Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 31.07.2019, Az. 3 B 7/18

3. Senat | REWIS RS 2019, 4905

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Gegenstand

Widerruf der ärztlichen Approbation wegen Unwürdigkeit


Leitsatz

Der Widerruf der ärztlichen Approbation wegen Unwürdigkeit gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO ist nur gerechtfertigt, wenn er im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens zur Abwehr einer Gefahr für das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient weiterhin erforderlich ist.

Gründe

I

1

Die Klägerin wendet sich gegen den Widerruf ihrer [X.] als Ärztin.

2

Das [X.] verurteilte sie mit rechtskräftigem Urteil vom 20. Oktober 2014 wegen [X.]etrugs in 22 Fällen (§ 263 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 StG[X.]) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 10 Monaten, deren Vollstreckung zur [X.]ewährung ausgesetzt wurde ([X.]ewährungszeit: 3 Jahre). Der Verurteilung lag nach den Gründen des Strafurteils folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin hatte im Jahr 1982 eine Krankentagegeldversicherung zur Absicherung eines Verdienstausfalls aufgrund vollständiger Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit oder Unfalls abgeschlossen. Nach den Vertragsvereinbarungen wurde ein Krankentagegeld in Höhe von jeweils 127,82 € nach Ablauf einer Karenz von 7 Tagen ([X.]) bzw. 14 Tagen (Tarif 609) fällig, wenn die Klägerin arbeitsunfähig ist, sich an ihrem Wohnort aufhält und keiner [X.]eschäftigung nachgeht. In den Zeiträumen vom 14. August 2007 bis 31. Dezember 2008 und vom 24. Mai 2011 bis 3. Oktober 2011 erklärte sie in 22 Fällen gegenüber dem Versicherer, arbeitsunfähig zu sein, während ihrer Arbeitsunfähigkeit nicht zu arbeiten und sich am Wohnort aufzuhalten. Dadurch veranlasste sie den Versicherer, für die jeweiligen, im Strafurteil im Einzelnen benannten Zeiträume 255,64 € täglich an sie auszuzahlen. Gleichwohl war die Klägerin in den Zeiträumen der angeblichen vollständigen Arbeitsunfähigkeit an 118 Tagen als selbstständige Ärztin in ihrer Praxis tätig und arbeitete an 30 Tagen als Schiffsärztin. An weiteren 107 Tagen hielt sie sich an anderen Orten als dem Wohnort auf. Die Klägerin bezog auf diese Weise Krankentagegeld in Höhe von 65 188,20 € (255 Tage x 255,64 €), ohne darauf, wie sie wusste, einen Anspruch zu haben. Durch ihr Verhalten wollte sie sich eine nicht nur vorübergehende wiederholte Einnahmequelle von erheblichem Gewicht verschaffen.

3

Die Regierung von [X.] widerrief mit [X.] vom 28. April 2015 die [X.] der Klägerin, weil sie aus berufsrechtlicher Sicht unwürdig sei, den [X.]eruf der Ärztin weiter auszuüben.

4

Durch Urteil vom 28. April 2016 hat das Verwaltungsgericht den [X.] mit der [X.]egründung aufgehoben, die Verurteilung der Klägerin wegen [X.]etruges in 22 Fällen führe nicht dazu, dass sie im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1, § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.]undesärzteordnung ([X.]) unwürdig zur Ausübung des ärztlichen [X.]erufs sei. Nach der Rechtsprechung des [X.] müsse zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die Prognose gerechtfertigt sein, dass von dem betroffenen Arzt eine Gefahr für ein wichtiges Gemeinschaftsgut ausgehe. Das sei bei der Klägerin nicht der Fall. Da die von ihr verübten [X.] keinen [X.]ezug zum Arztberuf aufwiesen und bereits längere Zeit zurücklägen, sei das Ansehen der Ärzteschaft nur in relativ geringem Umfang beeinträchtigt. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit sei daher eine [X.]erufsunwürdigkeit zu verneinen.

