Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18.08.2011, Az. 3 B 6/11

3. Senat | REWIS RS 2011, 3876

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Gegenstand

Widerruf einer ärztlichen Approbation wegen Berufsunwürdigkeit; maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt; Verwendung der Feststellungen in einem Strafbefehl


Gründe

1

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner [X.] als Arzt. Er war langjähriger [X.]hefarzt in einer städtischen Klinik. Daneben betätigte er sich wissenschaftlich, u.a. im Rahmen eines Forschungsinstituts, das Räume in der Klinik unterhielt. Mit seit 16. April 2008 rechtskräftigem Strafbefehl verhängte das [X.] gegen den Kläger eine zur [X.]ewährung ausgesetzte Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten sowie eine Gesamtgeldstrafe von 330 Tagessätzen zu je 120 € wegen mehrerer Fälle der Vorteilsannahme, wegen Untreue und wegen mehrfachen mittäterschaftlichen (versuchten und vollendeten) [X.]etrugs. Ihm wurde zur Last gelegt, im Jahr 1999 zur Finanzierung des [X.] seiner [X.] Zuwendungen von verschiedenen Pharmafirmen erbeten und angenommen zu haben sowie seit dem [X.] in zahlreichen Fällen Vortragshonorare von Pharmaunternehmen erhalten zu haben, jeweils ohne erforderliche Genehmigung der Klinikleitung. Zudem wurde ihm vorgeworfen, im Jahr 2002 die Feier seines Geburtstags mit Drittmitteln finanziert zu haben, die dem [X.] zur Verfügung gestellt worden waren. Ein weiterer Tatkomplex betraf die Abrechnung überhöhter Reisekosten gegenüber Pharmafirmen mittels Scheinrechnungen. Die Regierung von [X.] widerrief mit [X.]escheid vom 2. September 2008 die [X.] des [X.] unter anderem wegen Unwürdigkeit. Die dagegen erhobene Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben.

2

Die auf sämtliche Zulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO gestützte [X.]eschwerde gegen die [X.]ichtzulassung der Revision in dem [X.]erufungsurteil ist unbegründet.

3

1. Der Rechtssache kommt die geltend gemachte grundsätzliche [X.]edeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 [X.]r. 1 VwGO nicht zu.

4

a) Die von dem Kläger als klärungsbedürftig bezeichneten Fragen,

ob es mit Art. 5 Abs. 3 GG vereinbar ist, wenn ein - unterstelltes - Vergehen als Wissenschaftler, das aus verfassungsrechtlichen Gründen und mangels ordnungsrechtlicher Rechtsgrundlage nicht mit einem "[X.]erufsverbot" sanktioniert werden kann, mittelbar durch die Untersagung der Ausübung eines weiteren [X.]erufs als Arzt (durch Widerruf der [X.]) sanktioniert wird,

ob es mit Art. 3 GG vereinbar ist, dass Wissenschaftler ohne ausgeübten Zweitberuf mangels ordnungsrechtlicher Sanktionstatbestände ihren [X.]eruf als Wissenschaftler ohne berufsrechtliche Sanktion weiter ausüben können, während Wissenschaftler mit einem berufsrechtlich geregelten Zweitberuf in diesem Zweitberuf eine Sanktion für ein Fehlverhalten als Wissenschaftler hinnehmen müssen,

ob es mit dem im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Grundsatz der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung vereinbar ist, dass trotz - unterstellter - strafrechtlich relevanter Vergehen als Wissenschaftler, für dessen [X.]erufsausübung keine [X.] erforderlich ist, der [X.]eruf als Wissenschaftler weiter ausgeübt werden kann, während die ärztliche Tätigkeit, in deren unmittelbaren Rahmen unstreitig kein Fehlverhalten vorlag, nicht mehr ausgeübt werden darf,

und

ob bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Unwürdigkeit berücksichtigt werden muss, dass der Gesetzgeber Fehlverhalten als Wissenschaftler aus verfassungsrechtlichen Gründen bewusst keiner berufsrechtlichen Sanktion unterworfen hat und damit nicht für sanktionierbar hält, sodass dieses Verhalten auch nicht mittelbar bei Ausübung eines weiteren [X.]erufs sanktioniert werden darf,

