Bundessozialgericht, Urteil vom 24.10.2013, Az. B 13 R 1/13 R

13. Senat | REWIS RS 2013, 1647

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Ausschluss der Anrechnung von Kinderberücksichtigungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung - mehr als geringfügige selbstständige Tätigkeit - Pflichtmitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung - Verfassungsmäßigkeit


Leitsatz

Es verstößt nicht gegen das Grundgesetz, dass Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung bei Selbstständigen, die mehr als geringfügig erwerbstätig sind, nur bei gleichzeitiger Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung vorliegen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 17. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Vormerkung von [X.] wegen Kindererziehung ihrer Tochter [X.] auch für jene Zeiträume, in denen bei ihr keine Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung vorliegen.

2

Die 1962 geborene Klägerin ist seit 2.10.1989 als Rechtsanwältin in Vollzeit selbständig (freiberuflich) tätig und Pflichtmitglied in der [X.] Rechtsanwalts- und Steuerberaterversorgung ([X.]). Sie ist die Mutter von [X.] (geboren 1996) sowie der [X.] (beide geboren 2000). Im September 2006 beantragte sie bei der Beklagten die Feststellung von [X.] und [X.] wegen Kindererziehung.

3

Mit Bescheid vom 18.1.2007 idF des Teilabhilfebescheids vom 5.3.2007 und des Widerspruchsbescheids vom [X.] stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin die im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurücklagen, also die Zeiten bis 31.12.2000, verbindlich fest. Als [X.] wegen Kindererziehung ihrer Tochter [X.] merkte sie dabei die Zeiten vom 1.12.1996 bis 30.11.1999 und vom 1.11.2000 bis 31.10.2006 vor. Die Zeiten vom 26. bis 30.11.1996, vom 1.12.1999 bis 31.10.2000 und vom 1. bis 25.11.2006 könnten nicht als [X.] wegen Kindererziehung vorgemerkt werden, weil die Klägerin in diesen Zeiträumen eine mehr als geringfügige selbständige Tätigkeit ausgeübt habe, ohne dass gleichzeitig Pflichtbeitragszeiten vorhanden seien (§ 57 S 2 [X.]).

4

Das [X.] hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 6.8.2008). Die Berufung hat das [X.] zurückgewiesen (Urteil vom 17.10.2012). Ein Anspruch auf Vormerkung weiterer [X.] wegen Kindererziehung für ihre Tochter [X.] sei gemäß § 57 S 2 [X.] ausgeschlossen, weil die Klägerin während dieser Zeiten eine selbständige Tätigkeit in mehr als geringfügigem Umfang ausgeübt habe und die Zeiten auch keine Pflichtbeitragszeiten seien. Der Begriff "Pflichtbeitragszeiten" in § 57 S 2 [X.] umfasse keine Pflichtbeiträge zu einem berufsständischen Versorgungswerk, sondern nur Beitragszeiten im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Zuerkennung von [X.] wegen Kindererziehung könne auch nicht aus der Rechtsprechung des [X.] zu § 56 Abs 4 [X.] aF hergeleitet werden (Hinweis auf Urteil des [X.] vom 18.10.2005 - [X.] 4-2600 § 56 [X.] 3 - und Senatsurteil vom 31.1.2008 - [X.]E 100, 12 = [X.] 4-2600 § 56 [X.] 6). Der Gesetzgeber habe den vom [X.] geäußerten Bedenken Rechnung getragen und § 56 [X.] geändert, nicht aber § 57 [X.], der die sachnähere Regelung sei. Damit komme zum Ausdruck, dass eine unterschiedliche Behandlung von [X.] und [X.] wegen Kindererziehung gerade bei Selbständigen gewollt sei. Dies verstoße nicht gegen Art 3 Abs 1 GG.

