Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.09.2016, Az. IX ZR 255/13

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 5735

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[X.]:[X.]:[X.]:2016:080916UIXZR255.13.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
IX ZR 255/13

Verkündet am:

8. September 2016

Kluckow

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB § 249 Abs. 1 He, § 675 Abs. 1
Hat die steuerliche Beratung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach dem Inhalt des Vertrages auch die Interessen der Gesellschafter zum Gegenstand, ist der Schaden unter Einbeziehung der Vermögenslagen der Gesellschafter zu [X.] (Fortführung
von [X.], Urteil vom 18.
Februar 2016 -
IX [X.], [X.], 1541).
[X.], Urteil vom 8. September 2016 -
IX ZR 255/13 -
OLG [X.]

[X.]

-

2

-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat
auf die mündliche Verhandlung vom 8. September
2016
durch [X.] [X.], die Richterin [X.], die
Richter
Dr. [X.], [X.] und die Richterin Möhring

für Recht erkannt:

Auf die Revisionen
der
Klägerin und der [X.] wird
das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts [X.] vom 30.
Oktober 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-richt zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin ist eine zum Betrieb einer Praxis für Physiotherapie gegrün-dete Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die im Zeitraum vom 1.
September 1998 bis
zum 11.
November 2007 von dem
[X.] zu 2 steuerlich beraten wurde. Der Beklagte zu 2 war bis zu seinem Ausscheiden am 3.
Juni
2004 [X.] der [X.] zu 1, einer Steuerberatersozietät.
Neben physiothera-peutischen Heilbehandlungen erbrachte die Klägerin
im Auftrag der R.

GmbH, in deren Räumen sie ihre Praxis betrieb, weitere sogenannte Well-nessbehandlungen.

1
-

3

-

Im Rahmen einer Betriebsprüfung in den Jahren 2007 und 2008 stellte das zuständige Finanzamt fest, dass die von der Klägerin erbrachten Wellness-behandlungen der Umsatz-
und Gewerbesteuer unterlagen. Die Gewerbesteu-erpflicht
erfasste aufgrund der Regelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG sämtliche Einnahmen der Klägerin. Die durch den Streithelfer
der [X.], einen
im November 2007 von der Klägerin mandatierten Steuerberater, vor dem Finanz-gericht erhobenen Klagen gegen die Umsatz-
und Gewerbesteuerbescheide blieben erfolglos.

Die Klägerin macht den ihr infolge der unterbliebenen Ausgliederung des Wellnessbereichs in eine gesonderte Gesellschaft verursachten Gewerbesteu-sowie die
vor dem Finanzgericht entstan-denen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 7.150,03

geltend. Von dem von der Klägerin an das Finanzamt nachzuentrichtenden Umsatzsteuergesamtbe-trag in Höhe von 105.809,55

erklärte
sich die R.

GmbH in einem mit der Klägerin geschlossenen Vergleich bereit, einen Teilbetrag in Höhe von 68.304,49

Insoweit
begehrt die
Klägerin
Ersatz der
darüber hinaus
nachzuzahlenden Umsatzsteuer
in Höhe von 37.505,06

sowie der auf die Umsatzsteuernachforderungen entfallenden Zinsen in Höhe von 17.834

Das Landgericht hat der Klage gegenüber der [X.] zu 1 in Höhe des [X.] und der auf die Umsatzsteuernachforderung ent-fallenden Zinsen stattgegeben. Auf die
wechselseitigen
Berufungen
hat das Berufungsgericht die [X.] als
Gesamtschuldner zum Ersatz des Gewer-besteuerschadens, der Zinsen auf die Umsatzsteuernachforderung sowie der vor dem Finanzgericht entstandenen Rechtsverfolgungskosten verurteilt
und die Berufung hinsichtlich des
Umsatzsteuerschadens zurückgewiesen. Hiergegen wenden sich die Parteien mit ihren vom Senat zugelassenen Revisionen.
2
3
4
-

4

-
Entscheidungsgründe:

Die Revisionen
der Klägerin und der
[X.] haben Erfolg. Sie führen
zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der
Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Klägerin stehe gegen die Be-klagten
ein Anspruch auf Schadensersatz wegen der Verletzung von [X.] aus einem zwischen den Parteien geschlossenen Steuerberatungsver-trag zu. Den [X.] sei bekannt gewesen, dass die Klägerin neben physio-therapeutischen Heilbehandlungen auch medizinisch nicht indizierte Wellness-leistungen erbracht
habe. Sie hätten die
Klägerin daher auf die Umsatz-
und Gewerbesteuerpflicht ihrer Einnahmen
hinweisen und eine Ausgliederung jener Leistungen in eine neu zu gründende, personenidentische Gesellschaft empfeh-len müssen.

