Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.03.2022, Az. 3 StR 136/21

3. Strafsenat | REWIS RS 2022, 836

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Gegenstand

Betäubungsmittelhandel: Grenzwertfestlegung zur Bestimmung der nicht geringen Menge bei synthetischen Betäubungsmitteln und psychotrop wirkenden Substanzen


Leitsatz

Es beginnt die nicht geringe Menge

1. der synthetischen Cathinone

      - α-Pyrrolidinovalerophenon und

      - 3,4-Methylendioxypyrovaleron              jeweils bei fünf Gramm,

      - Buphedron und

      - Pentylon                                           jeweils bei 15 Gramm,

      - Clephedron und

      - 4-Methylethcathinon                           jeweils bei 25 Gramm,

      - Methylon                                         bei 30 Gramm,

2. der psychostimulierenden Phenethylamine

      - Ethylphenidat                                   bei 15 Gramm,

      - 4-Fluoramfetamin                             bei 20 Gramm,

3. der synthetischen Cannabinoide

      - AM-2201,

      - JWH-122 und

      - JWH-210                                        jeweils bei einem Gramm sowie

4. der Benzodiazepine

      - Etizolam                                        bei 240 Milligramm,

      - Flubromazepam                              bei 600 Milligramm.

Tenor

1. Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 2. Dezember 2020 werden verworfen; jedoch werden die Schuldsprüche dahin geändert, dass schuldig sind

a) der Angeklagte D.     des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit gewerbsmäßigem und bandenmäßigem Handeltreiben mit neuen psychoaktiven Stoffen;

b) der Angeklagte H.    der Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum gewerbsmäßigen und bandenmäßigen Handeltreiben mit neuen psychoaktiven Stoffen.

2. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten D.     des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit gewerbsmäßigem und bandenmäßigem Handeltreiben mit neuen psychoaktiven Stoffen schuldig gesprochen. Es hat gegen ihn auf eine Freiheitsstrafe von zwölf Jahren erkannt und hierauf die Anrechnung von in [X.] vollzogener Freiheitsentziehung im Maßstab 1:1 angeordnet. Außerdem hat es gegen ihn eine Einziehungsentscheidung getroffen. Den Angeklagten [X.]hat das [X.] wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zum gewerbsmäßigen und bandenmäßigen Handeltreiben mit neuen psychoaktiven Stoffen zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten haben keinen Erfolg (§ 349 Abs. 2 StPO), führen allerdings zu der aus Ziffer 1 der [X.] ersichtlichen Änderung der Schuldsprüche.

A.

2

I. Nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen entschlossen sich der Angeklagte D.     und der nicht revidierende Mitangeklagte im Jahr 2016, gemeinsam mit zwei bereits Verurteilten und dem Angeklagten [X.]größere [X.] von synthetischen Betäubungsmitteln und psychotrop wirkenden Substanzen über mehrere [X.]plattformen zu vertreiben.

3

D.     beschaffte die Stoffe, welche die Angeklagten und ihre Komplizen in angemieteten Räumlichkeiten in [X.] lagerten und über ihre Plattformen anboten. In 33.161 Fällen veräußerten die Angeklagten und der Mitangeklagte aus dem Vorrat Teilmengen gegen Zahlung von insgesamt 3.682.869,19 € nach [X.]. Um die Stoffe den Kunden zukommen zu lassen, packten die Beteiligten sie in Postsendungen, die [X.]und andere über die Grenze ins [X.] brachten und in Briefkästen warfen.

4

Als Ermittlungsbehörden die Lagerräume im Juni 2019 durchsuchten, fanden sie dort rund 2,5 kg Betäubungsmittel und mehr als 15 kg dem [X.] unterliegende Substanzen.

5

II. Das [X.] hat die Beschaffung, Lagerung und Veräußerung der dem [X.] unterfallenden Substanzen als bandenmäßiges Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 1 BtMG) gewertet. [X.] beraten ist es bei den vertriebenen Wirkstoffen von folgenden Grenzwerten der jeweiligen nicht geringen Menge ausgegangen:

–       

α-Pyrrolidinovalerophenon (α-PVP)

5 g;   

–       

3,4-Methylendioxypyrovaleron ([X.])

5 g;   

–       

[X.]

15 g; 

–       

Pentylon (bk-MBDP)

15 g; 

–       

[X.]

15 g; 

–       

[X.] (4-CMC)

25 g; 

–       

4-Methylethcathinon (4-MEC)

25 g; 

–       

[X.] ([X.], [X.])      

30 g; 

–       

[X.]

15 g; 

–       

4-Fluoramfetamin (4-FA)

20 g; 

–       

5F-ADB

1 g;   

–       

[X.]

1 g;   

–       

[X.]

1 g;   

–       

[X.]

1 g;   

–       

[X.]

1 g;   

–       

[X.]

1 g;   

–       

[X.]

240 mg;

–       

[X.]

600 mg.

B.

6

I. Den Verfahrensrügen bleibt aus den in den [X.] dargelegten Gründen der Erfolg versagt.

7

II. Die sachlichrechtliche Nachprüfung des Urteils hat keinen den Angeklagten nachteiligen Rechtsfehler ergeben.

8

1. Allerdings sind die Schuldsprüche auf der Grundlage der zutreffenden rechtlichen Würdigung durch das [X.], wie aus Ziffer 1 der [X.] ersichtlich, neu zu fassen. Denn es bedarf des Zusatzes "in nicht geringer Menge", um das hier verwirklichte Verbrechen des § 30a Abs. 1 BtMG von demjenigen des § 30 Abs. 1 Nr. 1 BtMG zu unterscheiden.