5

Mit der vom [X.] zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Ihr Anspruch auf Vormerkung der geltend gemachten [X.] wegen Kindererziehung ergebe sich aus einer verfassungskonformen Auslegung des § 57 S 2 [X.]. Die Argumente des [X.] aus den Entscheidungen vom 18.10.2005 und 31.1.2008 über die Anerkennung von [X.] gälten auch für die Feststellung von [X.] wegen Kindererziehung, wenn bei der berufsständischen Versorgungseinrichtung kein entsprechender Nachteilsausgleich für Zeiten der Kindererziehung erfolge. Schließlich komme diese Erziehungsleistung auch dem gesetzlichen Rentenversicherungssystem zugute. Pflichtbeiträge iS des § 57 S 2 [X.] seien auch Pflichtbeiträge zu einer berufsständischen Versorgung. Ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung von Erziehungspersonen, die abhängig beschäftigt seien und Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichteten, und Erziehungspersonen, die selbständig tätig seien und Pflichtbeiträge zu einem berufsständischen Versorgungswerk zahlten, sei nicht ersichtlich. Zudem trage sie, die Klägerin, mit ihren Steuern zur Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung bei und müsse gleichzeitig Pflichtbeiträge für ihre Alterssicherung an das Versorgungswerk abführen, ohne jedoch in den Genuss von [X.] wegen Kindererziehung zu kommen. Ohnehin sei das Aussetzen der Erwerbstätigkeit und der berufliche Wiedereinstieg für selbständig Tätige, die Kinder erzögen, aufgrund fehlender [X.] Absicherung ihrer Einkünfte schwieriger als für abhängig Beschäftigte. Der Schutz der Erziehungspersonen und nicht der Schutz der in der gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtversicherten sei in den Vordergrund zu rücken. Auch habe sie sich nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung abgekehrt. Vielmehr sei dieses Alterssicherungssystem für sie als selbständig Tätige von vornherein verschlossen. In ihrem Fall sei zudem zu berücksichtigen, dass sie bereits eine [X.] in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben habe.

6

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

        

das Urteil des [X.] Landessozialgerichts vom 17. Oktober 2012 und den Gerichtsbescheid des [X.] vom 6. August 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheids vom 18. Januar 2007 in der Fassung des Bescheids vom 5. März 2007 und der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Mai 2007 zu verpflichten, die Zeiten vom 26. bis 30. November 1996, vom 1. Dezember 1999 bis 31. Oktober 2000 und vom 1. bis 25. November 2006 als Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung vorzumerken.

7

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

9

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2, § 153 Abs 1, § 165 [X.] SGG).

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der [X.]lägerin ist unbegründet.

Sie hat keinen Anspruch auf Vormerkung der [X.]en vom 26. bis 30.11.1996, vom 1.12.1999 bis 31.10.2000 und vom 1. bis 25.11.2006 als [X.] wegen [X.]indererziehung. Zu Recht haben die Vorinstanzen die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1, § 56 SGG) abgewiesen und entschieden, dass die Beklagte die von der [X.]lägerin erstrebten rechtlichen Feststellungen nicht treffen muss.

1. Anspruchsgrundlage für die begehrte Vormerkung ist § 149 Abs 5 S 1 [X.]. Nach dieser Vorschrift stellt der [X.], nachdem er das [X.] geklärt hat, die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger als sechs [X.]alenderjahre zurückliegen, durch Bescheid fest (sog [X.]). Der [X.] ist befugt, aber nicht verpflichtet, auf Antrag auch solche geklärten Daten durch Bescheid festzustellen, die noch keine sechs Jahre zurückliegen. Denn die Beschränkung der Feststellungspflicht soll ihm lediglich ermöglichen, im Versicherungsverlauf enthaltene, aber noch nicht bescheidmäßig festgestellte Daten ohne Bindungen durch [X.] (vgl § 45 SGB X) erleichtert zu berichtigen (stRspr, vgl exemplarisch BSG vom 28.2.1991 - [X.], 171, 174 = [X.] 3-2200 § [X.]; vom 23.10.2003 - [X.], 245 = [X.] 4-2600 § 56 [X.], Rd[X.] 5; vom 18.10.2005 - [X.] 4-2600 § 56 [X.] Rd[X.]2; vom 11.5.2011 - B 5 R 22/10 R - Juris Rd[X.]0). Entscheidet er - wie hier - auch über [X.]indererziehungszeiten und [X.] wegen [X.]indererziehung, die noch keine sechs Jahre zurückliegen, muss er einen inhaltlich zutreffenden [X.] erlassen (BSG vom 21.3.1991 - [X.] 3-2200 § 1325 [X.] S 5; BSG vom 11.5.2011 aaO).

