Bundespatentgericht, Beschluss vom 30.06.2020, Az. 11 W (pat) 23/17

11. Senat | REWIS RS 2020, 126

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Gegenstand

Patenteinspruchsbeschwerdeverfahren - zur Offenkundigkeit eines im Rahmen eines Kongresses gehaltenen Vortrags


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend das Patent 10 2011 054 718

hat der 11. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des [X.] in der Sitzung vom 30. Juni 2020 durch [X.] [X.]. Höchst sowie [X.], [X.]. [X.] und [X.]. Schwenke

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Patentinhaberinnen wird der Beschluss der [X.] des [X.] vom 19. Januar 2017 aufgehoben, und das Patent wird in vollem Umfang aufrechterhalten.

Gründe

I.

1

Gegen das am 21. Oktober 2011 beim [X.] angemeldete und am 13. Februar 2014 veröffentlichte Patent 10 2011 054 718 mit der Bezeichnung

2

„Verfahren zur Erzeugung einer [X.]annungsverminderung in errichteten [X.]n eines [X.]“

3

ist Einspruch erhoben worden.

4

Der Einspruch stützte sich auf die Entgegenhaltungen

5

[X.] [X.], [X.]: „Wärmebehandlung von geschweißten Großbauteilen am Herstellungsort durch [X.]“; [X.], [X.], [X.], 1996, [X.], [X.], Seiten 74 bis 77,

6

[X.] [X.] EN 10 052,

7

[X.] [X.] 5,015,828,

8

[X.] Technische Regeln für Dampfkessel ([X.]), [X.], [X.], [X.], 2002, [X.] bis 155,

9

[X.] [X.], [X.]: „Wärmebehandlung von geschweißten Großbauteilen durch [X.]“; [X.], [X.], [X.], 1996, "[X.]", 9/85, Seiten 494 bis 497,

[X.] Sterner, C.: „Schweißtechnische Reparaturen von Dampftrommeln aus dem Werkstoff 15NiCuMoNb5-6-4 ([X.] 36)“, Vortrag beim DVS-Bezirksverband [X.], 1. März 2007,

[X.] [X.] [X.] EN 13445-4, Teile 7B und [X.],

[X.] [X.] 2008 037 085 B3,

[X.] Nowack, [X.]: „[X.]“, Vortrag beim [X.] 21. - 23.09.2011, [X.], und

[X.] [X.] 4,229,235.

Die [X.] des [X.]s hat auf den Einspruch das Patent durch Beschluss vom 19. Januar 2017 mit der Begründung widerrufen, sowohl der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 als auch die Gegenstände der nach den [X.] 1 und 2 beruhten gegenüber dem aus den Entgegenhaltungen [X.], [X.] und [X.] sich ergebenden Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit; ausgehend von der Entgegenhaltung [X.] hätten fachmännische Überlegungen und Anregungen aus den [X.]en [X.] und [X.] das als Erfindung beanspruchte Verfahren nahegelegt.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die zulässige Beschwerde der Patentinhaberinnen. Sie sind der Meinung, keinem der Dokumente [X.] bis [X.] sei ein Verfahren zu entnehmen, welches die Merkmalskombination des Anspruches 1 aufweise, und keine Kombination zweier dieser Dokumente lege sie nahe. Sie bestreiten die Vorveröffentlichung der Entgegenhaltung [X.] und vertreten die Auffassung, deren Offenbarungsgehalt führe selbst in Kombination mit den weiteren Entgegenhaltungen nicht zum Erfindungsgegenstand.