9

2. Im Übrigen ist näher einzugehen allein auf die für die Anwendung des § 30a Abs. 1 StGB maßgebenden Grenzwerte der jeweiligen nicht geringen Menge der Betäubungsmittel, auf die sich der vom Angeklagten D.     gemeinschaftlich betriebene und vom Angeklagten [X.]geförderte Handel bezog:

Das [X.] hat dem Urteil in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine nicht geringe Menge von

– 15 g bei [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 13. Oktober 2016 - 1 StR 366/16, [X.]R BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Menge 23 Rn. 8),

– 1 g bei [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 20. September 2017 - 1 StR 64/17, juris Rn. 39 f.) sowie

– jeweils 1 g bei 5F-ADB und [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 27. Januar 2022 - 3 StR 155/21, juris Rn. 7 ff.)

zugrunde gelegt. Hinsichtlich der weiteren Betäubungsmittel, für die bislang keine entsprechenden Entscheidungen des [X.] vorliegen, ist die [X.] ebenfalls von zutreffenden Grenzwerten ausgegangen.

a) Für die Bestimmung der nicht geringen Menge eines Betäubungsmittels gilt:

Der Grenzwert ist stets in Abhängigkeit von dessen konkreter Wirkungsweise und -intensität festzulegen. Maßgeblich ist zunächst die äußerst gefährliche, gar tödliche Dosis des Wirkstoffs. Fehlen hierzu gesicherte Erkenntnisse, so errechnet sich der Grenzwert als ein Vielfaches der durchschnittlichen [X.]einheit eines nicht an den Genuss dieser Droge gewöhnten [X.]enten. Das Vielfache ist nach Maßgabe der Gefährlichkeit des Stoffes, insbesondere seines Abhängigkeiten auslösenden oder sonst die Gesundheit schädigenden Potentials, zu bemessen. Lassen sich auch zum [X.]verhalten keine ausreichenden Erkenntnisse gewinnen, so entscheidet ein Vergleich mit verwandten Wirkstoffen (st. Rspr.; s. zuletzt [X.], Beschluss vom 27. Januar 2022 - 3 StR 155/21, juris Rn. 8 f. mwN).

b) Zur Wirkungsweise sowie zur Einstufung und Bestimmung der nicht geringen Menge der gehandelten Betäubungsmittel hat das [X.] ein Gutachten des [X.]en Dr. Da.      , Apotheker für experimentelle Pharmakologie und Toxikologie beim [X.], eingeholt. Dessen schriftliche Ausarbeitung hat es in seinen Urteilsgründen zwar lediglich kursorisch wiedergegeben. Auf deren Überprüfung ist der Senat bei der Beurteilung der Wirkungsweise und Gefährlichkeit von Betäubungsmitteln allerdings nicht beschränkt. Vielmehr kann er das von der [X.] eingeholte Gutachten auch direkt verwerten (vgl. [X.], Urteil vom 24. April 2007 - 1 StR 52/07, [X.]St 51, 318 Rn. 7) und darüber hinaus allgemein zugängliche Literatur heranziehen (vgl. [X.], Beschluss vom 20. Dezember 1995 - 3 StR 245/95, [X.]St 42, 1, 3 ff.; Urteil vom 9. Oktober 1996 - 3 StR 220/96, [X.]St 42, 255, 262 ff.).

c) Nach den dargelegten rechtlichen Maßstäben ist der Senat auf der Grundlage des Gutachtens und weiterführender Literatur (insb. Auwärter/[X.] u.a., Rechtsmedizin 2012, 259; [X.]/[X.] u.a., [X.] 2019, 5 und 2021, 3; [X.], [X.], 8. Aufl.; [X.]/[X.]/[X.], Rechtsmedizin 2014, 291) in der Lage, den jeweiligen Grenzwert der nicht geringen Menge für die in Rede stehenden Betäubungsmittel festzulegen. Soweit die Substanzen eine anderen Wirkstoffen ähnliche Molekülstruktur aufweisen, ist eine vergleichende Betrachtung möglich. Falls zu den Betäubungsmitteln experimentell ermittelte pharmakologisch-toxikologische Daten vorliegen, zieht der Senat bei dem Vergleich diese Erkenntnisse heran. In wissenschaftlichen Abhandlungen aufbereitete Angaben von Abnehmern - etwa zu [X.] und zur Rauschintensität - werden ebenfalls vielfach der Bestimmung der nicht geringen Menge zugrunde gelegt. Im Einzelnen:

aa) [X.], 4-MEC und [X.], die durch die 26. [X.] vom 20. Juli 2012 als verkehrs-, aber nicht verschreibungsfähige Betäubungsmittel ebenso der Anlage II zu § 1 Abs. 1 BtMG unterstellt wurden wie α-PVP und [X.] durch die 27. [X.] vom 9. Juli 2013, gehören der Gruppe der synthetischen Cathinone an. Zu dieser gehören auch die als nicht verkehrsfähige Betäubungsmittel der Anlage I zugewiesenen Wirkstoffe Pentylon (28. [X.] vom 5. Dezember 2014) und [X.] (30. [X.] vom 11. November 2015).

