Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.07.2015, Az. III ZR 238/14

III. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 8086

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
III ZR 238/14

Verkündet am:

16. Juli 2015

K i e f e r

Justizangestellter

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja

BGB § 204 Abs. 1 Nr. 3, § 242 [X.]; ZPO § 688 Abs. 2 Nr. 1, § 690 Abs. 1 Nr. 4

a)
Die mit der Zustellung eines Mahnbescheids verbundene [X.] erfasst den Streitgegenstand insgesamt und somit auch alle materiell-rechtlichen Ansprüche, die zum Streitgegenstand gehören. Demgemäß er-streckt sich die [X.] bei hinreichender Individualisierung des gel-tend gemachten prozessualen Anspruchs im [X.] auf alle im Rahmen der Anlageberatung unterlaufenen Beratungsfehler (Fortführung
der Senatsur-teile vom 18. Juni 2015 -
III ZR 303/14 und III
ZR 198/14).

b)
Die §
688 Abs.
2 Nr.
2 ZPO widerstreitende Geltendmachung des "großen" Schadensersatzes, der nur [X.] um [X.] gegen Herausgabe eines erlangten Vorteils zu gewähren ist, stellt, wenn
der Antragsteller entgegen §
690 Abs.
1 Nr.
4 ZPO bewusst falsche Angaben macht, einen Missbrauch des Mahnverfah-rens dar, der es dem Antragsteller nach §
242 BGB grundsätzlich verwehrt, sich auf die Hemmung der Verjährung durch Zustellung des Mahnbescheids zu be-rufen ([X.] an [X.], Urteil vom 23. Juni 2015 -
XI [X.]/14).

[X.], Urteil vom 16. Juli 2015 -
III ZR 238/14 -
[X.]

[X.]
-

2

-

Der III.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. Juli 2015 durch
den Vizepräsidenten [X.] und [X.]
[X.], [X.], [X.] und Dr. Remmert

für Recht erkannt:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des [X.] vom 4. Juni 2014 wird [X.].

Die Kosten des [X.] hat die Klägerin zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte unter dem Vorwurf einer fehlerhaften Kapitalanlageberatung auf Schadensersatz in Anspruch.

Auf Empfehlung des für die Beklagte als Handelsvertreter tätigen W.

R.

zeichnete die Klägerin am 6. September 1996 eine Beteiligung als Kommanditistin an der M.

Fonds Nr. 37 D.

W.

M.

K.

KG (im Folgenden: M.

Fonds Nr. 37), einem geschlossenen Immobilienfonds, mit einer Einlage von 25.000 DM zuzüglich 1.250 DM (= 5 %) Agio. Diese Kapitalanlage finanzierte die Klägerin in Höhe von 20.000 DM durch ein Bankdarlehen.

Mit Anwaltsschreiben vom 4.
November 2011
forderte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung auf, eine Haftungserklärung abzugeben, ohne den geltend gemachten Schaden zu beziffern. In diesem Schreiben heißt es weiter-1
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3

-

hin: "Selbstverständlich überträgt Ihnen unsere Mandantschaft [X.] um [X.] die entsprechenden Beteiligungsrechte."
Die Beklagte wies die Forderungen der Klägerin mit Schreiben vom 12. Dezember 2011 zurück.

Am 21.
Dezember 2011 beantragte die Klägerin durch ihre vorinstanzli-chen Prozessbevollmächtigten den Erlass eines Mahnbescheids über eine For-derung von 16.972,57

wurde der Anspruch mit "Schadensersatz aus Beratungsvertrag, Beteiligung M.