Einen
ersatzfähigen
Schaden habe
die
Klägerin jedoch nur in Höhe der auf die Umsatzsteuer entfallenden Verzugszinsen, der Gewerbesteuer und der im Rahmen des finanzgerichtlichen Verfahrens entstandenen Rechtsverfol-gungskosten
erlitten. Die aus der Anrechnung der Gewerbe-
auf die [X.] folgenden Vorteile der Gesellschafterinnen seien bei der Schadens-berechnung nicht zu berücksichtigen, weil es sich bei der (teil-)rechtsfähigen Klägerin um ein eigenständiges, von ihren Gesellschafterinnen zu trennendes
Rechtssubjekt handele. Der Geltendmachung des Umsatzsteuerschadens ste-he ein anspruchsausschließendes Mitverschulden der Klägerin entgegen. Diese 5
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habe es unterlassen, den ihr gegenüber der vorsteuerabzugsberechtigten R.

GmbH bestehenden Anspruch auf Übernahme der [X.] in voller Höhe durchzusetzen.

Eine Begrenzung der Haftung des [X.] zu 2 gemäß § 736 Abs. 2 BGB, § 160 Abs. 1 Satz 1 HGB scheide aus. Die Klägerin habe keine positive Kenntnis von dem Ausscheiden des [X.] zu 2 aus der [X.] gehabt.

II.

Diese Erwägungen halten
den Angriffen der Revision der [X.]
nicht in allen Punkten stand. Mit der Begründung des Berufungsurteils kann ein der Klägerin entstandener Schaden in Höhe der insgesamt nachzuzahlenden Ge-werbesteuer
nicht angenommen werden.

1.
Grundlage des von der Klägerin geltend gemachten
Schadensersatz-anspruchs ist
§ 280 BGB in Verbindung mit dem zwischen den Parteien
ge-schlossenen Beratungsvertrag. Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu le-genden Sachverhalt ist für die Schadensbetrachtung allerdings nicht aus-schließlich die Vermögenslage der Klägerin entscheidend. Vielmehr sind auf-grund der Ausgestaltung des den [X.] erteilten Mandats auch die Vermö-gensinteressen der Gesellschafterinnen der Klägerin zu berücksichtigen. Da-nach
ist das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die
Klägerin grundsätzlich den ihr durch die
Pflichtverletzung der Beklag-ten entstandenen Gewerbesteuerschaden ersetzt verlangen
kann. Allerdings sind auch
die
bei
den Gesellschafterinnen der Klägerin
angefallenen Anrech-8
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nungsvorteile im Rahmen einer konsolidierten Schadensbetrachtung in die Ge-samtbewertung einzubeziehen.

a)
Ausgangspunkt jeder Schadensberechnung ist die [X.]. Ob und inwieweit ein
nach §§ 249 ff BGB zu ersetzender Vermögens-schaden vorliegt, beurteilt sich regelmäßig nach einem Vergleich der infolge des [X.] eingetretenen Vermögenslage mit der-jenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre ([X.], Urteil vom 14. Juni 2012 -
IX [X.], [X.]Z 193, 297 Rn. 42; vom 6. Juni 2013 -
IX ZR 204/12, [X.], 1323 Rn. 20; vom 5. Februar 2015 -
IX ZR 167/13, [X.], 790 Rn. 7; vom 10. Dezember 2015 -
IX ZR 56/15, [X.], 371 Rn. 12; vom 18.
Februar 2016 -
IX [X.], ZIP
2016, 1541
Rn. 9). Erforderlich ist ein Gesamtvermögensvergleich, der alle von dem haftungsbegründenden Ereignis betroffenen finanziellen Positionen umfasst. Dieser erfordert nicht lediglich eine Berücksichtigung von Einzelpositionen, sondern eine Gegenüberstellung der hypothetischen und der tatsächlichen Vermögenslage (vgl. [X.], Urteil vom 20.
November 1997 -
IX ZR 286/96, [X.], 142 f; vom 20. Januar 2005
-
IX ZR 416/00, [X.], 999, 1000; vom 7. Februar 2008 -
IX ZR 149/04, [X.], 946 Rn. 24; vom 5. Februar 2015, aaO; vom 10. Dezember 2015, aaO; vom 18. Februar 2016, aaO).

