Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.05.2011, Az. VII ZB 46/10

VII. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 6990

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BUNDESGERICHTSHOF [X.]/10
vom 5. Mai 2011 in dem Zwangsvollstreckungsverfahren

- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat am 5. Mai 2011 durch den Vorsitzenden [X.] Prof. Dr. [X.], den [X.] [X.], die [X.]in [X.], den [X.] [X.] und den [X.] Prof. [X.] beschlossen: Die Gläubigerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gründe: 1. Die Gläubigerin, eine Oberjustizkasse, betreibt als Vollstreckungsbe-hörde die Beitreibung von Justizkostenforderungen des Landes N.

in Höhe von 4.683,48 • gegen den Schuldner, einen Strafgefange-nen. Dieser macht wegen behaupteter menschenunwürdiger Haftunterbringung Schadensersatzansprüche gegen das Land geltend. 1 Die Gläubigerin hat als Vollstreckungsbehörde am 18. August 2009 ei-nen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erlassen, mit dem die angebliche Forderung des Schuldners an das Land als Drittschuldnerin auf Auszahlung von Beträgen aus 2 fi1. allen gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüchen gegen das [X.]

aufgrund seiner tatsächlichen Unter-bringung oder Unterbringungen in [X.] des [X.], 2. allen gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüchen gegen das [X.]

aufgrund der Rechtsverfolgung der in - 3 - Ziffer 1 genannten Forderungen (insbesondere Rechtsanwalts- und Gerichtskosten)fi gepfändet und zur Einziehung überwiesen worden ist. 3 Die dagegen eingelegte Erinnerung hat das [X.]. Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Beschwerdegericht den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufgehoben. Nachdem die Gläu-bigerin Rechtsbeschwerde eingelegt und zunächst die Zurückweisung der [X.] Beschwerde erstrebt hatte, haben die Parteien nach Verzicht des [X.] auf die noch ausstehende Justizkostenforderung die Erledigung der [X.] erklärt. 2. Nach übereinstimmender Erledigungserklärung ist gemäß § 91a ZPO nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Diese sind der Gläu-bigerin aufzuerlegen, weil die von ihr vorgenommene Pfändung - wie das Be-schwerdegericht zu Recht angenommen hat - unzulässig war. 4 a) Steht einem Strafgefangenen ein Anspruch auf Geldentschädigung für immaterielle Schäden infolge menschenunwürdiger Haftbedingungen gegen den Staat zu, ist nach der Rechtsprechung des [X.] (Urteil vom 1. Oktober 2009 - [X.], [X.], 301, 304) eine Aufrechnung des Staates mit Gegenforderungen gemäß § 242 BGB unzulässig. Der Anspruch des Strafgefangenen auf Geldentschädigung leitet sich aus dem Schutzauftrag der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG ab. Er hat neben der Genugtuung für den Verletzten auch den Zweck einer wirksamen Sanktion und Prävention in dem Sinne, dass der verpflichtete Staat dazu angehalten wird, menschenunwürdige Haftbedingungen von vornherein zu vermeiden oder aber zumindest alsbald zu beseitigen und nicht länger fortdauern zu lassen ([X.], Urteil vom 1. Oktober 2009 - [X.], aaO, S. 304 f.; Urteil vom 5 - 4 - 4. November 2004 - [X.], [X.]Z 161, 33, 35 ff.). Diesen Zweck kann der Geldentschädigungsanspruch wirksam nur erfüllen, wenn er für den [X.] spürbare Auswirkungen hat. Dies ist nicht der Fall, wenn die Forderungen, mit denen der Staat aufrechnen möchte, bei wirtschaftlicher Be-trachtung wertlos sind, weil - wie in vielen Fällen - der Strafgefangene vermö-genslos ist ([X.], Urteil vom 1. Oktober 2009 - [X.], aaO, [X.]). b) Aus den gleichen Erwägungen ist dem Staat auch die Pfändung eines gegen ihn gerichteten Anspruchs eines Strafgefangenen auf [X.] wegen immaterieller Schäden infolge menschenunwürdiger [X.] zu versagen. Eine Zulassung der Pfändung eines aus einer mensch-unwürdigen Haftunterbringung herrührenden [X.] zur Befriedigung offener Verfahrenskosten würde - worauf die Rechtsbeschwerde-erwiderung zu Recht hinweist - die Funktion der Genugtuung, der Sanktion und der Prävention ebenso ins Leere laufen lassen wie die Zulassung einer [X.]. Denn mit dem Zugriff auf die Forderung des Strafgefangenen würden deren nachteilige Wirkungen verblassen. Der Staat würde sich auf diese Weise eine Befriedigung der wirtschaftlich wertlosen Forderung verschaffen und gleichzeitig den mit der Zuerkennung des [X.] verfolgten Zweck umgehen. Letztlich träten nach der aufgrund einer Pfändung und [X.] zur Einziehung regelmäßig erfolgenden Aufrechnung des Gläubigers mit dem Entschädigungsanspruch lediglich mit zeitlicher Verzögerung die wirt-schaftlichen Folgen der unzulässigen Aufrechnung mit den [X.] ein. 6 c) [X.] erstreckt sich - wie das Beschwerdegericht zu Recht angenommen hat - auch auf die aus der Rechtsverfolgung der [X.] erwachsenen Ansprüche, insbesondere die Rechtsanwalts- und Gerichtskosten. Werden mit dem [X.] - wie hier - Zwecke 7 - 5 - der Sanktion und der Prävention verfolgt, muss sich wegen der engen materiel-len Verbindung mit der Hauptforderung das Pfändungsverbot auch auf die Kos-ten der Rechtsverfolgung erstrecken (vgl. auch [X.], Urteil vom 24. März 2011 - [X.], [X.], 756 Rn. 47 f.). Mit entsprechenden Erwägungen hat der [X.] bereits entschieden, dass sich das Vollstreckungsprivileg des § 850f Abs. 2 ZPO auch auf Ansprüche auf Erstattung von Prozesskosten erstreckt, wenn diese Folge der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung sind ([X.], Beschluss vom 10. März 2011 - [X.] ZB 70/08, in juris Rn. 16). [X.] Kuffer [X.] [X.] [X.] Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom 09.04.2010 - 184 M 145/10 - [X.], Entscheidung vom 17.06.2010 - 23 T 357 + 437/10 -

Meta

VII ZB 46/10

05.05.2011

Bundesgerichtshof VII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.05.2011, Az. VII ZB 46/10 (REWIS RS 2011, 6990)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6990

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IX ZR 180/10

VII ZB 70/08

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