Bundessozialgericht, Urteil vom 16.06.2016, Az. B 13 R 15/14 R

13. Senat | REWIS RS 2016, 9798

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

(Nichtberücksichtigung von Zeiten der Bereitschaftspflege bei der Anrechnung von Kindererziehungs- bzw Berücksichtigungszeiten - Vereinbarkeit mit Art 3 Abs 1 GG)


Leitsatz

1. Zeiten der Bereitschaftspflege sind weder Kindererziehungszeiten noch Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung im Sinn der gesetzlichen Rentenversicherung.

2. Dies gilt auch dann, wenn sich ein Bereitschaftspflegeverhältnis später in ein auf Dauer angelegtes Pflegeverhältnis wandelt.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 29. April 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Die [X.]lägerin begehrt bei der Berechnung ihrer Altersrente die Anrechnung eines Zeitraums, in dem sie ein Pflegekind in sog [X.] betreute, als [X.] bzw Berücksichtigungszeit wegen [X.]ererziehung.

2

Die [X.]lägerin nahm am 8.1.1998 das im November 1996 geborene [X.] [X.] im Rahmen einer Vollzeitpflege in ihre häusliche Gemeinschaft auf, und zwar zunächst in sog [X.], ab dem 7.7.1998 fortlaufend bis heute als Pflegekind im Rahmen einer Hilfe zur Erziehung. Bis zum 6.7.1998 war [X.] noch unter der Anschrift seiner leiblichen Mutter gemeldet und erst anschließend bei der [X.]lägerin. Diese betreute in den Jahren 2000 bis 2010 im Auftrag des [X.] der Stadt [X.]. zahlreiche weitere [X.]er zeitweilig in [X.].

3

Bei Antragstellung für ihre Altersrente machte die [X.]lägerin [X.]en bzw Berücksichtigungszeiten wegen [X.]ererziehung für ihre drei leiblichen [X.]er sowie für [X.] geltend. Der beklagte Rentenversicherungsträger bewilligte der [X.]lägerin ab 1.2.2011 Regelaltersrente mit einem monatlichen Zahlbetrag von 480,35 Euro (Bescheid vom 11.3.2011). In Anlage 10 des [X.] ist ausgeführt, dass [X.]ererziehungs- und Berücksichtigungszeiten für [X.] vorerst ab dem [X.] anerkannt würden. Im Hinblick darauf, dass bei dessen leiblicher Mutter solche Zeiten bis einschließlich Juli 1998 anerkannt worden seien, habe man den für diese zuständigen [X.] um Überprüfung und [X.]orrektur gebeten; sobald das Ergebnis feststehe, werde die Entscheidung hinsichtlich des Zeitraums 8.1. bis [X.] unaufgefordert überprüft. Später teilte die Beklagte der [X.]lägerin mit, dass es bei der bisherigen Entscheidung verbleibe, weil für [X.] bis zum 6.7.1998 lediglich [X.] bestanden habe (Schreiben vom 14.4.2011).

4

In ihrem Widerspruch verwies die [X.]lägerin darauf, dass die Berücksichtigung der [X.]verhältnisse - nach ihren damaligen Angaben ca 50 [X.]er über 15 Jahre hinweg - bei ihrer Rente existenziell für sie sei. Ohne diese Zeiten erreiche ihre Altersrente nicht einmal Grundsicherungsniveau, sodass sie schlechter dastehe als die Mütter, deren [X.]er sie betreut habe. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück, weil Zeiten der [X.] nicht die [X.]riterien eines Pflegekindschaftsverhältnisses iS der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllten. Werde eine [X.] später in eine auf Dauer angelegte Vollzeitpflege erweitert, könnten bei den Pflegeeltern [X.]ererziehungs- und Berücksichtigungszeiten erst ab dem Zeitpunkt der Änderung anerkannt werden (Widerspruchsbescheid vom 13.10.2011).