(1) Nachdem es in [X.] bereits in den 1980er und 1990er Jahren zu einem Missbrauch vollsynthetisch hergestellten Cathins und hiervon abgeleiteter Verbindungen wie [X.] ([X.]) gekommen war, gelangte Anfang dieses Jahrhunderts die umfangreiche Wirkstoffgruppe der synthetischen Cathinone auf den illegalen Markt. Verbreitung fand sie, häufig in Kombination mit anderen psychotropen Stoffen, unter anderem in "Legal [X.], die als "recreational drugs" über das [X.] vertrieben wurden. Sie wurden teilweise als das "Ecstasy des 21. Jahrhunderts" beworben und unter Bezeichnungen wie "Badesalz" oder "Glasreiniger", aber auch als "Chemikalien für wissenschaftliche Zwecke" angepriesen.

(2) Die Wirkstoffe sind von der Grundstruktur des [X.] abgeleitet, der primären psychoaktiven Substanz in den Blättern des Kathstrauchs, die in Teilen [X.] und der [X.] als Rauschmittel Bedeutung haben. Dieser Gruppe gehören an

– die Methylendioxymethcathinone

[X.] ([X.], [X.]) - chemische Bezeichnung: 1-(Benzo[[X.])propan-1-on - und

Pentylon (bk-MBDP) - chemische Bezeichnung: [X.])[X.] -,

– das Ethcathinon

4-MEC (4-Methylethcathinon) - chemische Bezeichnung: 2-(Ethylamino)-1-(4-methylphenyl)propan-1-on - sowie

– die Methcathinone

[X.] - chemische Bezeichnung: 2-(Methylamino)-1-phenylbutan-1-on - und

[X.] (4-CMC) - chemische Bezeichnung: 1-(4-Chlorphenyl)-2-(methylamino)propan-1-on.

Wird in [X.]trukturen ein heterozyklischer Pyrrolidinoring anstelle des primären oder sekundären Amins eingefügt, führt dies zur Gruppe der [X.], der

– 3,4-Methylendioxypyrovaleron ([X.]) - chemische Bezeichnung: 1-(Benzo[[X.])[X.] - und

– α-Pyrrolidinovalerophenon (α-PVP) - chemische Bezeichnung: 1-Phenyl-2-(pyrrolidin-1-yl)[X.] -

entstammen.

(3) In Reinform liegen synthetische Cathinone meist als weißes oder braunes, amorphes oder kristallines Pulver vor, das nasal aufgenommen ("gesnifft"), pur geschluckt ("bombing") oder einem Getränk zugegeben wird. Anfangs wurden sie auch in Tabletten- oder Kapselform als "Ecstasy" oder dessen Substitut angeboten; mittlerweile werden sie als eigenständige Gruppe von [X.] mit amfetaminähnlicher Wirkungskomponente konsumiert. Teilweise werden "Badesalz"-Kristalle auch aufgelöst und intravenös gespritzt. Zur inhalativen Aufnahme durch Rauchen sind sie dagegen kaum geeignet.

Synthetische Cathinone werden rasch resorbiert. Der Rausch erreicht bei oraler Einnahme sein Maximum nach eineinhalb Stunden und hält je nach Substanz zwischen zwei und acht Stunden an. Die Wirkstoffe greifen in das limbische System ein, einen Teil des [X.], der eine zentrale Bedeutung für die emotionale Bewertung von Erlebnis- und Gedächtnisinhalten sowie für die affektive Beeinflussung des Verhaltens hat.

Anwender berichten über Euphorie, [X.], [X.], [X.], Stimmungsaufhellung, verringerte Feindseligkeit, klares Denken, sexuelle Stimulation und verstärkte Musikwahrnehmung. Unerwünschte Effekte sind Tachykardie, arterielle Hypertonie sowie Halluzinationen und Agitation. [X.] Symptome bestehen oft aus Verfolgungswahn mit akustischen und visuellen Halluzinationen. Diese können bis zu vier Wochen andauern und verlaufen schwerer als etwa bei [X.]. Die Intoxikation kann sich durch sympathomimetische Symptome, Delir oder als Serotoninsyndrom manifestieren. Patienten fallen durch Aggressivität, psychotische Symptome, Hyperthermie bis 41,5°C und/oder arterielle Hypertonie auf. Eine metabolische Azidose und erhöhte Kreatinkinase sowie eine Muskelschädigung bis hin zur Rhabdomyolyse können sich entwickeln. In schwersten Fällen kommt es zur [X.] intravasalen Gerinnung und zum Multiorganversagen mit letalem Verlauf.

(4) Die Grenzwerte der nicht geringen Menge für [X.] und α-PVP sind mit jeweils 5 g, für Pentylon und [X.] mit jeweils 15 g, für 4-MEC und [X.] mit jeweils 25 g und für [X.] mit 30 g festzusetzen.

(a) Allerdings sind die Wirkungsintensitäten der synthetischen Cathinone trotz ihrer strukturellen Ähnlichkeiten vielfältig. Die Grenzwerte der nicht geringen [X.] können mangels pharmakologischer Erkenntnisse nicht aus äußerst gefährlichen bzw. Letaldosen beim Menschen abgeleitet werden.

Heranzuziehen sind vielmehr die Angaben von [X.]enten zu den für ein Rauscherlebnis erforderlichen [X.] und zur Rauschintensität sowie Informationen über schwere Intoxikationen und Todesfälle infolge des [X.]s, da hieraus auf die Potenz der Substanzen geschlossen werden kann. Überdies sind - soweit vorhanden - experimentell ermittelte pharmakologisch-toxikologische Daten zur biologischen Wirkung zu berücksichtigen.

