Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.11.2009, Az. XII ZB 174/08

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2009, 645

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[X.][X.]/08 vom 11. November 2009 in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: [X.] §§ 418, 519, 236 C Zur Widerlegung des auf der Berufungsschrift angebrachten gerichtlichen [X.] hat das Berufungsgericht den Verfahrensbevollmächtigten einer [X.], der erklärt, den Schriftsatz persönlich am letzten [X.] in den Gerichtsbriefkasten geworfen zu haben, auch dann als Zeugen zu vernehmen, wenn dieser - zur Glaubhaftmachung - lediglich eine eidesstattliche Versiche-rung vorgelegt hat und diese dem Berufungsgericht im Rahmen des [X.] als nicht ausreichend erscheint (im [X.] an Senatsbeschluss vom 7. Oktober 1992 - [X.] - FamRZ 1993, 313). [X.], Beschluss vom 11. November 2009 - [X.] 174/08 - [X.] [X.] - 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 11. November 2009 durch [X.], die Richterin [X.] und die Rich-ter Dr. [X.] und Schilling beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde wird der Beschluss des 7. [X.] des [X.] vom 6. Okto-ber 2008 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zu-rückverwiesen. [X.]: 13.680 • Gründe: [X.] Das Amtsgericht - Familiengericht - hat durch Urteil vom 29. April 2008 die Ehe der [X.]en geschieden, den Versorgungsausgleich durchgeführt und in den Folgesachen Unterhalt und Zugewinnausgleich den Antragsgegner [X.] zur Zahlung an die Antragstellerin verurteilt. Das Urteil ist den [X.] des Antragsgegners am 2. Mai 2008 zugestellt worden. Mit vom 2. Juni 2008 datierenden Schriftsatz hat der Antragsgegner gegen das Urteil Berufung eingelegt. Der Schriftsatz trägt den Eingangsstempel des Ober-1 - 3 - landesgerichts vom 3. Juni 2008. Nach Hinweis des [X.] auf den verspäteten Eingang der Berufungsschrift hat der [X.] erklärt, er habe die Berufungsschrift am Vormittag des 2. Juni 2008 persönlich in den Gerichtsbriefkasten des [X.] ein-geworfen, und zur Glaubhaftmachung unter anderem seine eidesstattliche Ver-sicherung vorgelegt. Vorsorglich hat er die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Der Berichterstatter des [X.] hat sodann eine Stellungnahme der Wachtmeisterei eingeholt, die durch den Geschäftsleiter des [X.] ergänzt worden ist. Das [X.] hat die Berufung des Antragsgegners durch den angefochtenen Beschluss als unzulässig verworfen und sein Wiedereinset-zungsgesuch zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners. 2 I[X.] Die Rechtsbeschwerde richtet sich gemäß der Übergangsregelung in Art. 111 Abs. 1 Satz 1 [X.] noch nach dem bis August 2009 geltenden [X.]. Sie ist nach §§ 574 Abs. 1, 522 Abs. 1, 238 Abs. 2 ZPO statthaft und auch ansonsten zulässig. Eine Entscheidung des [X.] ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) geboten. Der angefochtene Beschluss verletzt den Antragsgegner in [X.] verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechts-schutz (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Danach darf der Zugang zu einer in der [X.] - 4 - rensordnung vorgesehenen Instanz nicht in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden ([X.] NJW-RR 2002, 1004; [X.] 151, 221, 227; Senatsbeschlüsse vom 11. Juni 2008 - [X.] 184/07 - [X.], 1605 f. und vom 9. November 2005 - [X.] 270/04 - [X.], 192). Dagegen hat das [X.] hier verstoßen, indem es die Rechtzeitigkeit des Eingangs der Berufungsschrift nicht ausreichend [X.] hat. II[X.] 1. Das [X.] hat den fristgerechten Eingang der Berufungs-schrift nicht feststellen können. Die Beweislast treffe den Antragsgegner als Berufungskläger. Die Richtigkeit des gerichtlichen Eingangsstempels sei als öffentliche Urkunde nicht widerlegt worden. Die eidesstattliche Versicherung reiche als Glaubhaftmachung nicht aus. Ausweislich der vom [X.] angestellten Ermittlungen trage ein dem Gerichtsbriefkasten entnommener Schriftsatz einen Eingangsstempel mit dem Zusatz "Nachtbriefkasten", was bei der Berufungsschrift nicht der Fall sei. Das vorsorglich gestellte Wiedereinset-zungsgesuch sei nicht begründet, weil der Antragsgegner keine Tatsachen [X.] vorgetragen habe, dass er unverschuldet zur rechtzeitigen Einlegung der Berufung nicht in der Lage gewesen sei. 4 2. Das hält hinsichtlich der Wahrung der Berufungsfrist den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht stand. 