Bundessozialgericht, Urteil vom 11.05.2011, Az. B 5 R 22/10 R

5. Senat | REWIS RS 2011, 6847

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten - Erziehung im Ausland - Niederlande - gewöhnlicher Aufenthalt - Grenzgänger - Eintritt der Beitragspflicht während Erziehung des Kindes - notwendige Beiladung


Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 29. April 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, Kinderberücksichtigungszeiten vom 1.10.1994 bis 31.10.1995 und vom 1.2.1996 bis [X.] vorzumerken.

2

Die 1958 geborene Klägerin legte bis Juli 1982 [X.]szeiten zurück und ließ sich danach zur Sozialarbeiterin ausbilden. Ihr Ehemann ist als Krankenhausarzt abhängig beschäftigt und als Mitglied des Versorgungswerkes der [X.] von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit. Aus der Ehe gingen die Kinder [X.] (* 1990) und [X.] (* 1991) hervor. Von Oktober 1993 bis September 1994 war die Klägerin als Praktikantin rentenversicherungspflichtig beschäftigt. Anschließend zog sie mit ihrer Familie in die [X.]. Der Ehemann blieb als Grenzgänger im [X.] tätig. Die Klägerin übte von November 1995 bis Januar 1996 - ebenfalls als Grenzgängerin - eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung in [X.] aus. Im Juli 2000 kehrte die Familie nach [X.] zurück.

3

Mit Bescheid vom 14.4.2005 stellte die Beklagte die im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten bis zum [X.] verbindlich fest. Als [X.] erkannte sie "für [X.]" die [X.]en vom 31.3.1990 bis [X.] und vom 1.11.1995 bis [X.] sowie "für [X.]" die [X.]en vom 31.8.1991 bis [X.], 1.11.1995 bis [X.] und vom [X.] bis 30.8.2001 an. Gleichzeitig lehnte sie die [X.]en vom 1.10.1994 bis 31.10.1995 und vom 1.2.1996 bis 30.3. bzw [X.] als [X.] ab, weil beide Kinder damals im Ausland erzogen worden seien. Widerspruch und Klage sind erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid der Beklagten vom [X.], Urteil des [X.] vom 18.4.2007).

4

Das [X.] hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben, die angefochtenen Bescheide geändert und die Beklagte verurteilt, die [X.] vom "31.10.1994" bis 31.10.1995 und vom 1.2.1996 bis [X.] als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung vorzumerken (Urteil vom 29.4.2010): Die Kinderberücksichtigungszeiten seien der Klägerin zuzuordnen, weil sie nicht von der Anrechnung ausgeschlossen sei und die Kinder im Ausland entweder allein, überwiegend oder gemeinsam mit dem Ehemann erzogen habe. Aufgrund einer europarechtskonformen Auslegung stehe diese Auslandserziehung einer Inlandserziehung gleich. Denn nach der Rechtsprechung des [X.] habe der Beschäftigungsstaat nach Art 13 Abs 2 Buchst a Verordnung - VO - ([X.]) [X.] 1408/71 auch solche Kindererziehungszeiten anzurechnen, die eine Person im Wohnortstaat [X.], wenn eine "hinreichende Verbindung" zum Beschäftigungsstaat hergestellt werden könne ([X.] Urteil vom [X.] - [X.]/00 - Juris, unter Hinweis auf das Urteil vom 23.11.2000 - [X.]/99 - [X.] 3-2600 § 56 [X.] 14). Dies sei vorliegend der Fall. Zwar sei der letzte [X.] wegen einer Beschäftigung lange vor den Geburten beider Kinder im Juli 1982 gezahlt worden. Doch sei für die Klägerin schon allein wegen des Wohnsitzes in [X.] weiterhin und damit auch im [X.]punkt der Geburten [X.] Recht anwendbar. Zudem sei sie unmittelbar vor dem Umzug ins Ausland und auch sonst nur in [X.] versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Dies sei von ausschlaggebender Bedeutung und belege die hinreichende Verbindung zum Beschäftigungsstaat [X.].