Die Beschwerdeführerinnen haben mit Eingabe vom 20. September 2018 beantragt,

den Beschluss der [X.] aufzuheben und das Patent wie erteilt aufrechtzuerhalten,

hilfsweise, das Patent gemäß neuem ersten Hilfsantrag mit Ansprüchen 1 bis 19 beschränkt aufrechtzuerhalten,

weiter hilfsweise, das Patent gemäß neuem zweiten Hilfsantrag mit Ansprüchen 1 bis 19 beschränkt aufrechtzuerhalten,

weiter hilfsweise, das Patent gemäß neuem dritten Hilfsantrag mit Ansprüchen 1 bis 18 beschränkt aufrechtzuerhalten

und

eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

Die Beschwerdegegnerin hat zuletzt mitgeteilt, dass sie weder auf die Beschwerde erwidern noch an einer mündlichen Verhandlung teilnehmen werde. Auch sonstige Äußerungen von der Beschwerdegegnerin zur Sache liegen nicht vor.

Der nach dem Hauptantrag verteidigte erteilte Patentanspruch 1 lautet in Anlehnung an den Vorschlag der Einsprechenden nach Merkmalen gegliedert:

a) Verfahren zur Wärmebehandlung errichteter [X.] oder [X.]segmente eines [X.], insbesondere eines Kraftwerks, im eingebauten Zustand, dadurch gekennzeichnet, dass

b) die [X.] [X.] oder [X.]segmente im in dem Dampferzeuger eingebauten Zustand, insbesondere großflächig, einer [X.]annungsarmglühbehandlung unterworfen werden,

c) wobei die dazu gewünschte Materialtemperatur durch Beheizung oder Erwärmung des [X.] [X.]s

d) mittels eines erwärmten [X.], vorzugsweise heißem Rauchgas oder Heißluft, erzeugt wird.

Für weitere Einzelheiten, insbesondere den Wortlauten der mit den drei [X.] verteidigten Patentansprüche 1 sowie den jeweils nachgeordneten Patentansprüchen 2 bis 19 nach dem Hauptantrag und nach den [X.] 1 und 2 bzw. den nachgeordneten Patentansprüchen 2 bis 18 nach dem Hilfsantrag 3, wird auf die Akten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat Erfolg.

1. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Wärmebehandlung errichteter [X.] oder [X.]segmente eines [X.], insbesondere eines Kraftwerks, im eingebauten Zustand (vgl. Streitpatentschrift ([X.]), Abs. [0001]).

Zum Stand der Technik wird in der Patentbeschreibung - hier gekürzt wiedergegeben - dargelegt, dass zur Steigerung der Effizienz und Effektivität, und um Emissionen zu vermindern, in kohlebefeuerten Kraftwerken dampfseitig Druck und Temperatur des [X.] erhöht werden müssten. Entsprechend führe das zu [X.]annungen in den Rohren und [X.]n des [X.]. Die [X.] seien noch zusätzlichen Materialspannungen dadurch ausgesetzt, dass bei der Errichtung im Feuerraum des [X.] Schweißarbeiten durchgeführt werden müssten. Zur Erhöhung der zulässigen [X.]annungsbeanspruchungen des Materials seien Werkstoffe zwar entwickelt worden. Je nach Anwendungsfall könne bei deren Verarbeitung aber [X.] auftreten (vgl. [X.], Abs. [0002] und [0003]).

Daher liege die Aufgabe zugrunde, eine Lösung zu schaffen, die die Verwendung auch problematischerer Stahlsorten, insbesondere der Stahlsorten [X.] und [X.], bei der Errichtung von Dampferzeugern ermögliche (vgl. [X.], Abs. [0005]).

Nach dem Patent ist die Lösung ein Verfahren zur Wärmebehandlung errichteter [X.] oder [X.]segmente eines [X.] im eingebauten Zustand mit den im Anspruch 1 angegebenen Merkmalen.

2. Der Senat legt seiner Entscheidung als zuständigen Fachmann einen Hochschulabsolventen des Studienganges Maschinenbau oder vergleichbarer Qualifikation mit mehrjähriger Erfahrung in der Konstruktion und Errichtung von Dampferzeugern zugrunde; dieser Fachmann verfügt aufgrund seiner Ausbildung und einschlägiger Berufserfahrung über hier ausreichende materialtechnische Kenntnisse.