Fonds Nr. 37 vom 06.09.96"
bezeichnet und erklärt, dass der Anspruch von einer Gegenleistung abhänge, diese aber erbracht sei. Der Mahnbescheid wurde antragsgemäß am 11.
Januar 2012 erlassen und der Beklagten am 16.
Januar 2012 zugestellt. Nach Widerspruch der Beklagten und Abgabe der Sache an das Prozessgericht
hat die Klägerin in ihrer Anspruchsbegründung vom 4. Februar 2013 Schadensersatz in Höhe von 15.630,42

[X.] um [X.] gegen Übertragung der Rechte und Pflichten an und aus der streitgegenständlichen Beteiligung, Freistellung von sämtlichen aus ihrer Ge-sellschaftsbeteiligung resultierenden Ansprüchen Dritter, insbesondere bezüg-lich erhaltener Ausschüttungen, sowie Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwalts-kosten begehrt.

Die Klägerin hat geltend gemacht, sie sei in Bezug auf die Sicherheit und Werthaltigkeit der Immobilie, die mangelnde Fungibilität, eine mangelnde Plau-sibilitätsprüfung, das Totalverlustrisiko, die Rechtsform der Kommanditgesell-schaft sowie ein mögliches Wiederaufleben der Haftung gemäß §
172 HGB (Nachhaftung) fehlerhaft beraten worden. Zudem sei weder über die Höhe der Provision von 21
% noch über eine erhaltene Rückvergütung aufgeklärt worden.

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4

-

Die Beklagte ist diesen Vorwürfen entgegengetreten und hat sich auf die Einrede der Verjährung berufen.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die hiergegen eingelegte Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision bleibt in der Sache ohne Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob der Klägerin ein [X.] dem Grunde und der Höhe nach zusteht, weil dem Anspruch jedenfalls die Einrede der Verjährung entgegenstehe. Hierzu hat es im [X.] ausgeführt:

Die geltend gemachten
Schadensersatzansprüche seien mit dem Erwerb der Beteiligung im Jahre 1996 entstanden und hätten zunächst der dreißigjähri-gen Verjährungsfrist des §
195 BGB aF
unterlegen. Gemäß Art.
229 §
6 Abs.
4 Satz
1 EGBGB sei die kenntnisunabhängige zehnjährige Verjährung gemäß §
199 Abs.
3 Satz
1 Nr.
1 BGB, die am 1.
Januar 2002 zu laufen begonnen [X.], mit dem 31.
Dezember 2011 abgelaufen.

Eine Hemmung der Verjährung durch den [X.] sei allenfalls hin-sichtlich der im [X.] vom 4. November 2011 angeführten [X.] eingetreten (bezüglich Totalverlustrisiko, Nachhaftungsrisiko und 6
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Eignung der Anlage als sichere Altersvorsorge), nicht aber hinsichtlich der [X.] mit der Klage geltend gemachten Pflichtverletzungen (betreffend die feh-lende Fungibilität, die mangelnde Plausibilitätsprüfung und Provisionen bzw. Rückvergütungen). Zwar sei der Lebenssachverhalt durch die Bezeichnung des Anspruchs im [X.] hinreichend umrissen worden. Er enthalte aber keine Angaben zu den geltend gemachten
Beratungsfehlern. Nach der Rechtspre-chung des [X.] sei für jeden Beratungsfehler, auf den ein Scha-densersatzanspruch gestützt werde, die Verjährung gesondert zu berechnen. Es handele sich um einen Lebenssachverhalt mit mehreren materiell-recht-lichen Ansprüchen, die jeweils einer eigenständigen Verjährung unterlägen. Da es dem Anleger bei mehreren Beratungsfehlern und Pflichtverletzungen freiste-he, seinen Schadensersatzanspruch entweder auf sämtliche oder nur auf be-stimmte Pflichtverletzungen
zu stützen, müsse er dem Anspruchsgegner zu verstehen geben, auf welche konkrete Pflichtverletzung er seinen Antrag stüt-zen wolle. Hier sei für die Beklagte aus dem vorangegangenen Anspruchs-schreiben vom 4.
November 2011 hinreichend erkennbar gewesen, dass die darin genannten Pflichtverletzungen auch im Mahnverfahren geltend gemacht werden sollten. Die [X.] erstrecke sich jedoch nicht auf die [X.], erst in der Anspruchsbegründung beschriebenen Pflichtverletzungen.

