Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.09.2016, Az. IX ZR 255/13

9. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 5764

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Gegenstand

Steuerberaterhaftung: Schadensberechnung bei steuerlicher Beratung einer GbR und deren Gesellschafter


Leitsatz

Hat die steuerliche Beratung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach dem Inhalt des Vertrages auch die Interessen der Gesellschafter zum Gegenstand, ist der Schaden unter Einbeziehung der Vermögenslagen der Gesellschafter zu berechnen (Fortführung von BGH, Urteil vom 18. Februar 2016, IX ZR 191/13, ZIP 2016, 1541).

Tenor

Auf die Revisionen der Klägerin und der Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des [X.] vom 30. Oktober 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin ist eine zum Betrieb einer Praxis für Physiotherapie gegründete Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die im Zeitraum vom 1. September 1998 bis zum 11. November 2007 von dem [X.] zu 2 steuerlich beraten wurde. Der Beklagte zu 2 war bis zu seinem Ausscheiden am 3. Juni 2004 Mitgesellschafter der [X.] zu 1, einer Steuerberatersozietät. Neben physiotherapeutischen Heilbehandlungen erbrachte die Klägerin im Auftrag der [X.], in deren Räumen sie ihre Praxis betrieb, weitere sogenannte Wellnessbehandlungen.

2

Im Rahmen einer Betriebsprüfung in den Jahren 2007 und 2008 stellte das zuständige Finanzamt fest, dass die von der Klägerin erbrachten Wellnessbehandlungen der Umsatz- und Gewerbesteuer unterlagen. Die Gewerbesteuerpflicht erfasste aufgrund der Regelung des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG sämtliche Einnahmen der Klägerin. Die durch den Streithelfer der [X.], einen im November 2007 von der Klägerin mandatierten Steuerberater, vor dem Finanzgericht erhobenen Klagen gegen die Umsatz- und [X.] blieben erfolglos.

3

Die Klägerin macht den ihr infolge der unterbliebenen Ausgliederung des Wellnessbereichs in eine gesonderte Gesellschaft verursachten Gewerbesteuerschaden in Höhe von 46.255,08 € sowie die vor dem Finanzgericht entstandenen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 7.150,03 € geltend. Von dem von der Klägerin an das Finanzamt nachzuentrichtenden Umsatzsteuergesamtbetrag in Höhe von 105.809,55 € erklärte sich die [X.] in einem mit der Klägerin geschlossenen Vergleich bereit, einen Teilbetrag in Höhe von 68.304,49 € zu übernehmen. Insoweit begehrt die Klägerin Ersatz der darüber hinaus [X.] Umsatzsteuer in Höhe von [X.] sowie der auf die Umsatzsteuernachforderungen entfallenden Zinsen in Höhe von 17.834 €.

4

Das [X.] hat der Klage gegenüber der [X.] zu 1 in Höhe des [X.] und der auf die Umsatzsteuernachforderung entfallenden Zinsen stattgegeben. Auf die wechselseitigen Berufungen hat das Berufungsgericht die [X.] als Gesamtschuldner zum Ersatz des [X.], der Zinsen auf die Umsatzsteuernachforderung sowie der vor dem Finanzgericht entstandenen Rechtsverfolgungskosten verurteilt und die Berufung hinsichtlich des Umsatzsteuerschadens zurückgewiesen. Hiergegen wenden sich die Parteien mit ihren vom Senat zugelassenen Revisionen.

Entscheidungsgründe

5

Die Revisionen der Klägerin und der [X.] haben Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

6

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Klägerin stehe gegen die [X.] ein Anspruch auf Schadensersatz wegen der Verletzung von Hinweispflichten aus einem zwischen den Parteien geschlossenen Steuerberatungsvertrag zu. Den [X.] sei bekannt gewesen, dass die Klägerin neben physiotherapeutischen Heilbehandlungen auch medizinisch nicht indizierte Wellnessleistungen erbracht habe. Sie hätten die Klägerin daher auf die Umsatz- und Gewerbesteuerpflicht ihrer Einnahmen hinweisen und eine Ausgliederung jener Leistungen in eine neu zu gründende, personenidentische Gesellschaft empfehlen müssen.