Im Zweifel über die Bedeutung der im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmale kann für die stets gebotene Auslegung des Anspruchswortlautes der Abs. [0008] der Patentschrift herangezogen werden.

Das beanspruchte Verfahren dient gemäß Merkmal a) dem Zweck der Wärmebehandlung errichteter, d. h. zuvor in einer Werkstatt oder auch erst am Einsatzort aufgebauter oder zusammengefügter, [X.], d. h. von voneinander abgegrenzten Flächen, oder [X.]segmente, d. h. von Ab- oder Ausschnitten oder Teilen jeweils einer [X.]. Eine [X.] in einem Dampferzeuger ist häufig als Membranwand ausgebildet, wo die Membranen oder Flossen/Stege mit Rohren verschweißt werden. Wärmebehandlung bedeutet, dass die betreffenden Gegenstände gemäß einem bestimmten Zeit- und Temperaturverlauf zu erwärmen und abzukühlen sind. Das Verfahren und die Mittel zu dessen Durchführung müssen demnach der Gestalt und Größe der Teile sowie einer bestimmten, erschwerten Einbausituation, beispielsweise auf einer Baustelle, gerecht werden, um in situ auf die Werkstücke einwirken zu können.

Die benannten Werkstücke sind hier Komponenten eines [X.], im weiteren Sinne also einer Anlage zur Erzeugung von Wasserdampf. Der Dampferzeuger kann, insbesondere, demnach fakultativ und nicht zwingend, zu einem Kraftwerk, demnach einer Anlage zur Energiegewinnung, gehören. Welche Quelle für die Dampferzeugung genutzt wird (Sonne, Erdwärme, Wasserkraft, Kernkraft, fossile Brennstoffe …), lässt der erteilte Anspruch 1 offen.

Der Formulierung im eingebauten Zustand zufolge soll der Dampferzeuger sich in der betreffenden Anlage befinden und während des Verfahrens auch dort verbleiben. Das kennzeichnende Merkmal b) fügt dem hinzu, dass besagte [X.] oder [X.]segmente ihrerseits im in dem Dampferzeuger eingebauten Zustand, insbesondere großflächig, wärmezubehandeln sind, und dass diese Wärmebehandlung ein [X.]annungsarmglühen ist. Dieser Begriff steht zufolge der einschlägigen [X.] EN 10052, ([X.], [X.]), für ein Erwärmen eines Werkstücks bis zum Erreichen einer vorgegebenen Temperatur in seinem gesamten Querschnitt, dem Halten bei dieser Temperatur und anschließendem zweckentsprechenden Abkühlen, um innere [X.]annungen ohne wesentliche Änderung des Gefüges abzubauen. Der Ausdruck insbesondere großflächig ist nicht näher definiert, aber ohnehin lediglich fakultativ und nicht zwingend zu berücksichtigen.

Gemäß dem folgenden Merkmal c) ist die für das [X.]annungsarmglühen gewünschte Materialtemperatur nicht konkret angegeben; [X.] ergänzt, dass dafür Temperaturbereiche von 400 C bis 740°C, vorzugsweise 400°C bis 600°C, eingestellt werden. Weiter ist vorgesehen, dass die Materialtemperatur entweder durch Beheizung des [X.] [X.]bereichs erzeugt wird oder durch Erwärmung.

Dem Merkmal d) zufolge wird die Materialtemperatur mittels eines erwärmten [X.], vorzugsweise, demnach fakultativ, heißem Rauchgas oder Heißluft, erzeugt. Von wo aus das [X.] an die Stelle der Erwärmung gelangt, um dort wirksam zu werden, legt der Anspruch 1 nicht fest. Die [X.] und 3 definieren, dass die Materialtemperatur vorzugsweise von außen erzeugt wird, bzw., dass das [X.] innerhalb des [X.] durch Verbrennung fossilen Brennstoffs generiert wird, das feuerraumseitig an den [X.]n aufsteigen soll.