5

Auf die [X.]erufung des [X.]eklagten hat der Verwaltungsgerichtshof durch Urteil vom 28. Juni 2017 die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur [X.]egründung hat er im Wesentlichen ausgeführt: In dem für die [X.]eurteilung der Sach- und Rechtslage maßgebenden Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens sei die [X.] zwingend zu widerrufen gewesen. Die Klägerin habe sich eines Verhaltens schuldig gemacht, aus dem sich ihre Unwürdigkeit zur weiteren Ausübung des ärztlichen [X.]erufs ergebe. Die von ihr verübte Straftat des [X.]etrugs in 22 Fällen führe bei Würdigung aller Umstände dazu, dass sie nicht mehr das für die Ausübung des ärztlichen [X.]erufs unabdingbar nötige Ansehen und Vertrauen besitze. Die Allgemeinheit erwarte bei der gebotenen objektiven [X.]etrachtung von einem Arzt, dass er anderen nicht durch erhebliche Straftaten wesentlichen Schaden zufüge, weil das dem [X.]ild vom helfenden und heilenden Arzt zuwiderliefe. Die [X.] der Klägerin hätten mit [X.]lick auf den langen Tatzeitraum und die Höhe des Schadens erhebliches Gewicht. Sie belegten, dass sie um des eigenen Vorteils wegen bereit sei, sich über finanzielle Interessen Dritter hinwegzusetzen und diesen einen erheblichen Schaden zuzufügen. Das rechtfertige die Annahme der [X.]erufsunwürdigkeit. Der Zeitablauf von dreieinhalb Jahren seit [X.]eendigung der letzten [X.]etrugstat bis zur Widerrufsentscheidung gebe keine Veranlassung zu einer anderen [X.]ewertung. Das Gleiche gelte für den Umstand, dass die Klägerin während dieses Zeitraums ein auch im Rahmen ihrer ärztlichen Tätigkeit [X.] Verhalten gezeigt habe, sie im Strafverfahren geständig gewesen sei und den zur Schadensbegleichung erforderlichen Geldbetrag schon im Zuge des Strafverfahrens auf ein Anderkonto ihres Strafverteidigers überwiesen habe.

6

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die [X.]eschwerde der Klägerin, die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützt ist.

II

7

Die [X.]eschwerde bleibt ohne Erfolg. Weder hat die Rechtssache die geltend gemachte grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.) noch weicht das angegriffene [X.]erufungsurteil im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von Rechtsprechung des [X.] ab (2.).

8

1. a) Die von der Klägerin aufgeworfene Frage,

"ob eine strafrechtliche Verurteilung einer Ärztin wegen [X.]etruges gegenüber der eigenen privaten Krankenversicherung, der in keinem Zusammenhang mit der Verletzung ärztlicher [X.]erufspflichten durch die Ärztin steht, im Hinblick auf den damit verbundenen schwerwiegenden Eingriff in das Grundrecht der [X.]erufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG und der damit verbundenen Verhältnismäßigkeitsprüfung im Rahmen des [X.]swiderrufs, die Annahme der Unwürdigkeit zur ärztlichen [X.]erufsausübung rechtfertigt und ob im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung die Vollzugsfolgen für die Ärztin [X.]erücksichtigung finden müssen",

verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche [X.]edeutung. Soweit die Frage einer fallübergreifenden Klärung zugänglich ist, bedarf es zu ihrer [X.]eantwortung nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, weil sie in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits geklärt ist.