7

Einen ersatzfähigen Schaden habe die Klägerin jedoch nur in Höhe der auf die Umsatzsteuer entfallenden Verzugszinsen, der Gewerbesteuer und der im Rahmen des finanzgerichtlichen Verfahrens entstandenen Rechtsverfolgungskosten erlitten. Die aus der Anrechnung der Gewerbe- auf die Einkommensteuer folgenden Vorteile der Gesellschafterinnen seien bei der Schadensberechnung nicht zu berücksichtigen, weil es sich bei der (teil-)rechtsfähigen Klägerin um ein eigenständiges, von ihren Gesellschafterinnen zu trennendes Rechtssubjekt handele. Der Geltendmachung des Umsatzsteuerschadens stehe ein anspruchsausschließendes Mitverschulden der Klägerin entgegen. Diese habe es unterlassen, den ihr gegenüber der vorsteuerabzugsberechtigten [X.] bestehenden Anspruch auf Übernahme der [X.] in voller Höhe durchzusetzen.

8

Eine Begrenzung der Haftung des [X.] zu 2 gemäß § 736 Abs. 2 BGB, § 160 Abs. 1 Satz 1 HGB scheide aus. Die Klägerin habe keine positive Kenntnis von dem Ausscheiden des [X.] zu 2 aus der Steuerberaterkanzlei gehabt.

II.

9

Diese Erwägungen halten den Angriffen der Revision der [X.] nicht in allen Punkten stand. Mit der Begründung des Berufungsurteils kann ein der Klägerin entstandener Schaden in Höhe der insgesamt [X.] Gewerbesteuer nicht angenommen werden.

1. Grundlage des von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruchs ist § 280 BGB in Verbindung mit dem zwischen den Parteien geschlossenen Beratungsvertrag. Nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt ist für die Schadensbetrachtung allerdings nicht ausschließlich die Vermögenslage der Klägerin entscheidend. Vielmehr sind aufgrund der Ausgestaltung des den [X.] erteilten Mandats auch die Vermögensinteressen der Gesellschafterinnen der Klägerin zu berücksichtigen. Danach ist das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin grundsätzlich den ihr durch die Pflichtverletzung der [X.] entstandenen Gewerbesteuerschaden ersetzt verlangen kann. Allerdings sind auch die bei den Gesellschafterinnen der Klägerin angefallenen Anrechnungsvorteile im Rahmen einer konsolidierten Schadensbetrachtung in die Gesamtbewertung einzubeziehen.

a) Ausgangspunkt jeder Schadensberechnung ist die Differenzhypothese. Ob und inwieweit ein nach §§ 249 ff BGB zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, beurteilt sich regelmäßig nach einem Vergleich der infolge des [X.] eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre ([X.], Urteil vom 14. Juni 2012 - [X.], [X.]Z 193, 297 Rn. 42; vom 6. Juni 2013 - [X.], [X.], 1323 Rn. 20; vom 5. Februar 2015 - [X.], [X.], 790 Rn. 7; vom 10. Dezember 2015 - [X.], [X.], 371 Rn. 12; vom 18. Februar 2016 - [X.], [X.], 1541 Rn. 9). Erforderlich ist ein Gesamtvermögensvergleich, der alle von dem haftungsbegründenden Ereignis betroffenen finanziellen Positionen umfasst. Dieser erfordert nicht lediglich eine Berücksichtigung von Einzelpositionen, sondern eine Gegenüberstellung der hypothetischen und der tatsächlichen Vermögenslage (vgl. [X.], Urteil vom 20. November 1997 - [X.], [X.], 142 f; vom 20. Januar 2005 - [X.], [X.], 999, 1000; vom 7. Februar 2008 - [X.], [X.], 946 Rn. 24; vom 5. Februar 2015, aaO; vom 10. Dezember 2015, aaO; vom 18. Februar 2016, aaO).