3. Die nach dem Haupt- und den Hilfsanträgen geltenden Patentansprüche sind zulässig.

Der Patentanspruch 1 nach dem Hauptantrag entspricht dem erteilten Anspruch 1, welcher die Merkmale aus dem ursprünglich zur Prüfung eingereichten Anspruch 1, der ursprünglichen Beschreibung (vgl. Abs. [0007] in der [X.]) und dem ursprünglichen Anspruch 11 umfasst. Die nach dem Hauptantrag geltenden [X.] und 3 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 10 und 12 und die geltenden [X.] 4 bis 19 den ursprünglichen Ansprüchen 2 bis 9 bzw. 13 bis 20.

Alle nach dem Hauptantrag geltenden Ansprüche umfassen somit Merkmale, die bereits auf die ursprünglichen Unterlagen zurückgeführt werden können. Unzulässige Änderungen wurden auch in den übrigen Unterlagen nicht vorgenommen.

Ebenso ist festzustellen, dass die Ansprüche nach den [X.] insgesamt formal zulässig sind. Indes kommt es hier auf die Zulässigkeit dieser Anspruchsfassungen letztlich nicht mehr an, weil sich das angegriffene Patent bereits so, wie es erteilt wurde, als rechtsbeständig erweist.

4. Das Verfahren gemäß dem Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 ist patentfähig. Seine gewerbliche Anwendbarkeit ist unbestritten gegeben, und es ist sowohl neu im Sinne von §§ 1, 3 [X.] als auch erfinderisch (§§ 1, 4 [X.]).

Das Dokument [X.] bildete die wesentliche Entscheidungsgrundlage für den Beschluss der [X.]. Es erweist sich, dass diese Entgegenhaltung bei der Beurteilung der Patentfähigkeit des hier beanspruchten Verfahrens zu Unrecht Berücksichtigung gefunden hat.

Dokument [X.], das im Einspruchsverfahren zur mündlichen Anhörung nachgereicht worden ist, umfasst Kopien von dreizehn Folien zu einem Vortrag, der im Rahmen eines Kongresses vor dem Anmeldetag des angegriffenen Patents gehalten worden sein soll.

Die Beschwerdeführerinnen haben die Vorveröffentlichung dieses Standes der Technik bestritten. Es sei nicht ersichtlich, ob und dass diese Folien in der eingereichten Fassung, beispielsweise durch Benutzung während eines Vortrags veröffentlicht worden sind. Nachweise dazu seien von der Beschwerdegegnerin nicht vorgelegt worden. Festzustellen sei, dass das Dokument [X.] kein Datum und auch keinen sonstigen Hinweis auf die [X.] der sie darstellenden Vortragsfolien aufweist.

Die [X.] ist im Widerrufsbeschluss auf die Frage der Vorveröffentlichung des Dokuments [X.] nicht eingegangen. Ob der Vortragende/Autor des Dokuments in Verbindung mit der [X.] gestanden hat, und dass geeignete Beweismittel zur Stützung der behaupteten Vorveröffentlichung, bspw. ein Manuskript des Vortragenden/Autors oder ein Zeuge, von der [X.] angefragt und von der Einsprechenden dargebracht bzw. angeboten worden sind, ist den [X.] nicht zu entnehmen.

Die Beschwerdegegnerin hat auf die Einwendungen der Beschwerdeführerinnen nicht erwidert; Beweise geschweige denn Offenkundigkeit i. S. v. § 291 ZPO für eine Vorveröffentlichung des Dokuments [X.] und dafür, in welchem Umfang dessen Inhalt kommuniziert wurde, liegen nicht vor. Die Beschwerdegegnerin hat es unterlassen, Beweis hierfür anzutreten, und damit nicht ihrer Darlegungslast genügt (vgl. [X.]/[X.], ZPO, 37. Aufl., vor § 253 Rn. 40). Letztlich bleibt somit offen, ob dieser Vortrag wie behauptet überhaupt gehalten und was dabei tatsächlich mündlich offenbart worden ist.