b) Bezugspunkt des [X.] ist grundsätzlich das Vermögen des Geschädigten, nicht aber dasjenige Dritter (vgl. [X.], Urteil vom 5. Februar 2015, aaO Rn. 8; vom 10. Dezember 2015, aaO Rn. 13; vom 18.
Februar 2016, aaO
Rn. 10). Daher kann
auf Grund eines Vertrages regel-mäßig nur derjenige Schadensersatz verlangen, bei dem der Schaden tatsäch-lich eingetreten ist und dem er rechtlich zur Last fällt (vgl. [X.], Urteil vom 26.
November 1968 -
VI [X.], [X.]Z 51, 91, 93). Dies führt im Rahmen 11
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der Beraterhaftung dazu, dass
der
zum Ersatz
verpflichtete Steuerberater grundsätzlich nur für den Schaden seines Mandanten einzustehen hat, wobei
die Drittschadensliquidation und
der
Vertrag zugunsten Dritter sowie mit Schutzwirkung für Dritte
eine Ausnahme bilden (vgl. G.
[X.] in G.
[X.]/[X.]/D.
[X.]/[X.]/[X.], Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl., § 5 Rn. 138
zur Anwaltshaftung). Ebenso ist es dem ersatzpflichtigen Steuerberater verwehrt, sich auf Vorteile zu berufen, die Dritte infolge der schädigenden Handlung erlangt haben mögen ([X.], Urteil vom 5. Februar 2015, aaO).

c) Ausnahmen von diesem Grundsatz hat der [X.] jedoch insbesondere im Zusammenhang mit der Übertragung von Vermögenswerten an Familienangehörige
oder innerhalb eines [X.] aner-kannt. Hierfür
ist der konkrete Auftrag entscheidend, den der Mandant dem Be-rater ausdrücklich
oder den Umständen nach erteilt hat.
Wenn der Mandant im Rahmen einer Gestaltungsberatung die Berücksichtigung der Interessen eines [X.] zum Gegenstand der Beratungsleistung gemacht hat, ist die Schadens-berechnung auch unter Einbeziehung dieser Drittinteressen vorzunehmen (vgl. [X.], Urteil vom
5. Februar 2015, aaO Rn. 11 f; vom 10. Dezember 2015, aaO Rn. 15; vom 18. Februar 2016, aaO Rn. 12).

d) Das Berufungsgericht ist demnach zutreffend von der Entstehung ei-nes
Schadens
in Höhe der zu
viel entrichteten
Gewerbesteuer
ausgegangen. Der
Umstand, dass der Klägerin Einnahmen
auch
aus den Wellnessbehandlun-gen zugeflossen sind, die sie
im Fall der
Ausgliederung nicht
erzielt
hätte, wirkt
sich entgegen der Auffassung der Revision nicht schadensmindernd aus.

Der zwischen der Klägerin und den [X.] abgeschlossene Bera-tungsvertrag umfasste
nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden 13
14
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Sachverhalt auch die Vermögensinteressen der Gesellschafterinnen der Kläge-rin. Weil
aufgrund des steuerrechtlichen Transparenzprinzips der von der [X.] als Personengesellschaft erwirtschaftete Gewinn anteilig bei den Gesell-schafterinnen zu erfassen war (vgl. [X.], 398, 401
mwN; Gummert/
[X.]/[X.]/[X.], [X.] Handbuch des Gesellschaftsrechts, 4.

o-nengesellschaften, 4. Aufl., § 1 Rn. 20 f), schloss die
steuerliche
Beratung der Klägerin auch
einkommensteuerliche Fragen sowie
die Anfertigung der Ein-kommensteuererklärungen der Gesellschafterinnen
ein.
Die [X.]
hatten
demnach die wirtschaftlichen Folgen einer Ausgliederung der nicht der Rege-lung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG unterfallenden Leistungen sowohl im Hinblick auf das Vermögen der klägerischen Gesellschaft als auch ihrer
Gesell-schafterinnen zu prüfen.