würden sich im angestrebten Revisionsverfahren nicht stellen. Sie gehen von der Prämisse aus, dass das strafrechtlich geahndete Verhalten sich ausschließlich auf den [X.]eruf des Wissenschaftlers und nicht auf den des Arztes bezieht. Das geht an den tatsächlichen Feststellungen des [X.] vorbei, das einen [X.]ezug zur ärztlichen [X.]erufstätigkeit des [X.] ausdrücklich bejaht hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat darauf abgestellt, dass es sich bei den im Strafbefehl zugrunde gelegten strafbaren Handlungen um mit der ärztlichen Tätigkeit in Zusammenhang stehendes und daher [X.] Verhalten handelt. Demzufolge kann keine Rede davon sein, dass - wie die [X.]eschwerde unterstellt - mit dem Widerruf der ärztlichen [X.] des [X.] ein Fehlverhalten als Wissenschaftler sanktioniert würde, indem auf den zusätzlich ausgeübten [X.]eruf als Arzt ausgewichen und dieser untersagt werde. Soweit die [X.]eschwerde sinngemäß in Frage stellt, dass eine [X.]erufsunwürdigkeit nach § 5 Abs. 2 Satz 1, § 3 Abs. 1 Satz 1 [X.]r. 2 [X.] (auch) durch ein Verhalten begründet werden kann, das die ärztliche Pflicht gegenüber dem Patienten nicht betrifft, ist dies in der Rechtsprechung des Senats im gegenteiligen Sinne geklärt ([X.]eschluss vom 28. August 1995 - [X.]VerwG 3 [X.] - [X.] 418.00 Ärzte [X.]r. 91 m.w.[X.].).

5

An die Tatsachenfeststellung der Vorinstanz ist der Senat gebunden (§ 137 Abs. 2 VwGO), weil hiergegen durchgreifende Verfahrensrügen im Sinne von § 132 Abs. 2 [X.]r. 3 VwGO nicht erhoben sind. Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe gegen die Sachaufklärungspflicht nach § 86 VwGO verstoßen, weil er von einer [X.]eweiserhebung zur Frage des [X.]s des strafrechtlich relevanten Fehlverhaltens abgesehen habe. Der Kläger meint, dass das im Strafbefehl vorgeworfene Fehlverhalten keine auch nur mittelbare Verbindung zu dem Arzt-/Patientenverhältnis aufweise und deshalb nicht als arztberufsspezifisch angesehen werden könne mit der Folge, dass keine [X.]erufsunwürdigkeit vorliege. Damit beanstandet er der Sache nach eine unrichtige Sachverhaltswürdigung durch den Verwaltungsgerichtshof. Darauf kann die Aufklärungsrüge aber nicht gestützt werden. Der Umfang der Aufklärungspflicht bestimmt sich anhand der materiellen Rechtsauffassung des [X.]s (stRspr, vgl. [X.]eschlüsse vom 29. März 2010 - [X.]VerwG 3 PKH 11.09 (3 [X.]) - [X.] 2010, 150 und vom 22. März 2010 - [X.]VerwG 2 [X.] - juris Rn. 6 m.w.[X.]). Der Verwaltungsgerichtshof hat angenommen, der [X.]egriff der Unwürdigkeit sei daran gebunden, ob ein bestimmtes Verhalten eines Arztes mit dem gesamten [X.]erufsbild und den Vorstellungen übereinstimme, die die [X.]evölkerung allgemein mit der Persönlichkeit des Arztes verbinde. Von einem Arzt erwarte man nicht nur eine sorgfältige [X.]ehandlung der Patienten, sondern auch eine sonst in jeder Hinsicht einwandfreie [X.]erufsausübung. Die ordnungsgemäße Ausübung des ärztlichen [X.]erufs im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 [X.]r. 2 [X.] umfasse daher nicht nur eine fachlich beanstandungsfreie [X.]ehandlung des Patienten, sondern auch die Einhaltung der sonstigen ärztlichen [X.]erufspflichten, wozu auch die Pflicht gehöre, im Rahmen der Tätigkeit als Arzt keine Straftaten zu begehen. Von diesem Rechtsstandpunkt aus musste sich das [X.]erufungsgericht nicht zu der von der [X.]eschwerde vermissten Sachverhaltsermittlung veranlasst sehen, weil es die erforderlichen Feststellungen dem rechtskräftigen Strafbefehl entnehmen konnte.

