oder geistigen Beschwerden aufweist. Besonderheiten in seiner Biographie wie z.B. den Abbruch der Berufsschule sowie den Auszug aus dem Elternhaus nach einer Meinungsverschiedenheit mit seinem Vater hat die [X.] dabei in den Blick genommen und vertretbar (vgl. [X.], Urteile vom 3. Juli 1986 - 4 [X.], [X.], 549, 550; vom 6. Dezember 1988 - 1 [X.], [X.]St 36, 37, 38; vom 15. Mai 1992 - 3 StR 535/91, [X.], 2103, 2104) gewürdigt.

Schäfer     

      

Berg     

      

Anstötz

      

Erbguth     

      

[X.]     

      

Meta

3 StR 206/22

09.08.2022

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Kleve, 15. März 2022, Az: 170 KLs 29/21

§ 29a Abs 1 Nr 2 BtMG, § 30 Abs 1 Nr 4 BtMG, § 27 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 09.08.2022, Az. 3 StR 206/22 (REWIS RS 2022, 4697)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 4697 NJW 2022, 3372 REWIS RS 2022, 4697

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 StR 610/13

5 StR 318/12

2 StR 443/20

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