(b) Die Grenzwerte von 15 g für Pentylon und [X.] ergeben sich vor diesem Hintergrund aus einem Vergleich mit [X.], einem weiteren synthetischen Cathinon, dessen Grenzwert bereits auf 15 g festgesetzt worden ist (vgl. [X.], Beschluss vom 13. Oktober 2016 - 1 StR 366/16, [X.]R BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Menge 23 Rn. 8).

Zu allen drei Stoffen werden nämlich ähnliche mittlere [X.] berichtet ([X.]: 8 bis 15 mg; Pentylon: 20 bis 40 mg; [X.]: 30 bis 50 mg). Auch pharmakodynamische Erkenntnisse stützen diese Festsetzung; insbesondere binden alle drei Substanzen mit ähnlicher Affinität an den [X.] und den [X.]. Dass bisher lediglich im Zusammenhang mit [X.] einige Vergiftungen und Todesfälle bekannt wurden, steht dem nicht entgegen.

(c) Die deutlich höhere dopaminerge Wirkungsintensität von [X.] und α-PVP rechtfertigt es bereits, deren Grenzwert auf niedrigere 5 g festzusetzen. Zwar wird - bei insgesamt breiterer Streuung - nur teilweise von geringeren mittleren [X.] berichtet ([X.]: 5 bis 20 mg; α-PVP: 5 bis 25 mg). Allerdings wurden viele Vergiftungen und Todesfälle in Zusammenhang mit dem [X.] dieser Betäubungsmittel gebracht, was ihre höhere Potenz - verglichen mit [X.], Pentylon oder [X.] - unterstreicht.

(d) Die Grenzwerte für [X.] und 4-MEC belaufen sich schließlich auf 25 g und derjenige für [X.] auf 30 g, da die mittlere [X.]menge bei diesen Stoffen (deutlich) höher liegt.

[X.]) 4-Fluoramfetamin (4-FA), durch die 26. [X.] vom 20. Juli 2012 als nicht verkehrsfähiges Betäubungsmittel der Anlage I zu § 1 Abs. 1 BtMG unterstellt, und [X.], durch die 27. [X.] vom 9. Juli 2013 als verkehrs-, aber nicht verschreibungsfähiges Betäubungsmittel der Anlage II zu § 1 Abs. 1 BtMG zugewiesen, gehören zur Gruppe der psychostimulierenden Phenethylamine, deren wichtigster Vertreter das Amfetamin ist.

(1) 4-Fluoramfetamin (4-FA) - chemische Bezeichnung: ([X.])[X.] - weist bei sonst gleicher Strukturformel wie Amfetamin ein zusätzliches Fluoratom am [X.] auf. Dieses für alle Substanzen der Gruppe der [X.] typische Atom erhöht deren Fähigkeit, die Blut-Hirn-Schranke zu passieren. Wie die übrigen nicht-therapeutischen [X.] erlangte 4-Fluoramfetamin einen Stellenwert erst mit zunehmendem Vertrieb über das [X.] ab Beginn dieses Jahrhunderts.

[X.] - chemische Bezeichnung: [X.])[X.] in [X.] 2012 auf den illegalen Markt und gehört zu den [X.]. Es handelt sich dabei um ein Homolog des Methylphenidat, welches als Arzneistoff gegen ADHS genutzt wird. [X.] selbst wird demgegenüber nicht therapeutisch verwendet.

(2) Die amfetaminartigen Substanzen greifen, vergleichbar den Cathinonen, in das limbische System ein. Teilweise verursachen sie eine gesteigerte Freisetzung von Catecholaminen, teilweise hemmen sie deren Wiederaufnahme, teilweise wirken sie auf beide Arten. In jedem Fall regen sie den sympathischen Teil des autonomen Nervensystems an, dessen Aufgabe es ist, die Fähigkeit zur Arbeitsleistung und zur Auseinandersetzung mit der Umwelt zu erhöhen, indem Herz, Kreislauf und Atmung aktiviert werden sowie Glykogen mobilisiert wird, wohingegen es die Tätigkeiten des Magen-Darm-Trakts vermindert.

Infolgedessen fühlen sich die [X.]enten überwach, leistungsstark und selbstsicher; sie können über viele Stunden arbeiten oder feiern und tanzen, ohne zu ermüden. Regelmäßig sind sie euphorisiert, manchmal aber auch gereizt und im Verhalten expansiv, so dass es zu aggressiven Entgleisungen kommt. Überdies führen die Substanzen zu einem subjektiven Erleben der Zeitverkürzung (Zeitraffergefühl) und haben eine appetithemmende Wirkung.

Als Komplikationen treten auch bei üblichen Dosierungen atypische oder psychotische Rauschverläufe mit ängstlichem Misstrauen, Agitiertheit, Missempfindungen an der Haut ("Wanzen") und [X.] bzw. [X.] ("speed paranoia") auf; diese Folgen halten entsprechend der pharmakologischen Wirkdauer der jeweiligen Substanz über mehrere Stunden an. Kommt es zu amfetamininduzierten Psychosen, so dauern diese über mehrere Tage bis Wochen und gehen damit deutlich über die pharmakologische Wirkung der Stoffe hinaus; sie ähneln phänomenologisch einer [X.] Schizophrenie mit Verfolgungswahn.

(3) Letale Dosen sind weder bei 4-Fluoramfetamin noch bei [X.] hinreichend gesichert bekannt. Werden diese Substanzen allerdings mit Amfetamin verglichen, bei dem der Grenzwert der nicht geringen Menge 10 g beträgt (vgl. [X.], Urteil vom 11. April 1985 - 1 [X.], [X.]St 33, 169), so ist derjenige von [X.] mit 15 g und derjenige von 4-Fluoramfetamin mit 20 g festzulegen.

