Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.03.2014, Az. IX ZR 2/12

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 6685

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

Versäumnisurteil

IX ZR 2/12

Verkündet am:

27. März 2014

Kluckow

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
EUInsVO Art. 3 Abs. 1
Die Gerichte des Mitgliedstaates, in dessen Gebiet das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, sind auch dann für eine Insolvenzanfechtungsklage gegen einen Anfech-tungsgegner zuständig, wenn dieser seinen Wohnsitz nicht im Gebiet eines Mitglied-staates hat.

[X.], Versäumnisurteil vom 27. März 2014 -
IX ZR 2/12 -
OLG Hamm

[X.]

-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
27. März 2014
durch [X.] [X.],
die [X.], [X.] Pape, [X.] und die Richterin Möhring

für Recht erkannt:

Auf die Rechtsmittel des Klägers werden
das Urteil des
27. [X.] des [X.] vom 3. Mai 2011
und das Urteil der 2. Zivilkammer des [X.] vom 28. Okto-ber 2010
aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren einschließlich des
[X.] vor dem Gerichtshof der [X.], an das [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger ist
Verwalter in dem am 4.
Mai
2007
eröffneten Insolvenzver-fahren über das
Vermögen der
in Deutschland wohnhaften
A.

Z.

(fortan: Schuldnerin).
Die
Beklagte, die Stiefmutter der Schuldnerin, ist [X.] Staatsangehörige und lebt
in der [X.]. Der Kläger nimmt sie im Wege der Insolvenzanfechtung auf Rückgewähr eines Betrages von 8.015,08

Zinsen in Anspruch. Die Klage ist in den Vorinstanzen wegen fehlender interna-1
-
3
-
tionaler Zuständigkeit der [X.] Gerichte als unzulässig abgewiesen [X.]. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Klä-ger den Anfechtungsanspruch weiter.
Der Senat hat gemäß Art.
267 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen [X.]
zu der Frage eingeholt, ob die Gerichte des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet das Insolvenz-verfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet worden ist, für eine In-solvenzanfechtungsklage gegen einen [X.] zuständig ist, der seinen Wohnsitz oder satzungsmäßigen Sitz nicht im Gebiet eines Mitglied-staats hat ([X.], Beschluss vom 21.
Juni 2012 -
IX
ZR 2/12, [X.], 1449).

Entscheidungsgründe:

Über die Revision ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden, weil die Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung im Termin nicht vertreten war. Das Urteil beruht jedoch nicht auf der Säumnis, sondern auf einer sachlichen Prü-fung des Antrags (vgl. [X.], Urteil vom 4.
April 1962 -
V
ZR 110/60, [X.]Z 37, 79, 81).

Die Revision führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das [X.].

2
3
-
4
-
I.

Das Berufungsgericht hat die Klage wegen der fehlenden internationalen Zuständigkeit [X.] Gerichte für unzulässig gehalten. Art.
3 EuInsVO sei nicht einschlägig, weil der Wohnsitz der Beklagten nicht in einem Mitgliedstaat liege; es fehle ein hinreichender Bezug zu einem Mitgliedstaat der [X.].

II.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung in einem we-sentlichen Punkt nicht stand.

1. Nach Art.
3 Abs.
1 Satz 1 EuInsVO sind die Gerichte desjenigen Mit-gliedstaates für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zuständig, in dessen
Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat. Diese Bestimmung ist dahingehend auszulegen, dass die Gerichte des [X.], in dessen Gebiet das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, für eine Insolvenzanfechtungsklage gegen einen [X.] zuständig sind, der seinen Wohnsitz oder satzungsmäßigen Sitz in einem anderen Mit-gliedstaat hat. Eine Insolvenzanfechtungsklage gehört zu denjenigen Klagen, die unmittelbar aus dem Insolvenzverfahren hervorgehen und mit ihm in einem engen Zusammenhang stehen; sie fällt deshalb als Annexverfahren ebenfalls in den Anwendungsbereich des Art.
3 Abs.
1 EuInsVO ([X.], Urteil vom 12.
Februar 2009 -
Rs [X.]/07, [X.], 199; [X.], Urteil vom 19.
Mai 2009 -
IX
ZR 39/06, [X.], 532 Rn.
6 f; Beschluss vom 21.
Juni 2012
4
5
6
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5
-
-
IX
ZR 2/12, [X.], 1449 Rn.
3). Davon ist auch das Berufungsgericht aus-gegangen.

2. Die Beklagte wohnt nicht in einem Mitgliedstaat, sondern in einem Drittstaat, nämlich in der [X.]. Gleichwohl sind die [X.] Gerichte für die Insolvenzanfechtungsklage gegen sie zuständig. Auf die Vorlage des Se-nats gemäß Beschluss vom 21.
Juni 2012 (aaO) hat der Gerichtshof der Euro-päischen [X.] mit Urteil vom 16.
Januar 2014 ([X.]/12, [X.], 134) entschieden, dass Art.
3 Abs.
1 EuInsVO dahin auszulegen ist, dass die [X.], in dessen Gebiet das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, auch für eine Insolvenzanfechtungsklage gegen einen [X.] zuständig sind, der seinen Wohnsitz nicht
im Gebiet eines Mitgliedstaates hat. An dieses Auslegungsergebnis ist der Senat gebunden.

3. Örtlich zuständig ist entsprechend §
19a ZPO, §
3 [X.], Art.
102 §
1 EG[X.] das Gericht am Sitz des [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 19.
Mai 2009, aaO
Rn.
21
ff). Die Überlegungen, welche der Senat hinsichtlich der gegen einen in einem Mitgliedstaat ansässigen [X.] erhobe-nen Anfechtungsklage angestellt hat, gelten im Fall eines in einem Drittstaat ansässigen [X.]s in gleicher Weise. Die sachliche Zuständigkeit richtet sich nach §§
23, 71 GVG.

III.

Das angefochtene Urteil kann damit keinen Bestand haben. Es wird [X.] (§
562 Abs.
1 ZPO); die Sache wird zur neuen Verhandlung und Ent-scheidung an das sachlich und örtlich zuständige [X.] Münster zurück-7
8
9
-
6
-
verwiesen (§
563 Abs.
1 Satz 1, §
538 Abs.
2 Nr.
3 ZPO). Dieses wird sich nunmehr mit dem geltend gemachten Anfechtungsanspruch zu befassen ha-ben.

Kayser
Lohmann
Pape

[X.]
Möhring

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 28.10.2010 -
2 O 736/09 -

OLG Hamm, Entscheidung vom 03.05.2011 -
I-27 [X.] -

Meta

IX ZR 2/12

27.03.2014

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.03.2014, Az. IX ZR 2/12 (REWIS RS 2014, 6685)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6685

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