5

Mit der Revision, die das [X.] zugelassen hat, rügt die Beklagte eine Verletzung des Art 44 Abs 2 VO ([X.]) [X.] 987/2009 sowie des § 56 Abs 3 Satz 2 SGB VI. Hinsichtlich der [X.]-Entscheidung vom 23.11.2000 ([X.]/99 ) sei festzustellen, dass die dort genannten Voraussetzungen im vorliegenden Verfahren nicht erfüllt seien. Die Klägerin habe zum [X.]punkt der Geburt beider Kinder nicht aufgrund der Ausübung einer Erwerbstätigkeit [X.] Recht unterlegen. Aus diesem Grund könnten die [X.] Rechtsvorschriften nach dem Umzug in die [X.] nicht fortwirken. Des Weiteren gelte vorliegend bereits Art 44 VO ([X.]) [X.] 987/2009. Dieser sei zwar erst am [X.] in [X.] getreten und somit zum [X.]punkt der Verkündung des Urteils des [X.] am 29.4.2010 noch nicht anwendbar gewesen, er gelte jedoch nach Maßgabe des Art 93 VO ([X.]) [X.] 987/2009 iVm Art 87 Abs 2 VO ([X.]) [X.] 883/2004 auch für Versicherungszeiten, die vor Inkrafttreten der Verordnung ([X.]) [X.] 883/2004 in den jeweiligen Mitgliedstaaten zurückgelegt worden seien. Da die Klägerin zum [X.]punkt des Erziehungsbeginns ihrer Kinder nicht aufgrund der Ausübung einer Erwerbstätigkeit den [X.] Rechtsvorschriften unterlegen habe, seien die Voraussetzungen des Art 44 VO ([X.]) [X.] 987/2009 nicht erfüllt.

6

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom 29. April 2010 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 18. April 2007 zurückzuweisen.

7

Die Klägerin, die der angefochtenen Entscheidung beipflichtet, beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

[X.] der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Eine Entscheidung in der Sache kann der Senat nicht treffen, weil hierzu weitere Tatsachenfeststellungen des [X.] erforderlich sind.

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Die Klägerin begehrte im Klage- und Berufungsverfahren 123, § 153 Abs 1 SGG), den Bescheid vom 14.4.2005 und den Widerspruchsbescheid vom [X.] zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, die [X.] vom 1.10.1994 bis 31.10.1995 und vom 1.2.1996 bis [X.] als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung vorzumerken. Dieses Ziel verfolgte sie zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage 54 Abs 1 Satz 1, § 56 SGG). Ob die Beklagte die erstrebten rechtlichen Feststellungen treffen muss, lässt sich ohne weitere Tatsachenfeststellungen nicht entscheiden.

Anspruchsgrundlage für die begehrte Vormerkung ist § 149 Abs 5 Satz 1 [X.]. Nach dieser Vorschrift stellt der Versicherungsträger, nachdem er das [X.] geklärt hat, die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, durch Bescheid fest (sog [X.]). Der Versicherungsträger ist befugt, wenn auch nicht verpflichtet, auf Antrag auch solche geklärten Daten durch Bescheid festzustellen, die noch keine sechs Jahre zurückliegen. Denn die Beschränkung der Feststellungspflicht soll ihm lediglich ermöglichen, im Versicherungsverlauf enthaltene, aber noch nicht bescheidmäßig festgestellte Daten ohne Bindungen durch [X.] (vgl § 45 [X.]) erleichtert zu berichtigen (vgl etwa [X.] vom 28.2.1991 - 4 RA 76/90 - [X.], 171, 174 = [X.] 3-2200 § 1227a [X.]; vom 23.10.2003 - [X.] RA 15/03 R - [X.], 245 = [X.] 4-2600 § 56 [X.], Rd[X.] und vom 18.10.2005 - [X.] RA 6/05 R - [X.] 4-2600 § 56 [X.] Rd[X.]2; Polster in [X.] Komm, Stand September 2007, [X.] § 149 Rd[X.]4). Entscheidet er indessen - wie hier - über Kindererziehungs- und -berücksichtigungszeiten, die noch keine sechs Jahre zurückliegen, muss er einen inhaltlich zutreffenden [X.] erlassen (vgl [X.] vom 21.3.1991 - 4/1 RA 35/90 - [X.] 3-2200 § 1325 [X.] S 5).