9

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des beschließenden Senats ist eine Ärztin im Sinne von § 5 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] zur Ausübung des ärztlichen [X.]erufs unwürdig, wenn sie ein Fehlverhalten gezeigt hat, das mit dem [X.]erufsbild und den allgemeinen Vorstellungen von der Persönlichkeit einer Ärztin schlechthin nicht zu vereinbaren ist, und sie daher nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen besitzt, das für die Ausübung des ärztlichen [X.]erufs unabdingbar ist ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 15. November 2012 - 3 [X.] 36.12 - [X.] 418.00 Ärzte Nr. 113 Rn. 7 m.w.[X.]). Geklärt ist auch, dass der Widerruf der ärztlichen [X.] wegen [X.]erufsunwürdigkeit mit [X.]lick auf den grundgesetzlich gewährleisteten Schutz der [X.]erufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und das [X.] an hohe Voraussetzungen geknüpft ist. Anlass für den [X.]swiderruf wegen Unwürdigkeit kann nur ein schwerwiegendes Fehlverhalten sein, das geeignet ist, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den ärztlichen [X.]erufsstand nachhaltig zu erschüttern, bliebe das Verhalten für den Fortbestand der [X.] folgenlos. Es muss bei Würdigung aller Umstände die weitere [X.]erufsausübung als untragbar erscheinen lassen ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 14. April 1998 - 3 [X.] 95.97 - [X.] 418.00 Ärzte Nr. 100 S. 50 f. und vom 13. Februar 2014 - 3 [X.]8.13 - juris Rn. 10; zur Parallelregelung des § 4 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.]: [X.]eschlüsse vom 27. Januar 2011 - 3 [X.] - [X.] 418.01 Zahnheilkunde Nr. 29 Rn. 4 und vom 16. Februar 2016 - 3 [X.]8.14 [[X.]:[X.]:[X.]] - juris Rn. 6). Maßgeblicher Zeitpunkt für die [X.]eurteilung der Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen [X.]erufs ist der Abschluss des Verwaltungsverfahrens, hier also der Erlass des [X.] am 28. April 2015 (stRspr, z.[X.]. [X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 14. April 1998 - 3 [X.] 95.97 - [X.] 418.00 Ärzte Nr. 100 S. 50 und vom 18. August 2011 - 3 [X.] - [X.] 418.00 Ärzte Nr. 111 Rn. 9 m.w.[X.]; ebenso für die Entziehung der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung: [X.]SG, Urteil vom 17. Oktober 2012 - [X.] KA 49/11 R - [X.], 90 Rn. 32 ff.; für den Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft: [X.], [X.]eschluss vom 29. Juni 2011 - [X.] <[X.]rfg> 11/10 - [X.]Z 190, 187 Rn. 9 ff.). In der Rechtsprechung des Senats ist des Weiteren geklärt, dass der für die Annahme der Unwürdigkeit erforderliche Ansehens- und Vertrauensverlust auch durch Straftaten bewirkt werden kann, die nicht im Arzt-Patienten-Verhältnis angesiedelt sind oder die ein außerberufliches Fehlverhalten betreffen, wenn es sich dabei um gravierende Verfehlungen im genannten Sinne handelt ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 28. August 1995 - 3 [X.] 7.95 - [X.] 418.00 Ärzte Nr. 91 S. 23 f., vom 27. Januar 2011 - 3 [X.] - a.a.[X.] Rn. 3 und vom 16. Februar 2016 - 3 [X.]8.14 - a.a.[X.] Rn. 6).

Ob gemessen an diesen Vorgaben - von denen auch der Verwaltungsgerichtshof ausgegangen ist ([X.] Rn. 16 und 23) - das in Rede stehende Fehlverhalten der Klägerin den Schluss auf die Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen [X.]erufs rechtfertigt, betrifft die tatrichterliche Überzeugungsbildung im Einzelfall und entzieht sich daher einer fallübergreifenden Klärung ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse 27. Januar 2011 - 3 [X.] - [X.] 418.01 Zahnheilkunde Nr. 29 Rn. 4, vom 13. Februar 2014 - 3 [X.]8.13 - juris Rn. 10 und vom 16. Februar 2016 - 3 [X.]8.14 - juris Rn. 7). Ein Rechtssatz des Inhalts, dass [X.], wie sie der strafgerichtlichen Verurteilung der Klägerin zugrunde liegen, generell keinen Widerruf der ärztlichen [X.] wegen Unwürdigkeit rechtfertigen können, lässt sich jedenfalls nicht aufstellen. Hier hat der Verwaltungsgerichtshof angenommen, die Allgemeinheit erwarte von einem Arzt, dass er anderen nicht durch erhebliche Straftaten wesentlichen Schaden zufüge, weil das dem [X.]ild vom helfenden und heilenden Arzt zuwiderliefe. Er hat weiter festgestellt, dass die strafrechtlich geahndeten [X.] der Klägerin mit [X.]lick auf den langen Tatzeitraum und die Höhe des Schadens ein erhebliches Gewicht hätten, was sich auch daran zeige, dass das Amtsgericht von einem besonders schweren Fall des [X.]etrugs ausgegangen sei und eine Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 10 Monaten verhängt habe. Zudem hat er darauf abgestellt, dass die [X.] ein Gewinnstreben um jeden Preis offenbarten und dass ein Arzt, der sich so verhalte, das notwendige Vertrauen der Öffentlichkeit in die vorrangig am Wohl der Patienten orientierte [X.]erufsausübung verliere ([X.] Rn. 23 f.). Mit ihrer einzelfallbezogenen Kritik an dieser tatrichterlichen Würdigung zeigt die Klägerin keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf auf.

bb) Auch hinsichtlich der im zweiten Teil der Frage angesprochenen [X.]erücksichtigung der Vollzugsfolgen für die Verhältnismäßigkeit des [X.]swiderrufs legt die [X.]eschwerde keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf dar. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 [X.] ist der Widerruf der [X.] zwingend ("ist zu widerrufen"), wenn der [X.]etroffene sich eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen [X.]erufs ergibt. Sind die Voraussetzungen der [X.]erufsunwürdigkeit im maßgeblichen [X.]eurteilungszeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens erfüllt, ist der mit dem Widerruf der [X.] verbundene Eingriff in die [X.]erufsfreiheit gerechtfertigt, ohne dass es einer zusätzlichen Abwägung mit den persönlichen Lebensumständen des [X.]etroffenen und den Vollzugsfolgen des [X.]swiderrufs bedarf ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 14. April 1998 - 3 [X.] 95.97 - [X.] 418.00 Ärzte Nr. 100 S. 50 f. und vom 16. Februar 2016 - 3 [X.]8.14 - juris Rn. 9).