Der Vormerkung der geltend gemachten [X.] wegen [X.]indererziehung nach § 57 S 1 [X.] steht die Ausschlussbestimmung des § 57 [X.] [X.] entgegen. Denn die [X.]lägerin hat in den hier noch streitgegenständlichen [X.]en eine mehr als geringfügige selbständige Tätigkeit ausgeübt, ohne dass diese auch Pflichtbeitragszeiten sind (dazu unter 2a). § 57 [X.] [X.] verstößt nicht gegen Verfassungsrecht (dazu unter 2b). Eine für die [X.]lägerin günstigere Entscheidung ergibt sich auch nicht aus den Urteilen des BSG vom 18.10.2005 ([X.] 4-2600 § 56 [X.]) und vom 31.1.2008 ([X.], 12 = [X.] 4-2600 § 56 [X.] 6; dazu unter 3.). Auf dieser Grundlage kann der Senat offenlassen, ob, wenn die Anrechnung von [X.] wegen [X.]indererziehung nach § 57 S 1 iVm § 56 Abs 1 [X.] und Abs 2 [X.] möglich wäre, sie der [X.]lägerin überhaupt zuzuordnen wären (vgl hierzu zuletzt BSG vom 11.5.2011 - B 5 R 22/10 R - Juris Rd[X.]2-16 mwN).

2. Gemäß § 57 [X.] [X.] sind [X.]en, in denen die Erziehung eines [X.]indes bis zu dessen vollendetem zehnten Lebensjahrs mit einer mehr als geringfügig ausgeübten selbständigen Tätigkeit zusammentrifft, nur [X.] wegen [X.]indererziehung, soweit diese [X.]en auch Pflichtbeitragszeiten sind.

Die [X.]lägerin hat nach den [X.] und daher für das BSG bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 SGG) ihre selbständige (freiberufliche) Tätigkeit in mehr als geringfügigem Umfang in Vollzeit ausgeübt. Zwar sind Pflichtbeitragszeiten iS des § 57 [X.] [X.] nicht nur diejenigen, denen Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zugrunde liegen. Vielmehr sind Pflichtbeitragszeiten alle von § 55 Abs 1 S 1 und 2 [X.] erfassten Tatbestände. Hierzu gehören jedoch die zur [X.] entrichteten Beiträge nicht (dazu unter a). § 57 [X.] [X.] verstößt nicht gegen Verfassungsrecht (dazu unter b).

a) Bei den zu einer Rechtsanwaltsversorgung entrichteten Beiträgen handelt es sich nicht um Pflichtbeiträge iS des § 57 [X.] [X.]. Vielmehr sind Pflichtbeitragszeiten iS der vorgenannten Norm ausschließlich solche iS der Legaldefinition in § 55 Abs 1 S 1 und 2 [X.] (vgl [X.] Niedersachsen-Bremen vom [X.]/09 - Juris Rd[X.]6; [X.], § 57 [X.] Anm 4.7, Stand Einzelkommentierung Oktober 2002; [X.] in Ruland/[X.], [X.] zum [X.], § 57 Rd[X.] 7a, Stand Einzelkommentierung Juli 2012; vgl auch Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der [X.], [X.] und [X.] eines Rentenreformgesetzes 1992, BT-Drucks 11/4124 S 166 ). Danach sind Pflichtbeitragszeiten [X.]en, für die nach [X.]esrecht Pflichtbeiträge gezahlt worden sind, und [X.]en, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten. Deshalb werden auch nicht nur Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer abhängigen Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit (§§ 1, 2 [X.]) erfasst ("echte" Pflichtbeitragszeiten), sondern zB auch solche wegen [X.]indererziehung (§ 3 S 1 [X.] iVm § 56 [X.], vgl BT-Drucks 11/4124 aaO), bei denen der [X.] die "Pflichtbeiträge" trägt und aus Steuermitteln zahlt, § 170 Abs 1 [X.], § 177 [X.] ("unechte" oder "fiktive" Pflichtbeitragszeiten).