Nach § 57 Satz 1 [X.] ist die [X.] der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem 10. Lebensjahr bei einem Elternteil eine Berücksichtigungszeit, soweit die Voraussetzungen für die Anrechnung einer [X.] nach § 56 [X.] auch in dieser [X.] vorliegen. Eine [X.] wird gemäß § 56 Abs 1 Satz 2 [X.] für einen Elternteil angerechnet, wenn

        

1.    

die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist,

        

2.    

die Erziehung im Gebiet der [X.] erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und

        

3.    

der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist.

1. Die Feststellungen des [X.] reichen nicht aus, um der Klägerin, die nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist (§ 56 Abs 1 Satz 2 [X.], Abs 4 [X.]), die geltend gemachten Kinderberücksichtigungszeiten zuzuordnen. Diese Zuordnung bestimmt sich nach §§ 57, 56 Abs 2 [X.], wobei drei Kategorien der Erziehung zu unterscheiden sind ([X.] vom 16.12.1997 - 4 RA 60/97 - [X.] 3-2600 § 56 [X.]0 S 46; vom [X.] - [X.] RA 28/00 R - Juris Rd[X.]6 ff und vom 17.4.2008 - B 13 R 131/07 R - [X.] 4-2600 § 56 [X.] Rd[X.]1): Die [X.], die gemeinsame Erziehung und die überwiegende Erziehung. Das [X.] hat "eine überwiegende Erziehung durch den Ehemann" ausgeschlossen und festgestellt, die Klägerin habe beide Kinder in [X.] entweder allein oder überwiegend oder gemeinsam mit dem Ehemann erzogen. Aus dieser Wahlfeststellung hat es rechtsirrig geschlussfolgert, die streitigen Erziehungszeiten seien aufgrund der [X.] des § 56 Abs 2 Satz 8 [X.] in jedem Fall der Klägerin als Mutter beider Kinder zuzuordnen.

Der Anwendungsbereich des § 56 Abs 2 Satz 8 [X.] war hier jedoch nicht eröffnet. Denn die [X.] greift erst ein, wenn die Eltern - bei fehlender [X.] - keine übereinstimmende Erklärung abgegeben haben und sich überwiegende [X.] eines Elternteils nicht im erforderlichen Beweisgrad feststellen lassen (non liquet), sondern ihre [X.] nach objektiven Maßstäben in etwa gleichgewichtig sind. Das [X.] hätte (und wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren) prüfen und ggf feststellen müssen, ob die Klägerin - wie sie im Kontenklärungsverfahren angegeben hat - beide Kinder in den fraglichen [X.]räumen allein erzogen hat. Im Falle der [X.] wäre ihr die Erziehungszeit zuzuordnen (§ 56 Abs 2 Satz 1 [X.]); die Tatbestände der gemeinsamen oder überwiegenden Erziehung kämen nicht mehr in Betracht, weil zwischen [X.] einerseits und gemeinsamer und überwiegender Erziehung andererseits ein Verhältnis der Exklusivität besteht.