Soweit hinsichtlich der ausreichend individualisierten Beratungsfehler eine Hemmung der Verjährung vorliege, sei es der Klägerin nach dem [X.] gemäß §
242 BGB allerdings verwehrt, sich auf die hemmende Wirkung des Mahnbescheids zu berufen, da sie diesen
mit der [X.] unzutreffenden Angabe erwirkt habe, die Forderung hänge von einer Ge-genleistung ab, die bereits erbracht sei. Das Mahnverfahren finde gemäß §
688 Abs.
2 Nr.
2 ZPO nicht statt, wenn die Geltendmachung des Anspruchs von einer noch nicht erbrachten Gegenleistung abhängig sei. Dies gelte nicht nur für 12
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die Fälle der §§ 273, 320 BGB, sondern auch dann, wenn Schadensersatz [X.] werde und eine Gegenleistung im Wege der Vorteilsausgleichung erbracht werden müsse. Werde wegen fehlerhafter Anlageberatung die Rückzahlung des investierten Kapitals begehrt, sei der Restwert der Beteiligung im Rahmen der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen und das Zahlungsverlangen damit zu verbinden, den erlangten Vorteil in Gestalt der Beteiligung [X.] um [X.]. Der geltend gemachte Anspruch hänge auch hier von einer Ge-genleistung ab. Bei zutreffender Angabe hätte der [X.] der Klägerin als unzulässig zurückgewiesen werden müssen, denn die Klägerin habe die ihr ob-liegende Gegenleistung nicht erbracht. Die gegenteilige Erklärung der Klägerin sei objektiv und subjektiv unrichtig erfolgt. Den Rechtsanwälten der Klägerin sei bewusst gewesen, dass die geltend gemachte Forderung auch weiterhin von einer Gegenleistung abhängig gewesen sei. Das unstatthafte Mahnverfahren sei nur gewählt worden, um auf einfache Art und Weise möglichst schnell noch vor dem Ablauf der Verjährungsfrist eine Hemmung der Verjährung herbeizu-führen, ohne die Klage sofort begründen zu müssen. Wenn sich die Klägerin auf die Verjährungshemmung des [X.]s berufe, nutze sie die durch [X.] wahrheitswidrige Angaben erlangte Rechtsposition in rechtsmissbräuchli-cher Weise aus.

II.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts hält einer rechtlichen [X.] im Ergebnis stand.

1.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts würde sich allerdings, wie die Revision zu Recht rügt, eine durch die Zustellung des Mahnbescheids bewirkte und auf den Eingang des [X.]s bei Gericht zurückwirkende Hemmung der Verjährung (§ 204 Abs. 1
Nr. 3, § 209 BGB, § 167 ZPO) nicht auf 13
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die im Antrag -
beziehungsweise im vorgängigen [X.] vom 4.
November 2011 -
eigens erwähnten Pflichtverletzungsvorwürfe beschränken.

Zwar ist die Verjährung mehrerer eigenständiger und hinreichend deut-lich voneinander abgrenzbarer Pflichtverletzungsvorwürfe in Anlageberatungs-fällen materiell-rechtlich selbständig zu beurteilen. Die kenntnisabhängige re-gelmäßige Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB berechnet sich für jeden dieser Beratungsfehler gesondert, so dass die Voraussetzungen des §
199 Abs. 1 Nr. 2 BGB für jede Pflichtverletzung getrennt zu prüfen sind (vgl. nur Senatsurteil vom 18. Juni 2015