(a) [X.] gleicht von seiner Wirkungsstärke nach [X.]entenangaben dem Methylphenidat. Dieses wiederum ist in etwa so [X.] wie [X.], das linksdrehende Stereoisomer des Amfetamins, und schwächer als das rechtsdrehende Dexamfetamin.

Da die beiden Enantiomere zu gleichen Teilen in handelsüblichem Amfetamin enthalten sind und Dexamfetamin doppelt so wirksam wie [X.] ist, ist Dexamfetamin rechnerisch um das 1,33-fache wirksamer als Amfetamin, sodass 7,5 g Dexamfetamin die Wirkung von 10 g Amfetamin haben (7,5 g = 10 g / 1,33). Dieselbe Wirkung haben dann 15 g [X.] ebenso wie 15 g Methylphenidat und 15 g [X.], woraus sich der Grenzwert für die letztgenannte Substanz ergibt.

(b) Die nicht geringe Menge bei 4-Fluoramfetamin ist mit 20 g die zweifache derjenigen von Amfetamin, weil bei diesem von mittleren Rauschdosierungen zwischen 15 und 65 mg berichtet wird, während die Dosen bei 4-Fluoramfetamin mit 50 bis 130 mg etwa doppelt so hoch sind.

cc) [X.], [X.] und [X.] sind synthetische Cannabinoide, die als verkehrs-, aber nicht verschreibungsfähige Betäubungsmittel der Anlage II zu § 1 Abs. 1 BtMG unterstellt wurden, [X.] sowie [X.] durch die 26. [X.] vom 20. Juli 2012 und [X.] durch die 27. [X.] vom 9. Juli 2013.

(1) Seit etwa 2005 erschienen "[X.]" vollsynthetische Cannabinoide als "Legal High"-Produkte auf dem Markt. Angeboten wurden unter der Bezeichnung "[X.]" ([X.] "Gewürz") teeartige "herbal blends" bzw. "Kräutermischungen" in [X.]-Onlineshops sowie offline in "[X.] shops". [X.] wurde, dass es sich um getrocknete und aromatisierte Pflanzen und Kräuter zu "[X.]" handele; tatsächlich erwarben Abnehmer sie gezielt als [X.] und konsumierten sie ihrer Rauschwirkung wegen. Charakteristisch ist die ungleichmäßige Verteilung der synthetischen Cannabinoide innerhalb der pflanzlichen Trägermasse. Auch die Wirkstoffkonzentration ist großen Schwankungen unterworfen. Anfänglich war der in den "Kräutermischungen" enthaltene Hauptwirkstoff regelmäßig CP47,497-C8, das eine strukturelle Ähnlichkeit mit dem Cannabiswirkstoff Δ9-THC (im Folgenden: THC) aufweist. Nachdem dieser und andere Wirkstoffe der "[X.]"-Produkte erster Generation dem [X.] unterstellt worden waren, fanden sich in späteren Generationen immer neue Substanzen. Bedeutsam sind insbesondere drei Gruppen von Aminoalkylindolen: die [X.], die [X.] und die [X.].

(2) Wirkstoffe aus der Gruppe der [X.], die keine strukturelle Ähnlichkeit mit dem THC mehr aufweisen, sind

– [X.] - chemische Bezeichnung: [1-(5-Fluorphentyl)-1H-indol-3-yl](naphtalin-1-yl)[X.] -,

– [X.] - chemische Bezeichnung: (4-Methylnaphthalin-1-yl)(1-pentyl-1H-indol-3-yl)[X.] - und

– [X.] - chemische Bezeichnung: (4-Ethylnaphtalin-1-yl)(1-pentyl-1H-indol-3-yl)[X.].

[X.] gehört zu den synthetischen Cannabinoiden aus der [X.], die erstmals von dem Chemiker [X.] an der [X.] in [X.] ([X.]) hergestellt wurden. Bei dieser Substanz sind eine hohe Toleranzentwicklung und eine damit verbundene Dosissteigerung zu beobachten. Bei den [X.] handelt es sich um synthetische Cannabinoide, die [X.] von der [X.] ([X.]) seit 1989 zur medizinischen Behandlung von Schmerz- und Krebspatienten erforschte.

(3) Das in Cannabispflanzen enthaltenen THC entfaltet seine Rauschwirkung über das körpereigene [X.]. Dieses besteht aus körpereigenen Cannabinoiden (sogenannten Endocannabinoiden), Rezeptoren, an die diese binden können (sogenannten [X.]), und Mechanismen zur [X.]. Bisher wurden zwei Typen von [X.] identifiziert: [X.], der in hoher Dichte in Gehirn und Rückenmark vorhanden ist, und [X.], der vor allem in der [X.] und an Zellen des Immunsystems vorkommt. Das [X.] beeinflusst eine große Breite physiologischer Prozesse. Es ist an zahlreichen Vorgängen der Homöostase beteiligt, also der Aufrechterhaltung eines stabilen inneren Milieus im Körper trotz sich verändernder innerer und äußerer Bedingungen, etwa durch Regulierung des Blutdrucks. Werden die das Zentralnervensystem beeinflussenden [X.]-Rezeptoren aktiviert, vermindern diese insbesondere die Ausschüttung mehrerer Neurotransmitter.

