Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 26.07.2018, Az. 8 B 41/17

8. Senat | REWIS RS 2018, 5416

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Gegenstand

Begrenzung der EEG-Umlage; Begriff des produzierendes Gewerbes


Gründe

1

Die Klägerin, die Kunststoffabfälle zu Recyclaten (P[X.]T-Flakes) verarbeitet, begehrt eine [X.]egrenzung der [X.]-Umlage für das [X.] nach der [X.]esonderen Ausgleichsregelung des Gesetzes für den Vorrang [X.]rneuerbarer [X.]nergien ([X.] - [X.] 2012).

2

Das [X.] (nachfolgend: [X.]) lehnte den Antrag der Rechtsvorgängerin der Klägerin, die ebenfalls Kunststoffabfälle zu Recyclaten (P[X.]T-Flakes) verarbeitet hatte, auf [X.]egrenzung der [X.]-Umlage für das [X.] ab. Das Unternehmen sei nicht dem produzierenden Gewerbe zuzurechnen. Nach § 3 Nr. 14 [X.] 2012 seien Unternehmen des produzierenden Gewerbes nur solche, die an der zu begünstigenden Abnahmestelle dem [X.]ergbau, der Gewinnung von Steinen und [X.]rden oder dem verarbeitenden Gewerbe in entsprechender Anwendung der Abschnitte [X.] und [X.] der Klassifikation der Wirtschaftszweige des Statistischen [X.]es, Ausgabe 2008 ([X.] 2008), zuzuordnen seien. Die Tätigkeit an der beantragten Abnahmestelle falle nicht hierunter, sondern unter Abschnitt [X.], [X.]ranchennummer 38.32 der [X.] 2008. Widerspruch und Klage blieben erfolglos. Die [X.]erufung der Klägerin hat der Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.

3

Die auf die grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sowie auf Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte [X.]eschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision hat keinen [X.]rfolg.

4

1. Die von der Klägerin behaupteten Verfahrensmängel liegen nicht vor.

5

a) Der Verwaltungsgerichtshof hat die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht verletzt. Das Vorbringen der Klägerin, das [X.]erufungsgericht habe es [X.] unterlassen, dem in der mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten [X.]eweisantrag zu folgen und mittels Sachverständigengutachtens aufzuklären, ob am [X.]nde des Produktionsprozesses der Klägerin die Herstellung von Waren und nicht die Herstellung von Sekundärrohstoffen stehe, führt nicht auf einen Aufklärungsmangel. Nach der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des [X.]erufungsgerichts kam es auf die unter [X.]eweis gestellte Tatsache nicht an. [X.]s ordnete die Verarbeitung von Kunststoffabfällen zu P[X.]T-Flakes als einen Fall der Verarbeitung von Kunststoffabfällen zu Granulaten im Sinne der Ziffer 38.32.0 des Abschnitts [X.] der [X.] 2008 ein und subsumierte sie deshalb unter den [X.]egriff der Materialrückgewinnung, die nach der [X.] 2008, [X.], nicht als Herstellung von Waren "gelte". [X.]s stellte also entscheidungstragend nicht auf die Warenqualität des [X.] an sich, sondern auf eine der [X.] 2008 entnommene Fiktion ab.

6

[X.]in Aufklärungsmangel ist auch nicht mit dem Vortrag dargetan, das [X.]erufungsgericht habe die Tätigkeit der Klägerin nicht aufgrund eigener Sachkunde der Ziffer 38.32.0 zuordnen dürfen. Stützt sich das Gericht auf eigene Sachkunde, verletzt es seine Aufklärungspflicht nur dann, wenn es eine ihm unmöglich zur Verfügung stehende Sachkunde in Anspruch nimmt oder sich in einer Frage für sachkundig hält, in der seine Sachkunde ernstlich zweifelhaft ist, ohne darzulegen, dass ihm das erforderliche Wissen in genügendem Maße zur Verfügung steht, oder wenn die [X.]ntscheidungsgründe sonst auf eine mangelnde Sachkunde schließen lassen (stRspr, vgl. [X.]VerwG, [X.]eschluss vom 11. Juli 2013 - 3 [X.] 64.12 - juris Rn. 8 m.w.N.).