6

Erfolglos wendet der Kläger in diesem Zusammenhang ein, das angegriffene Urteil nehme eine irreführende Vermengung seiner ärztlichen und seiner wissenschaftlichen Tätigkeit vor, indem es ausführe, er habe sich in seiner Funktion als Spezialist für Diabetes und [X.]hefarzt als Angehöriger des Vorstandes des Vereins bzw. des [X.] von Pharmaunternehmen Zuwendungen geben lassen. Auch hiermit kritisiert der Kläger die Tatsachen- und [X.]eweiswürdigung des [X.]. Weil die tatrichterliche Würdigung grundsätzlich dem sachlichen Recht zuzuordnen ist, kann ein Angriff hiergegen regelmäßig keinen Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 [X.]r. 3 VwGO bezeichnen. Dass die Würdigung des Verwaltungsgerichtshofs wegen unvollständiger oder aktenwidriger Verwertung des [X.] oder wegen denkfehlerhafter tatsächlicher Schlussfolgerungen verfahrensfehlerhaft wäre, legt die [X.]eschwerde nicht dar. Die Formulierung des [X.] greift eine entsprechende Passage in den Gründen des angefochtenen Widerrufsbescheids auf (dort [X.], zweiter Absatz) und knüpft offenkundig an die einleitenden Feststellungen im Strafbefehl an (dort [X.] bis [X.], zweiter Absatz). Aus den Darstellungen im Strafbefehl ergibt sich ohne Weiteres ein enger Zusammenhang der Tätigkeit des [X.] als Spezialist auf dem Gebiet der Diabetologie und [X.]hefarzt der entsprechenden medizinischen Spezialabteilung im [X.] mit seiner wissenschaftlichen [X.]etätigung im [X.]ereich der Diabetesforschung, namentlich als Vorstandsmitglied des Trägervereins des Instituts für Diabetesforschung.

7

Fehl geht der Einwand, das [X.]erufungsgericht habe zu Unrecht ausgeführt, dass bei der Forderung von Leistungen für den Verein und das Institut strafbare Handlungen begangen worden seien. Der Verwaltungsgerichtshof hat das strafrechtlich relevante Verhalten, auf das er seine [X.]eurteilung der Unwürdigkeit des [X.] stützt, im Tatbestand des angegriffenen Urteils im Einzelnen dargelegt und im Einklang mit den Feststellungen im Strafbefehl strafrechtlich bewertet ([X.] Rn. 4 bis Rn. 7). Das Einwerben von Drittmitteln für den Verein und das Forschungsinstitut hat er allein unter dem Gesichtspunkt der Untreue (§ 266 Abs. 1 StG[X.]) in den [X.]lick genommen; auf eine Vorteilsannahme (§ 331 Abs. 1 StG[X.]) hat er ebenso wie der Strafbefehl nicht abgestellt.

8

b) Die weiter aufgeworfene Frage,

ab welchem Schweregrad, bezogen auf die strafrechtliche Sanktion, ein Fehlverhalten des Arztes, das keinen unmittelbaren [X.] aufweist, das Tatbestandsmerkmal der Unwürdigkeit erfüllt,

rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher [X.]edeutung. In der Rechtsprechung des [X.] ist geklärt, dass Anlass für den [X.]swiderruf wegen Unwürdigkeit nur ein schwerwiegendes Fehlverhalten sein kann, das geeignet ist, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den [X.]erufsstand nachhaltig zu erschüttern, bliebe das Verhalten für den Fortbestand der [X.] folgenlos (vgl. z.[X.]. [X.]eschlüsse vom 28. Januar 2003 - [X.]VerwG 3 [X.] 149.02 - [X.] 418.00 Ärzte [X.]r. 107 [X.]5 und vom 27. Januar 2011 - [X.]VerwG 3 [X.] - [X.]JW 2011, 1830 <1831>). Ob ein solches gravierendes Fehlverhalten vorliegt, hängt entscheidend von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer weiteren fallübergreifenden Klärung. Ein Rechtssatz des Inhalts, dass das Merkmal der [X.]erufsunwürdigkeit die Verhängung eines bestimmten Mindeststrafmaßes voraussetzt, lässt sich jedenfalls nicht aufstellen.