Hat die Klägerin die Kinder nicht allein, sondern gemeinsam mit ihrem Ehemann erzogen, so ist nach § 56 Abs 2 Satz 3 [X.] zunächst zu prüfen und festzustellen, ob die Eltern eine übereinstimmende öffentlich-rechtliche (Willens- )Erklärung über die Zuordnung der fraglichen Kinderberücksichtigungszeiten abgegeben haben. Allerdings kann eine solche Erklärung grundsätzlich nur mit Wirkung für künftige Kalendermonate (§ 56 Abs 2 Satz 5 [X.]) und nur unter besonderen Voraussetzungen ausnahmsweise rückwirkend für bis zu zwei Kalendermonate abgegeben werden (vgl § 56 Abs 2 Satz 6 [X.]). Die Erklärung des [X.] vom [X.], die das [X.] während des Berufungsverfahrens eingeholt hat, ist damit für die Zuordnung der streitigen [X.]en bedeutungslos.

Ergibt sich die Zuordnung nicht bereits zwingend aus einer kongruenten Elternerklärung, weil sie entweder fehlt oder nicht übereinstimmend bzw sonst unwirksam, insbesondere verspätet, abgegeben worden ist, bleibt es bei dem Grundsatz des § 56 Abs 2 Satz 9 [X.]: Die [X.] ist dann demjenigen zuzuordnen, der das Kind - nach objektiven Gesichtspunkten betrachtet - überwiegend erzogen hat. Das Maß der Zuwendung der Elternteile zu ihrem Kind haben im Verwaltungsverfahren die Versicherungsträger nach § 20 [X.] und im Gerichtsverfahren die [X.]e gemäß §§ 103, 106 SGG von Amts wegen zu ermitteln. Nur dann, wenn sich dabei überwiegende [X.] eines Elternteils nicht im erforderlichen Beweisgrad feststellen lassen (non liquet), sondern die [X.] nach objektiven Maßstäben in etwa gleichgewichtig sind, wird die [X.] nach der [X.] des § 56 Abs 2 Satz 8 [X.] der Mutter zugeordnet (vgl BSG [X.] 3-2600 § 56 [X.]0 S 47).

Das [X.] hat es jedoch weder für erwiesen erachtet, dass die Klägerin ihre Kinder in der streitigen [X.] überwiegend erzogen hat noch bindend festgestellt, dass die [X.] beider Eltern annähernd gleichwertig waren und keine dritte(n) Person(en) an der Erziehung substantiell beteiligt war(en). Dem Urteil des [X.] ist lediglich zu entnehmen, dass "eine überwiegende Erziehung durch den Ehemann jedenfalls auszuschließen ist, weil der Ehemann berufstätig war, während die Klägerin dies - von den drei Monaten Ende 1995/Anfang 1996 abgesehen - nicht war". Hieraus ergibt sich logisch jedoch weder direkt noch im Umkehrschluss eine überwiegende Erziehung durch die Klägerin. Denn es ist nicht auszuschließen, dass dritte Personen die Kindererziehung - anstelle der Klägerin und ihres Ehemannes - in erheblichem Umfang substituierend übernommen haben. Mangels ausreichender Feststellungen, dass die [X.] beider Eltern - bei Nichtbeteiligung dritter Personen - annähernd gleichwertig waren, ist ein Rückgriff auf § 56 Abs 2 Satz 8 [X.] (derzeit) nicht möglich.