Trotz ihrer von THC abweichenden Strukturen wirken [X.], [X.] und [X.] sowie andere [X.] ebenfalls an den [X.]. Dabei binden viele synthetische Cannabinoide - auch die hier in Rede stehenden - im Vergleich zu THC stärker am [X.]-Rezeptor. Da diese sogenannte Bindungsaffinität und die zur Erzeugung einer (Neben-)Wirkung erforderliche Dosis miteinander korrelieren, lässt sich hieraus schließen, dass diese Substanzen potenter wirken als THC.

Wie bei Cannabis treten infolge des [X.]s synthetischer Cannabinoide trockene Schleimhäute sowie grob- und feinmotorische Störungen auf. Hinzu kommen neben Mydriasis mit Bindehautrötungen und vermindertem Tränenfluss eine Veränderung des Appetits und der Thermoregulation sowie Auswirkungen auf das Herz-Kreislauf-System.

Von [X.]enten synthetischer Cannabinoide angestrebte, dem Cannabis vergleichbare Wirkungen sind Entspannung, Euphorisierung und leichte "Bewusstseinserweiterung". Hinzu kommt ein Nachlassen der Konzentration, der Aufmerksamkeit und (gelegentlich) des Schamgefühls. Infolge hoher Dosierungen treten aber auch Nebenwirkungen wie ausgeprägte Depersonalisations-/Derealisationserscheinungen und psychotische Rauschverläufe mit Halluzinationen, Verwirrtheit und wahnhaften Situationsverkennungen auf. Auch wird eine deutliche Ablenkbarkeit, eine Zunahme [X.] Fehler und Einschränkungen von Arbeitsgedächtnis, Merkfähigkeit und Lernleistung beschrieben.

Bei synthetischen Cannabinoiden besteht infolge ihrer - im Vergleich mit THC - größeren Potenz ein höheres Risiko zur Überstimulation und damit einhergehender Nebenwirkungen (s. [X.], Beschluss vom 27. Januar 2022 - 3 StR 155/21, juris Rn. 16). Ihre Rauschwirkung ist deutlich unvorhersehbarer und vielfältiger. Auch traten nach der Einnahme [X.] auf, die bei biogenem Cannabis untypisch sind, namentlich starke Unruhe, Übelkeit, langanhaltendes und heftiges Erbrechen, Bewusstlosigkeit, Herzrhythmusstörungen, Krampfanfälle sowie Kreislaufkollaps.

(4) Der Grenzwert der nicht geringen Menge ist bei [X.] ebenso wie bei [X.] und [X.] auf 1 g festzusetzen.

(a) Trotz der vorerwähnten, teils lebensbedrohlichen [X.]folgen und der Todesfälle, mit denen diese Substanzen bereits in Verbindung gebracht werden konnten, waren eine äußerst gefährliche oder eine Letaldosis für sie bisher ebenfalls nicht sicher zu bestimmen (vgl. [X.], Beschluss vom 27. Januar 2022 - 3 StR 155/21, juris Rn. 12).

(b) Von den hier in Rede stehenden synthetischen Cannabinoiden liegt lediglich bei [X.] eine gerade noch akzeptable Datenlage zur durchschnittlichen [X.]einheit vor, die mit 0,5 bis 1 mg angegeben wird. Vergleicht man diese mit den mittleren [X.] anderer synthetischer Cannabinoide, bei denen die nicht geringe Menge bereits festgesetzt ist, namentlich

– [X.] (mittlere [X.]menge: 2 bis 3 mg, nicht geringe Menge: 2 g; vgl. [X.], Urteil vom 14. Januar 2015 - 1 StR 302/13, [X.]St 60, 134),

– [X.] (mittlere [X.]menge: 5 bis 10 mg, nicht geringe Menge: 6 g; vgl. [X.], Urteil vom 14. Januar 2015 - 1 StR 302/13, [X.]St 60, 134),

– [X.] (mittlere [X.]menge: 0,1 bis 0,5 mg, nicht geringe Menge: 1 g; vgl. [X.], Urteil vom 20. September 2017 - 1 StR 64/17, juris Rn. 39 f.),

– 5F-ADB (mittlere [X.]menge: 0,02 bis 0,2 mg, nicht geringe Menge: 1 g; vgl. [X.], Beschluss vom 27. Januar 2022 - 3 StR 155/21, juris Rn. 7 ff.) sowie

– [X.] (mittlere [X.]menge: 0,12 bis 0,2 mg, nicht geringe Menge: 1 g; vgl. [X.], Beschluss vom 27. Januar 2022 - 3 StR 155/21, juris Rn. 7 ff.),

so rechtfertigt bereits dies die Festsetzung des Grenzwertes auf 1 g.