9

c) Mit der Frage,

ob bei der gerichtlichen Prüfung des Tatbestandsmerkmals der Unwürdigkeit und seiner eigenständigen [X.]ewertung auch auf Sachverhalte abgestellt werden kann, die nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens entstanden sind, aber die Annahme der Unwürdigkeit ausschließen,

zeigt die [X.]eschwerde gleichfalls keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf auf. Die damit aufgeworfene Frage nach dem maßgeblichen Zeitpunkt für die [X.]eurteilung der [X.]erufsunwürdigkeit als Voraussetzung für den Widerruf der [X.] ist bereits hinreichend beantwortet. [X.]ach ständiger Rechtsprechung des Senats kommt es für die [X.]eurteilung der Widerrufsvoraussetzungen auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens an ([X.]eschlüsse vom 14. April 1998 - [X.]VerwG 3 [X.] 95.97 - [X.] 418.00 Ärzte [X.]r. 100, vom 25. Februar 2008 - [X.]VerwG 3 [X.] 85.07 - juris Rn. 16 und vom 27. Oktober 2010 - [X.]VerwG 3 [X.] 61.10 - juris Rn. 8; vgl. auch Urteil vom 28. April 2010 - [X.]VerwG 3 [X.] 22.09 - [X.]VerwGE 137, 1 <2> Rn. 11 ). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet nicht, auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem [X.] abzustellen. Die Lebensführung und berufliche Entwicklung des [X.]etroffenen nach Abschluss des behördlichen Widerrufsverfahrens sind in einem Verfahren auf Wiedererteilung der [X.] zu berücksichtigen. Zudem sieht § 8 [X.] die Möglichkeit vor, zunächst eine Erlaubnis zur erneuten Ausübung des ärztlichen [X.]erufs zu erhalten (vgl. Urteil vom 16. September 1997 - [X.]VerwG 3 [X.] 12.95 - [X.]VerwGE 105, 214 <222>; [X.]eschluss vom 23. Oktober 2007 - [X.]VerwG 3 [X.] 23.07 - juris Rn. 6). Zusätzlichen Klärungsbedarf legt die [X.]eschwerde nicht dar.

d) Auch die von dem Kläger aufgeworfene Frage,

ob es mit Art. 3 GG vereinbar ist, dass die tatsächlichen Feststellungen in einem Strafbefehl nicht für ein Disziplinarverfahren, aber für ein ordnungsrechtliches Verfahren herangezogen werden können,

verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche [X.]edeutung. Der Kläger sieht Klärungsbedarf im Hinblick auf die Entscheidung des [X.] vom 21. Februar 2002 - [X.]VerwG 2 WD 40.01 - ([X.] 236.1 § 17 SG [X.]r. 37), wonach die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Strafbefehls keine [X.]indungswirkung für das gerichtliche Disziplinarverfahren entfalten. Daraus lässt sich hier indes schon deshalb nichts für eine verfahrensmäßige Ungleichbehandlung gewinnen, weil auch der Verwaltungsgerichtshof nicht von einer [X.]indungswirkung ausgegangen ist. Er hat vielmehr im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats angenommen, dass die in einem rechtskräftigen Strafbefehl enthaltenen tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen regelmäßig zur Grundlage der gerichtlichen [X.]eurteilung der Widerrufsvoraussetzungen gemacht werden dürfen, soweit sich nicht gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit solcher Feststellungen ergeben (vgl. Urteil vom 26. September 2002 - [X.]VerwG 3 [X.] 37.01 - [X.]JW 2003, 913 <916>; [X.]eschluss vom 6. März 2003 - [X.]VerwG 3 [X.] 10.03 - juris Rn. 2).