2. Unbeschadet der Beteiligung dritter Personen wird das [X.] im wiedereröffneten Berufungsverfahren (zumindest) den Ehemann der Klägerin und Vater der Kinder notwendig beiladen müssen, weil er an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt ist, dass die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen kann 75 Abs 2, 1. Alt SGG). Dies ist der Fall, wenn das streitige Rechtsverhältnis zugleich in die Rechtssphäre eines Dritten unmittelbar eingreift (stRspr, vgl nur Senatsurteil vom 27.6.1990 - 5 RJ 6/90 - [X.] 3-1500 § 75 [X.] mwN). Ein derartiger Eingriff in die Rechtssphäre des Ehemanns entfällt hier nicht deshalb, weil dieser während der Erziehungszeit als Mitglied des Versorgungswerkes der [X.] für seine Beschäftigung als Arzt von der Versicherungspflicht gemäß § 6 Abs 1 Satz 1 [X.] [X.] befreit und deshalb von der Anrechnung der [X.]en ausgeschlossen war. Denn nach § 56 Abs 4 [X.] [X.] in der Fassung von Art 4 [X.] des Gesetzes zur Änderung des [X.], zur Errichtung einer Versorgungsausgleichskasse und anderer Gesetze vom [X.] ([X.] 1939) sind Elternteile von der Anrechnung nur ausgeschlossen, wenn sie während der Erziehungszeit Anwartschaften auf Versorgung im Alter nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen oder entsprechenden kirchenrechtlichen Regelungen oder nach den Regelungen einer berufsständischen Versorgungseinrichtung aufgrund der Erziehung erworben haben, die systembezogen gleichwertig berücksichtigt werden wie die Kindererziehung nach dem [X.]. Mit dieser Neufassung des § 56 Abs 4 [X.], die am 22.7.2009 in [X.] getreten ist (vgl Art 10 Abs 1 des Änderungsgesetzes) und auch für Erziehungszeiten vor diesem [X.]punkt gilt (vgl § 300 Abs 1 [X.]; [X.], [X.] 2011, 37), trägt der Gesetzgeber der Rechtsprechung des [X.] ([X.] vom 18.10.2005 - [X.] RA 6/05 R - [X.] 4-2600 § 56 [X.] und vom 31.1.2008 - B 13 R 64/06 R - [X.], 12, 15 ff = [X.] 4-2600 § 56 [X.]), wonach Eltern auch dann [X.]en in der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten (können), wenn sie zwar einem anderen Alterssicherungssystem angehören, dieses jedoch keine Leistung kennt, die systembezogen der [X.] annähernd gleichwertig ist (vgl BT-Drucks 16/13424 [X.]). Mit der Neuregelung soll klargestellt werden, dass Personen nicht bereits deswegen von der Anrechnung von [X.]en ausgeschlossen sind, weil sie aufgrund ihres Rechtsstatus versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit sind. Deshalb beschränkt der Gesetzgeber die Ausschlusstatbestände auf solche Personen, denen die Kindererziehung in einem anderen Alterssicherungssystem als gleichwertig anerkannt wird (vgl zum Ganzen BT-Drucks 16/13424 aaO). Feststellungen, ob das Versorgungswerk der [X.] gleichwertige Erziehungszeiten berücksichtigt und wie sich diese landesrechtlichen (nicht revisiblen) Regelungen beim Ehemann der Klägerin auswirken, hat das [X.] - nach seiner Rechtsauffassung konsequent - nicht getätigt. Dies wird das [X.] im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachholen und auch dem Umstand Rechnung tragen müssen, dass der Ehemann im Verwaltungsverfahren nicht beteiligt war (vgl §§ 12 Abs 2 Satz 2, 41 Abs 1 [X.], Abs 2 [X.]; zur Möglichkeit des Verzichts der Wiederholung des Verwaltungsverfahrens: [X.] vom [X.] - 12 RK 73/82 - [X.], 160, 161 ff = [X.] 1300 § 12 [X.]; [X.] vom [X.] KR 35/95 R - BSGE 81, 276, 287 f = [X.] 3-2600 § 158 [X.]; [X.] vom [X.] - B 12 KR 3/06 R - [X.], 32, 33 f = [X.] 4-2600 § 229 [X.]).

Die unterbliebene notwendige Beiladung ist ein Verfahrensmangel, der im Revisionsverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen ist (vgl nur Senatsurteil vom 20.10.2009 - B 5 R 5/07 R - [X.] 4-3250 § 14 [X.] 8 Rd[X.]6 mwN). Von einer Nachholung der Beiladung im Revisionsverfahren gemäß § 168 Satz 2 SGG mit Zustimmung des Ehemanns hat der Senat aufgrund der Zurückverweisung abgesehen, die auch aus anderen Gründen unausweichlich ist (vgl [X.] vom 7.11.2006 - B 7b [X.] - [X.], 242 = [X.] 4-4200 § 20 [X.], Rd[X.]7).