Aus denselben Gründen darf die Entgegenhaltung [X.] keine Berücksichtigung finden. Dabei handelt es sich um Kopien von zwanzig Chartauszügen zu einem Vortrag, der angeblich vor dem Anmeldetag des Streitpatents bei einem Fachverband gehalten worden sein soll. Deren Vorveröffentlichung hatten die Patentinhaberinnen im Einspruchsverfahren ebenfalls bestritten. Beweisangebote der Einsprechenden oder Beweise für eine Vorveröffentlichung des Inhaltes des Dokuments [X.] und dafür, in welchem Umfang er kommuniziert wurde, wurden damals wie heute nicht gemacht bzw. eingereicht.

4.1 Die [X.] hat in ihrem Beschluss bereits festgestellt, dass der offensichtlich gewerblich anwendbare Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 neu ist.

Der Senat schließt sich dem insoweit an, denn keine der hier nachweislich vorveröffentlichten Entgegenhaltungen [X.] bis [X.], [X.], [X.] und [X.] offenbart in identischer Weise ein Verfahren mit sämtlichen in diesem Patentanspruch 1 angegebenen Merkmalen.

Die Druckschrift [X.] betrifft die Wärmebehandlung von geschweißten Großbauteilen am Herstellungsort durch [X.]. Weder erfolgen dort die Wärmebehandlungsmaßnahmen an eingebauten Bauteilen noch werden errichtete [X.] oder [X.]segmente im in den Bauteilen eingebauten Zustand wärmebehandelt.

Die Normenvorschrift [X.] benennt allgemein lediglich Definitionen von Wärmebehandlungen von Eisenwerkstoffen ohne ersichtliche Bezugnahme auf den hier vorliegenden Erfindungsgegenstand.

Die Entgegenhaltung [X.] offenbart eine Wärmebehandlung metallischer Rohrleitungen und spezifisch eine simultane Wärmebehandlung einer Anzahl nicht aneinander angrenzender Wärmetauscherrohre in einem Dampferzeuger (vgl. [X.]. 1, [X.] 7 bis 10) - also gerade kein Verfahren zur Wärmebehandlung von Bereichen oder Segmenten von [X.]n wie es das streitige Patent vorsieht.

Auch der Auszug aus den technischen Regeln für Dampfkessel gemäß Entgegenhaltung [X.] hat unmittelbar keinen Bezug auf diesen Aspekt des Streitpatents.

Die [X.] [X.] behandelt die Wärmebehandlung von geschweißten Großbauteilen am Herstellungsort durch [X.]. Wie bereits im Fachartikel [X.] wird über Anwendungen aus dem Behälterbau berichtet. Die Wärmebehandlung der Bauteile erfolgt dort ebenfalls nicht im eingebauten Zustand, und die Teile weisen ersichtlich auch keine darin eingebauten [X.] oder [X.]segmente auf.

Für das [X.] [X.] ist, wie schon im Einspruchsverfahren von den Patentinhaberinnen angemerkt wurde, festzustellen, dass der hier fehlende Teil 7A - weil nachveröffentlicht - nicht zu berücksichtigen ist. Die anderen Unterlagen 7B und [X.] umfassen lediglich verschiedene Auszüge aus derselben Normvorschrift, gemäß der an geschweißten Stählen für Druckbehälter erforderlichenfalls eine Wärmenachbehandlung durchzuführen ist. Verfahren und Mittel dafür sowie das Merkmal, wonach diese auf Komponenten mit errichteten [X.]n oder [X.]segmenten im eingebauten Zustand Anwendung fänden, sind diesen Dokumenten nicht entnehmbar.

Die Druckschrift [X.] ist ebenfalls nicht neuheitsschädlich. Sie betrifft ein Verfahren zur Herstellung von [X.]n eines [X.], und sie zeigt und beschreibt u. a. die Wärmebehandlung errichteter [X.]register auf einer Baustelle (vgl. Abs. [0052] bis [0054]). Das aus [X.] bekannte Verfahren unterscheidet sich aber von dem [X.] bereits dadurch, dass es weder auf einen eingebauten Dampferzeuger noch auf darin eingebaute [X.]register oder [X.] angewendet wird.

