Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 27.03.2014, Az. IX ZR 2/12

9. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 6688

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Gegenstand

Internationale Zuständigkeit für eine Insolvenzanfechtungsklage gegen einen Anfechtungsgegner in einem Drittstaat


Leitsatz

Die Gerichte des Mitgliedstaates, in dessen Gebiet das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, sind auch dann für eine Insolvenzanfechtungsklage gegen einen Anfechtungsgegner zuständig, wenn dieser seinen Wohnsitz nicht im Gebiet eines Mitgliedstaates hat.

Tenor

Auf die Rechtsmittel des Klägers werden das Urteil des 27. Zivilsenats des [X.] vom 3. Mai 2011 und das Urteil der 2. Zivilkammer des [X.] vom 28. Oktober 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren einschließlich des [X.] vor dem [X.], an das [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger ist Verwalter in dem am 4. Mai 2007 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der in [X.] wohnhaften [X.](fortan: Schuldnerin). Die Beklagte, die Stiefmutter der Schuldnerin, ist [X.] Staatsangehörige und lebt in der [X.]. Der Kläger nimmt sie im Wege der Insolvenzanfechtung auf Rückgewähr eines Betrages von 8.015,08 € nebst Zinsen in Anspruch. Die Klage ist in den Vorinstanzen wegen fehlender internationaler Zuständigkeit der [X.] Gerichte als unzulässig abgewiesen worden. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den Anfechtungsanspruch weiter. Der Senat hat gemäß Art. 267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der [X.] zu der Frage eingeholt, ob die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet worden ist, für eine Insolvenzanfechtungsklage gegen einen [X.] zuständig ist, der seinen Wohnsitz oder satzungsmäßigen Sitz nicht im Gebiet eines Mitgliedstaats hat ([X.], Beschluss vom 21. Juni 2012 - [X.], [X.], 1449).

Entscheidungsgründe

2

Über die Revision ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden, weil die Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung im Termin nicht vertreten war. Das Urteil beruht jedoch nicht auf der Säumnis, sondern auf einer sachlichen Prüfung des Antrags (vgl. [X.], Urteil vom 4. April 1962 - [X.], [X.]Z 37, 79, 81).

3

Die Revision führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].

I.

4

Das Berufungsgericht hat die Klage wegen der fehlenden internationalen Zuständigkeit [X.] Gerichte für unzulässig gehalten. Art. 3 EuInsVO sei nicht einschlägig, weil der Wohnsitz der Beklagten nicht in einem Mitgliedstaat liege; es fehle ein hinreichender Bezug zu einem Mitgliedstaat der [X.].

II.

5

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.

6

1. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 EuInsVO sind die Gerichte desjenigen Mitgliedstaates für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zuständig, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat. Diese Bestimmung ist dahingehend auszulegen, dass die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, für eine Insolvenzanfechtungsklage gegen einen [X.] zuständig sind, der seinen Wohnsitz oder satzungsmäßigen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat. Eine Insolvenzanfechtungsklage gehört zu denjenigen Klagen, die unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren hervorgehen und mit ihm in einem engen Zusammenhang stehen; sie fällt deshalb als Annexverfahren ebenfalls in den Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 EuInsVO ([X.], Urteil vom 12. Februar 2009 - [X.]/07, [X.], 199; [X.], Urteil vom 19. Mai 2009 - [X.], [X.], 532 Rn. 6 f; Beschluss vom 21. Juni 2012 - [X.], [X.], 1449 Rn. 3). Davon ist auch das Berufungsgericht ausgegangen.

7

2. Die Beklagte wohnt nicht in einem Mitgliedstaat, sondern in einem Drittstaat, nämlich in [X.]. Gleichwohl sind die [X.] Gerichte für die Insolvenzanfechtungsklage gegen sie zuständig. Auf die Vorlage des Senats gemäß Beschluss vom 21. Juni 2012 (aaO) hat der Gerichtshof der [X.] mit Urteil vom 16. Januar 2014 ([X.]/12, [X.], 134) entschieden, dass Art. 3 Abs. 1 EuInsVO dahin auszulegen ist, dass die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, auch für eine Insolvenzanfechtungsklage gegen einen [X.] zuständig sind, der seinen Wohnsitz nicht im Gebiet eines Mitgliedstaates hat. An dieses Auslegungsergebnis ist der Senat gebunden.

8

3. Örtlich zuständig ist entsprechend § 19a ZPO, § 3 [X.], Art. 102 § 1 EG[X.] das Gericht am Sitz des [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 19. Mai 2009, aaO Rn. 21 ff). Die Überlegungen, welche der Senat hinsichtlich der gegen einen in einem Mitgliedstaat ansässigen [X.] erhobenen Anfechtungsklage angestellt hat, gelten im Fall eines in einem Drittstaat ansässigen [X.]s in gleicher Weise. Die sachliche Zuständigkeit richtet sich nach §§ 23, 71 GVG.

III.

9

Das angefochtene Urteil kann damit keinen Bestand haben. Es wird aufgehoben (§ 562 Abs. 1 ZPO); die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das sachlich und örtlich zuständige [X.] Münster zurückverwiesen (§ 563 Abs. 1 Satz 1, § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO). Dieses wird sich nunmehr mit dem geltend gemachten Anfechtungsanspruch zu befassen haben.

[X.]

              Grupp                          [X.]

Meta

IX ZR 2/12

27.03.2014

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Versäumnisurteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend EuGH, 16. Januar 2014, Az: C-328/12, Urteil

Art 3 Abs 1 EGV 1346/2000, § 3 InsO, Art 102 § 1 EGInsO, § 19a ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 27.03.2014, Az. IX ZR 2/12 (REWIS RS 2014, 6688)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6688

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