Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.05.2012, Az. I ZR 198/11

1. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 5937

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Gegenstand

Abfalltransportvertrag: Revisionsgerichtliche Überprüfbarkeit der Auslegung einer Kundenschutzklausel durch das Berufungsgericht


Tenor

1. Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der [X.] beabsichtigt, die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 5. Oktober 2011 durch Beschluss gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen.

2. Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 18.222,57 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Der Kläger verlangt von der Beklagten [X.]. Grund und Höhe des [X.]anspruchs sind zwischen den Parteien unstreitig. Gegenstand des Streits ist die Frage, ob die Beklagte dem [X.]anspruch des [X.] ein Zurückbehaltungsrecht bzw. einen aufrechenbaren Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer zwischen den Parteien für jeden Frachtauftrag vereinbarten [X.] entgegenhalten kann, die wie folgt lautet:

Absoluter Kundenschutz ist Bestandteil dieses Vertrages.

2

Die Beklagte hat geltend gemacht, der Kläger habe sich nach einer gewissen Zeit direkt an ihren Auftraggeber gewandt, ihre Preise unterboten und vom Auftraggeber direkt Transportaufträge erhalten. Dadurch seien ihr - der Beklagten - Aufträge verlorengegangen und damit ein Schaden entstanden.

3

Das [X.] hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung der Transportvergütung verurteilt. [X.]s hat angenommen, der Beklagten stünden keine Gegenansprüche aus einer Verletzung der [X.] zu. Diese Klausel sei gemäß § 138 Abs. 1 [X.], § 1 GWB nichtig, weil sie in dem von der Beklagten verstandenen Sinne unbegrenzt und unbefristet auf einen absoluten Schutz der eigenen Kunden und Auftraggeber vor konkurrierenden Angeboten des [X.] gerichtet sei.

4

Die Berufung der Beklagten ist ohne [X.]rfolg geblieben. Das Berufungsgericht ist ebenfalls von der Unwirksamkeit der [X.] gemäß § 138 Abs. 1 [X.], § 1 GWB ausgegangen und hat sich zusätzlich auf eine Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 [X.] gestützt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiter Klageabweisung. Der Kläger beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.

5

II. Zulassungsgründe (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor. Die Revision hat auch keine Aussicht auf [X.]rfolg.

6

1. Die vom Berufungsgericht formulierte [X.] der rechtlichen Behandlung des Kundenschutzes bei zivilrechtlichen Abfalltransportverträgen zwischen notifizierten Vertragspartnern im grenzüberschreitenden Transportgewerbe ist nicht entscheidungserheblich. Das Berufungsgericht ist im Wege der Vertragsauslegung davon ausgegangen, dass es für den räumlichen, sachlichen und zeitlichen Umfang der [X.] nach den im Streitfall konkret vorliegenden Umständen nicht darauf ankommt, dass die Klausel auch für grenzüberschreitende Abfalltransporte vereinbart wurde und die Parteien das erforderliche unionsrechtliche Notifizierungsverfahren eingehalten haben. Auch die Revision macht in diesem Zusammenhang keine grundsätzlich klärungsbedürftigen Rechtsfragen geltend, sondern rügt die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung der [X.] als rechtsfehlerhaft. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen wettbewerbsbeschränkende Abreden in [X.] nach § 1 GWB oder § 138 [X.] unwirksam sind, ist durch höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt ([X.], Urteil vom 10. Dezember 2008 - [X.], [X.]/[X.] D[X.]-R 2554 Rn. 15, 24 = [X.], 698 - [X.], [X.]). Weitere Zulassungsgründe sind ebenfalls nicht ersichtlich.

7

2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf [X.]rfolg.

8

a) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die [X.] nach § 138 Abs. 1, § 307 Abs. 2 Nr. 1 [X.], § 1 GWB unwirksam ist. Die Klausel sei weder zeitlich, noch räumlich oder gegenständlich beschränkt. [X.]ine zeitliche Beschränkung auf die Dauer der Gültigkeit der Abfallverbringungsgenehmigung und eine Beschränkung auf die Abfalltransporte von [X.]/[X.] nach [X.] könne der Klausel nicht entnommen werden, weil die Klausel auch für Transportaufträge zwischen den Parteien verwendet worden sei, die außerhalb dieses notifizierten Bereichs durchgeführt worden seien. Diese Beurteilung lässt keine Rechtsfehler erkennen.