5

[X.]lage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben (Urteile des SG [X.]arlsruhe vom [X.] bzw des [X.] vom [X.]). Das [X.] hat ausgeführt, eine [X.] nach § 33 [X.] begründe kein Pflegeverhältnis iS des § 56 Abs 2 [X.], weil es sich um eine von vornherein zeitlich begrenzte Unterbringungsform handele, die als Übergangslösung konzipiert sei, um die Zukunftsperspektiven des [X.]es zu klären. Das [X.] zu den leiblichen Eltern sei während einer [X.] noch nicht dauerhaft gelöst. Das gelte sowohl hinsichtlich [X.] für die Zeit vor dem [X.] als auch für die anderen von der [X.]lägerin in [X.] betreuten [X.]er. Nicht zu beanstanden sei, dass die Beklagte hinsichtlich [X.] nach Umwandlung der [X.] in eine Dauerpflege zum 7.7.1998 erst ab dem Folgemonat (August 1998) [X.]ererziehungs- und Berücksichtigungszeiten zugunsten der [X.]lägerin anerkannt habe. Es entspreche dem Willen des Gesetzgebers, für denselben Zeitraum der Erziehung solche Zeiten nur bei einem Elternteil zu berücksichtigen.

6

Die [X.]lägerin rügt mit ihrer Revision eine Verletzung von § 33 [X.], § 56 Abs 2 [X.], Abs 3 [X.] und von Art 3 GG. Das [X.] sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass [X.] keine Vollzeitpflege iS des § 33 [X.] sei. Diese Vorschrift mache zwischen [X.] und länger andauernden Pflegeverhältnissen keinen Unterschied. Auch bei einer übergangsweisen Unterbringung im Rahmen einer [X.] ende faktisch das [X.] zu den leiblichen Eltern, denn deren mangelnde Erziehungsfähigkeit sei gerade der Grund für diese Maßnahme. Die Begriffsbestimmung "Pflegeeltern" in § 56 Abs 3 [X.] differenziere ebenfalls nicht nach der Dauer der Aufnahme eines Pflegekindes. Soweit § 56 Abs 2 [X.] für Pflegekinder ein auf längere Dauer angelegtes Pflegeverhältnis verlange, seien der kindliche Zeitbegriff und die Perspektive des [X.]es zugrunde zu legen. Zudem sei die Vorschrift dahingehend ergänzend auszulegen, dass [X.] insbesondere dann als Dauerpflege anzusehen sei, wenn sich an die [X.] eine längere Vollzeitpflege anschließe. Es sei auf die tatsächlich erbrachten Pflege- und Betreuungsleistungen abzustellen, wie sie sich in einer rückschauenden Betrachtung (ex post) darstellten. Eine Beurteilung ex ante sei von vielen unbekannten Faktoren abhängig und damit willkürlich. Im Lichte des Art 3 GG sei kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, die [X.] rentenrechtlich anders zu behandeln als eine sich anschließende Vollzeitpflege.

7

In der mündlichen Verhandlung hat die [X.]lägerin nach einem Hinweis des Senats ihre Revision auf die Berücksichtigung zusätzlicher [X.]ererziehungs- und Berücksichtigungszeiten für [X.] in den Monaten Januar bis Juli 1998 beschränkt. Die Beklagte hat diesen Anspruch für den Monat Juli 1998 anerkannt; dieses Teilanerkenntnis hat die [X.]lägerin angenommen. Die [X.]lägerin hat zudem mitgeteilt, dass die leibliche Mutter von [X.] am 12.6.2016 verstorben sei.

8

Die [X.]lägerin beantragt,
die Urteile des [X.] vom 29. April 2014 und des Sozialgerichts [X.]arlsruhe vom 27. Juni 2012 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 11. März 2011 in Gestalt des Schreibens vom 14. April 2011 und des Widerspruchsbescheids vom 13. Oktober 2011 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, höhere Regelaltersrente unter zusätzlicher Berücksichtigung des Zeitraums von Januar bis einschließlich Juni 1998 als [X.]ererziehungs- und Berücksichtigungszeiten zu gewähren.

9

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des [X.] für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der [X.]lägerin bleibt, soweit nach dem angenommenen Teilanerkenntnis noch streitbefangen, in der Sache ohne Erfolg (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass der [X.]raum von Januar bis Juni 1998, in dem die [X.]lägerin [X.] im Rahmen einer sog [X.] erzogen hat, rentenrechtlich nicht zu ihren Gunsten als [X.] oder Berücksichtigungszeit wegen [X.]indererziehung anzuerkennen ist.