Letztlich offenbart die Druckschrift [X.] gleichfalls kein Verfahren zur Wärmebehandlung errichteter [X.] oder [X.]segmente. Sie befasst sich mit einer Wärmebehandlungsmethode lediglich für einzelne Rohre, die zu einem Dampferzeuger eines Kernkraftwerks führen oder dort eingebaut sind (vgl. [X.]. 5, [X.] 48 bis [X.]. 5 und 11).

Sämtliche Entgegenhaltungen offenbaren somit jede für sich betrachtet bereits kein Wärmebehandlungsverfahren, das nach dem Wortlaut des Merkmales a) des Patentanspruchs 1 an errichteten [X.]n oder [X.]segmenten eines [X.] im eingebauten Zustand vorzunehmen ist.

4.2 Der Stand der Technik legt das patentgemäße Verfahren dem Fachmann auch nicht nahe.

4.2.1 Von den hier zu berücksichtigenden Entgegenhaltungen ist die [X.] zur Begründung der ihrer Ansicht nach fehlenden erfinderischen Tätigkeit auf die Entgegenhaltungen [X.] und [X.] eingegangen.

Unter Verweis auf die Druckschrift [X.] hat sie die Auffassung vertreten, der Fachmann habe Anregung aus dem nah verwandten Gebiet des Kessel- und Anlagenbaus zur Ausgestaltung des in dem Streitpatent beanspruchten Verfahrens erhalten können, wonach die gewünschte Materialtemperatur durch Beheizung oder Erwärmung des [X.] [X.]s mittels eines erwärmten [X.] erzeugt wird.

Dem kann der Senat nicht beitreten.

Zutreffend ist zwar, dass aus der Druckschrift [X.] bekannt ist, dass beim [X.]annungsarmglühen Bauteile mittels Heißluft erwärmt werden können. Dennoch wird der Fachmann von dem aus der Druckschrift [X.] Bekannten nicht angeregt, sondern vielmehr davon abgehalten, das dort vorgesehene [X.]annungsarmglühen mittels eines [X.] auch für die Behandlung an [X.]n oder [X.]segmenten eines [X.] im eingebauten Zustand vorzunehmen, wobei patentgemäß auch noch ganze Bereiche oder Segmente besagter [X.] ebenfalls im in den Dampferzeuger eingebauten Zustand sein sollen. Allgemein erfolgt dort nämlich u. a. ausdrücklich eine Empfehlung, wonach das zu behandelnde Teil keine Einbauten haben solle, da diese die Luftdurchwirbelung und den gleichmäßigen Luftstrom stören würden. Des Weiteren erfolgt dort mit der Empfehlung, wonach das Bauteil selbst - bei dem hier angegriffenen Patent also der Dampferzeuger - sorgfältig und gleichmäßig isoliert werden müsse (vgl. [X.], rechte [X.]alte, Abschnitt 5.4), ein Hinweis, dass das zu behandelnde Teil vor der Durchführung des Verfahrens - zwangsläufig - entweder aus einer bestehenden Anlage auszubauen oder schon vor dessen Einbau spannungsarm zu glühen ist. Insgesamt entnimmt der Fachmann diesen Empfehlungen somit, dass die beschriebene Erwärmung mittels [X.] für die Wärmebehandlung eines [X.] im eingebauten Zustand, noch dazu mit darin eingebauten [X.]n bzw. Bereichen oder Segmenten davon, ungeeignet ist.