Das begegnet keinen verfassungsrechtlichen [X.]edenken. Zwar stellt der Widerruf der ärztlichen [X.] einen besonders schweren Eingriff in die [X.]erufsfreiheit dar; er ist deshalb nur zum Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter zulässig. Diese Anforderung ist aber erfüllt. Der Widerruf der [X.] wegen Unwürdigkeit bezweckt, das Ansehen der Ärzteschaft in den Augen der Öffentlichkeit zu schützen, um das für jede Heilbehandlung unabdingbare Vertrauen der Patienten in die Integrität der Personen aufrecht zu erhalten, denen mit der [X.] die staatliche Erlaubnis zur selbstständigen Ausübung der Heilkunde verliehen ist und in deren [X.]ehandlung sich die Patienten begeben. Dieses Vertrauen würde durch eine fortdauernde [X.]erufstätigkeit von Ärzten zerstört, die ein Fehlverhalten gezeigt haben, das mit dem [X.]erufsbild und den allgemeinen Vorstellungen von der Persönlichkeit eines Arztes schlechthin nicht zu vereinbaren ist ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 27. Januar 2011 - 3 [X.] - [X.] 418.01 Zahnheilkunde Nr. 29 Rn. 4 m.w.[X.]). Mit dem Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient untrennbar verbunden ist das Schutzgut der Volksgesundheit, die ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut ist ([X.], [X.] vom 8. September 2017 - 1 [X.]vR 1657/17 - [X.] 2017, 739 <740>).

Der [X.]swiderruf wegen Unwürdigkeit muss zudem in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Eingriffs in die [X.]erufswahlfreiheit stehen. Dem trägt die Auslegung des [X.]egriffs der [X.]erufsunwürdigkeit Rechnung, indem sie deren Feststellung an hohe Voraussetzungen knüpft. Es bedarf - wie gezeigt - eines schwerwiegenden Fehlverhaltens des Arztes, das geeignet ist, das für eine ordnungsgemäße ärztliche Aufgabenerfüllung erforderliche Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient nachhaltig zu erschüttern ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 16. Februar 2016 - 3 [X.]8.14 - juris Rn. 6 m.w.[X.]; [X.], [X.] vom 8. September 2017 - 1 [X.]vR 1657/17 - [X.] 2017, 739 <740>). [X.]ei der [X.]eurteilung sind alle Umstände der Verfehlung(en) zu berücksichtigen, wie etwa Art, Schwere und Dauer des Fehlverhaltens, verhängtes Strafmaß und zugrundeliegende Strafzumessungserwägungen. Darüber hinaus ist zu prüfen, ob im maßgeblichen [X.]eurteilungszeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens Umstände vorliegen, die dazu führen, dass von einer [X.]erufsunwürdigkeit nicht oder nicht mehr ausgegangen werden kann (vgl. [X.], [X.] vom 8. September 2017 - 1 [X.]vR 1657/17 - [X.] 2017, 739 <740>). Schließlich wird dem [X.] dadurch Rechnung getragen, dass der [X.]etroffene einen Antrag auf Wiedererteilung der [X.] stellen kann (vgl. § 8 [X.]). Hat der Antragsteller die Würdigkeit zur Ausübung des ärztlichen [X.]erufs wiedererlangt und liegt auch sonst kein Versagungsgrund vor, hat er einen Anspruch auf erneute Erteilung der [X.] ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 15. November 2012 - 3 [X.] 36.12 - [X.] 418.00 Ärzte Nr. 113 Rn. 6). Das gilt auch für die Klägerin. Im [X.] sind alle Umstände und Entwicklungen zu berücksichtigen, die nach Abschluss des behördlichen Widerrufverfahrens - hier: nach Erlass des [X.] am 28. April 2015 - eingetreten sind ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 15. November 2012 - 3 [X.] 36.12 - a.a.[X.] Rn. 7 und 16. Februar 2016 - 3 [X.]8.14 - a.a.[X.] Rn. 9).