Die aus den Wellnessbehandlungen gezogenen Vorteile sind der Kläge-rin nicht schadensmindernd entgegenzuhalten. Diese Einnahmen sind wirt-schaftlich den Gesellschafterinnen zuzurechnen und wären diesen als Einnah-men einer neu zu gründenden Gesellschaft weiterhin zuzuordnen gewesen, ohne dass für die Einnahmen aus physiotherapeutischen Heilbehandlungen gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG
Gewerbesteuer angefallen wäre (vgl. [X.], Ur-teil vom 18. Februar 2016 -
IX [X.], ZIP
2016, 1541
Rn. 16).

e) Die den Gesellschafterinnen durch die Ermäßigung ihrer [X.] gemäß § 35 Abs. 1 EStG erwachsenden Vorteile sind allerdings grundsätzlich auf den klägerischen Schaden anzurechnen. Dies hat das [X.] zu Unrecht abgelehnt. Wird die Haftung des Steuerberaters durch die Einbeziehung der Vermögensinteressen Dritter
in das steuerliche Bera-16
17
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9

-
tungsmandat
erweitert,
muss es ihm auch möglich sein, sich auf die infolge der
fehlerhaften Beratung entstandenen Vorteile dieser [X.] zu
berufen.

f) Allerdings hat das Berufungsgericht die
tatsächlichen Voraussetzungen einer möglichen Anrechnung der den Gesellschafterinnen entstandenen Vortei-le nicht festgestellt. Die Anrechnung von Steuervorteilen scheidet regelmäßig aus, wenn die dem Geschädigten zufließende Schadensersatzleistung [X.] zu versteuern ist (vgl. [X.], Urteil vom 22. März 1979 -
VII ZR 259/77, [X.]Z 74, 103, 114; vom 28. Januar 2014 -
XI
ZR 495/12, [X.]Z 200, 110
Rn.
11
mwN). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Schädiger Umstände dar-legt, auf deren Grundlage dem Geschädigten auch unter Berücksichtigung der Ersatzleistung außergewöhnliche
Steuervorteile
verbleiben (vgl.
[X.], Urteil vom 15. Juli 2010 -
III ZR 336/08, [X.]Z 186, 205 Rn. 45; vom 1. März 2011
-
XI [X.], [X.], 740 Rn. 8; vom 28. Januar 2014, aaO). Zu möglichen
außergewöhnlichen
Steuervorteilen, auf welche sich die [X.] berufen ha-ben und für deren Vorliegen sie
als Schädiger die Darlegungs-
und Beweislast tragen
(vgl. [X.], Urteil vom 31. Mai 2010 -
II ZR 30/09, [X.], 1310 Rn. 26; vom 15. Juli 2010, aaO; vom 28. Januar 2014, aaO), enthält das Beru-fungsurteil keine Feststellungen.

2.
Entgegen der Auffassung der Revision sind mögliche Fehler des Streithelfers weder geeignet, den Zurechnungszusammenhang zwischen der Pflichtverletzung der [X.] und dem der Klägerin entstandenen Schaden in Höhe der Kosten des finanzgerichtlichen Verfahrens zu unterbrechen, noch ein Mitverschulden der Klägerin zu begründen.

a) Eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs
durch das Eingreifen eines [X.] ist nur dann anzunehmen, wenn es als gänzlich unge-18
19
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10

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wöhnliche Beeinflussung des [X.] zu werten ist (vgl. [X.], Urteil vom 7.
April 2005
-
IX ZR 132/01, [X.], 1812, 1813; G.
[X.] in G.
[X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.], Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl., §
5 Rn. 51).
Das Verhalten Dritter entlastet somit regelmäßig nicht den Erst-schädiger, sondern begründet
zum Schutz des Geschädigten allenfalls eine eigene, zusätzliche Haftung (vgl.
[X.], Urteil vom 7.
April 2005, aaO). [X.] wird der von einer früheren Vertragsverletzung eines Beraters aus-gehende Zurechnungszusammenhang grundsätzlich nicht dadurch unterbro-chen, dass nach dem
pflichtwidrig handelnden Rechtsanwalt oder Steuerbera-ter
eine andere rechtskundige Person mit der Angelegenheit befasst worden ist, die noch in der Lage gewesen wäre, den Schadenseintritt zu verhindern, die ihr obliegende Pflicht jedoch nicht beachtet hat (vgl. [X.],
Urteil vom 7.
April 2005, aaO
mwN). Die Bewertung des Berufungsgerichts, wonach die Entscheidung des Streithelfers, gegen die Gewerbe-
und Umsatzsteuerbescheide vor dem zuständigen Finanzgericht
zunächst
fristwahrend Klage einzureichen, nicht schlechterdings unverständlich und unsachgemäß erscheint
und damit nicht geeignet ist, den Zurechnungszusammenhang zu unterbrechen, begegnet in-soweit keinen Bedenken.