Die Zahlung von Beiträgen zu einer auf Landesrecht beruhenden berufsständischen Versorgungseinrichtung, zu der ein Mitglied dieser Einrichtung kraft einer aufgrund landesrechtlicher Ermächtigung erlassenen Satzung verpflichtet ist, ist aber weder eine Pflichtbeitragszahlung nach [X.]esrecht noch gelten Pflichtbeiträge in die gesetzliche Rentenversicherung nach besonderen Vorschriften als gezahlt. Gesetzliche Rentenversicherung iS des [X.] sind gemäß § 125 [X.] nur die allgemeine Rentenversicherung und die knappschaftliche Rentenversicherung, deren Aufgaben von den Regional- und [X.]esträgern wahrgenommen werden. Weder aus dem [X.] (Sach-)Zusammenhang noch aus den Gesetzesmaterialien (vgl Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen [X.] und [X.]/[X.] eines Altersvermögensgesetzes vom 14.11.2000, BT-Drucks 14/4595 [X.]) ergeben sich irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber mit dem Begriff "Pflichtbeitragszeiten" in § 57 [X.] [X.] solche außerhalb des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung erfassen wollte. Auch andere Rechtsgebiete, zB das Steuerrecht in § 10 Abs 1 [X.] 2a und § 22 [X.] S 3 Buchst a Doppelbuchst aa EStG, differenzieren zwischen den "gesetzlichen Rentenversicherungen" und den "berufsständischen Versorgungswerken".

b) Es verstößt nicht gegen Verfassungsrecht, dass nach § 57 [X.] [X.] [X.] wegen [X.]indererziehung bei Selbständigen, die mehr als geringfügig erwerbstätig sind, nur bei gleichzeitiger Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung vorliegen.

Schon der Gesetzgeber des Rentenreformgesetzes 1992 vom 18.12.1989 ([X.] 2261, berichtigt [X.] 1990, 1337) hatte sich dafür entschieden, mehr als geringfügig selbständig Erwerbstätigen die rentenversicherungsrechtlichen Vergünstigungen von [X.] wegen [X.]indererziehung nur dann einzuräumen, wenn sie der Pflichtversicherung angehören. So waren Selbständige bereits vor der mWv 1.1.2002 durch das Altersvermögensergänzungsgesetz ([X.]) vom [X.] ([X.] 403) erfolgten Einfügung des § 57 [X.] [X.] an mehreren Stellen im Gesetz von den Vorteilen der [X.] ausgeschlossen, wenn sie trotz mehr als geringfügiger Tätigkeit nicht pflichtversichert waren. Dies galt zB bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für die Verlängerung des [X.] vor Eintritt des Versicherungsfalls, in dem drei Jahre mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vorliegen müssen (vgl § 43 Abs 4 [X.] und § 241 Abs 2 [X.] 4 [X.] in ihren bis zum 31.12.2001 geltenden Fassungen ), die Erfüllung der Wartezeit von 35 Jahren für die Altersrenten für langjährig Versicherte und für schwerbehinderte Menschen (vgl § 51 Abs 3 [X.] aF) und die verbesserte Wertermittlung von beitragsfreien und beitragsgeminderten [X.]en (§ 71 Abs 3 [X.] [X.] aF). An dieser Rechtslage wollte der Gesetzgeber des [X.] festhalten. Er wollte lediglich nur noch "an einer zentralen Stelle im Gesetz" regeln, dass [X.] wegen [X.]indererziehung bei Selbständigen, die mehr als geringfügig erwerbstätig sind, ausschließlich bei gleichzeitiger Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung vorliegen (vgl BT-Drucks 14/4595 aaO). Folgerichtig hat er mit der Einfügung des § 57 [X.] [X.] die bis dahin geltenden, über das Gesetz verteilten Ausschlussregelungen gestrichen.

aa) Der von der [X.]lägerin gerügte Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG liegt nicht vor.