e) Die daran anschließende Frage,

ob gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit bereits dann vorliegen, wenn der Kläger konkrete Tatsachenfeststellungen substantiiert in Frage stellt unter Hinweis darauf, dass das Akzeptieren des Strafbefehls gerade kein Geständnis der darin enthaltenen Vorwürfe beinhaltet,

rechtfertigt die Durchführung des Revisionsverfahrens ebenfalls nicht. Sollte die [X.]eschwerde über den genannten Hinweis hinaus zugrunde legen wollen, dass "konkrete Tatsachenfeststellungen substantiiert in Frage" gestellt sind, würde sich die Frage in einem Revisionsverfahren so nicht stellen. Dass der Kläger den Strafbefehl in dieser Weise angegriffen hätte, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt. Zielt die Frage hingegen darauf ab, ob der Hinweis auf ein fehlendes Geständnis für sich gesehen gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Feststellungen im Strafbefehl begründet, lässt sie sich anhand des [X.] vom 26. September 2002 - [X.]VerwG 3 [X.] 37.01 (a.a.[X.]) ohne Weiteres beantworten. Aus der dortigen [X.]ezugnahme auf den [X.]eschluss des [X.] vom 12. Januar 1977 - [X.]VerwG 7 [X.] 190.76 - ([X.] 442.10 § 4 StVG [X.]r. 51 [X.]) ergibt sich, dass gewichtige Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen im Strafbefehl bestehen, wenn [X.] im Sinne des § 359 StPO vorliegen, namentlich im Falle der [X.]eibringung neuer Tatsachen oder [X.]eweismittel, die eine für den [X.]etroffenen günstigere strafrechtliche Entscheidung zu begründen geeignet sind. Es bedarf demzufolge der Darlegung substantiierter, nachprüfbarer Umstände, die eine Unrichtigkeit der im Strafbefehl getroffenen Feststellungen belegen könnten (Urteil vom 26. September 2002 a.a.[X.]). Danach liegt auf der Hand, dass ein pauschales [X.]estreiten des zur Last gelegten Sachverhalts oder der bloße Hinweis, mit dem Akzeptieren des Strafbefehls sei kein Geständnis verbunden, nicht genügen, um das Vorliegen gewichtiger Anhaltspunkte zu bejahen und eine Verwertbarkeit der Feststellungen im Strafbefehl auszuschließen.

Die Ausführungen des [X.] zu § 128 VwGO, § 529 Abs. 1 ZPO sind nicht zielführend. Aus jenen [X.]estimmungen lässt sich für die hier aufgeworfene Frage nichts ableiten, weil sie einen anders gelagerten rechtlichen Zusammenhang betreffen. Fehl gehen auch die Folgerungen, die die [X.]eschwerde aus dem [X.]eschluss des [X.] vom 16. September 1986 - [X.]VerwG 1 [X.] 143.86 - ([X.] 402.24 § 10 AuslG a.F. [X.]r. 112) ziehen will. Darin ist mit [X.]lick auf § 10 Abs. 1 [X.]r. 2 AuslG a.F. ausgeführt, dass sich die Ausländerbehörde bei der Entscheidung über die Ausweisung eines verurteilten Ausländers auf die tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts stützen darf, es sei denn, es drängt sich eine weitere Aufklärung auf, z. [X.] weil die [X.]ehörde eine für ihre Entscheidung erhebliche, aber strittige Tatsache ausnahmsweise besser als das Strafgericht oder die Strafverfolgungsbehörden aufklären kann. Der Kläger schließt daraus, wenn das Strafgericht wie im Strafbefehlsverfahren von vornherein keine Gelegenheit zu einer eigenen Tatsachenaufklärung habe, sei zwingend davon auszugehen, dass Verwaltungsbehörde und Verwaltungsgericht den Sachverhalt besser aufklären könnten. Die Annahme geht fehl. Sie geht daran vorbei, dass der Strafbefehl - wenngleich in einem summarischen Verfahren - gleichwohl aufgrund einer tatsächlichen und rechtlichen Prüfung durch das Strafgericht (§§ 407, 408 StPO) ergeht und seinem Erlass eine Tatsachenaufklärung durch die Staatsanwaltschaft vorangeht (§ 160, § 407 Abs. 1 Satz 2 StPO).

2. Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auf den Zulassungsgrund der Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 [X.]r. 2 VwGO.

Er sieht einen Widerspruch zwischen der Formulierung in dem angegriffenen Urteil, der mit dem [X.]swiderruf bewirkte Eingriff in die Freiheit der [X.]erufswahl sei nur zum Schutz "wichtiger" Gemeinschaftsgüter statthaft, und den Ausführungen des [X.] im Urteil vom 26. September 2002 - [X.]VerwG 3 [X.] 37.01 - (a.a.[X.]), wonach ein [X.]erufsverbot nur zum Schutz "besonders wichtiger" Gemeinschaftsgüter statthaft ist. Entgegen dem [X.]eschwerdevorbringen lässt die Formulierung des Verwaltungsgerichtshofs nicht auf eine unrichtige Interpretation des Gewährleistungsgehalts von Art. 12 Abs. 1 GG oder eine fehlerhafte Anwendung der verfassungsrechtlichen Maßstäbe für die Rechtfertigung eines Eingriffs in die [X.]erufswahlfreiheit schließen. Das [X.]undesverfassungsgericht verwendet selbst in entsprechenden Zusammenhängen den Maßstab der "wichtigen" Gemeinschaftsgüter (vgl. [X.]eschluss vom 2. März 1977 - 1 [X.]vR 124/76 - [X.]VerfGE 44, 105 <117>; Kammerbeschluss vom 28. August 2007 -1 [X.]vR 1098/07 - [X.]VerfGK 12, 72; ferner Kammerbeschlüsse vom 23. [X.]ovember 2009 - 1 [X.]vR 2709/09 - [X.]ayV[X.]l 2010, 275 und vom 8. April 2010 - 1 [X.]vR 2709/09 - [X.]JW 2010, 2268). Zudem ist nicht ersichtlich, dass der Verwaltungsgerichtshof mit der Formulierung "wichtige Gemeinschaftsgüter" anstelle von "besonders wichtige Gemeinschaftsgüter" eine inhaltliche Abstufung zum Ausdruck bringen wollte. Das angegriffene Urteil stellt im Rahmen der Subsumtion unter der Merkmal der Unwürdigkeit darauf ab, das das Ansehen und Vertrauen in die Ärzteschaft ein Element des wichtigen Gemeinschaftsgutes der Volksgesundheit ist, das vor Gefährdungen zu schützen ist. Die anschließenden Ausführungen verdeutlichen, dass der Verwaltungsgerichtshof den [X.]egriff der Volksgesundheit im Sinne von Gesundheitsschutz und einer funktionsfähigen Gesundheitsversorgung versteht (vgl. [X.] [X.]1 Rn. 30). Damit geht er von demselben Schutzgut aus wie das [X.]undesverwaltungsgericht in der von der [X.]eschwerde herangezogenen Entscheidung vom 26. September 2002 (vgl. a.a.[X.] S. 914).