9

b) Nach der Rechtsprechung des [X.] sind Wettbewerbsverbote, die zwischen Unternehmen im Zusammenhang mit einem [X.] vereinbart werden, nicht gemäß § 1 GWB verboten, wenn sie als [X.] erforderlich sind, um den Hauptzweck des als solchen [X.] zu verwirklichen. Dabei ist entscheidend, ob das Wettbewerbsverbot sachlich erforderlich und zeitlich, räumlich und gegenständlich darauf beschränkt ist, den mit dem [X.] verfolgten Zweck zu erreichen ([X.], [X.]/[X.] D[X.]R 2554 Rn. 15  [X.]). Diese Maßstäbe hat das Berufungsgericht zutreffend seiner Beurteilung zugrunde gelegt.

aa) Soweit die Revision meint, die [X.] sei - wenn sie im Kontext der zwischen den Parteien geschlossenen Gesamtvereinbarung ausgelegt werde - sowohl gegenständlich als auch örtlich und zeitlich beschränkt, wendet sie sich erfolglos gegen die im Wesentlichen auf tatrichterlichem Gebiet liegende Auslegung der Kundenschutzvereinbarung durch das Berufungsgericht. Die Revision legt nicht dar, dass das Berufungsgericht bei der Auslegung gesetzliche Auslegungsgrundsätze, Denkgesetze oder [X.]rfahrungssätze verletzt hat oder die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht.

Ohne [X.]rfolg macht die Revision geltend, das Berufungsgericht habe keine Feststellungen dazu getroffen, dass die Beklagte die Klausel auch für andere Transporte verwendet habe. Das Berufungsgericht hat im unstreitigen Tatbestand des angegriffenen Urteils ausdrücklich festgestellt, dass die Beklagte den Kläger nicht nur mit grenzüberschreitenden Abfalltransporten von [X.]/[X.] nach [X.] beauftragt hatte, sondern auch mit grenzüberschreitenden Abfalltransporten von [X.] nach [X.] und mit einem Weizentransport von [X.] nach [X.]. Auch bei diesen Transporten sei die nämliche [X.] vereinbart worden. Dieser Gesichtspunkt ist vom Berufungsgericht auch zu Recht als maßgeblicher Gesichtspunkt angesehen worden. Das Gesamtverhalten der Vertragsparteien einschließlich der Nebenumstände muss in die Auslegung einbezogen werden, wenn es Rückschlüsse auf den Sinngehalt der [X.]rklärung zulässt (vgl. [X.] in MünchKomm.[X.], 6. Aufl., § 133 Rn. 55 [X.]).

bb) Ohne [X.]rfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe sich zu seiner eigenen Feststellung in Widerspruch gesetzt, wonach der Kläger die "[X.] eingeräumt" habe. Die Revision lässt dabei außer [X.], dass das Berufungsgericht insoweit lediglich von der Abgegrenztheit der Transporte gesprochen hat, auf die sich die Notifizierung bezogen habe. [X.]s hat in diesem Zusammenhang ausdrücklich ausgeführt, dass dieser Klägervortrag deshalb unerheblich sei, weil die Beklagte die Klausel auch für nicht notifizierte Transporte formuliert und verwendet habe. Dass das Berufungsgericht dabei von unzutreffenden Feststellungen ausgegangen ist oder rechtserheblichen Vortrag der Beklagten übergangen habe, macht die Revision nicht geltend.

cc) Die weitere Rüge der Revision, wonach das Berufungsgericht keine tragfähigen Feststellungen dazu getroffen habe, dass die Klausel geeignet gewesen sei, die Marktverhältnisse spürbar zu beeinflussen, greift ebenfalls nicht durch. Auf die Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung kommt es im Streitfall nicht an, weil das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat, dass das Wettbewerbsverbot auch gemäß § 138 Abs. 1 [X.] unwirksam ist. Die Beurteilungskriterien des § 138 Abs. 1 [X.] entsprechen denjenigen des § 1 GWB, wobei es - wie die Revision selbst zutreffend ausführt - einer Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung nicht bedarf (vgl. [X.], [X.]/[X.] D[X.]-R 2554 Rn. 24 - [X.]).

c) Vergeblich macht die Revision schließlich geltend, die Klausel halte einer Nichtigkeitskontrolle nach § 138 [X.] und § 307 Abs. 2 Nr. 1 [X.] stand. Dabei wendet sich die Revision erneut gegen die tatrichterliche Auslegung der [X.] durch das Berufungsgericht, ohne Rechtsfehler darzutun.

III. [X.]s besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 6 Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

[X.]                                           Pokrant                                           [X.]

                                  [X.]

Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.

Meta

I ZR 198/11

31.05.2012

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend Thüringer Oberlandesgericht, 5. Oktober 2011, Az: 7 U 176/11

§ 138 Abs 1 BGB, § 307 Abs 2 Nr 1 BGB, § 1 GWB, § 286 ZPO, § 559 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.05.2012, Az. I ZR 198/11 (REWIS RS 2012, 5937)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 5937

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Referenzen
Wird zitiert von

II ZR 369/13

I ZR 198/11

231 C 13844/17

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