Art 3 Abs 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Das Grundrecht ist daher vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl [X.] 110, 412, 432; stRspr). Im Rahmen seines Gestaltungsauftrags ist der Gesetzgeber grundsätzlich frei bei seiner Entscheidung, an welche tatsächlichen Verhältnisse er Rechtsfolgen knüpft und wie er von Rechts wegen zu begünstigende Personengruppen definiert. Eine Grenze ist jedoch dann erreicht, wenn durch die Bildung einer rechtlich begünstigten Gruppe andere Personen von der Begünstigung ausgeschlossen werden und sich für diese Ungleichbehandlung kein in angemessenem Verhältnis zu dem Grad der Ungleichbehandlung stehender Rechtfertigungsgrund finden lässt (vgl [X.] 99, 165, 178; stRspr). Dabei ist die Eigenart des zu regelnden Sachverhalts dafür ausschlaggebend, was sachlich vertretbar oder sachfremd ist (vgl [X.] 90, 226, 239; stRspr). Im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit - um die es hier geht - unterliegt die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers (vgl [X.] 99, 165, 178; 130, 240, 254; stRspr).

Anders als die von der [X.]lägerin repräsentierte Gruppe der mehr als geringfügig selbständig Erwerbstätigen ohne gleichzeitige Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung werden von [X.] wegen [X.]indererziehung gemäß § 57 [X.] [X.] Versicherte mit Pflichtbeitragszeiten begünstigt, unabhängig davon, ob sie abhängig beschäftigt oder selbständig tätig sind. Begünstigt sind auch nur in geringfügigem Umfang selbständig Tätige, gleich ob sie Pflichtbeitragszeiten aufweisen oder einer berufsständischen Versorgungseinrichtung als Pflichtmitglied angehören. Schließlich können nach § 57 [X.] [X.] auch Personen in den Genuss von [X.] wegen [X.]indererziehung kommen, die ein [X.]ind bis zum vollendeten zehnten Lebensjahr erziehen und gar keiner selbständigen Tätigkeit oder abhängigen Beschäftigung nachgehen.

Die Ungleichbehandlung der von der [X.]lägerin repräsentierten Gruppe mit den genannten Vergleichsgruppen ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt.

Durch [X.] wegen [X.]indererziehung sollen innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung als ein Teil des in diesem System integrierten Familienlastenausgleichs wenigstens teilweise Nachteile ausgeglichen werden, die sich daraus ergeben, dass [X.]indererziehung beim erziehenden Elternteil typischerweise Sicherungslücken in der versicherten Rentenbiografie hinterlässt (vgl [X.] 87, 1, 39; 94, 241, 264; [X.] in Ruland/[X.], [X.] zum [X.], § 57 Rd[X.] 6, Stand Einzelkommentierung Juli 2012; [X.]/[X.], [X.], [X.] § 57 Rd[X.] 2, Stand Einzelkommentierung Januar 2009). Anders als die vom [X.] aus Steuermitteln finanzierten [X.]indererziehungszeiten iS der § 3 S 1 [X.], § 56 Abs 1 [X.] (vgl § 177 [X.]) werden Rentenleistungen, die auf [X.] wegen [X.]indererziehung beruhen, im Rahmen des [X.] Ausgleichs als "Solidarleistungen" der Versichertengemeinschaft aus Beitragsmitteln aufgebracht (vgl BT-Drucks 11/4124 S 167 ; Senatsurteil vom 31.1.2008 - B 13 R 64/06 R - [X.], 12 = [X.] 4-2600 § 56 [X.] 6, Rd[X.]1).