Zur Druckschrift [X.] legt die [X.] in ihrem Widerrufsbeschluss - insoweit korrekt - dar, dort werde die Wärmebehandlung eines Rohres zum Abbau von [X.]annungen beschrieben, wobei die [X.] von außen elektrisch beheizt und innenseitig das Rohr durch durchströmendes Wasser gekühlt werde ([X.]. 2, [X.] bis [X.]. 3, [X.] 4, und [X.]. 1). Außer der elektrischen Beheizung seien aber auch andere Erwärmungsverfahren möglich ([X.]. 4, [X.] 12 und 13); das durchströmende Wasser könne durch durchströmende Luft ersetzt werden ([X.]. 5, [X.] 26 bis 28). Die Erwärmung mittels Heißluft alternativ zur elektrischen Beheizung sieht die [X.] für die Ausgestaltung eines anspruchsgemäßen Verfahrens als aus der Entgegenhaltung [X.] nahegelegt an.

Indes ist festzustellen, dass, abgesehen davon, dass dort das Verfahren auf Teile eines [X.] im eingebauten Zustand angewendet wird und ein [X.] Anwendung finden könnte, kein weiteres der im erteilten Patentanspruch 1 angegeben Merkmale erfüllt ist. Wie oben zur Neuheit bereits dargelegt ist, offenbart die Druckschrift [X.] ausschließlich eine Wärmebehandlungsmethode für einzelne Rohre, die zu einem Dampferzeuger eines Kernkraftwerks führen oder dort eingebaut sind (vgl. [X.]. 5, [X.] 48 bis sowie [X.]. 5 und 11), und kein Verfahren zur Wärmebehandlung eines [X.] im eingebauten Zustand mit ihrerseits darin errichteten [X.]n oder [X.]segmenten. Dass die Druckschrift [X.] eine Wärmebehandlung solcher Komponenten dem Fachmann gerade nicht nahelegt, ist bereits oben dargelegt worden. Die der Entgegenhaltung [X.] zu entnehmenden allgemeinen Hinweise, wonach das zu behandelnde Bauteil bei einer Erwärmung mittels [X.] keine Einbauten haben sollte und das Bauteil selbst sorgfältig und gleichmäßig isoliert und zwangsläufig im ausgebauten Zustand sein müsste, halten den Fachmann von dieser Maßnahme ab.

4.2.2 Auch unter Berücksichtigung des aus den übrigen Dokumenten aus dem Einspruchsverfahren sich ergebenden Standes der Technik beruht das patentgemäße Verfahren auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die Normen [X.] und [X.] sowie das Regelwerk [X.] dokumentieren lediglich allgemeines und unbestrittenes Fachwissen, wonach bei Schweißungen eine Wärmenachbehandlung gegebenenfalls vorzunehmen ist; konkrete Hinweise auf Maßnahmen zum [X.]annungsarmglühen von einem Dampferzeuger im eingebauten Zustand, wobei die [X.] [X.] oder [X.]segmente im in den Dampferzeuger eingebauten Zustand sind, gehen daraus nicht hervor. Die Teile 7B und [X.] zum [X.] [X.] beziehen sich zudem auf unbefeuerte Druckbehälter (vgl. die jeweiligen Überschriften), wogegen - wie der Fachmann weiß - patentgemäße Dampferzeuger befeuert sind.

Entgegenhaltung [X.] betrifft ein System und ein Verfahren zur [X.]annungsminderung von Schweißnähten in Wärmetauscherrohren. Diese werden zwar im in den in der Anlage angeordneten Wärmetauscher eingebauten Zustand behandelt, bilden jedoch - wie bereits zur Neuheit festzustellen war - nicht die Bereiche oder Segmente einer [X.] aus. Sie sind dementgegen in einem Rohrboden voneinander separiert angeordnet (vgl. insb. [X.]alte 1, erster Abs.; [X.]. 2, [X.] 31 bis 34; [X.]. 4, [X.] 6 bis 16 sowie [X.]. 1, 3A und [X.], Details 3, „tubes“ bzw. 7, „tubesheet“). Das [X.]annungsarmglühen der Rohre erfolgt an ausgewählten spannungsbelasteten Stellen, wo sie mit einer inneren Hülse verschweißt wurden (vgl. [X.]. 4, [X.] 32 bis 63 i. V. m. [X.]. 1, Details 13a, b „stress zones“ und 9, „sleeve“). Entsprechend lehrt Druckschrift [X.] nicht wie das Streitpatent, [X.] oder -segmente einer [X.]annungsarmglühung zu unterziehen, sondern lediglich auf eng begrenzte Lokalitäten der einzelnen Rohre einzuwirken. Die gewünschte Materialtemperatur wird zudem nicht mittels eines erwärmten [X.] erzeugt, sondern mittels einer Anordnung, die gezielt Strahlungswärme abgibt (vgl. [X.]. 5, [X.] 9 bis 25 i. V. m. [X.]. 1, Detail 28, „radiant heater assembly“). Eine Erwärmung mit [X.] kann diesem Zweck nicht gerecht werden; sie liegt daher nicht nahe.