5 Zutreffend ist der rechtliche Ausgangspunkt des [X.], dass der auf dem Schriftsatz aufgebrachte Eingangsstempel nach § 418 ZPO die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde genießt. Das [X.] hat 6 - 5 - dem Antragsgegner allerdings keine hinreichende Gelegenheit gegeben, den Beweis zu entkräften. Es hat zwar weitere vom Antragsgegner angeführte [X.] (etwa die Mitteilung von der Berufungseinlegung an den gegnerischen Ver-fahrensbevollmächtigten) als nicht aussagekräftig eingeschätzt und hervorge-hoben, dass der Schriftsatz nicht in den Nachtbriefkasten eingeworfen worden sein könne, weil der Stempel den entsprechenden Zusatz nicht aufweise und der den Empfang quittierende Wachtmeister mit der Leerung des Nachtbrief-kastens nicht befasst gewesen sei. Die eidesstattliche Versicherung des Verfahrensbevollmächtigten hat es indessen bei der Frage, ob sich die Richtigkeit des [X.] lässt, offensichtlich nicht in Betracht gezogen. Vielmehr hat es sich insoweit mit einem Kommentarzitat ([X.]/[X.]/[X.] ZPO 25. Aufl. § 519 Rdn. 20) darauf berufen, dass die Glaubhaftmachung nicht genüge. Damit hätte es - abgesehen von einem gebotenen Hinweis - seine Aufklärung allerdings nicht bewenden lassen dürfen. 7 Zur Widerlegung des Beweises der Richtigkeit des Eingangsstempels ist der Freibeweis zulässig ([X.] Beschluss vom 15. September 2005 - [X.]/04 - NJW 2005, 3501). Zwar reicht in diesem Rahmen die eidesstattliche Versicherung als Mittel der Glaubhaftmachung in der Regel nicht aus, um den Nachweis zu erbringen, dass der Schriftsatz entgegen dem Eingangsstempel bereits am Vortag eingegangen sei ([X.] Beschluss vom 15. September 2005 - [X.]/04 - NJW 2005, 3501 f.). 8 An der Form des Beweisantritts hätte das [X.] den Nach-weis der Unrichtigkeit aber nicht scheitern lassen dürfen. Vielmehr war es nach der Rechtsprechung des Senats gehalten, in der anwaltlichen Versicherung auch ein Angebot zur Vernehmung des Anwalts als Zeugen zu sehen und ihn 9 - 6 - entsprechend zu vernehmen (Senatsbeschluss vom 7. Oktober 1992 - [X.] - FamRZ 1993, 313, 314; [X.] Beschluss vom 8. Mai 2007 - [X.]/06 - NJW 2007, 3069, 3070; vgl. auch [X.] Urteil vom 14. Oktober 2004 - [X.]/04 - NJW-RR 2005, 75). Das [X.] hätte aufgrund dessen prüfen müssen, ob es aufgrund der Angaben des Verfahrensbevoll-mächtigten zu der Überzeugung gelangt, dass die Berufungsschrift abweichend vom Eingangsstempel bereits am Vortag eingegangen ist. Dafür, dass die [X.] noch am letzten [X.] eingeworfen wurde und erst den Ein-gangsstempel des [X.] erhielt, bleibt etwa die nicht ausgeräumte Mög-lichkeit, dass der Schriftsatz im Zusammenhang mit der übrigen Post aus dem Nachtbriefkasten zunächst versehentlich ungestempelt blieb und erst später den Eingangsstempel für die beim [X.] abgegebene Post erhielt. Das [X.] wird nach Zurückverweisung der Sache die er-forderlichen Feststellungen nachzuholen haben und gegebenenfalls auch er-neut über die Wiedereinsetzung zu entscheiden haben. Hierzu weist der Senat darauf hin, dass die Glaubhaftmachung der unverschuldeten Fristversäumung vom [X.] zu Recht für unzureichend gehalten worden ist (vgl. [X.] Urteil vom 27. September 2001 - [X.] - [X.]-Report 2002, 258), weil auch nach dem Vorbringen des Antragsgegners die Berufung entweder rechtzeitig eingegangen ist oder aber der rechtzeitige Eingang aus Gründen gescheitert ist, die bei seinem Verfahrensbevollmächtigten liegen. Der von der Rechtsbeschwerde angestellte Vergleich mit einer Übersendung per Post passt hier deswegen nicht, weil bei persönlicher Ablieferung der Schriftsatz mit dem 10 - 7 - Einwurf in den Nachtbriefkasten bereits beim [X.] eingegangen ist und weitere Umstände, die die Verspätung verursacht haben könnten, damit ausscheiden. Dose [X.] Vézina [X.] Schilling
Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 29.04.2008 - 48 [X.]/04 - [X.], Entscheidung vom 06.10.2008 - [X.]

Meta

XII ZB 174/08

11.11.2009

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 11.11.2009, Az. XII ZB 174/08 (REWIS RS 2009, 645)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2009, 645

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