1. Rechtsgrundlage des von der [X.]lägerin geltend gemachten Anspruchs auf höhere Regelaltersrente (§ 235 [X.]) unter Einbeziehung auch der Monate Januar bis Juni 1998 als [X.]en ist § 56 iVm § 56 Abs 1 S 1 (insoweit in der Fassung von Art 1 Rentenreformgesetz <[X.]> 1992, [X.] 1989, 2261, die bis zum 31.5.1999 galt ), § 55 Abs 1 S 2, § 64 [X.], § 66 Abs 1 [X.] und § 70 Abs 2 [X.]. Danach sind bei der Ermittlung des Monatsbetrags der Rente für jeden [X.]alendermonat an [X.]en iS des § 56 [X.], die bis zum 31.5.1999 zurückgelegt wurden und für die gemäß § 56 Abs 1 S 1 [X.] aF aufgrund gesetzlicher Fiktion Beiträge als gezahlt gelten, 0,0833 Entgeltpunkte (EP) gutzuschreiben, im Fall des Zusammentreffens von [X.]en mit sonstigen Beitragszeiten jedoch maximal bis zum Erreichen des [X.] an EP gemäß der [X.] zum [X.]. Auf diese Weise zusätzlich zu berücksichtigende EP führen je nach Zugangsfaktor der jeweiligen Rente zu entsprechend höheren persönlichen EP (§ 66 Abs 1 iVm § 77 [X.]), die wiederum im Rahmen der Rentenformel als ein Faktor die Höhe des Monatsbetrags der Rente beeinflussen (§ 64 [X.] [X.]). Die Einbeziehung der Monate Januar bis Juni 1998 in die Rentenberechnung als Berücksichtigungszeiten wegen [X.]indererziehung (§ 57 [X.]) kann hingegen nach Maßgabe der Regelung in § 70 Abs 3a [X.] bzw ansonsten im Rahmen der Bestimmungen über die [X.] (§ 71 Abs 3 S 1 [X.] iVm § 72 Abs 1 [X.]) zu zusätzlichen EP führen.

2. Die [X.]lägerin erfüllte im [X.]raum vom [X.] bis zum 30.6.1998, in dem sie [X.] im Rahmen einer sog [X.] erzog, nicht die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Anrechnung dieser [X.] zu ihren Gunsten als [X.] (§ 56 [X.]). Aus diesem Grund ist auch eine Anrechnung dieses [X.]raums als Berücksichtigungszeit wegen [X.]indererziehung ausgeschlossen, weil nach § 57 Abs 1 S 2 [X.] eine Berücksichtigungszeit nur anzuerkennen ist, soweit die Voraussetzungen für die Anrechnung einer [X.] auch in dieser [X.] vorliegen.

a) [X.]en iS der gesetzlichen Rentenversicherung sind gemäß § 56 Abs 1 S 1 [X.] (Legaldefinition in der ab [X.] geltenden Fassung; inhaltsgleich aber auch schon § 56 Abs 1 S 1 [X.] idF des [X.] 1992) [X.]en der Erziehung eines [X.]indes in den ersten drei Lebensjahren. Die [X.] beginnt nach Ablauf des Monats der Geburt des [X.]indes und endet nach 36 [X.]alendermonaten (§ 56 Abs 5 S 1 [X.]). Einzelne [X.]alendermonate der [X.] werden nach § 56 Abs 1 S 2 [X.] bei demjenigen Elternteil angerechnet, dem (1) die Erziehungszeit zuzuordnen ist (nähere Regelungen hierzu in § 56 Abs 2 [X.]), wenn (2) die Erziehung im Gebiet der [X.] erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht (nähere Regelungen in § 56 Abs 3 [X.]) und (3) der Elternteil nicht von einer Anrechnung ausgeschlossen ist (nähere Regelungen in § 56 Abs 4 [X.]). Einer [X.]lärung bedarf vorliegend nur noch, ob die [X.]lägerin bereits in den Monaten Januar bis Juni 1998 als "Elternteil" von [X.] angesehen werden kann, sodass ihr aufgrund der von ihr in diesen Monaten übernommenen Erziehung des [X.]indes auch diese Monate als [X.] zuzuordnen sind.

