Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.02.2006, Az. XII ZB 215/05

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2006, 4982

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[X.][X.]/05 vom 15. Februar 2006 in der Familiensache Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO §§ 236 Abs. 2 Satz 1 B, [X.] Ist offenkundig oder hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Fristversäumnis auf dem Verstoß einer sonst zuverlässigen Kanzleiangestellten gegen eine all-gemein erteilte [X.] beruht (hier: Herausgabe eines zur Fristwah-rung bestimmten, aber nicht unterschriebenen Schriftsatzes trotz entsprechen-der Kontrollanordnung), bedarf es keiner weiteren Darlegung oder Glaubhaft-machung des der [X.] nicht zuzurechnenden Verschuldens der Angestellten. [X.], Beschluss vom 15. Februar 2006 - [X.] 215/05 - [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 15. Februar 2006 durch die Vorsitzende Richterin [X.] und [X.], [X.], Prof. Dr. Wagenitz und [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird der Be-schluss des 1. Familiensenats des [X.] in [X.] vom 22. August 2005 aufgehoben. Dem Antragsgegner wird gegen die Versäumung der Beschwerde-frist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Rechtsbeschwer-deverfahren wird abgesehen (§ 21 Abs. 1 Satz 1 GKG). [X.]: 1.800 • Gründe: [X.] Das Familiengericht hat durch Verbundurteil, das dem Antragsgegner am 24. Mai 2005 zugestellt wurde, die Ehe der [X.]en geschieden, der Antrag-stellerin die elterliche Sorge für die 1995 geborene gemeinsame Tochter über-tragen und den Umgang des Antragsgegners mit ihr für ein Jahr ausgeschlos-sen. 1 - 3 - Die gegen die [X.] gerichtete [X.] des Antragsgegners, die am 24. Juni 2005 beim Oberlandesge-richt einging, und auch die beigefügte beglaubigte Abschrift dieses Schriftsatzes waren vom Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners nicht unterschrieben worden. 2 3 Auf entsprechenden Hinweis des Gerichts beantragte der Antragsgegner mit am 27. Juni 2005 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Beschwerdefrist und legte die Beschwerde, die er inzwischen mit am gleichen Tag eingegangenem Schriftsatz begründet hatte, erneut ein. Das [X.] wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück und verwarf die Beschwerde als unzulässig. Dagegen richtet sich die Rechtsbe-schwerde des Antragsgegners. 4 I[X.] Die nach §§ 629 a Abs. 2 Satz 1, 621 e Abs. 3 Satz 2, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO (Verwerfung) bzw. §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO (Zurück-weisung des [X.]) statthafte Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (hier: Sicherung einheitlicher Rechtsprechung) zulässig und zugleich begründet, weil dem Antragsgegner durch die Verwerfung die Rechtsmittelinstanz genommen wurde, und zwar zu Unrecht, weil das Be-schwerdegericht die Anforderungen an ein Wiedereinsetzungsgesuch verkannt hat (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Februar 2005 - [X.] 225/04 - FamRZ 2005, 791, 792). 5 - 4 - 1. Das Beschwerdegericht ist der Ansicht, der Antragsgegner habe die eine Wiedereinsetzung rechtfertigenden Umstände, die zur Absendung der nicht unterschriebenen Beschwerdeschrift geführt hätten, nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Zwar habe sein Prozessbevollmächtigter anwaltlich versi-chert, dass für die bisher stets zuverlässigen Angestellten seiner Kanzlei die allgemeine [X.] bestehe, sämtliche ausgehenden Schriftsätze vor der Kuvertierung und Absendung daraufhin zu überprüfen, ob sie mit der [X.] versehen sind. Den für die Fristversäumung ursächlichen Umstand, dass die Büroangestellte [X.] diese Weisung missachtet, das Fehlen der Unterschrift übersehen und die Beschwerdeschrift ohne die erforderliche Unterschrift kuvertiert und den Umschlag verschlossen habe, könne er durch seine eigene anwaltliche Versicherung nicht glaubhaft machen, da er damit nur solche Tatsachen bekräftigen könne, die Gegenstand seiner eigenen [X.] gewesen seien. Deshalb hätte er beispielsweise eine eidesstattliche Versicherung seiner Angestellten vorlegen müssen. Daran fehle es. 6 2. Dem ist aus Rechtsgründen nicht zu folgen. Dem Antragsgegner ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil er ohne Verschulden an der Einhaltung der Beschwerdefrist gehindert war (§ 233 ZPO). 