Bundessozialgericht, Beschluss vom 15.12.2016, Az. B 5 RE 28/16 B

5. Senat | REWIS RS 2016, 610

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Gegenstand

Nichtzulassungsbeschwerde - sozialgerichtliches Verfahren - Anforderungen an eine Erwägensrüge - rechtliches Gehör


Tenor

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 1. September 2016 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt V. aus E. beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im vorbezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Gründe

1

Mit Urteil vom [X.] hat es das [X.] im Zugunstenverfahren abgelehnt, die Beklagte zu verpflichten, die Feststellung von Rentenversicherungspflicht im Zeitraum vom 1.11.2004 bis [X.] und die Festsetzung entsprechender Beiträge auf insgesamt 1320,50 € im bestandskräftigen Bescheid vom 11.11.2008 und den Widerspruchsbescheid vom 14.9.2009 zurückzunehmen.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde zum [X.] eingelegt und in der Beschwerdebegründung Verfahrensmängel geltend gemacht. Darüber hinaus hat sie beantragt, ihr Prozesskostenhilfe (PKH) zu gewähren und Rechtsanwalt [X.] aus E. beizuordnen.

3

Der [X.] ist abzulehnen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73a [X.] SGG iVm § 114 [X.] ZPO). Denn die bereits von einem Rechtsanwalt eingelegte und begründete Nichtzulassungsbeschwerde verfehlt die insoweit vorgeschriebenen formellen Voraussetzungen. Damit entfällt zugleich die Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten im Rahmen der PKH (§ 73a [X.] SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).

4

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.

5

Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

-       

die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 [X.] SGG),

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die Entscheidung von einer Entscheidung des [X.], des [X.] oder des [X.] abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO [X.]) oder

-       

ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO [X.]).

6

Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 [X.] SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 [X.] iVm § 169 SGG zu verwerfen.

7

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 [X.] Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des [X.] (§ 160a Abs 2 [X.] SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des [X.] ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

8

Die Beschwerdebegründung rügt, das [X.] habe den Vortrag der Beigeladenen und der Klägerin ignoriert, "dass eine Versicherungspflicht nach § 2 [X.] nicht bestanden habe, weil die Klägerin als selbständige Kommissionärin nach dem Leitbild der §§ 383 ff. HGB tätig war und regelmäßig Arbeitnehmer beschäftigt hat". Auch sei das Vorbringen nicht aufgegriffen worden, "dass nach Beginn der Aufnahme der Tätigkeit sich zeitnah eine zunehmende Tendenz der Anzahl und des Umfangs der Beschäftigung von Arbeitnehmern zeigte und damit die Tätigkeit von vornherein auf die regelmäßige Beschäftigung von Arbeitnehmern angelegt gewesen sei". In einer solchen Konstellation sei nach der Rechtsprechung des [X.] (Urteil vom [X.] R 3/08 R - [X.]E 105, 46 = [X.]-2600 § 2 [X.]2) davon auszugehen, dass von vornherein keine Versicherungspflicht bestanden habe.