b) Bezugspunkt des [X.] ist grundsätzlich das Vermögen des Geschädigten, nicht aber dasjenige Dritter (vgl. [X.], Urteil vom 5. Februar 2015, aaO Rn. 8; vom 10. Dezember 2015, aaO Rn. 13; vom 18. Februar 2016, aaO Rn. 10). Daher kann auf Grund eines Vertrages regelmäßig nur derjenige Schadensersatz verlangen, bei dem der Schaden tatsächlich eingetreten ist und dem er rechtlich zur Last fällt (vgl. [X.], Urteil vom 26. November 1968 - [X.], [X.]Z 51, 91, 93). Dies führt im Rahmen der Beraterhaftung dazu, dass der zum Ersatz verpflichtete Steuerberater grundsätzlich nur für den Schaden seines Mandanten einzustehen hat, wobei die Drittschadensliquidation und der Vertrag zugunsten Dritter sowie mit Schutzwirkung für Dritte eine Ausnahme bilden (vgl. [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/Rinkler/[X.], Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl., § 5 Rn. 138 zur Anwaltshaftung). Ebenso ist es dem ersatzpflichtigen Steuerberater verwehrt, sich auf Vorteile zu berufen, die Dritte infolge der schädigenden Handlung erlangt haben mögen ([X.], Urteil vom 5. Februar 2015, aaO).

c) Ausnahmen von diesem Grundsatz hat der [X.] jedoch insbesondere im Zusammenhang mit der Übertragung von Vermögenswerten an Familienangehörige oder innerhalb eines [X.] anerkannt. Hierfür ist der konkrete Auftrag entscheidend, den der Mandant dem Berater ausdrücklich oder den Umständen nach erteilt hat. Wenn der Mandant im Rahmen einer Gestaltungsberatung die Berücksichtigung der Interessen eines [X.] zum Gegenstand der Beratungsleistung gemacht hat, ist die Schadensberechnung auch unter Einbeziehung dieser Drittinteressen vorzunehmen (vgl. [X.], Urteil vom 5. Februar 2015, aaO Rn. 11 f; vom 10. Dezember 2015, aaO Rn. 15; vom 18. Februar 2016, aaO Rn. 12).

d) Das Berufungsgericht ist demnach zutreffend von der Entstehung eines Schadens in Höhe der zu viel entrichteten Gewerbesteuer ausgegangen. Der Umstand, dass der Klägerin Einnahmen auch aus den Wellnessbehandlungen zugeflossen sind, die sie im Fall der Ausgliederung nicht erzielt hätte, wirkt sich entgegen der Auffassung der Revision nicht schadensmindernd aus.

Der zwischen der Klägerin und den [X.] abgeschlossene Beratungsvertrag umfasste nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt auch die Vermögensinteressen der Gesellschafterinnen der Klägerin. Weil aufgrund des steuerrechtlichen Transparenzprinzips der von der Klägerin als Personengesellschaft erwirtschaftete Gewinn anteilig bei den Gesellschafterinnen zu erfassen war (vgl. [X.], 398, 401 mwN; [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.] Handbuch des Gesellschaftsrechts, 4. Aufl., § 9 Rn. 1; [X.]/[X.]/[X.], [X.]’sches Handbuch der Personengesellschaften, 4. Aufl., § 1 Rn. 20 f), schloss die steuerliche Beratung der Klägerin auch einkommensteuerliche Fragen sowie die Anfertigung der Einkommensteuererklärungen der Gesellschafterinnen ein. Die [X.] hatten demnach die wirtschaftlichen Folgen einer Ausgliederung der nicht der Regelung des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG unterfallenden Leistungen sowohl im Hinblick auf das Vermögen der klägerischen Gesellschaft als auch ihrer Gesellschafterinnen zu prüfen.