b) Zur näheren Bestimmung, wer "Elternteil" iS dieser Bestimmung ist, verweist § 56 Abs 1 S 2 [X.] auf die Regelungen in § 56 Abs 1 S 1 [X.], Abs 3 [X.] und 3 [X.] Gemäß § 56 Abs 3 [X.] [X.] gelten als Eltern iS des § 56 Abs 1 S 1 [X.] [X.] - mithin ebenfalls als Elternteil iS des § 56 Abs 1 S 2 [X.] - auch Pflegeeltern, wobei diese definiert sind als "Personen, die den Berechtigten als Pflegekind aufgenommen haben". Pflegekinder sind wiederum beschrieben als "Personen, die mit dem Berechtigten durch ein auf längere Dauer angelegtes [X.] mit häuslicher Gemeinschaft wie [X.]inder mit Eltern verbunden sind" (§ 56 Abs 2 [X.] [X.]). Diese Verweisungskette mit ihren aufeinander bezogenen [X.] bewirkt, dass nicht sämtliche Pflegeeltern im rein funktionalen Sinn des Wortes als Elternteile anzusehen sind, denen an sich [X.]en zugeordnet werden können. Begünstigt sind vielmehr nach der Entscheidung des Gesetzgebers ausdrücklich nur solche Pflegeeltern, die mit einem Pflegekind durch ein "auf längere Dauer angelegtes [X.]" mit häuslicher Gemeinschaft wie [X.]inder mit Eltern verbunden sind.

Ein [X.], das zur Anerkennung von [X.]indererziehungs- und Berücksichtigungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung berechtigt, erfordert damit eine familienähnliche, ideelle Dauerbindung von einer solchen Intensität, wie sie zwischen [X.]indern und ihren leiblichen Eltern üblich ist ([X.] vom 8.10.1992 - 13 RJ 47/91 - Juris Rd[X.]8 mwN). Es muss zudem auf längere Dauer angelegt sein. Hierfür ist nicht notwendig, dass es auf nicht absehbare [X.] oder jedenfalls bis zur Volljährigkeit des [X.]indes begründet wird ([X.] vom [X.] - [X.] 3-1200 § 56 [X.]). Das [X.] muss aber jedenfalls für einen [X.]raum begründet werden, der für die körperliche und geistige Entwicklung des Pflegekindes erheblich ist, in der Regel also für einen mehrjährigen [X.]raum. Ist hingegen von vornherein geplant, dass es nur einen kürzeren [X.]raum dauern oder jederzeit aufgrund neuer Umstände beendet werden soll, so fehlt es an der erforderlichen Dauerbindung ([X.] vom 8.10.1992 - 13 RJ 47/91 - Juris Rd[X.]5; [X.] vom 28.4.2004 - B 2 U 12/03 R - [X.] 4-2700 § 70 [X.] RdNr 7 ).

Das Erfordernis, dass das [X.] auf längere Dauer "angelegt" sein muss, verdeutlicht zudem, dass es nicht ausreicht, wenn bei rückschauender Betrachtung (ex post) das [X.]ind faktisch für eine längere Dauer durch Pflegeeltern erzogen wurde. Entscheidend ist vielmehr schon nach dem Wortlaut des Gesetzes, ob bei prognostisch vorausschauender Betrachtung (ex ante) zu einem bestimmten [X.]punkt hinreichende Gründe für die Annahme bestehen, das [X.] werde über einen längeren [X.]raum bestehen (vgl [X.] vom [X.] - [X.] 3-1200 § 56 [X.]; [X.] vom 26.8.1994 - 13 RJ 41/93 - Juris Rd[X.]8).

Der Einwand der [X.]lägerin, eine Betrachtung ex ante sei von vornherein ungeeignet, da sie von vielen unbekannten Faktoren abhänge und damit letztlich willkürlich sei, trifft nicht zu. Im Sozialrecht ist es vielfach erforderlich, zur Ermittlung des Vorliegens eines Tatbestandsmerkmals eine Prognose anzustellen (vgl zB [X.] vom [X.] - B 4 [X.]/14 R - [X.] 4-4200 § 16b [X.] Rd[X.]8 f ; [X.] vom [X.] - B 3 [X.]S 4/13 R - [X.] 4-5425 § 3 [X.] Rd[X.]3 ff ; [X.] vom 10.12.2013 - [X.] R 9/13 R - NZS 2014, 264 Rd[X.]8 ff ; [X.] vom 17.10.2012 - [X.] [X.]A 49/11 R - [X.], 90 = [X.] 4-2500 § 95 [X.]6, RdNr 58 ff ). Dabei obliegt es der Verwaltung und nachfolgend den Gerichten, alle zum maßgeblichen [X.]punkt der Prognosestellung für die Beurteilung der künftigen Entwicklung erkennbaren Umstände zu berücksichtigen ([X.] vom [X.] - B 3 [X.]S 4/13 R - aaO Rd[X.]4; [X.] vom 10.12.2013 - [X.] R 9/13 R - aaO Rd[X.]8 f). Das schließt eine willkürliche Handhabung aus. Die Einbeziehung unbekannter Faktoren in eine Prognose ist weder möglich noch vom Gesetz gefordert.

c) Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat das Berufungsgericht das Bestehen eines [X.]ses und damit die Voraussetzungen für eine Anerkennung von [X.]en bzw Berücksichtigungszeiten im hier noch streitbefangenen [X.]raum der [X.] von [X.] durch die [X.]lägerin (8.1. bis 30.6.1998) zutreffend verneint.

aa) Eine gesetzliche Bestimmung des Inhalts sogenannter "[X.]" existiert derzeit nicht. Deshalb ist umstritten, ob [X.] auch als Vollzeitpflege (dh als Maßnahme der Hilfe zur Erziehung) iS von § 33 [X.]II erbracht werden kann (bejahend: [X.], Rundschreiben vom 21.4.2011, [X.], 487; [X.], Rechtsgutachten vom 11.11.2013, [X.] 2014, 29; Stähr in [X.]/[X.], [X.]II, Stand Dezember 2014, § 33 Rd[X.]9; [X.] in [X.]rug/[X.]/[X.], [X.]II, Stand September 2014, § 33 RdNr 47; verneinend: [X.] in juris-P[X.] [X.]II, 2014, § 33 RdNr 79; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], Gemeinschaftskommentar zum [X.]II, § 33 RdNr 40; [X.]unkel/[X.]epert in [X.]unkel, Lehr- und Praxiskommentar [X.]II, 5. Aufl 2014, § 33 RdNr 7). Auf die zutreffende jugendhilferechtliche Einordnung der [X.] kommt es für die hier erforderliche Festlegung, ob die [X.]lägerin mit der von ihr durchgeführten [X.] ein auf längere Dauer angelegtes [X.] iS von § 56 Abs 3 [X.] iVm Abs 2 [X.] [X.] begründet hat, jedoch nicht an. Selbst wenn angenommen wird, dass [X.] nicht nur auf Grundlage einer vorübergehenden Inobhutnahme zum Schutz des [X.]indes (§ 42 [X.]II), sondern auch als vorläufige Gewährung von Erziehungshilfe in Form von Vollzeitpflege (§ 33 [X.]II) möglich ist, handelt es sich in beiden Varianten um eine von vornherein zeitlich begrenzte Maßnahme. [X.] kommt somit nur als "Interimslösung" bzw als Instrument der [X.]risenintervention zum Einsatz, welches auf die [X.] bis zur Entscheidung über die Reintegration des [X.]indes in die Herkunftsfamilie oder die Überleitung in eine geeignete Folgehilfe begrenzt ist (vgl [X.], Frauen und Jugend, [X.] - Familiäre Bereitschaftsbetreuung, Schriftenreihe [X.], 2002, [X.], 59; [X.], [X.] 2004, 462, 465).

bb) Dementsprechend wurde auch die von der [X.]lägerin im Januar 1998 für [X.] begonnene [X.] zunächst als zeitlich begrenzte Unterbringung des [X.]indes in einer besonders ausgewählten und geschulten Pflegefamilie begründet. Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen im Urteil des [X.] ergibt, war es Ziel dieser [X.], die Übergangszeit zu nutzen, um die weiteren Zukunftsperspektiven für [X.] zu klären. Die Beteiligten haben dies in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat übereinstimmend bekräftigt. Somit bestand bei vorausschauender Betrachtung im Januar 1998 noch kein bereits auf längere Dauer angelegtes [X.]. Erst als sich nach Abschluss der angestrebten [X.]lärung ergab, dass [X.] nunmehr dauerhaft in der Familie der [X.]lägerin verbleiben sollte, erfolgte zum 7.7.1998 eine Umwandlung der [X.] in eine auf Dauer angelegte Vollzeitpflege. Von diesem [X.]punkt an war bei der gebotenen ex-ante-Betrachtung von einem [X.] iS von § 56 [X.] auszugehen und eine [X.]indererziehungs- bzw Berücksichtigungszeit zugunsten der [X.]lägerin anzuerkennen.