Die [X.] [X.] geht, was Verfahrensmaßnahmen betrifft, nicht über den Fachartikel [X.] hinaus, so dass sich weitere Ausführungen erübrigen.

Druckschrift [X.] offenbart zwar - wie hier ebenfalls bereits zur Neuheit dargelegt ist - ein Verfahren zur Wärmebehandlung von errichteten [X.]n oder [X.]segmenten eines [X.]; allerdings wiederum nicht im eingebauten Zustand, was bereits der Oberbegriff des Patentanspruchs verlangt (vgl. Abs. [0052] und [0053] sowie die [X.]. 1 bis 5). Zur Lösung für die hier zugrunde liegende Aufgabe ein Verfahren zu schaffen, um die Verwendung auch problematischer Stahlsorten, insbesondere der Stähle [X.] und [X.], bei der Errichtung von Dampferzeugern zu ermöglichen, kann der Fachmann daraus keine weiterführenden Hinweise erwarten, denn zu diesen Stahlsorten lehrt die Druckschrift [X.], dass gerade diese Werkstoffe in der Regel keine Wärmebehandlung nach der schweißtechnischen Fertigung bzw. Verarbeitung zu daraus bestehenden [X.]n benötigten (vgl. Abs. [0002]). Dort geht es um [X.] aus anderen Stählen, nämlich 9-12% chromhaltigen, martensitischen Stählen, und die Anweisungen zur Wärmebehandlung zielen dort nicht auf das erfindungsgemäße [X.]annungsarmglühen, sondern auf eine Anlassbehandlung ab. Letztlich entspricht auch das Mittel zum Erreichen der [X.] nicht dem Verfahren gemäß dem Patentanspruch 1, wonach ein erwärmtes [X.] einzusetzen ist, denn dafür kommen elektrische Widerstandsglühkassetten zum Einsatz.

4.3 Nach alledem erweist sich das angegriffene Patent in seiner erteilten Fassung als rechtsbeständig. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der bereits von den Patentinhaberinnen zum Stand der Technik zitierten und gewürdigten Druckschriften [X.] 2005 033 360 [X.] und [X.]/48411 [X.]. Daraus ist lediglich das [X.]annungsarmglühen von Karosseriebauteilen oder Fahrwerksbauteilen eines Kraftfahrzeugs bekannt bzw. dass man bei der Wärmebehandlung von Stahlbauteilen Abkühlvorgänge durch das Aufsprühen oder Anblasen von Medien steuern kann (vgl. [X.], Abs. [0004]).

5. Bei dieser Sachlage erübrigt es sich, auf die von den Beschwerdeführerinnen vorsorglich eingereichten Hilfsanträge einzugehen.

Die ebenfalls ersichtlich vorsorglich von den Beschwerdeführerinnen beantragte mündliche Verhandlung war entbehrlich, weil dem Hauptantrag der Beschwerdeführerinnen in der Hauptsache entsprochen worden ist.

Meta

11 W (pat) 23/17

30.06.2020

Bundespatentgericht 11. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

§ 3 PatG

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 30.06.2020, Az. 11 W (pat) 23/17 (REWIS RS 2020, 126)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 126

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