Die aus den Wellnessbehandlungen gezogenen Vorteile sind der Klägerin nicht schadensmindernd entgegenzuhalten. Diese Einnahmen sind wirtschaftlich den Gesellschafterinnen zuzurechnen und wären diesen als Einnahmen einer neu zu gründenden Gesellschaft weiterhin zuzuordnen gewesen, ohne dass für die Einnahmen aus physiotherapeutischen Heilbehandlungen gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG Gewerbesteuer angefallen wäre (vgl. [X.], Urteil vom 18. Februar 2016 - [X.], [X.], 1541 Rn. 16).

e) Die den Gesellschafterinnen durch die Ermäßigung ihrer Einkommensteuer gemäß § 35 Abs. 1 EStG erwachsenden Vorteile sind allerdings grundsätzlich auf den klägerischen Schaden anzurechnen. Dies hat das Berufungsgericht zu Unrecht abgelehnt. Wird die Haftung des Steuerberaters durch die Einbeziehung der Vermögensinteressen Dritter in das steuerliche [X.] erweitert, muss es ihm auch möglich sein, sich auf die infolge der fehlerhaften Beratung entstandenen Vorteile dieser [X.] zu berufen.

f) Allerdings hat das Berufungsgericht die tatsächlichen Voraussetzungen einer möglichen Anrechnung der den Gesellschafterinnen entstandenen Vorteile nicht festgestellt. Die Anrechnung von Steuervorteilen scheidet regelmäßig aus, wenn die dem Geschädigten zufließende Schadensersatzleistung ihrerseits zu versteuern ist (vgl. [X.], Urteil vom 22. März 1979 - [X.], [X.]Z 74, 103, 114; vom 28. Januar 2014 - [X.], [X.]Z 200, 110 Rn. 11 mwN). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Schädiger Umstände darlegt, auf deren Grundlage dem Geschädigten auch unter Berücksichtigung der Ersatzleistung außergewöhnliche Steuervorteile verbleiben (vgl. [X.], Urteil vom 15. Juli 2010 - [X.], [X.]Z 186, 205 Rn. 45; vom 1. März 2011 - [X.], [X.], 740 Rn. 8; vom 28. Januar 2014, aaO). Zu möglichen außergewöhnlichen Steuervorteilen, auf welche sich die [X.] berufen haben und für deren Vorliegen sie als Schädiger die Darlegungs- und Beweislast tragen (vgl. [X.], Urteil vom 31. Mai 2010 - [X.], [X.], 1310 Rn. 26; vom 15. Juli 2010, aaO; vom 28. Januar 2014, aaO), enthält das Berufungsurteil keine Feststellungen.

2. Entgegen der Auffassung der Revision sind mögliche Fehler des Streithelfers weder geeignet, den Zurechnungszusammenhang zwischen der Pflichtverletzung der [X.] und dem der Klägerin entstandenen Schaden in Höhe der Kosten des finanzgerichtlichen Verfahrens zu unterbrechen, noch ein Mitverschulden der Klägerin zu begründen.

a) Eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs durch das Eingreifen eines [X.] ist nur dann anzunehmen, wenn es als gänzlich ungewöhnliche Beeinflussung des [X.] zu werten ist (vgl. [X.], Urteil vom 7. April 2005 - [X.], [X.], 1812, 1813; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/Rinkler/[X.], Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl., § 5 Rn. 51). Das Verhalten Dritter entlastet somit regelmäßig nicht den Erstschädiger, sondern begründet zum Schutz des Geschädigten allenfalls eine eigene, zusätzliche Haftung (vgl. [X.], Urteil vom 7. April 2005, aaO). Dementsprechend wird der von einer früheren Vertragsverletzung eines Beraters ausgehende Zurechnungszusammenhang grundsätzlich nicht dadurch unterbrochen, dass nach dem pflichtwidrig handelnden Rechtsanwalt oder Steuerberater eine andere rechtskundige Person mit der Angelegenheit befasst worden ist, die noch in der Lage gewesen wäre, den Schadenseintritt zu verhindern, die ihr obliegende Pflicht jedoch nicht beachtet hat (vgl. [X.], Urteil vom 7. April 2005, aaO mwN). Die Bewertung des Berufungsgerichts, wonach die Entscheidung des Streithelfers, gegen die Gewerbe- und Umsatzsteuerbescheide vor dem zuständigen [X.] zunächst fristwahrend Klage einzureichen, nicht schlechterdings u[X.]erständlich und unsachgemäß erscheint und damit nicht geeignet ist, den Zurechnungszusammenhang zu unterbrechen, begegnet insoweit keinen Bedenken.