b) Rechtsanwälte oder Steuerberater, die nacheinander demselben Auf-traggeber
Schaden zugefügt haben,
haften im Allgemeinen
diesem
als Ge-samtschuldner, ohne dass sich der Geschädigte bei der Inanspruchnahme ei-nes der ersatzpflichtigen Berater den [X.] des anderen als Mitver-schulden entgegenhalten lassen muss. Die Anrechnung eines Mitverschuldens des Mandanten setzt vielmehr voraus, dass dieser sich des zweiten Beraters
bedient hat, um eine im eigenen Interesse gebotene Obliegenheit zur Abwehr
oder Minderung des Schadens zu erfüllen, welcher durch den in Anspruch ge-nommenen Erstanwalt herbeigeführt wurde ([X.], Urteil vom 14. Juli
1994
21
-

11

-
-
IX ZR 204/93, NJW 1994, 2822, 2824; vom 7. April 2005, aaO
mwN; [X.], [X.] 2010, 2600, 2604).
Vertraut
der Mandant auf eine fehlerfreie Vertragserfül-lung durch den später in Anspruch genommenen Berater, muss er sich regel-mäßig keinen schuldhaften [X.] anrechnen lassen (vgl. [X.], Urteil vom 14.
Juli 1994, aaO; vom 4.
Mai 2000 -
IX ZR 142/99, [X.], 1591, 1595; [X.], aaO). Eine Beauftragung des Streithelfers zur Behebung eines erkannten oder zumindest für möglich gehaltenen Fehlers des [X.] zu 2 hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Es ist vielmehr im Rahmen einer zulässigen tatrichterlichen Würdigung zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klägerin, welche von der [X.] zu 1 noch im Dezember 2008 die schriftli-che Empfehlung
zur Erhebung einer finanzgerichtlichen Klage erhielt, auf die sachgerechte Erfüllung der Vertragspflichten durch die
[X.]
vertraut habe.

3. Zutreffend
hat das Berufungsgericht eine
Haftung auch des [X.] zu 2 angenommen. Die für eine Enthaftung gemäß § 736 Abs. 2 BGB, § 160 Abs. 1 HGB maßgebliche Fünfjahresfrist beginnt mit der positiven Kenntnis des Gesellschaftsgläubigers von dem Ausscheiden des Mitgesellschafters (vgl. [X.],
Urteil vom 24. September 2007 -
II ZR 284/05, [X.]Z 174, 7 Rn. 13 ff mwN). Die Beweislast für die fristauslösende positive Kenntnis trägt hierbei der ausgeschiedene Gesellschafter (vgl. [X.]/[X.], 4.
Aufl., §
160 Rn. 27; Wertenbruch, [X.] 2008, 216, 217). Die
[X.] haben jedoch
für den -
bestrittenen -
Zugang eines das Ausscheiden des [X.] zu 2 anzei-genden Rundschreibens bei der Klägerin bereits keinen Beweis angeboten. Allein aus der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nur leicht abwei-chenden Gestaltung
des Briefkopfes der Sozietät
musste die Klägerin
nicht auf eine Änderung der Gesellschafterstellung des [X.] zu 2 schließen (vgl.
auch [X.]/[X.], 2.
Aufl., § 160 Rn. 27).

22
-

12

-
III.

Die Revision der Klägerin hat ebenfalls Erfolg. Mit der Begründung des
Berufungsurteils kann ein der Klägerin entstandener Schaden in Höhe der gel-tend gemachten Umsatzsteuernachzahlung nicht verneint werden.

1. Mit Recht ist das Berufungsgericht zunächst davon ausgegangen, dass der Vergleichsabschluss zwischen der Klägerin und der R.