3. Auch die weiteren nach § 132 Abs. 2 [X.]r. 3 VwGO geltend gemachten Verfahrensfehler liegen nicht vor.

a) Die Rüge, das [X.]erufungsgericht habe gegen die ihm obliegende Sachaufklärungspflicht verstoßen, weil es von einer [X.]eweiserhebung zur Frage der Kenntnis des [X.] von den berufsrechtlichen Konsequenzen eines Schuldeingeständnisses im Strafbefehl abgesehen habe, greift nicht durch. Der Verwaltungsgerichtshof hat darauf abgestellt, dass der Kläger ohne Einschränkung sein Einverständnis mit der Strafbefehlslösung sowie der darin verhängten Strafe erklärt habe, und dass es unter diesen Umständen nicht auf die von ihm vorgebrachten [X.]edenken gegen die strafrechtliche [X.]eurteilung des im Wesentlichen eingeräumten Sachverhalts ankomme. Dem Umstand, ob dem Kläger die möglichen berufsrechtlichen Konsequenzen im Einzelnen bekannt gewesen sind, hat das [X.]erufungsgericht vor diesem Hintergrund ausdrücklich keine Entscheidungsrelevanz beigemessen. Danach ist ein Aufklärungsmangel nicht feststellbar. Die Pflicht zur Sachaufklärung verlangt nicht, dass das Gericht Ermittlungen anstellt, auf deren Ergebnis es nach seiner - insoweit maßgeblichen - materiellrechtlichen Auffassung für den Ausgang des Rechtsstreits nicht ankommt (vgl. [X.]eschlüsse vom 29. März 2010 und vom 22. März 2010 a.a.[X.]).

Soweit das [X.]eschwerdevorbringen mit [X.]lick auf den in [X.]ezug genommenen [X.]eschluss des Senats vom 25. Februar 2008 - [X.]VerwG 3 [X.] 85.07 - als [X.] zu verstehen sein sollte, führte auch dies nicht zu einer Zulassung der Revision. Dem Senatsbeschluss lässt sich kein Rechtssatz des Inhalts entnehmen, dass die Kenntnis des [X.]etroffenen von den drohenden berufsrechtlichen Folgen eines rechtskräftigen Strafbefehls Voraussetzung ist, um die Feststellungen des Strafbefehls zur Grundlage im [X.]swiderrufsverfahren machen zu können.

b) Der Kläger sieht ein Ermittlungsdefizit ferner darin, dass der Verwaltungsgerichtshof die Tatsachenfeststellungen des Strafbefehls seiner Entscheidung zugrunde gelegt habe, obwohl gewichtige Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit vorgetragen worden seien. Die Rüge greift ebenfalls nicht durch. Das [X.]erufungsgericht hat entgegen dem [X.]eschwerdevorbringen nicht angenommen, dass der Kläger ein Geständnis abgelegt habe, denn es hat berücksichtigt, dass der Kläger die strafrechtliche [X.]eurteilung seines im Strafbefehl in den [X.]lick genommenen Verhaltens nicht teilt. Allerdings hat es darauf abgestellt, dass der Kläger den im Strafbefehl dargestellten Sachverhalt im Wesentlichen eingeräumt habe. Das begegnet keinen verfahrensrechtlichen [X.]edenken. Der Verwaltungsgerichtshof ist in Übereinstimmung mit der Aktenlage davon ausgegangen, dass der Kläger sein Einverständnis mit der Strafbefehlslösung erklärt hat, ohne dies mit Einschränkungen zu versehen und mit dem ausdrücklichen Hinweis auf eine eingehende Rücksprache mit seinen Prozessbevollmächtigten. Vor diesem Hintergrund bedurfte es, wie der Verwaltungsgerichtshof zutreffend ausführt, besonderer Umstände - wie etwa des Vorliegens eines strafrechtlichen [X.] -, um die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen im Strafbefehl zu entkräften und begründeten Anlass zu weiterer Sachaufklärung zu geben. Dass solche Umstände vorgelegen hätten, zeigt der Kläger (auch) mit der [X.]eschwerde nicht auf.