3. Sollten die geltend gemachten [X.]en der Klägerin zuzuordnen sein, wird das [X.] ferner zu prüfen haben, ob die Erziehung im [X.] einer Inlandserziehung gleichsteht (§§ 57, 56 Abs 1 Satz 2 [X.] [X.]). Die Gleichstellungstatbestände des § 56 Abs 3 Satz 2 und 3 [X.] scheiden aus, weil - nach den Feststellungen des [X.] - in der hier maßgebenden [X.] weder die Klägerin noch ihr Ehemann aufgrund einer im Ausland ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten in [X.] Rentenversicherung haben. Beide Elternteile waren ausschließlich im Inland und nie im Ausland tätig.

Es kommt aber eine Gleichstellung der Kinderberücksichtigungszeiten über Art 44 [X.] ([X.]) [X.] 987/2009 iVm [X.] ([X.]) [X.] 883/2004 in Betracht. Beide Verordnungen sind am [X.] in [X.] getreten (Art 97 Satz 2 [X.] <[X.]> [X.] 987/2009 iVm Art 91 [X.] <[X.]> [X.] 883/2004), ersetzen grundsätzlich die [X.] ([X.]) [X.]408/71 (Art 90 Abs 1 [X.] <[X.]> [X.] 883/2004) sowie die [X.] ([X.]) [X.]74/72 (Art 96 Abs 1 [X.] <[X.]> [X.] 987/2009) und erfassen gemäß Art 93 [X.] ([X.]) [X.] 987/2009 iVm Art 87 Abs 3 [X.] ([X.]) [X.] 883/2004 auch solche Ereignisse, die bereits vor diesem [X.]punkt bestanden haben (vgl [X.], [X.] 2011, 18; [X.] in [X.], Europäisches Sozialrecht, 5. Aufl 2010, Art 87 [X.] <[X.]> [X.] 883/2004 Rd[X.]). Die neuen Verordnungen sind vorliegend auch im Revisionsverfahren anzuwenden, weil für die hier erhobene Verpflichtungsklage das Recht maßgebend ist, das im [X.]punkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Revisionsgericht gilt (vgl dazu [X.], 38, 40 = [X.] 2200 § 1418 [X.]; [X.], 1, 5 = [X.] 2200 § 690 [X.] 4).

Art 44 Abs 2 [X.] ([X.]) [X.] 987/2009 bestimmt Folgendes: Wird nach den Rechtsvorschriften des gemäß Titel [X.] ([X.] <[X.]> [X.] 883/2004) zuständigen Mitgliedstaats keine [X.] berücksichtigt, so bleibt der Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften nach Titel [X.] auf die betreffende Person anwendbar waren, weil diese Person zu dem [X.]punkt, zu dem die Berücksichtigung der [X.] für das betreffende Kind nach diesen Rechtsvorschriften begann, eine Beschäftigung oder eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt hat, zuständig für die Berücksichtigung dieser [X.] als [X.] nach seinen eigenen Rechtsvorschriften, so als hätte diese Kindererziehung in seinem eigenen Hoheitsgebiet stattgefunden. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, lässt sich aufgrund der Feststellungen des [X.] nicht abschließend beurteilen.