GmbH nicht den Zurechnungszusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schadenseintritt unterbricht. Grundsätzlich schließt es eine für den Schaden mitursächliche willentliche Handlung des Verletzten nicht ohne weiteres aus, den Schaden demjenigen zuzurechnen, der die schädigende Kausalkette in Gang gesetzt hat (vgl. Urteil vom 14.
Juni 2012 -
IX [X.], [X.]Z 193, 297 Rn. 44; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.]/[X.], Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl., §
5 Rn. 46). Bestand für die Zweithandlung der [X.] ein rechtfertigender Anlass oder wurde sie durch das [X.] Ereignis herausgefordert und
erweist sich die Reaktion auch nicht als ungewöhnlich oder gänzlich unangemessen, so bleibt der [X.] mit dem Verhalten des Schädigers bestehen (vgl. [X.], Urteil vom 14.
Juni 2012, aaO). Der im Zusammenhang mit einer aufgrund der [X.] fehlerhaften Beratung entstandenen Unsicherheit geschlossene Vergleich ist in der Regel als eine vernünftige Reaktion des Geschädigten in diesem Sinne anzusehen (vgl. [X.], Urteil vom 11.
Februar 1999 -
IX
ZR 14/98, [X.] 1999, 762, 764; Beschluss vom 22.
Oktober 2009 -
IX
ZR 237/06, nv Rn.
6
f; [X.], aaO Rn. 47; jeweils mwN).

Die Entscheidung der Klägerin, von einer gerichtlichen Geltendmachung der Umsatzsteuerforderung gegenüber der R.

GmbH abzusehen, 23
24
25
-

13

-
stellt
kein unsachgemäßes Verhalten dar. Der Abschluss eines außergerichtli-chen Vergleichs nach vorangegangenen Verhandlungen mit der

R.

GmbH beruht nicht auf ungewöhnlichen Umständen, sondern liegt innerhalb eines normalen [X.]. Verursacht der ersatzpflichtige Berater eine für den Geschädigten ungünstige Situation gegenüber dessen [X.],
entspricht es insoweit der Lebenserfahrung, dass der [X.] auch Vorteile aus dieser Situation zu ziehen sucht (vgl. [X.], Urteil vom 11.
März 1980 -
VI [X.], [X.], 649, 650; G.
[X.], aaO Rn.
49).

2. Jedoch hält die Auffassung des Berufungsgerichts, die Ansprüche der Klägerin auf Ersatz des Umsatzsteuerschadens seien wegen ihres [X.] gemäß §
254 Abs. 2 BGB in vollem Umfang ausgeschlossen, der revisi-onsrechtlichen Nachprüfung
nicht stand.

a) Grundsätzlich kann
die Entscheidung über eine Haftungsverteilung im Rahmen des § 254 BGB im Revisionsverfahren nur dahingehend überprüft werden, ob alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und
richtig [X.] und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zu
Grunde ge-legt worden sind
(vgl. [X.], Urteil vom 20.
Juni 2013 -
VII
ZR 4/12, NJW 2013, 3442 Rn. 28; vom 17.
Juni 2014 -
VI
ZR 281/13, NJW 2014, 2493 Rn. 6; jeweils mwN). Das Berufungsgericht hat es jedoch unterlassen, sämtliche wechselsei-tige
Schadensbeiträge der Parteien
festzustellen und aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls gegeneinander abzuwägen. Es hat sich insoweit [X.] beschränkt, aus der Tatsache des [X.]es zwischen der [X.] und der R.

GmbH ein anspruchsausschließendes Mitverschul-den abzuleiten, ohne sich mit möglichen Schadensbeiträgen der [X.] auseinanderzusetzen.
26
27
-

14

-

b) Insbesondere hinsichtlich der zu dem [X.] zwischen Klägerin und R.

GmbH führenden Umstände fehlt es bislang an Feststellungen des Berufungsgerichts. Eine abschließende Würdigung des klä-gerischen Verhaltens ist aber
nur möglich, wenn sämtliche Gesichtspunkte, die zur teilweisen
Aufgabe der gegenüber der R.

GmbH
bestehenden Ersatzansprüche führten, neben dem Verursachungsbeitrag der [X.] bei der
Abwägung berücksichtigt
werden.

28
-

15

-
IV.

Das angefochtene Urteil kann folglich keinen Bestand haben. Es ist auf-zuheben (§
562 Abs.
1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Ent-scheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungs-gericht zurückzuverweisen (§
563 Abs.
1 ZPO).

Kayser
[X.]
[X.]

[X.]
Möhring

Vorinstanzen:

[X.], Entscheidung vom 13.07.2012 -
4 O 119/10 -

OLG [X.], Entscheidung vom 30.10.2013 -
3 U 97/12 -

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Meta

IX ZR 255/13

08.09.2016

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.09.2016, Az. IX ZR 255/13 (REWIS RS 2016, 5735)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 5735

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