b) Rechtsanwälte oder Steuerberater, die nacheinander demselben Auftraggeber Schaden zugefügt haben, haften im Allgemeinen diesem als Gesamtschuldner, ohne dass sich der Geschädigte bei der Inanspruchnahme eines der ersatzpflichtigen Berater den [X.] des anderen als Mitverschulden entgegenhalten lassen muss. Die Anrechnung eines Mitverschuldens des Mandanten setzt vielmehr voraus, dass dieser sich des zweiten Beraters bedient hat, um eine im eigenen Interesse gebotene Obliegenheit zur Abwehr oder Minderung des Schadens zu erfüllen, welcher durch den in Anspruch genommenen Erstanwalt herbeigeführt wurde ([X.], Urteil vom 14. Juli 1994 - [X.], NJW 1994, 2822, 2824; vom 7. April 2005, aaO mwN; [X.], [X.] 2010, 2600, 2604). Vertraut der Mandant auf eine fehlerfreie Vertragserfüllung durch den später in Anspruch genommenen Berater, muss er sich regelmäßig keinen schuldhaften [X.] anrechnen lassen (vgl. [X.], Urteil vom 14. Juli 1994, aaO; vom 4. Mai 2000 - [X.], [X.], 1591, 1595; [X.], aaO). Eine Beauftragung des Streithelfers zur Behebung eines erkannten oder zumindest für möglich gehaltenen Fehlers des [X.] zu 2 hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Es ist vielmehr im Rahmen einer zulässigen tatrichterlichen Würdigung zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klägerin, welche von der [X.] zu 1 noch im Dezember 2008 die schriftliche Empfehlung zur Erhebung einer finanzgerichtlichen Klage erhielt, auf die sachgerechte Erfüllung der Vertragspflichten durch die [X.] vertraut habe.

3. Zutreffend hat das Berufungsgericht eine Haftung auch des [X.] zu 2 angenommen. Die für eine Enthaftung gemäß § 736 Abs. 2 BGB, § 160 Abs. 1 HGB maßgebliche Fünfjahresfrist beginnt mit der positiven Kenntnis des Gesellschaftsgläubigers von dem Ausscheiden des Mitgesellschafters (vgl. [X.], Urteil vom 24. September 2007 - [X.], [X.]Z 174, 7 Rn. 13 ff mwN). Die Beweislast für die fristauslösende positive Kenntnis trägt hierbei der ausgeschiedene Gesellschafter (vgl. [X.]/[X.], 4. Aufl., § 160 Rn. 27; Wertenbruch, [X.] 2008, 216, 217). Die [X.] haben jedoch für den - bestrittenen - Zugang eines das Ausscheiden des [X.] zu 2 anzeigenden Rundschreibens bei der Klägerin bereits keinen Beweis angeboten. Allein aus der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nur leicht abweichenden Gestaltung des [X.] der Sozietät musste die Klägerin nicht auf eine Änderung der Gesellschafterstellung des [X.] zu 2 schließen (vgl. auch [X.]/[X.], 2. Aufl., § 160 Rn. 27).

III.

Die Revision der Klägerin hat ebenfalls Erfolg. Mit der Begründung des Berufungsurteils kann ein der Klägerin entstandener Schaden in Höhe der geltend gemachten Umsatzsteuernachzahlung nicht verneint werden.