[X.]/14
Rn. 14 mwN, zur Veröffentli-chung in [X.]Z vorgesehen). Die Reichweite der [X.] von [X.] gemäß § 204 Abs. 1 BGB beurteilt sich jedoch
-
ebenso wie die materielle Rechtskraft nach § 322 Abs. 1 ZPO
-
nicht nach dem einzelnen materiell-rechtlichen Anspruch, sondern nach dem den Streitge-genstand bildenden prozessualen Anspruch. Dieser erfasst alle materiell-rechtlichen Ansprüche, die sich im Rahmen des [X.] aus dem zur Entscheidung unterbreiteten Lebenssachverhalt herleiten lassen, in [X.] folglich sämtliche Pflichtverletzungen eines zu einer An-lageentscheidung führenden Beratungsvorgangs, und zwar ohne Rücksicht [X.], ob diese Pflichtverletzungen vorgetragen worden sind oder vorgetragen hätten werden können (vgl. [X.], Urteil
vom 22. Oktober 2013 -
XI [X.], [X.]Z 198, 294,
298 ff Rn. 15 ff sowie Beschluss vom 21. Oktober 2014 -
XI [X.], [X.]Z 203, 1, 59 ff Rn.
142 ff; s. auch Senatsbeschluss vom 26. Februar 2015 -
III ZR 53/14, BeckRS 2015, 04823 Rn. 1). Dementsprechend wird die Verjährung der Ansprüche für jeden einer Anlageentscheidung zugrunde lie-genden Beratungsfehler gehemmt, wenn in unverjährter [X.] wegen eines oder mehrerer Beratungsfehler Klage erhoben oder ein Mahn-
oder Güteverfahren eingeleitet wird ([X.], Beschluss vom 21. Oktober 2014 aaO S. 60 f Rn.
145
f; 15
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-

Senatsurteile
vom 18. Juni 2015
-
III ZR 303/14 Rn. 8 ff und [X.]/14
Rn.
15, jeweils mwN). Dies hat das Berufungsgericht verkannt.

2.
Ob -
was von der Revisionserwiderung beanstandet wird -
die Angabe
der Beteiligung ("M.

Fonds Nr. 37") und
des Zeichnungsdatums ("06.09.96") zur Individualisierung des geltend gemachten (Zahlungs-)An-spruchs
genügt, kann ebenso offen bleiben wie die Frage, ob für den von der Klägerin geltend gemachten Freistellungsanspruch die Zustellung des Mahnbe-scheids eine Hemmung der Verjährung schon deshalb nicht bewirken konnte, weil dieser Anspruch nicht Gegenstand des Mahnverfahrens war.
Denn das Berufungsgericht ist jedenfalls zu Recht davon ausgegangen, dass es der Klä-gerin nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§
242 BGB) verwehrt ist, sich auf eine Hemmung der Verjährung zu berufen.

a) Zwar kommt es für den Eintritt der [X.] nach §
204 Abs.
1 Nr.
3
BGB nicht auf die Zulässigkeit, sondern allein auf die Wirksamkeit des auf den [X.] erlassenen und zugestellten Mahnbescheids an, so dass bei hinreichender Individualisierung des geltend gemachten Anspruchs dessen Verjährung auch dann gehemmt wird, wenn der [X.] an [X.] leidet oder sogar (etwa im Hinblick auf § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) unzulässig ist (s. etwa [X.], Urteile vom 5. Mai 1988 -
VII ZR 119/87, [X.]Z 104, 268, 273; vom 12. April 2007 -
VII ZR 236/05, [X.]Z 172, 42, 57 Rn. 43; vom [X.] 2011 -
VIII ZR 157/11, [X.], 995, 996 Rn. 8 und vom 23. Juni 2015
-
XI [X.]/14
Rn.
16 mwN).

b) Die Berufung auf die durch Zustellung eines Mahnbescheids eingetre-tene Verjährungshemmung kann jedoch rechtsmissbräuchlich sein, wenn der Antrag auf Erlass des Mahnbescheids die bewusst wahrheitswidrige Erklärung 16
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-

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-

enthält, dass die Gegenleistung bereits erbracht sei (s. [X.], Urteile vom 21.
Dezember 2011 aaO Rn. 9 ff, vom 5. August 2014 -
XI [X.], NJW 2014, 3435 Rn. 11 und vom 23. Juni 2015 aaO
Rn 17 ff; [X.], Urteil vom 4. Dezember 2007 -
5 U 3479/07, BeckRS 2010, 00584 und BKR
2015, 260, 262 Rn. 18 ff; [X.], [X.], 334, 337 Rn. 53 ff; [X.], [X.], 1998 ff; [X.], [X.], 125, 127 Rn. 14 ff; vgl. auch bereits [X.],
Urteil vom 28. September 2004 -
IX ZR 155/03, [X.]Z 160, 259, 266).