a) Der nach den Rechtsvorschriften des Titels II der [X.] ([X.]) [X.] 883/2004 "zuständige Mitgliedstaat" ist das [X.]. Denn nach Art 11 Abs 3 Buchst e) [X.] ([X.]) [X.] 883/2004 unterliegt jeder grundsätzlich den Rechtsvorschriften seines Wohnmitgliedstaates, sofern er nicht unter Art 11 Abs 3 Buchst a) bis d) [X.] ([X.]) [X.] 883/2004 fällt oder ausnahmsweise anders lautende Bestimmungen der [X.] ([X.]) [X.] 883/2004 gelten, nach denen ihm Leistungen aufgrund der Rechtsvorschriften eines oder mehrerer anderer Mitgliedstaaten zustehen. Die Klägerin hat in der streitigen [X.] mit ihren Kindern im [X.] gewohnt; die Voraussetzungen von Art 11 Abs 3 Buchst a) bis d) [X.] ([X.]) [X.] 883/2004 sind nicht erfüllt und Sonderbestimmungen der [X.] ([X.]) [X.] 883/2004 nicht einschlägig.

b) Ob die [X.] Rechtsvorschriften "keine [X.] berücksichtigen", hat das [X.] allerdings nicht festgestellt. Dies wird es im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzuholen haben.Zwar handelt es sich bei der Feststellung von Existenz und Inhalt ausländischen Rechts um Rechtsanwendung ([X.], 257 = [X.] 4-6928 Allg [X.]; BSG [X.] 3-1750 § 293 [X.] S 2; vgl auch [X.], [X.], 2. Aufl 1997, VI Rd[X.]30). Für dessen Ermittlung verweist § 293 ZPO, der im sozialgerichtlichen Verfahren entsprechend anwendbar ist (§ 202 SGG; BSG aaO), jedoch auf die Vorschriften über die Beweisaufnahme zur Tatsachenermittlung. Nach § 293 Satz 1 ZPO ist ausländisches Recht, das dem [X.] unbekannt ist, beweisbedürftig. Die Feststellungen, die die Tatsacheninstanz auf dieser Grundlage zum ausländischen Recht trifft, die darauf beruhende Rechtsauslegung und die aus dem ausländischen Recht gezogenen Schlussfolgerungen hat das BSG seiner Entscheidung unverändert zugrunde zu legen, weil es sich insoweit um nichtrevisibles Recht iS von § 162 SGG handelt (s Senatsurteil vom 13.9.1990 - 5 [X.] - [X.], 214, 218 = [X.] 3-6710 Art 4 [X.] S 4; [X.], 184, 187 = [X.] 3-2400 § 18a [X.] S 13; BSG [X.] 5050 § 15 [X.] [X.]n 37, 38, 40; [X.], 20, 23 = [X.] [X.]5 zu § 1291 R[X.]). Feststellungen dazu, ob das [X.] Recht [X.]en vorsieht, hat das [X.] nicht getroffen.

aa) Sollte das [X.] dabei zu dem Ergebnis kommen, dass die [X.] Rechtsvorschriften keine [X.] berücksichtigen, wird es gemäß Art 44 Abs 2 [X.] ([X.]) [X.] 987/2009 weiter zu prüfen haben, ob die Klägerin in der [X.] (= Mitgliedstaat, dessen Rechtsvorschriften nach Titel II der Grund[X.] <[X.]> [X.] 883/2004 auf die betreffende Person anwendbar waren) an den beiden Tagen, an denen ihre Kinder geboren wurden (= [X.]punkt, zu dem die Berücksichtigung der [X.] für das betreffende Kind nach [X.] Rechtsvorschriften begann), eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit ausgeübt hat. Nach den Feststellungen des [X.] hat die Klägerin zum [X.]punkt beider Geburten keine versicherungspflichtige Beschäftigung in der [X.] ausgeübt. Nicht festgestellt hat das [X.] allerdings, ob sie zum [X.]punkt der Geburten versicherungsfrei beschäftigt oder selbstständig tätig war. Auch versicherungsfreie geringfügige Beschäftigungen nach § 8 [X.] sowie geringfügige Beschäftigungen in Privathaushalten nach § 8a [X.] fallen unter den Beschäftigungsbegriff (zur Legaldefinition s Art 1 Buchst a [X.] <[X.]> [X.] 883/2004; vgl Otting in [X.]/[X.], EU-Sozialrecht, [X.] 883/04 - [X.] Rd[X.]0; zum Begriff des "Arbeitnehmers" iS der [X.] <[X.]> [X.]408/71 [X.] Urteile vom 18.7.2007 - [X.]/05 - Juris Rd[X.]5 ff und vom [X.]/89 - Juris Rd[X.] 7 ff). Dies wird das [X.] nachzuholen haben.