3. Die Nichtberücksichtigung von [X.]en der [X.] bei der Anrechnung von [X.]indererziehungs- bzw Berücksichtigungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung ist mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Das hieraus folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt für ungleiche Belastungen ebenso wie für ungleiche Begünstigungen. Verboten ist deshalb auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird. Dabei verwehrt Art 3 Abs 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind ([X.] Beschluss vom 24.3.2015 - 1 BvR 2880/11 - [X.]E 139, 1 Rd[X.]8 mwN). Der Gleichheitssatz ist dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen Gruppe anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können ([X.] Beschluss vom 18.12.2012 - 1 BvL 8, 22/11 - [X.]E 132, 372 RdNr 45 mwN).

Die Einbeziehung nur auf längere Dauer angelegter [X.]se in die Gewährung von [X.]indererziehungs- und Berücksichtigungszeiten und damit verbunden der Begünstigungsausschluss insbesondere von Pflegepersonen, die [X.] erbringen, ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt. [X.]indererziehungs- und Berücksichtigungszeiten sind Elemente des Familienlastenausgleichs ([X.] vom 12.12.2006 - [X.] RJ 22/05 R - [X.] 4-2600 § 70 [X.] Rd[X.]8). Mit ihrer Zuerkennung soll die auch im Interesse der Allgemeinheit liegende Leistung der Erziehung von [X.]indern anerkannt und damit die Verpflichtung des Staates zur materiellen Unterstützung und Förderung von Familien mit [X.]indern konkretisiert werden (vgl Entwurf des [X.] vom [X.], BT-Drucks 10/2677 S 28). Sie sollen denjenigen zugutekommen, die typischerweise Gefahr laufen, wegen der [X.]indererziehung keine oder nur geringfügige Rentenanwartschaften zu erwerben ([X.] vom 17.11.1992 - 4 RA 15/91 - [X.], 227, 230 = [X.] 3-2600 § 56 [X.]). Dieses Risiko verwirklicht sich bei einer von vornherein als "Interimslösung" nur auf kurze [X.] angelegten [X.] nicht im gleichen Maße wie bei längerfristigen [X.]sen.

In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass Personen, die [X.] erbringen, zur Sicherstellung ihrer Alterssicherung mittlerweile eigenständige Ansprüche gegen den Träger der Jugendhilfe geltend machen können. Gemäß § 39 Abs 4 S 2 [X.]II (in der ab 16.12.2008 geltenden Fassung des [X.]inderförderungsgesetzes vom 10.12.2008, [X.] 2403) umfassen die vom Jugendhilfeträger zu erbringenden laufenden Leistungen für eine Hilfe in Vollzeitpflege nach § 33 [X.]II auch eine hälftige Erstattung nachgewiesener Aufwendungen zu einer angemessenen Alterssicherung der Pflegeperson. Entsprechendes gilt gemäß § 42 Abs 2 S 3 Halbs 2 [X.]II (in der ab 1.1.2012 geltenden Fassung des [X.] vom 22.12.2011, [X.] 2975) auch für die im Rahmen einer Inobhutnahme geleistete [X.].

Nicht zuletzt sprechen auch Gründe der [X.] dafür, nur die auf längere Dauer angelegten [X.]se mit einer Anerkennung von [X.]en in der gesetzlichen Rentenversicherung zu begünstigen (mit der Folge, dass hierfür Pflichtbeiträge vom [X.] gezahlt werden <§ 177 [X.]> und eigene Aufwendungen der Pflegeperson für die Alterssicherung iS von § 39 Abs 4 S 2 [X.]II in dieser [X.] nicht anfallen), für Pflegepersonen mit zeitlich begrenzten und oftmals wechselnden [X.]zeiten dagegen den Träger der Jugendhilfe zu verpflichten, sich finanziell an einer angemessenen - idR privaten - Alterssicherung der Pflegeperson zu beteiligen.

4. Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Meta

B 13 R 15/14 R

16.06.2016

Bundessozialgericht 13. Senat

Urteil

Sachgebiet: R

vorgehend SG Karlsruhe, 27. Juni 2012, Az: S 16 R 4691/11, Urteil

§ 56 Abs 1 S 1 SGB 6, § 56 Abs 1 S 2 SGB 6, § 56 Abs 2 SGB 6, § 57 SGB 6, § 56 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB 1, § 56 Abs 2 Nr 2 SGB 1, § 56 Abs 3 Nr 3 SGB 1, § 33 SGB 8, § 39 Abs 4 S 2 SGB 8, § 42 SGB 8, Art 3 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 16.06.2016, Az. B 13 R 15/14 R (REWIS RS 2016, 9798)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 9798

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 BvR 2880/11

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