1. Mit Recht ist das Berufungsgericht zunächst davon ausgegangen, dass der Vergleichsabschluss zwischen der Klägerin und der [X.] nicht den Zurechnungszusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schadenseintritt unterbricht. Grundsätzlich schließt es eine für den Schaden mitursächliche willentliche Handlung des Verletzten nicht ohne weiteres aus, den Schaden demjenigen zuzurechnen, der die schädigende Kausalkette in Gang gesetzt hat (vgl. Urteil vom 14. Juni 2012 - [X.], [X.]Z 193, 297 Rn. 44; [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/Rinkler/[X.], Handbuch der Anwaltshaftung, 4. Aufl., § 5 Rn. 46). Bestand für die Zweithandlung der Geschädigten ein rechtfertigender Anlass oder wurde sie durch das haftungsbegründende Ereignis herausgefordert und erweist sich die Reaktion auch nicht als ungewöhnlich oder gänzlich unangemessen, so bleibt der Zurechnungszusammenhang mit dem Verhalten des Schädigers bestehen (vgl. [X.], Urteil vom 14. Juni 2012, aaO). Der im Zusammenhang mit einer aufgrund der vorangegangenen fehlerhaften Beratung entstandenen Unsicherheit geschlossene Vergleich ist in der Regel als eine vernünftige Reaktion des Geschädigten in diesem Sinne anzusehen (vgl. [X.], Urteil vom 11. Februar 1999 - [X.], [X.] 1999, 762, 764; Beschluss vom 22. Oktober 2009 - [X.], [X.] Rn. 6 f; [X.], aaO Rn. 47; jeweils mwN).

Die Entscheidung der Klägerin, von einer gerichtlichen Geltendmachung der Umsatzsteuerforderung gegenüber der [X.] abzusehen, stellt kein unsachgemäßes Verhalten dar. Der Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs nach vorangegangenen Verhandlungen mit der [X.] beruht nicht auf ungewöhnlichen Umständen, sondern liegt innerhalb eines normalen [X.]. Verursacht der ersatzpflichtige Berater eine für den Geschädigten ungünstige Situation gegenüber dessen Vertragspartner, entspricht es insoweit der Lebenserfahrung, dass der Dritte möglicherweise auch Vorteile aus dieser Situation zu ziehen sucht (vgl. [X.], Urteil vom 11. März 1980 - [X.], [X.], 649, 650; [X.], aaO Rn. 49).

2. Jedoch hält die Auffassung des Berufungsgerichts, die Ansprüche der Klägerin auf Ersatz des Umsatzsteuerschadens seien wegen ihres Mitverschuldens gemäß § 254 Abs. 2 BGB in vollem Umfang ausgeschlossen, der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a) Grundsätzlich kann die Entscheidung über eine Haftungsverteilung im Rahmen des § 254 BGB im Revisionsverfahren nur dahingehend überprüft werden, ob alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und der Abwägung rechtlich zulässige Erwägungen zu Grunde gelegt worden sind (vgl. [X.], Urteil vom 20. Juni 2013 - [X.], NJW 2013, 3442 Rn. 28; vom 17. Juni 2014 - [X.], NJW 2014, 2493 Rn. 6; jeweils mwN). Das Berufungsgericht hat es jedoch unterlassen, sämtliche wechselseitige Schadensbeiträge der Parteien festzustellen und aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls gegeneinander abzuwägen. Es hat sich insoweit darauf beschränkt, aus der Tatsache des [X.]es zwischen der Klägerin und der [X.] ein anspruchsausschließendes Mitverschulden abzuleiten, ohne sich mit möglichen Schadensbeiträgen der [X.] auseinanderzusetzen.

b) Insbesondere hinsichtlich der zu dem [X.] zwischen Klägerin und [X.] führenden Umstände fehlt es bislang an Feststellungen des Berufungsgerichts. Eine abschließende Würdigung des klägerischen Verhaltens ist aber nur möglich, wenn sämtliche Gesichtspunkte, die zur teilweisen Aufgabe der gegenüber der [X.] bestehenden Ersatzansprüche führten, neben dem Verursachungsbeitrag der [X.] bei der Abwägung berücksichtigt werden.

IV.

Das angefochtene Urteil kann folglich keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).

Kayser                            Lohmann                            Pape

                  Grupp                                [X.]

Meta

IX ZR 255/13

08.09.2016

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Braunschweig, 30. Oktober 2013, Az: 3 U 97/12

§ 249 Abs 1 BGB, § 280 BGB, § 675 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.09.2016, Az. IX ZR 255/13 (REWIS RS 2016, 5764)

Papier­fundstellen: WM2018,139 REWIS RS 2016, 5764

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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