c) So liegt es nach den [X.] Feststellungen des Berufungs-gerichts auch hier.

aa) Das Mahnverfahren findet gemäß § 688 Abs.
2 Nr.
2
ZPO nicht statt, wenn die Geltendmachung des Anspruchs von einer noch nicht erbrachten Ge-genleistung abhängig ist. Dementsprechend muss der [X.] gemäß §
690 Abs. 1 Nr. 4 ZPO die Erklärung enthalten, dass der Anspruch nicht von einer Gegenleistung abhängt oder dass die Gegenleistung erbracht ist. Dies gilt auch dann, wenn sich der Antragsgegner hinsichtlich der Gegenleistung im [X.] befindet ([X.], Urteil vom 23. Juni 2015 aaO
Rn. 20; OLG [X.] aaO S. 338 Rn. 62; OLG
Hamm aaO Rn.
18; [X.], [X.], 260, 262 Rn. 21; Musielak/Voit, ZPO, 12.
Aufl., §
688 Rn.
7a; [X.]/[X.], ZPO, 30. Aufl., § 688 Rn. 3; aA
[X.], Die Hemmung der Verjäh-rung durch Mahnbescheid bei Ansprüchen aus der Rückabwicklung des [X.] von Anteilen an geschlossenen Immobilienfonds, 2010,
S. 157).

Vom Anwendungsbereich der Regelung in
§ 688 Abs. 2 Nr. 2, § 690 Abs.
1 Nr. 4
ZPO werden nicht nur die Fälle des Zurückbehaltungsrechts nach §§
273, 320 BGB erfasst, sondern sämtliche Ansprüche, die [X.] um [X.] zu 19
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-

erfüllen sind, also auch der Anspruch auf den sogenannten "großen"
Scha-densersatz, bei dem Schadensersatz nur [X.] um [X.]
gegen Herausgabe eines vom Geschädigten durch das schädigende Ereignis adäquat kausal erlangten Vorteils beansprucht werden darf ([X.], Urteil vom 23. Juni 2015 aaO
Rn. 21 ff; [X.] aaO S. 337 Rn. 56 ff; [X.] aaO S. 1998 f; [X.], [X.], 260, 262 Rn. 20; [X.], NJW 2014, 827, 828 sowie [X.] aaO S. 150). Nach dem Willen des historischen Gesetzgebers soll-ten sämtliche Rechtsverhältnisse, bei denen von keiner Seite voraus, sondern [X.] um [X.] zu leisten ist, dem Mahnverfahren entzogen werden, weil es sich hierbei nicht um voraussichtlich unstreitige Ansprüche handele (s. Begründung des Entwurfs zu §
581
CPO, [X.] in [X.], Die gesammten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, 2. Band, 1. Abteilung, 1880, S. 415; s. auch [X.] der [X.] zur Ausarbeitung des Entwurfs einer Civilprozeßordnung für die [X.] des [X.] [X.]. bis [X.]. Sitzung, 1869, S. 1187, 1196, 1258, 1468).

In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung dem Geschädigten neben einem Ersatz-anspruch nicht die Vorteile verbleiben dürfen, die ihm durch das schädigende Ereignis zugeflossen sind. Solange Ersatzanspruch und Vorteil nicht gleichartig sind, muss der Schädiger Schadensersatz nur [X.] um [X.] gegen Herausgabe des Vorteils leisten. Hierzu bedarf es keines besonderen Antrags oder einer Einrede des Schädigers; der Schadensersatzanspruch des Geschädigten ist vielmehr von vornherein nur mit dieser Einschränkung begründet (st. Rspr.; s. etwa [X.], Urteil vom 23. Juni 2015
aaO Rn. 22
sowie Senatsurteile vom 21.
Oktober 2004 -
III ZR 323/03, NJW-RR 2005, 170, 171
und vom 15. Januar 2009 -
III ZR 28/08, NJW-RR 2009, 603, 604, jeweils mwN). Die Verknüpfung des Schadens mit dem Vorteil ist mithin unter diesem Aspekt noch stärker als in 22
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-