Im Hinblick hierauf hat der im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit agierende Gesetzgeber im Rahmen des ihm bei diesen "[X.] (nicht auf Beiträge der Versicherten beruhenden) [X.]en" ohnehin zustehenden weiten Gestaltungsspielraums in Bezug auf die konkrete rentenrechtliche Ausgestaltung und die Abgrenzung der begünstigten Personenkreise davon abgesehen, (auch) zur Vermeidung einer übermäßigen (finanziellen) Belastung der Versichertengemeinschaft [X.] wegen [X.]indererziehung bei allen [X.]indererziehenden schlechthin zu berücksichtigen. Vielmehr hat er sich entschieden, deren Anerkennung teilweise auszuschließen bzw an weitere Bedingungen zu knüpfen. Die dabei von ihm vorgenommene Differenzierung ist sachlich gerechtfertigt.

(1) Der Gesetzgeber hat bestimmt, dass [X.] wegen [X.]indererziehung mehr als geringfügig selbständig Erwerbstätigen nur bei gleichzeitiger Pflichtversicherung und damit Zwangsmitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung zugutekommen.

Durch das Erfordernis des gleichzeitigen Vorliegens von Pflichtbeitragszeiten in § 57 [X.] [X.] wird gewährleistet, dass entsprechend dem "Gedanken der Solidarität der in der Rentenversicherung Pflichtversicherten" alle in der gesetzlichen Rentenversicherung Zwangsversicherten bei der Anerkennung von [X.] wegen [X.]indererziehung gleich behandelt werden. Dies gilt unabhängig davon, ob und in welchem Umfang sie abhängig beschäftigt oder selbständig tätig sind.

Darüber hinaus wollte der Gesetzgeber durch die Bestimmung des § 57 [X.] [X.] gegenüber abhängig Beschäftigten (vgl § 1 [X.]) und pflichtversichert selbständig Tätigen (vgl § 2 [X.]) eine Besserstellung von mehr als geringfügig tätigen, aber nicht pflichtversicherten Selbständigen verhindern, da bei diesen ansonsten [X.] wegen [X.]indererziehung selbst dann angerechnet werden müssten, wenn sie keine oder als freiwillige Mitglieder nur geringe Rentenversicherungsbeiträge gezahlt und sie somit zum Beitragsaufkommen in der gesetzlichen Rentenversicherung und damit auch zur Finanzierung der [X.] wegen [X.]indererziehung nichts oder jedenfalls nicht "einkommensproportional" (durch "einkommensbezogene Beiträge") beigetragen haben (vgl BT-Drucks 14/4595 [X.]). Daher lässt sich die "Begünstigung" der Pflichtversicherten schon deswegen rechtfertigen, weil diese in der Regel nach Beitragszeit, Beitragsdichte und Beitragshöhe im wesentlich stärkeren Maße zur Versichertengemeinschaft beitragen und dabei ihren Verpflichtungen nicht ausweichen können (vgl [X.] 75, 78, 103, 106). Hingegen können zB freiwillig in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherte Selbständige (im gesetzlich vorgegebenen Rahmen) frei darüber bestimmen, ob, wann, für welche Monate und in welcher Höhe sie Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zahlen. Selbst soweit sie sich zu einer regelmäßigen Zahlung von freiwilligen Beiträgen entschieden haben, müssen diese - anders als Pflichtbeiträge von abhängig Beschäftigten oder pflichtversicherten Selbständigen (§§ 161 ff [X.]) - nicht in einer bestimmten Relation zu der Höhe ihres Erwerbseinkommens stehen. Aus diesem Grunde muss sich bei ihnen eine etwaige Einkommensminderung durch [X.]indererziehung auch nicht stets auf die Beitragshöhe und damit auf den Wert erworbener Rentenanwartschaftsrechte auswirken.

(2) Auch die Ungleichbehandlung bei der Anerkennung von [X.] wegen [X.]indererziehung der von der [X.]lägerin repräsentierten Gruppe gegenüber den Gruppen der [X.] Personen, die nur in geringfügigem Umfang selbständig tätig sind, und der Erziehungspersonen, die ein [X.]ind vom vollendeten dritten bis zum vollendeten zehnten Lebensjahr erziehen und während dieser [X.] gar keiner selbständigen Tätigkeit oder abhängigen Beschäftigung nachgehen, ist sachlich begründet.