(c) Die Festsetzungen stehen im Einklang mit experimentell ermittelten pharmakodynamischen Daten. Neben der Dosis und der [X.] wird die Wirkung eines [X.] wesentlich durch dessen Molekülstruktur bedingt. Eine cannabimimetische Wirkung verlangt die kausale Verknüpfung zwischen der Stoffzufuhr und einer Änderung im biologischen System und tritt ein, weil sich die [X.] spezifisch an biochemische Strukturen der Zielzellen - die [X.]- und [X.]-Rezeptoren - binden. Unter der plausiblen Annahme, dass die Bildungen der [X.]-CB-Rezeptor-Komplexe dem Massenwirkungsgesetz gehorchen, stellt die Bindungskonstante [X.] ein Maß für die Affinität eines [X.] zu den beiden [X.] dar: Je größer deren Affinität zu den [X.] ist, umso kleiner sind die [X.]-Werte. Hierbei muss bedacht werden, dass der [X.]-Wert allein in der Regel nur bedingt aussagekräftig ist, da die Affinität zu einem CB-Rezeptor lediglich ein Maß für die Bindungsstärke darstellt und nichts über das tatsächliche Wirkungsprofil des [X.] aussagen kann. Es zeigt sich vielmehr erst in einem objektivierbaren biologischen Effekt. Um die psychoaktive Effektivität eines [X.] zuverlässiger zu bewerten, können daher weitere Deskriptoren wie der [X.] (mittlere effektive Stoffmengenkonzentration eines Agonisten) herangezogen werden. Insgesamt eingeschränkt wird die Aussagekraft derartiger Daten insofern, als Forschungsgruppen zu ihrer Bestimmung in der Regel nicht-normierte Versuchsanordnungen benutzen. Infolgedessen sind nur diejenigen Werte uneingeschränkt miteinander vergleichbar, die unter gleichen Bedingungen gewonnen wurden (vgl. zum Ganzen [X.], Beschluss vom 27. Januar 2022 - 3 StR 155/21, juris Rn. 17 ff.).

Hiernach ist festzustellen, dass die [X.]-Rezeptorbindungsaffinität ([X.]) von [X.] mit 1,0 [X.] (vgl. zu den [X.] hier und im Folgenden: Auwärter/[X.] u.a., Rechtsmedizin 2012, 259, 263; [X.]/[X.] u.a., [X.] 2021, 3, 16) deutlich höher ist als die von [X.] ([X.] = 9 ± 5 [X.]), von [X.] ([X.] = 8,9 ± 1,8 [X.]) oder von THC ([X.] = 40,7 ± 1,7 [X.]), dessen nicht geringe Menge sich auf 7,5 g bemisst (vgl. [X.], Urteil vom 18. Juli 1984 - 3 [X.], [X.]St 33, 8). Überdies ermittelte eine Forschungsgruppe um Banister u.a. für [X.] einen [X.] von 38 [X.], der deutlich unter denen von [X.] ([X.] = 102 [X.]) oder von THC ([X.] = 250 [X.]) liegt.

(5) Im Unterschied zu [X.] fehlen bei [X.] und [X.] zwar wissenschaftlich gesicherte Daten zum [X.]verhalten.

Die Festsetzung des Grenzwertes auf 1 g ist allerdings dadurch gerechtfertigt, dass beide Substanzen eine ähnliche [X.]-Rezeptorbindungsaffinität aufweisen wie [X.] ([X.]: [X.] = 0,69 [X.]; [X.]: [X.] = 0,46 [X.]). Eine Forschungsgruppe um [X.] u.a. ermittelte für diese Stoffe überdies ähnliche [X.]e ([X.]: [X.] = 24,4 [X.]; [X.]: [X.] = 32,9 [X.]; [X.]: [X.] = 20,4 [X.]). Auch die [X.]-Rezeptorbindungsaffinitäten von [X.] und [X.], deren Grenzwerte ebenfalls bei 1 g liegen (vgl. [X.], Urteil vom 20. September 2017 - 1 StR 64/17, juris Rn. 39 f.; Beschluss vom 27. Januar 2022 - 3 StR 155/21, juris Rn. 7 ff.), bewegen sich in ähnlichen Größenordnungen wie die von [X.] und [X.] ([X.]: [X.] zwischen 0,59 bis 1,72 [X.]; [X.]: [X.] = 0,387 [X.]), was die hier getroffene Festsetzung zusätzlich stützt.

dd) [X.] - chemische Bezeichnung: [X.] - gehört zu den 1,4-Benzodiazepinen und wurde durch die 30. [X.] vom 11. November 2015 als verkehrs-, aber nicht verschreibungsfähiges Betäubungsmittel der Anlage II zu § 1 Abs. 1 BtMG unterstellt.

[X.] - chemische Bezeichnung: 4-(2-Chlorphenyl)-2-ethyl-9-methyl-6H-thie-no[3,2-f][1,2,4]triazolo[4,3-1][1,4]diazepin - entstammt demgegenüber der Klasse der Thienodiazepine, die eine ähnliche Molekülstruktur aufweisen wie die 1,4-Benzodiazepine. Jedoch ist bei diesen statt eines Benzolrings ein Thiophenring an den Diazepinring angefügt. [X.] wurde durch die 27. [X.] vom 9. Juli 2013 als verkehrs- und verschreibungsfähiges Betäubungsmittel der Anlage [X.] zu § 1 Abs. 1 BtMG unterstellt.

(1) Ursprünglich wurden nur die vom 1,4-Benzodiazepin-Grundgerüst abgeleiteten Substanzen unter dem Begriff Benzodiazepine zusammengefasst. Aufgrund ihrer Wirkung als Agonisten der Benzodiazepinbindungsstelle des [X.] hat sich diese Bezeichnung in den pharmakologischen Lehrbüchern später allerdings für die ganze pharmakologische Substanzgruppe durchgesetzt, zu der unter anderem auch die 1,4-Thienodiazepine gehören.

(2) Substanzen aus der Gruppe der Benzodiazepine werden verbreitet als zugelassene Arzneimittel mit medizinischer Indikation eingesetzt. Sie bilden die wichtigste Wirkstoffgruppe der sogenannten Tranquilizer.

Benzodiazepine und analoge Verbindungen, also auch [X.] und [X.], wirken an den [X.], die im gesamten Zentralnervensystem vorhanden sind. Sie steigern die Bindungsfähigkeit [X.] (Gamma-Aminobuttersäure) zu ihren Rezeptoren, wodurch sie deren Wirkung verstärken mit der Folge einer verminderten Erregbarkeit der Neuronen.