9

Soweit damit ein Gehörverstoß (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) in Form der sog Erwägensrüge (vgl [X.] SozR 1500 § 62 [X.]3; [X.] SozR 3-1500 § 62 [X.]9 [X.]3 mwN) geltend gemacht wird, gilt die tatsächliche Vermutung, dass ein Gericht das Vorbringen der Beteiligten und den Akteninhalt zur Kenntnis genommen und erwogen hat, zumal es nach Art 103 Abs 1 GG nicht verpflichtet ist, auf jeden Gesichtspunkt einzugehen, der im Laufe des Verfahrens von der einen oder anderen Seite zur Sprache gebracht worden ist (vgl [X.] SozR 1500 § 62 [X.]6; [X.]E 96, 205, 217). Deshalb muss die Beschwerdebegründung "besondere Umstände“ des Einzelfalls aufzeigen, aus denen auf das Gegenteil geschlossen werden kann (vgl [X.]E 28, 378, 384 f; 47, 182, 187 f; 54, 86, 91 f). Besondere Umstände liegen etwa vor, wenn das Gericht auf [X.] des Beteiligtenvortrags zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, nicht eingeht, obwohl das Vorbringen nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts erheblich und nicht offensichtlich unsubstantiiert war (vgl [X.]E 47, 182, 187; 86, 133, 146, [X.] Kammerbeschluss vom [X.] - 1 BvR 1729/09 - NZS 2010, 497, 498, Rd[X.]2 und [X.] NJW 1994, 2683 mwN). Deshalb hätte die Klägerin zumindest die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des [X.] darlegen und auf dieser Grundlage im Einzelnen aufzeigen müssen, dass ihr jeweiliger Tatsachenvortrag entscheidungserheblich und ihre Rechtsausführungen tragend gewesen sind. Die Beschwerdebegründung gibt jedoch weder den verbindlich festgestellten Sachverhalt (§ 163 SGG) noch die hierauf beruhenden Entscheidungsgründe des [X.] wieder, sodass der erkennende Senat nicht prüfen kann, ob und inwiefern die angeblich ignorierten tatsächlichen Ausführungen und rechtlichen Argumente - auf der Basis der Rechtsauffassung des [X.] (und nicht des [X.]) - für das Verfahren entscheidungserheblich und für die Falllösung zentral bedeutsam waren. Die Klägerin übersieht, dass sie die Erwägungen des Berufungsurteils vollständig wiedergeben muss, damit der Senat beurteilen kann, ob die Erwägensrüge berechtigt ist (vgl [X.] Beschlüsse vom 19.11.2012 - [X.] R 209/12 B - Juris Rd[X.] 8 und vom 23.8.2016 - [X.] R 154/16 B - Juris Rd[X.]3).

Skizziert die Beschwerdebegründung die Entscheidungsgründe des Berufungsurteils somit allenfalls bruchstückhaft, kann auf dieser Grundlage ein Verstoß gegen die aus § 128 Abs 1 S 2 iVm § 136 Abs 1 [X.] 6 SGG folgende Pflicht, im Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind, von vornherein nicht schlüssig aufgezeigt werden (zur erforderlichen Begründungsintensität vgl Senatsbeschluss vom 27.1.2015 - B 5 R 358/15 B - BeckRS 2016, 67886 Rd[X.]4 sowie [X.] Beschlüsse vom 19.11.2012 - [X.] R 209/12 B - Juris Rd[X.] 8; vom 26.5.2011 - [X.] [X.] 145/10 B - Juris Rd[X.] und vom 24.2.2010 - [X.] R 547/09 B - Juris Rd[X.]0). Hinzu kommt, dass das [X.] nach den Ausführungen in der Beschwerdebegründung auf das Urteil erster Instanz Bezug nimmt. Dann aber hätte die Klägerin auch dessen Entscheidungsgründe wiedergeben und aufzeigen müssen, dass selbst in der Zusammenschau der erst- und zweitinstanzlichen Entscheidungsgründe nicht ersichtlich ist, auf welchen tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen die Entscheidung beruht, dh welche Rechtsnormen angewendet worden sind und welche ihrer Tatbestandsmerkmale aufgrund welcher Überlegungen vorliegen bzw nicht vorliegen ([X.] SozR 1500 § 136 [X.]0 [X.]2 mwN). Auch hieran fehlt es.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

Meta

B 5 RE 28/16 B

15.12.2016

Bundessozialgericht 5. Senat

Beschluss

Sachgebiet: RE

vorgehend SG Gotha, 5. Mai 2014, Az: S 5 R 4883/10

§ 62 SGG, § 160 Abs 2 Nr 2 SGG, § 162 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 160a Abs 4 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 169 SGG, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 15.12.2016, Az. B 5 RE 28/16 B (REWIS RS 2016, 610)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 610

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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