Das gilt auch in Ansehung seines Vorbringens zum strafrechtlichen [X.]. Die im Strafbefehl angenommene Verknüpfung der von dem Kläger entgegengenommenen Zuwendungen (Vortragshonorare) von Pharmaunternehmen mit seiner Tätigkeit als [X.]hefarzt einer Spezialabteilung auf dem Gebiet der klinischen Diabetologie ist darauf gestützt, dass den beteiligten Firmen die [X.]hefarztstellung bekannt war, ihnen an der Verwendung ihrer Produkte in der von dem Kläger geleiteten Abteilung gelegen war und sie - im Sinne eines Gegenseitigkeitsverhältnisses (vgl. [X.]GH, Urteil vom 14. Oktober 2008 - 1 [X.]/08 - [X.]GHSt 53, 6 ; [X.], [X.]eschluss vom 27. April 2010 - 2 (7) [X.]/09-AK 101/09 - [X.]StZ 2011, 164) - mit den Zuwendungen auf ein generelles Wohlwollen des [X.] abzielten. Die Staatsanwaltschaft hat ihrem Antrag auf Erlass des Strafbefehls einen umfangreichen Vermerk zur Strafbarkeit des [X.] beigefügt und darin auch die Ermittlungsergebnisse, [X.]eweismittel und rechtlichen Herleitungen im Einzelnen erläutert (vgl. [X.]eiakte [X.]d. 4, vor 1, [X.]l. 44 ff.). Angesichts dessen ist der pauschale Einwand der [X.]eschwerde, eine Klärung im Rahmen der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen habe nicht stattgefunden, insbesondere sei keine [X.]efragung der Verantwortlichen der zuwendenden Pharmafirmen erfolgt, nicht geeignet, ein Ermittlungsdefizit im berufungsgerichtlichen Verfahren zu belegen. Hierzu hätte es konkreter, über eine bloße [X.]ehauptung hinausgehender Anhaltspunkte bedurft, dass die vom Kläger vermisste weitere Sachaufklärung zu Zweifeln an den Feststellungen der Staatsanwaltschaft geführt hätte. Aus der Entscheidung des [X.]undesverfassungsgerichts vom 16. Januar 1991 -1 [X.]vR 1326/90 - ([X.]JW 1991, 1530) ergibt sich nichts Abweichendes. Dort ging es um die Verwertbarkeit eines Einstellungsbeschlusses nach § 153a Abs. 2 StPO, dem andere Rechtswirkungen zukommen als einem rechtskräftigen Strafbefehl.

Ein Verfahrensfehler wird auch mit den Ausführungen der [X.]eschwerde zum angeblichen Fehlverständnis des Verwaltungsgerichtshofs bei den auf Seite 3 des angegriffenen Urteils angesprochenen 24 Fällen der Vorteilsannahme nicht schlüssig dargetan. Das Vorbringen bezeichnet bereits nicht die Aufklärungsmaßnahme, die sich dem [X.]erufungsgericht hätte aufdrängen sollen. Abgesehen davon lässt sich aus der beanstandeten Formulierung nicht ableiten, dass das Gericht anstelle des Delikts der Vorteilsannahme vom Vorwurf des [X.]etrugs ausgegangen wäre.

c) Schließlich macht der Kläger ohne Erfolg geltend, das angegriffene Urteil verletze die Denkgesetze, indem es zunächst ausführe, dass eine eigenständige Prüfung der Tatsachenfeststellungen im Strafbefehl vorzunehmen sei, sodann aber die Feststellungen ungeprüft seiner Entscheidung zugrunde lege. Der darin von der [X.]eschwerde gesehene Widerspruch besteht nicht. Der Verwaltungsgerichtshof hat darauf abgestellt, dass er eigenständig zu beurteilen habe, ob sich aus dem strafrechtlichen Verfahren hinreichende Schlussfolgerungen für das Vorliegen der Widerrufsvoraussetzungen ergeben. Davon zu trennen ist die hieran anschließende Frage, in welcher Form die Feststellungen im Strafbefehl verwertet werden dürfen. Letzteres hat das [X.]erufungsgericht - wie dargelegt verfahrensfehlerfrei - dahingehend beantwortet, dass es die Richtigkeit der Feststellungen annehmen und sie zur Grundlage der [X.]eurteilung der [X.]erufsunwürdigkeit machen durfte. Sodann hat der Verwaltungsgerichtshof geprüft, ob dieser strafrechtliche Sachverhalt die Folgerung rechtfertigt, der Kläger habe sich als unwürdig zur weiteren Ausübung des ärztlichen [X.]erufs erwiesen.

Meta

3 B 6/11

18.08.2011

Bundesverwaltungsgericht 3. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 30. September 2010, Az: 21 BV 09.1279, Urteil

§ 5 Abs 2 S 1 BÄO, § 3 Abs 1 S 1 Nr 2 BÄO, § 359 StPO

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 18.08.2011, Az. 3 B 6/11 (REWIS RS 2011, 3876)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 3876

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