Zwar entrichten auch die genannten Vergleichsgruppen keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Der Ausschluss der mehr als geringfügig selbständig Erwerbstätigen ohne Pflichtbeitragszeiten ist aber schon deshalb gerechtfertigt, weil diese im Gegensatz zu den wegen der [X.]indererziehung nur geringfügig selbständig Tätigen oder gar nicht Beschäftigten typischerweise in ausreichender Weise vorsorgefähig und zum Erhalt oder Aufbau einer Altersvorsorge auch während der [X.] der [X.]indererziehung in der Lage sind, sie also neben ihrer mehr als geringfügig selbständigen Erwerbstätigkeit eines [X.] (Nachteil-)Ausgleichs zur Vermeidung von Sicherungslücken wegen [X.]indererziehung in der gesetzlichen Rentenversicherung (jedenfalls) nicht durch die Anrechnung von [X.] wegen [X.]indererziehung bedürfen (vgl in diesem Sinne [X.]/[X.], [X.], [X.] § 57 Rd[X.] 9, Stand Einzelkommentierung Januar 2009). Insoweit besteht hier - insbesondere aber bei der von der [X.]lägerin repräsentierten Gruppe der sogar in Vollzeit selbständig (freiberuflich) erwerbstätigen Erziehungspersonen - keine durch die "Solidargemeinschaft der Beitragszahler" im Rahmen des [X.] Ausgleichs über die gesetzliche Rentenversicherung abzusichernde besondere (zusätzliche) [X.] Schutzbedürftigkeit. Vielmehr hält sich der Gesetzgeber auch bei seinem Regelungskonzept zur Anerkennung von [X.] durch [X.] wegen [X.]indererziehung an die das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung durchziehende Grundentscheidung, dass selbständig Tätige an sich für Art und Höhe ihrer Alterssicherung selbst zu sorgen haben und nur dann ausnahmsweise in die rentenrechtlichen Vergünstigungen im Rahmen eines [X.] Ausgleichs einbezogen werden, wenn sie aufgrund besonderer Umstände in gleicher Weise schutzbedürftig erscheinen wie abhängig Beschäftigte (vgl auch [X.] Niedersachsen-Bremen - Urteil vom [X.]/09 - Juris Rd[X.]7). Ohnehin ist es verfassungsrechtlich nicht geboten, Personen (auch) für [X.]en, in denen sie dem System der gesetzlichen Rentenversicherung nicht als Pflichtmitglied mit [X.] angehören, eine aus ihrer Sicht optimal ausgestaltete gesetzliche Altersversorgung in der gesetzlichen Rentenversicherung zukommen zu lassen (vgl BVerfG[X.] 4, 42 = [X.] 4-2600 § 7 [X.] 2 Rd[X.]2).

(3) [X.] ist schließlich der Vortrag der [X.]lägerin, ihr sei als selbständig Tätiger die gesetzliche Rentenversicherung von vornherein verschlossen. Dies trifft schon für die freiwillige Versicherung nicht zu, übersieht jedoch auch die Möglichkeit einer Versicherungspflicht auf Antrag für Selbständige (§ 4 Abs 2 [X.]). Hätte die [X.]lägerin hiervon Gebrauch gemacht, hätte sie der gesetzlichen Rentenversicherung mit allen Rechten und Pflichten eines Pflichtversicherten angehört.

bb) Auch aus Art 6 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip folgt kein Anspruch auf Anerkennung von [X.] wegen [X.]indererziehung. Aus der Wertentscheidung des Art 6 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsgebot lässt sich zwar die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, nicht aber die Entscheidung darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher [X.]r Ausgleich herzustellen ist ([X.] 107, 205, 213; 127, 263, 278; stRspr). Aus diesem Förderungsgebot können aber konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen nicht hergeleitet werden ([X.] 87, 1, 36; 107, 205, 213). Zudem ist der Staat auch nicht gehalten, jegliche die Familie betreffenden Belastungen auszugleichen (vgl [X.] 87, 1, 35; 127, 263, 278; stRspr). Insoweit besteht vielmehr ein weiter Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers (vgl [X.] 82, 60, 81; 87, 1, 36; 127, 263, 277 f; stRspr).