Der Verwaltungsgerichtshof ist von diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben ausgegangen. Insbesondere hat er auch geprüft, ob seit [X.]eendigung der letzten [X.]etrugstat der Klägerin bis zum Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung Umstände eingetreten sind, die der Annahme ihrer [X.]erufsunwürdigkeit entgegenstehen. Er hat diese Frage auf der Grundlage seiner tatrichterlichen Würdigung verneint (vgl. [X.] Rn. 25). Dass sich hieraus ein weitergehender, fallübergreifender Klärungsbedarf ergeben würde, legt die Klägerin mit ihrem [X.]eschwerdevorbringen nicht dar. Das gilt auch, soweit sie auf Rechtsprechung des [X.] verweist. Aus dessen [X.]eschluss vom 8. April 2010 - 1 [X.]vR 2709/09 - (NJW 2010, 2268) ergibt sich nicht, dass es einer zusätzlichen Abwägung mit den persönlichen Lebensumständen der Klägerin bedurft hätte. Die Entscheidung betrifft nicht die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des [X.]swiderrufs, sondern die gesonderte, strengeren Voraussetzungen unterliegende Verhältnismäßigkeitsprüfung für die Anordnung der sofortigen Vollziehung des [X.]swiderrufs (vgl. [X.], [X.] vom 8. April 2010 - 1 [X.]vR 2709/09 - a.a.[X.] S. 2268 f.).

b) Die weitere Frage,

"ob bei der Prüfung des Merkmals der Unwürdigkeit aufgrund eines nicht berufsbezogenen Fehlverhaltens einer Ärztin zusätzlich eine Überprüfung dahingehend vorgenommen werden muss, ob von der Ärztin prognostisch überhaupt weiterhin eine Gefahr für die Allgemeinheit ausgehen kann",

rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher [X.]edeutung. In der Rechtsprechung des beschließenden Senats ist geklärt, dass ein - hier nicht in Rede stehender - Widerruf der [X.] wegen Unzuverlässigkeit Tatsachen erfordert, die die Annahme rechtfertigen, die Ärztin werde in Zukunft die Vorschriften und Pflichten nicht beachten, die ihr [X.]eruf mit sich bringt. Dem [X.]egriff der Unzuverlässigkeit wohnt ein prognostisches Element inne. Es geht um die [X.]eantwortung der Frage, ob die Ärztin nach den gesamten Umständen des Falles willens und in der Lage sein wird, künftig die ärztlichen [X.]erufspflichten zuverlässig zu erfüllen (stRspr, vgl. [X.]VerwG, Urteile vom 16. September 1997 - 3 C 12.95 - [X.]VerwGE 105, 214 <220> und vom 28. April 2010 - 3 C 22.09 - [X.]VerwGE 137, 1 Rn. 10; [X.]eschlüsse vom 9. Januar 1991 - 3 [X.] 75.90 - [X.] 418.00 Ärzte Nr. 80 S. 28 und vom 27. Oktober 2010 - 3 [X.]1.10 - juris Rn. 5). Demgegenüber enthält der [X.]egriff der Unwürdigkeit kein vergleichbares prognostisches Element ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 9. Januar 1991 - 3 [X.] 75.90 - a.a.[X.] S. 28 f. und vom 2. November 1992 - 3 [X.] 87.92 - [X.] 418.00 Ärzte Nr. 83 S. 35 f.). Entsprechend erfordert der [X.]swiderruf wegen Unwürdigkeit keine auf die Person des [X.]etroffenen bezogene Gefahrenprognose; eine Wiederholungsgefahr ist nicht erforderlich ([X.]VerwG, [X.]eschlüsse vom 27. Januar 2011 - 3 [X.] - [X.] 418.01 Zahnheilkunde Nr. 29 Rn. 4 und vom 13. Februar 2014 - 3 [X.]8.13 - juris Rn. 12). Gleichwohl geht es auch bei dem [X.]swiderruf wegen Unwürdigkeit nicht um eine Sanktion, sondern um eine Maßnahme der Gefahrenabwehr ([X.]VerwG, [X.]eschluss vom 27. Januar 2011 - 3 [X.] - a.a.[X.]; [X.], [X.] vom 8. September 2017 - 1 [X.]vR 1657/17 - [X.] 2017, 739 <740>). Deshalb ist der Widerruf der [X.] nur gerechtfertigt, wenn er im maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens zur Abwehr einer Gefahr für das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient weiterhin erforderlich ist. Das ist der Fall, wenn die Voraussetzungen der [X.]erufsunwürdigkeit in diesem Zeitpunkt erfüllt sind.