7

Keine dieser Voraussetzungen liegt hier vor. Angesichts der detaillierten, durch [X.]rläuterungen und anschauliche [X.]eispiele ergänzten Auflistung einschlägiger Tätigkeiten in der [X.] 2008 durfte die Vorinstanz davon ausgehen, den von der Klägerin umschriebenen Verarbeitungsprozess auch ohne sachverständige Hilfe zutreffend einordnen zu können. [X.]s hat nachvollziehbar darauf abgestellt, dass die Unterklasse 38.32.0 des Abschnitts [X.] die Verarbeitung von metallischen und nichtmetallischen Altmaterialien, Reststoffen und [X.]rzeugnissen zu Sekundärrohstoffen umfasse und auf das dort erwähnte [X.]eispiel der "Verarbeitung (Reinigen, Schmelzen, Mahlen) von Kunststoff- und Gummiabfällen zu Granulaten" ([X.] 2008 [X.]) verwiesen. Auf den Zeitpunkt, zu dem die [X.] im Verarbeitungsprozess entfiel, kam es nach der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung der Vorinstanz ebenso wenig an wie auf die weitere Verwendbarkeit des [X.] und dessen Warenqualität, die das [X.]erufungsgericht bereits aus rechtlichen Gründen verneinte (vgl. oben Rn. 5). Der [X.]inwand, es habe die in der Klassifikation der Wirtschaftszweige 2008 verwendeten [X.]egriffe unzutreffend ausgelegt und den streitgegenständlichen Sachverhalt hierunter fehlerhaft subsumiert, wendet sich allein gegen die materiell-rechtliche Würdigung des [X.]erufungsgerichts, ohne einen Verfahrensmangel darzulegen.

8

b) Die Ablehnung des bedingt gestellten [X.]eweisantrags durch den Verwaltungsgerichtshof verletzt die Klägerin auch nicht in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO). Art. 103 Abs. 1 GG schützt nicht davor, dass ein Gericht Vorbringen von [X.]eteiligten nicht folgt oder ihm aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts nicht nachgeht ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 18. April 2018 - 3 A 7.17 - juris Rn. 7). Durfte das [X.]erufungsgericht - wie dargelegt - die Zuordnung der Tätigkeit der Klägerin zu einem Wirtschaftszweig aufgrund eigener [X.]eurteilung unter Verzicht auf [X.]inholung eines Sachverständigengutachtens vornehmen, bestand auch kein Anlass, dem [X.]eweisantrag der Klägerin zu folgen.

9

[X.]ntgegen der Auffassung der Klägerin hat das [X.]erufungsgericht die Annahme, bei den an der Abnahmestelle hergestellten Produkten handele es sich um Sekundärrohstoffe und nicht um Waren, auch nicht als wahr unterstellt. Vielmehr ist es in Anwendung des § 3 Nr. 14 [X.] 2012 i.V.m. der Klassifikation der Wirtschaftszweige 2008 aufgrund eigener [X.]eurteilung der Unternehmenstätigkeit der Klägerin zu diesem [X.]rgebnis gelangt. Dass es damit die Tätigkeit anders beurteilt hat als die Klägerin selbst, begründet keine Verletzung des Gebots, rechtliches Gehör zu gewähren.

2. Der Rechtssache kommt die von der Klägerin geltend gemachte grundsätzliche [X.]edeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht zu.

Die von der Klägerin aufgeworfene Frage,

ob der [X.]eklagten bei der [X.]ntscheidung über die [X.]inordnung einer Tätigkeit an einer Abnahmestelle unter den [X.]egriff des produzierenden Gewerbes im Sinne von §§ 40 ff. i.V.m. § 3 Nr. 14 [X.] 2012 (bzw. bei [X.]estimmung der [X.]ranchenzugehörigkeit im Sinne von § 64 i.V.m. Anlage 4 [X.] 2017) ein über den Wortlaut der jeweiligen [X.] 2008-Ziffer hinausgehendes, eigenständiges Prüfungs- und [X.]ntscheidungsrecht zusteht, so dass die [X.]eklagte die Zuordnung zu einer der Ziffern der [X.] 2008 (bzw. der Anlage 4 des [X.] 2017) auch nach wertenden Kriterien unter [X.]erücksichtigung von Sinn und Zweck der [X.]egrenzungsregelung treffen kann,

bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, da sich ihre [X.]eantwortung ohne Weiteres aus dem Gesetz ergibt. Nach § 40 Satz 1 [X.] 2012 begrenzt das [X.] auf Antrag für eine Abnahmestelle die [X.]-Umlage, die von [X.]lektrizitätsversorgungsunternehmen an Letztverbraucher, die stromintensive Unternehmen des produzierenden Gewerbes mit hohem Stromverbrauch oder Schienenbahnen sind, weitergegeben wird, gemäß §§ 41 und 42 [X.] 2012. Das [X.] entscheidet in eigener Zuständigkeit über die [X.]egrenzung der [X.]-Umlage und damit über das Vorliegen der Voraussetzungen für eine [X.]egrenzung (vgl. [X.]T-Drs. 17/6071 [X.]). Zu den [X.]egrenzungsvoraussetzungen gehört nach § 40 i.V.m. § 41 [X.] 2012 auch, dass es sich bei der Abnahmestelle um ein Unternehmen des produzierenden Gewerbes im Sinne der oben (Rn. 2) zitierten Legaldefinition des § 3 Nr. 14 [X.] 2012 handelt. Die Regelungen des [X.] 2012 verpflichten das [X.] weder dazu, die [X.]instufung einer Abnahmestelle in die Klassifikation der Wirtschaftszweige in Abstimmung mit anderen [X.]ehörden (etwa den [X.]) vorzunehmen, noch sehen sie einen [X.]eurteilungsspielraum des [X.]s bei der Auslegung des [X.]egriffs des produzierenden Gewerbes vor.

Anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht daraus, dass § 3 Nr. 14 [X.] 2012 eine nur "entsprechende Anwendung" der Abschnitte [X.] und [X.] der [X.] 2008 vorsieht. Durch die gesetzliche [X.]ezugnahme auf die Abschnitte [X.] und [X.] der [X.] 2008 werden diese in das [X.] 2012 inkorporiert. Das [X.] hat daher bei seiner [X.]eurteilung einer Unternehmenstätigkeit die Klassifikation der Wirtschaftszweige 2008 zugrunde zu legen und sich bei der Rechtsanwendung an den üblichen Methoden der Gesetzesauslegung zu orientieren. Davon ist auch das [X.]erufungsgericht zutreffend ausgegangen ([X.] f.). Für die von der Klägerin angesprochene, darüber hinausgehende "Loslösung" von der durch § 3 Nr. 14 [X.] 2012 einbezogenen Klassifikation der Wirtschaftszweige 2008 lässt das Gesetz keinen Raum.

Das Vorbringen der Klägerin, nach dem Regelungszweck des [X.] 2012 habe ihre Tätigkeit nicht anders behandelt werden dürfen als die Herstellung von P[X.]T-Flakes aus [X.], wendet sich gegen die Auslegung der gesetzlichen [X.]estimmungen und die berufungsgerichtliche Anwendung des Art. 3 Abs. 1 GG im konkreten Fall, ohne hierzu rechtsgrundsätzliche Fragen aufzuwerfen.

Dass die Vorinstanz in einem Verfahren, das die Anwendbarkeit des § 3 Nr. 14 [X.] 2012 auf die Gewinnung von Sekundärbrennstoffen aus Abfällen betrifft, die grundsätzliche [X.]edeutung der Sache wegen Schwierigkeiten der [X.]inordnung in die [X.] 2008 bejaht und die Revision gegen sein in diesem Verfahren ergangenes Urteil zugelassen hat (vgl. nun: [X.]VerwG 8 [X.] 1.18), kann der Grundsatzrüge im vorliegenden Verfahren nicht zum [X.]rfolg verhelfen. An die vorinstanzliche Revisionszulassung ist das [X.]undesverwaltungsgericht nach § 132 Abs. 1 VwGO unabhängig davon gebunden, ob es die vorinstanzliche Annahme eines Zulassungsgrundes teilt. Überdies betrifft die nach Auffassung des [X.]erufungsgerichts rechtsgrundsätzliche Frage im Verfahren [X.]VerwG 8 [X.] 1.18 nicht die hier von der Klägerin für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Frage, sondern die Richtigkeit der vorinstanzlichen Auslegung und Anwendung einer anderen Ziffer (38.21.0) des Abschnitts [X.] der [X.] 2008.

Nach dem Vorstehenden bedarf es schließlich keiner [X.]ntscheidung, ob die grundsätzliche [X.]edeutung der Rechtssache auch deshalb zu verneinen ist, weil es sich bei den in Rede stehenden Vorschriften des [X.] 2012 um ausgelaufenes Recht handelt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

8 B 41/17

26.07.2018

Bundesverwaltungsgericht 8. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Hessischer Verwaltungsgerichtshof, 9. August 2017, Az: 6 A 1908/15, Urteil

Art 103 Abs 1 GG, § 3 Nr 14 EEG 2009, § 41 Abs 1 EEG 2009, § 86 Abs 1 VwGO, § 108 Abs 2 VwGO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 26.07.2018, Az. 8 B 41/17 (REWIS RS 2018, 5416)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 5416

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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