3. Die [X.]lägerin kann sich schließlich nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung des BSG zur verfassungskonformen Auslegung der Vorschriften über die [X.]indererziehungszeiten berufen, nach der diese [X.]en als Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung bei Mitgliedern berufsständischer Versorgungseinrichtungen anzurechnen sind, sofern sie dort keine vergleichbaren Vergünstigungen für [X.]en der [X.]indererziehung erhalten (BSG vom 18.10.2005 - [X.] 4-2600 § 56 [X.]; Senatsurteil vom 31.1.2008 - [X.], 12 = [X.] 4-2600 § 56 [X.] 6). Denn der Ausschluss der [X.] wegen [X.]indererziehung beruht bei der [X.]lägerin nicht auf einer im Hinblick auf ihre Mitgliedschaft in der Rechtsanwaltsversorgung ausgesprochenen Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern allein auf der tatsächlichen Ausübung einer mehr als geringfügig selbständigen Tätigkeit. Zu der Ausschlussvorschrift des § 57 [X.] [X.] hat das BSG sich in den genannten Entscheidungen nicht geäußert.

In seiner Entscheidung vom 31.1.2008 hat der erkennende Senat der damaligen [X.]lägerin, die wegen Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgung von der Rentenversicherungspflicht befreit war, neben [X.]indererziehungszeiten auch [X.] wegen [X.]indererziehung zugesprochen und dies mit dem "Aspekt der Vermeidung einer weiteren [X.]omplizierung der Rechtslage" (aaO Rd[X.]1) begründet. Schon damals wäre jedoch bei der von der [X.]lägerin des vorliegenden Verfahrens repräsentierten Personengruppe der mehr als geringfügig selbständig Erwerbstätigen ohne gleichzeitige Pflichtbeitragszeiten die Feststellung von [X.] an der Ausschlussnorm des § 57 [X.] [X.] gescheitert.

4. Da die Entscheidung des Senats den Vater von [X.] weder verfahrensrechtlich noch materiell-rechtlich benachteiligt, hat der Senat davon abgesehen, dessen unterbliebene notwendige Beiladung 75 Abs 2, 1. Alt SGG) im Revisionsverfahren nachzuholen (§ 168 [X.] SGG; vgl BSG vom 29.10.2002 - [X.] 3-2600 § 71 [X.] S 38).

5. Die [X.]ostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Meta

B 13 R 1/13 R

24.10.2013

Bundessozialgericht 13. Senat

Urteil

Sachgebiet: R

vorgehend SG Bayreuth, 6. August 2008, Az: S 6 R 4166/07, Gerichtsbescheid

Art 3 Abs 1 GG, Art 6 Abs 1 GG, Art 20 Abs 1 GG, § 55 Abs 1 SGB 6, § 57 S 2 SGB 6, § 149 Abs 5 S 1 SGB 6, § 4 Abs 2 SGB 6, AVmEG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 24.10.2013, Az. B 13 R 1/13 R (REWIS RS 2013, 1647)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1647

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Vormerkung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung bei einem gemeinsamen Auslandsaufenthalt unverheirateter Eltern …


B 5 R 22/10 R (Bundessozialgericht)

Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten - Erziehung im Ausland - Niederlande - gewöhnlicher Aufenthalt - Grenzgänger - …


B 13 R 41/09 R (Bundessozialgericht)

Altersrente für Frauen - Anhebung der Altersgrenze - Vertrauensschutzregelung - Kindererziehung - Verfassungsmäßigkeit


B 13 R 19/14 R (Bundessozialgericht)

Feststellung von rentenversicherungsrechtlich bedeutsamen Tatbeständen im Vormerkungsverfahren - Berücksichtigung des Betreuungs- und Erziehungsaufwandes von Eltern …


B 13 R 15/14 R (Bundessozialgericht)

(Nichtberücksichtigung von Zeiten der Bereitschaftspflege bei der Anrechnung von Kindererziehungs- bzw Berücksichtigungszeiten - Vereinbarkeit mit …


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