Der von der Klägerin geltend gemachte grundsätzliche Klärungsbedarf ergibt sich auch nicht mit [X.]lick auf die von ihr in [X.]ezug genommene Entscheidung des [X.] vom 28. August 2007 - 1 [X.]vR 1098/07 -. Das [X.]undesverfassungsgericht hat dort zwar Zweifel hinsichtlich der Auslegung des Merkmals der Unwürdigkeit durch die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung geäußert, weil möglicherweise verfassungsrechtlich die Prüfung geboten sei, ob von dem [X.]etroffenen prognostisch eine Gefahr für die Allgemeinheit ausgehe ([X.], [X.] vom 28. August 2007 - 1 [X.]vR 1098/07 - [X.]K 12, 72 <78>). Im [X.] vom 8. September 2017 - 1 [X.]vR 1657/17 - ([X.] 2017, 739 <740>) hat es allerdings ausgeführt, dass der [X.]edeutung und Tragweite von Art. 12 Abs. 1 GG bei der Auslegung des [X.]egriffs der Unwürdigkeit hinreichend Rechnung getragen wird, wenn nicht nur auf das jeweilige Fehlverhalten, sondern auch auf mögliche veränderte Umstände abgestellt wird, die eine abweichende [X.]eurteilung der [X.]erufsunwürdigkeit rechtfertigen könnten. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Prüfung - wie gezeigt - vorgenommen. Die Klägerin zeigt nicht auf, welcher weitergehende fallübergreifende Klärungsbedarf danach bestehen könnte.

2. Die Revision ist auch nicht wegen Divergenz nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Die behauptete Abweichung des [X.]erufungsurteils von Entscheidungen des [X.] liegt nicht vor.

a) Der Rechtssatz des Verwaltungsgerichtshofs, es bedürfe keiner zusätzlichen Abwägung mit den persönlichen Lebensumständen des [X.]etroffenen wie etwa Alter und Möglichkeiten anderweitiger beruflicher Tätigkeit ([X.] Rn. 30), steht - wie bereits im Rahmen der Grundsatzrüge ausgeführt - nicht in Widerspruch zu dem [X.]eschluss des [X.] vom 8. April 2010 - 1 [X.]vR 2709/09 - (NJW 2010, 2268).

b) Soweit die Klägerin eine Abweichung von dem [X.]eschluss des [X.] vom 28. August 2007 - 1 [X.]vR 1098/07 - ([X.]K 12, 72) rügt, bezeichnet sie keinen Rechtssatz, dem das [X.]erufungsurteil widersprochen haben könnte. Den von ihr bezeichneten Rechtssatz, dass "ein Eingriff in die [X.]erufswahlfreiheit verfassungsrechtlich unerlässlich eine Prüfung voraussetze, ob vom betroffenen Arzt prognostisch überhaupt eine Gefahr für die Allgemeinheit ausgehe", hat das [X.]undesverfassungsgericht in seinem [X.]eschluss vom 28. August 2007 in [X.]ezug auf den [X.]swiderruf wegen Unwürdigkeit nicht aufgestellt. Es hat vielmehr offen gelassen, ob eine solche Prüfung erforderlich ist ([X.], [X.] vom 28. August 2007 - 1 [X.]vR 1098/07 - [X.]K 12, 72 <78>). Eine Gefahr für die Allgemeinheit geht von dem betroffenen Arzt im Übrigen nicht nur aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich sein Fehlverhalten wiederholen wird, sondern im Hinblick auf die Volksgesundheit auch, wenn er wegen des vergangenen Fehlverhaltens das für die Ausübung seines [X.]erufs erforderliche Vertrauen nicht mehr besitzt ([X.], [X.] vom 8. September 2017 - 1 [X.]vR 1657/17 - [X.] 2017, 739 <740>).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.

Meta

3 B 7/18

31.07.2019

Bundesverwaltungsgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 28. Juni 2017, Az: 21 B 16.2065, Urteil

§ 3 Abs 1 S 1 Nr 2 BÄO, § 5 Abs 2 S 1 BÄO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 31.07.2019, Az. 3 B 7/18 (REWIS RS 2019, 4905)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 4905

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

21 ZB 20.2575

Zitiert

1 BvR 1657/17

1 BvR 2709/09

Zitieren mit Quelle:
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