Sollte das [X.] zu dem Ergebnis kommen, dass die Voraussetzungen des Art 44 Abs 2 [X.] ([X.]) [X.] 987/2009 nicht erfüllt sind, wird es zu prüfen haben, ob diese Vorschrift erweiternd auszulegen ist, weil [X.]en der Kindererziehung andernfalls keine Berücksichtigung finden (vgl Vorlagebeschluss des [X.] vom [X.] - [X.]/09, anhängig beim [X.] - [X.]/10).

bb) Sollte die Klägerin im streitgegenständlichen [X.]raum [X.] Vorschriften unterlegen haben, wird das [X.] die Übergangsvorschrift des Art 93 [X.] ([X.]) [X.] 987/2009 iVm Art 87 Abs 8 [X.] ([X.]) [X.] 883/2004 beachten müssen. Denn in diesem Fall würden aufgrund der [X.] ([X.]) [X.] 883/2004 die Rechtsvorschriften des [X.] ([X.]) gelten und damit die Rechtsvorschriften des Beschäftigungsstaates ([X.]) verdrängen, die aufgrund von Art 13 Abs 2 Buchst a [X.] ([X.]) [X.]408/71 bis zum [X.] galten. In dieser Situation bestimmt Art 87 Abs 8 [X.] ([X.]) [X.] 883/2004 Folgendes: Gelten für eine Person infolge dieser Verordnung die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats als desjenigen, der durch Titel [X.] ([X.]) [X.]408/71 bestimmt wird, bleiben diese Rechtsvorschriften so lange, wie sich der bis dahin vorherrschende Sachverhalt nicht ändert, und auf jeden Fall für einen [X.]raum von höchstens zehn Jahren ab dem Geltungsbeginn dieser Verordnung anwendbar, es sei denn, die betreffende Person beantragt, den nach dieser Verordnung anzuwendenden Rechtsvorschriften unterstellt zu werden.

4. Schließlich wird das [X.] zu berücksichtigen haben, dass die Klägerin die Kinderberücksichtigungszeiten bereits ab dem 1.10.1994 und nicht erst - wie ausgeurteilt - ab dem 31.10.1994 begehrt.

Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des [X.] vorbehalten.

Meta

B 5 R 22/10 R

11.05.2011

Bundessozialgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: R

vorgehend SG Ulm, 18. April 2007, Az: S 3 R 630/06, Urteil

§ 56 SGB 6, § 57 S 1 SGB 6, §§ 149 Abs 5 S 1 SGB 6, § 12 Abs 2 S 2 SGB 10, § 41 Abs 1 Nr 6 SGB 10, § 41 Abs 2 SGB 10, § 75 Abs 2 Alt 1 SGG, § 162 SGG, § 168 S 2 SGG, § 202 SGG, § 293 S 1 ZPO, Art 13 Abs 2 Buchst a EWGV 1408/71, Art 11 Abs 3 EGV 883/2004, Art 87 Abs 3 EGV 883/2004, Art 87 Abs 8 EGV 883/2004, Art 90 Abs 1 EGV 883/2004, Art 91 EGV 883/2004, Art 44 Abs 2 EGV 987/2009, Art 93 EGV 883/2004, Art 96 Abs 1 EGV 883/2004, Art 97 S 2 EGV 883/2004

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 11.05.2011, Az. B 5 R 22/10 R (REWIS RS 2011, 6847)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6847

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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