Benzodiazepine wirken beruhigend, schlaffördernd bis schlaferzwingend, angstlösend, muskelentspannend und teilweise auch krampflösend. Infolge von Überdosierungen kommt es zu Sprach-, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen sowie Benommenheit und Apathie, aber auch Enthemmung. Intoxikationen können durch unangemessenes sexuelles oder aggressives Verhalten, Stimmungslabilität, ein beeinträchtigtes Urteilsvermögen oder eine eingeschränkte [X.] oder berufliche Funktionsfähigkeit gekennzeichnet sein.

Als Medikament sollen Benzodiazepine regelmäßig nicht länger als vier Wochen, höchstens aber acht Wochen verordnet werden, da ein Dauerkonsum Gewöhnungserscheinungen zur Folge hat. Schon nach ca. vier Wochen stellt sich aufgrund gegenregulatorischer Mechanismen häufig ein Wirkungsverlust ein, der unter anderem die beruhigenden und psychomotorischen Benzodiazepineffekte betrifft; gegebenenfalls ist auch die angstlösende Wirkung nicht mehr gegeben. Gereiztheit und Schlafstörungen stellen sich nach und nach ein. Depressionen können verstärkt werden.

(3) Der Grenzwert der nicht geringen Menge von [X.] ist auf 240 mg und derjenige von [X.] auf 600 mg festzusetzen.

(a) Bei der Festlegung der Grenzwerte der nicht geringen [X.] von [X.] und Flubromazepan kann ebenso wenig auf gesicherte Erkenntnisse zu einer äußerst gefährlichen oder gar tödlichen Dosis zurückgegriffen werden, schon wegen der relativ geringen Toxizität von Benzodiazepinen (vgl. [X.], Urteil vom 2. November 2010 - 1 [X.], [X.]St 56, 52 Rn. 35).

(b) Obwohl Benzodiazepine eine gewisse euphorisierende Wirkung haben, bleibt bei ihnen ein typischer Rauschzustand aus, wie er zum Beispiel mit dem [X.] von sogenannten harten Drogen wie etwa Heroin einhergeht. Wegen dieser Besonderheit kann die für die Bestimmung der nicht geringen Menge erforderliche [X.]einheit auch nicht anhand der adäquaten Dosis zur Erzielung einer stofftypischen Rauschwirkung ermittelt werden (vgl. [X.], Urteile vom 24. April 2007 - 1 StR 52/07, [X.]St 51, 318 Rn. 14 f.; vom 2. November 2010 - 1 [X.], [X.]St 56, 52 Rn. 36).

(c) Zur Grenzwertfestlegung ist bei Benzodiazepinen vielmehr - in einem ersten Schritt - der regelmäßige Tagesbedarf eines durchschnittlichen [X.]enten in den Blick zu nehmen (vgl. [X.], Urteil vom 2. November 2010 - 1 [X.], [X.]St 56, 52 Rn. 36).

Um die Gefahr der Abhängigkeit zu verringern, dürfen Benzodiazepine - wie ausgeführt - nicht länger als acht Wochen eingenommen werden. Wird dieser Zeitraum überschritten, liegt die Gefahr eines Missbrauchs nahe. Dieser Zeitraum ist bei der Bestimmung der nicht geringen Menge in den Blick zu nehmen, weshalb sich der Grenzwert errechnet, indem - in einem zweiten Schritt - der regelmäßige Tagesbedarf eines [X.]enten mit der Zahl 60 (für einen acht Wochen sogar noch geringfügig übersteigenden Zeitraum von 60 Tagen) zu multiplizieren ist (vgl. [X.], Urteil vom 2. November 2010 - 1 [X.], [X.]St 56, 52 Rn. 48).

(aa) Im Vergleich mit Diazepam, dessen (noch) üblicher Tagesbedarf 40 mg beträgt (vgl. [X.], Urteil vom 2. November 2010 - 1 [X.], [X.]St 56, 52 Rn. 37), wird [X.] als bis zu zehnfach potenter beschrieben. Hieraus ergibt sich bei [X.] ein (noch) üblicher Tagesbedarf von 4 mg, woraus sich der Grenzwert von 240 mg errechnet (240 mg = 4 mg x 60 Tage). Dass in Ländern, in denen [X.] medizinisch genutzt wird, klinische Dosen 0,5 bis 2 mg, höchstens 3 mg pro Tag betragen, stützt die hier getroffene Festsetzung zusätzlich.

([X.]) Zwar wird [X.] medizinisch nicht eingesetzt, so dass keine Daten zu üblichen klinischen Dosen vorliegen. Doch beschreiben [X.]enten einen normalen Effekt bei [X.] zwischen 3 und 8 mg. Hieraus lässt sich ein (noch) üblicher Tagesbedarf von 10 mg [X.] ableiten, woraus sich der Grenzwert von 600 mg errechnet (600 mg = 10 mg x 60 Tage).

Berg     

      

[X.]     

      

Paul   

      

Erbguth     

      

[X.]     

      

Meta

3 StR 136/21

08.03.2022

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Kleve, 2. Dezember 2020, Az: 120 KLs 9/20

§ 1 Abs 1 Anl 1 BtMG, § 1 Abs 1 Anl 2 BtMG, § 30a Abs 1 BtMG, § 261 StPO, § 267 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.03.2022, Az. 3 StR 136/21 (REWIS RS 2022, 836)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 836

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