den Fällen, in denen sich der Schuldner erst auf ein Zurückbehaltungsrecht be-rufen muss (§§ 273, 274, 320, 322, 348 BGB), um eine Verbindung zwischen Leistung und Gegenleistung herzustellen ([X.], Urteil vom 23. Juni 2015
aaO
Rn. 23).

bb) Die demnach §
688 Abs.
2 Nr.
2 ZPO widerstreitende Geltendma-chung des "großen"
Schadensersatzes, der nur [X.] um [X.] gegen Herausga-be eines erlangten Vorteils zu gewähren ist, stellt, wenn der Antragsteller ent-gegen §
690 Abs.
1 Nr.
4 ZPO bewusst falsche Angaben macht, einen [X.] dar, der es dem Antragsteller nach §
242 BGB grundsätzlich verwehrt, sich auf die Hemmung der Verjährung durch Zustellung des Mahnbescheids zu berufen ([X.], Urteile vom 5. August 2014 aaO und vom 23. Juni 2015 Rn. 24 mwN; [X.], Urteil vom 4. Dezember 2007
-
5 U 3479/07, BeckRS 2010, 00584 und [X.], 260, 262 Rn. 18 ff; [X.] aaO S. 337 Rn. 53 ff; [X.] aaO S.
1998
ff; [X.] aaO Rn. 14 ff;
aA [X.]
aaO S.
149
ff und Schultz, NJW 2014, 827, 828
f). Denn der Antragsteller, dem der Gesetzgeber eine Erleichterung auf dem Weg zu einem vollstreckungsfähigen Titel nur gegen eine klare Festlegung zu den Voraussetzungen des Mahnverfahrens gewährt, überspielt auf diese Weise zielgerichtet die Sicherungen, die das Mahnverfahren als Kompensation für die lediglich begrenzte [X.] zugunsten des Antragsgegners [X.] ([X.], Urteil vom 23. Juni 2015
aaO
Rn. 24 ff).

cc) Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler festgestellt, dass die Klägerin, die sich das Verhalten ihrer vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen muss (§
166 BGB, §
85 Abs.
2 ZPO), in ihrem [X.] bewusst wahrheitswidrig angeben ließ, dass ihre
Gegenleistung erbracht sei.

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(1) Entgegen der Erklärung im [X.] war die der Klägerin oblie-gende Gegenleistung, nämlich die Übertragung ihrer Beteiligung am M.

Fonds Nr. 37 auf die Beklagte, nicht erbracht worden. Zu Recht hat das [X.] die (Absichts-)Erklärung im [X.] vom 4. November 2011 für die Erbringung der Gegenleistung nicht ausreichen lassen. Hiergegen erhebt die Revision auch keine Einwände.

(2) Die Unrichtigkeit dieser Angabe war den Rechtsanwälten der Klägerin auch bewusst.

Bereits aus dem Angebot im [X.] vom 4. November 2011, [X.] um [X.] gegen Schadensersatz die Beteiligungsrechte der Klägerin am M.

Fonds Nr. 37 auf die Beklagte zu übertragen, und aus der damit korrespondierenden [X.]-um-[X.]-Beschränkung des Zahlungsbegehrens in der Anspruchsbegründung vom 4. Februar 2013 ist ersichtlich, dass den damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Unvereinbarkeit ihrer [X.] mit §
688 Abs.
2 Nr.
2, §
690 Abs.
1 Nr.
4 ZPO vor Augen stand. Vor dem Hintergrund dieser Angaben und der einschlägigen juristischen Erfahrung der Rechtsanwälte der Klägerin ist es auszuschließen, dass mit der laut [X.] bereits erbrachten "Gegenleistung"
guten Glaubens die Zahlung der Zeich-nungssumme nebst Agio oder die Offerte zur Übereignung der Beteiligung im [X.] vom 4. November 2011 gemeint gewesen sein könnte.