7 a) Grundsätzlich kann Wiedereinsetzung zwar nur gewährt werden, wenn jedes ursächliche (Mit-) Verschulden der [X.] oder ihres Anwalts ausgeräumt wird. Hier liegt indes ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten des [X.] vor, weil er in seiner anwaltlichen Versicherung einräumt, die [X.] sei ihm zusammen mit anderen Schriftsätzen in einer Unter-schriftenmappe vorgelegt worden; er habe ihn aber zu unterschreiben verges-sen. 8 - 5 - b) Ein solches Verschulden steht einer Wiedereinsetzung aber aus-nahmsweise dann nicht entgegen, wenn im Rahmen der Büroorganisation durch eine allgemeine Arbeitsanweisung (hier: Kontrolle der Unterzeichnung ausgehender Schriftsätze vor deren Absendung) Vorsorge dafür getroffen [X.], dass bei normalem Verlauf der Dinge die Frist - trotz des Versehens des Rechtsanwalts - mit Sicherheit gewahrt worden wäre (vgl. Senatsbeschluss vom 12. Dezember 1984 - [X.]/84 - NJW 1985, 1226). 9 Eine solche Anweisung hat der Antragsgegner hier durch anwaltliche Versicherung seines Anwalts hinreichend glaubhaft gemacht, was auch das Beschwerdegericht nicht in Abrede stellt. 10 c) Einer Glaubhaftmachung der im [X.] weiteren Umstände, die für die Fristversäumnis ursächlich waren, bedurfte es entgegen der Auffassung des [X.] nicht. 11 Die Tatsache, dass die Beschwerdeschrift ohne die Unterschrift des Rechtsanwalts hinausging, ist anhand der Akten offenkundig, da sie ohne Un-terschrift beim Beschwerdegericht einging. Eine Glaubhaftmachung erübrigte sich daher. 12 Daraus folgt zugleich zwingend, dass die Beschwerdeschrift unter [X.] gegen die allgemeine [X.] trotz fehlender Unterschrift versandt wurde und somit ein der [X.] nicht nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden einer Kanzleiangestellten vorlag. Insoweit kommt es auch nicht darauf an, dass die Beschwerdeschrift hier nicht zur Post gegeben, sondern dem Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners auf dessen Anweisung zur Einreichung bei Gericht mitgegeben wurde. Denn diese Art der Beförderung konnte für die Fristversäumnis nicht mehr mitursächlich werden, weil sich aus der anwaltlichen Versicherung des Prozessbevollmächtigten des [X.] - 6 - ners auch ergibt, dass ihm die Beschwerdeschrift in einem verschlossenen Um-schlag übergeben wurde. Er durfte sich darauf verlassen, dass seine allgemei-ne [X.] befolgt wurde, und hatte daher keine Veranlassung, den Umschlag zwecks erneuter Kontrolle noch einmal zu öffnen. 14 Unter diesen Umständen kommt es auch nicht darauf an, ob die Kanzlei-angestellte, wie im Wiedereinsetzungsgesuch vorgetragen, das Fehlen der Un-terschrift bei der Kuvertierung übersehen hat, und wie und warum es [X.] dazu gekommen ist. Wiedereinsetzung ist bereits dann zu gewähren, wenn hinreichend glaubhaft gemacht ist, dass die Fristversäumnis nicht auf ei-nem Verschulden der [X.] oder ihres Anwalts, sondern allenfalls auf einem Verschulden des [X.]s beruht. Auf welche Weise und aus welchen Gründen das [X.] gegen eine allgemeine [X.] verstoßen hat, ist irrelevant und bedarf keiner Glaubhaftmachung, solange jedenfalls der geschilderte äußere Geschehensablauf, der zur Versäumung der Frist geführt hat, nachvollzogen werden kann. Denn ein der [X.] zuzurechnendes [X.] wäre im vorliegenden Fall selbst dann nicht gegeben, wenn die Büro-angestellte etwa das Fehlen der Unterschrift bemerkt und bewusst gegen die bestehende [X.] verstoßen hätte. 3. [X.] sind gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht zu erheben, weil sie bei richtiger Entscheidung des [X.] nicht angefallen wären. 15 Über die übrigen Kosten des [X.] - zu denen auch die Kosten der für den Antragsgegner erfolgreichen Rechtsbeschwerde-verfahren gehören - ist erst in der Endentscheidung über die Hauptsache zu 16 - 7 - erkennen (vgl. [X.], Beschluss vom 24. Juli 2000 - [X.] - NJW 2000, 3284, 3286). Hahne [X.] [X.] Wagenitz [X.]
Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 04.05.2005 - 32 F 1222/01 - OLG [X.], Entscheidung vom [X.] - 1 UF 243/05 -

Meta

XII ZB 215/05

15.02.2006

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.02.2006, Az. XII ZB 215/05 (REWIS RS 2006, 4982)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2006, 4982

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