Unbeschadet dessen hat das Berufungsgericht aufgrund des Vortrags der Parteien und der dazu eingereichten Unterlagen beanstandungsfrei [X.], dass das Mahnverfahren von den vorinstanzlichen Prozessbevollmächtig-ten der Klägerin gezielt gewählt wurde, um angesichts der Vielzahl der Mandate kostensparend und ohne größeren Aufwand noch rechtzeitig vor dem Ablauf
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der (für alle sogenannten "Altfälle"
geltenden) kenntnisunabhängigen Verjäh-rungsfrist nach § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr.1 BGB, Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB am 2. Januar 2012 (Montag) eine Verjährungshemmung herbeizufüh-ren -
obschon ihnen bewusst war, dass seitens der Klägerin die Verpflichtung besteht, die erworbene Beteiligung [X.] um [X.] an die Beklagte zu übertragen. Dass es zur Herbeiführung der Verjährungshemmung auch möglich gewesen wäre, eine kurze einfache -
gegebenenfalls auch unschlüssige
-
Klage zu
erhe-ben, hilft der Revision nicht weiter, weil dieser Weg gerade nicht eingeschlagen wurde, sondern der gemäß § 688 Abs. 2 Nr. 2 ZPO von Gesetzes wegen ver-sperrte Weg des Mahnverfahrens. Ebenso unbehelflich ist der Verweis der Re-vision auf die Alternative
der Geltendmachung des "kleinen"
Schadensersatzes ([X.]), denn ein solches Verlangen stand hier zu keiner [X.] im Raum.

dd) Entgegen der Ansicht der Revision ist das Ergebnis des Berufungs-gerichts auch unter Wertungsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Wenn der Gläubiger eine unzulässige oder unschlüssige Klage erhebt, wird der Schuldner durch die richterliche Zulässigkeits-
und [X.] vor einem klage-stattgebenden (Versäumnis-)Urteil bewahrt, wohingegen im Mahnverfahren le-diglich eine begrenzte [X.] stattfindet (vgl. [X.], Urteil vom 23. Juni 2015
aaO Rn. 25 f). Im Übrigen kommt auch einem unzulässigen [X.] eine verjährungshemmende Wirkung zu (s. oben, unter a). Ob sich der Gläubiger jedoch auf diese [X.] berufen kann, ist davon ab-hängig, ob er sich insoweit -
etwa durch bewusst unwahre Angaben
-
rechts-missbräuchlich verhalten hat. Letzteres ist hier indes, wie ausgeführt, der Fall.

3.
Den "kleinen"
Schadensersatz ([X.]) macht die Klägerin nicht geltend. Abgesehen davon ist es dem Gläubiger im Regelfall nach §
242 29
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14

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BGB auch verwehrt, sich (wenigstens) auf eine Hemmung der Verjährung in Höhe des "kleinen"
Schadensersatzes zu berufen, wenn er im Mahnverfahren als Antragsteller in Kenntnis der Vorgaben in §
688 Abs.
2 Nr.
2, §
690 Abs.
1 Nr.
4 ZPO bewusst falsche Angaben macht, indem er, obwohl er zum [X.] noch verpflichtet ist, erklärt, die von ihm geforderte Leistung in Höhe des "großen"
Schadensersatzes sei von einer Gegenleistung nicht abhängig oder die Gegenleistung sei erbracht ([X.], Urteil vom 23. Juni 2015
aaO
Rn.
34).

[X.]

[X.]
[X.]

[X.]

Remmert
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 09.12.2013 -
22 O 464/12 -

[X.], Entscheidung vom 04.06.2014 -
3 U 4/14 -

Meta

III ZR 238/14

16.07.2015

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 16.07.2015, Az. III ZR 238/14 (REWIS RS 2015, 8086)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 8086

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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