Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.01.2013, Az. III ZR 10/12

3. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 8908

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Gegenstand

Schiedsgutachtervertrag: Werkvertragliche Schadensersatzansprüche der nicht am Gutachtervertrag beteiligten Partei gegen den Schiedsgutachter wegen offenbarer Unrichtigkeit des Gutachtens


Leitsatz

1. Wird ein Schiedsgutachtervertrag nur von einer Partei der Schiedsgutachtenabrede geschlossen, können bei Erstellung eines offenbar unrichtigen Gutachtens auch der anderen Partei unmittelbare (werk-)vertragliche Schadensersatzansprüche gegen den Schiedsgutachter zustehen (im Anschluss an BGH, Urteil vom 6. Juni 1994, II ZR 100/92, NJW-RR 1994, 1314).

2. Dem Eintritt eines ersatzfähigen Schadens steht dabei nicht entgegen, dass von dem Auftraggeber des Schiedsgutachters gemäß § 319 Abs. 1 BGB gerichtliche Neubestimmung der Leistung beziehungsweise Zahlung verlangt werden kann, die den eingetretenen Vermögensnachteil möglicherweise ausgleichen könnten.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des [X.] vom 20. Dezember 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin, eine Vertragshändlerin der [X.], verlangt von den Beklagten - der Sachverständigenorganisation für den Automobilbereich [X.]und deren Tochterunternehmen - Schadensersatz wegen der Erstellung angeblich fehlerhafter Fahrzeugbewertungen.

2

Die Klägerin schloss mit der [X.] (im Folgenden: [X.]) eine "Vereinbarung über [X.]" vom 30. September/2. Oktober 2003 nebst einer Zusatzvereinbarung. Gegenstand der Vereinbarung war die Vermittlung von [X.] von Kunden der Klägerin. Nach Beendigung von ihr vermittelter Leasingverträge war die Klägerin verpflichtet, die zurückgegebenen Fahrzeuge, die sogenannten Leasingrückläufer, auf entsprechende Anforderung von der [X.] anzukaufen. Bei der - in der Zusatzvereinbarung modifizierten - Berechnung des Kaufpreises sollte maßgeblich auf den [X.] abgestellt werden, der nach Ziffer 5.4.1 der Vereinbarung "derzeit von [X.]  aufgrund des Baujahres und der tatsächlich gefahrenen Kilometer, aber ohne Berücksichtigung des jeweiligen Fahrzeugzustandes im Auftrag der [X.] ermittelt" werden sollte. Dazu sollten die zur Bewertung erforderlichen Daten von der [X.] per Computer an die [X.]   übertragen werden, das Bewertungsgutachten sollte dem (Rück-)Käufer ausgehändigt werden. Eine ähnliche Vereinbarung über [X.] schloss die Klägerin auch mit der [X.] (im Folgenden: A.      ), bei der es sich ebenfalls um ein Tochterunternehmen der [X.] handelt.

3

Grundlage für die Mitwirkung der Beklagten bei der Ermittlung des [X.]es ist eine zwischen dem Beklagten zu 2 und der [X.] geschlossene Vereinbarung vom 31. Juli/5. August 1987 (im Folgenden: [X.]), nach dem eine Datenfernleitung zwischen dem Hausrechner der [X.] und der [X.] eingerichtet wird, über die die [X.] sogenannte "B.   -Leasing-Kurzbewertungen" zum Zwecke der Abrechnung von Leasingverträgen abrufen können sollte. Ziffer 3.1 dieses Vertrags weist unter anderem darauf hin, dass nur Rechendaten druckaufbereitet gemäß [X.]   -Spezifikation übertragen werden, die Bewertung aufgrund von [X.] erfolge und eine [X.] -Ing.-Leistung nicht in Anspruch genommen werde.

4

Gemäß diesen Vereinbarungen wurden in einer Vielzahl von Fällen die [X.]e ermittelt. Entsprechende Schriftstücke sind mit "Bewertungsgutachten/Rechendaten" überschrieben und weisen als Absender und Empfänger in der Kopfzeile die [X.] aus, während in der Fußzeile die Adresse der Beklagten zu 1 aufgeführt ist. Auf der Grundlage der so ermittelten [X.]e übten die [X.] und die A.     ihr Andienungsrecht aus und schlossen mit der Klägerin entsprechende Kaufverträge.

5

Die Klägerin wirft den Beklagten vor, im Zeitraum von Januar bis November 2008 nicht marktgerechte [X.]e ermittelt zu haben. Dadurch sei ihr ein Schaden von insgesamt 141.713,47 € entstanden. Sie hat in den Tatsacheninstanzen geltend gemacht, dass sie in den Schutzbereich des [X.]s einbezogen sei und sie deshalb unter dem Gesichtspunkt des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter von den Beklagten Schadensersatz verlangen könne.

6

Das [X.] hat sich die Rechtsauffassung der Klägerin zu eigen gemacht und den Schadensersatzanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Auf die Berufung der Beklagten ist dieses Grundurteil abgeändert und die Klage abgewiesen worden. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision der Klägerin führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

8

Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der [X.] aus dem [X.] in Verbindung mit den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter wegen Erstellung unrichtiger Gutachten bereits nach dem eigenen Sachvortrag der Klägerin nicht gegeben seien. Denn sie sei jedenfalls nicht schutzbedürftig, weil sie gleichwertige vertragliche Ansprüche gegenüber der [X.] verfolgen könne. Diese könnten auf die Anpassung der jeweiligen Kaufverträge an die "richtigen" Kaufpreise gerichtet werden und beruhten auf den Gesichtspunkten der Ersetzung einer unrichtigen Leistungsbestimmung im Sinne der §§ 317, 319 [X.]. Die zwischen der Klägerin und der [X.] geschlossene "Vereinbarung über [X.]" enthalte eine Einigung dahingehend, dass die [X.] den [X.] als ein wesentliches Element zur Bestimmung der den Kaufverträgen über die [X.] zugrunde zu legenden Kaufpreise ermitteln sollten. Der Umstand, dass die [X.] vorliegend nur von einer der [X.]en, der [X.], mit der Ermittlung der [X.]e beauftragt worden sei, sei unbeachtlich. Denn den [X.] sei auf der Grundlage des Sachvortrags der Klägerin bekannt gewesen, dass die [X.], bei denen es sich um Schiedsgutachten im engeren Sinne gehandelt habe, zur Abrechnung von Leasingverträgen dienen und auch gegenüber der Klägerin Verwendung finden sollten. Da diese [X.] nach dem Vorbringen der Klägerin zumindest im Zeitraum von Januar bis November 2008 offenbar unrichtig und damit unverbindlich gewesen seien, könne sie Ausgleichsansprüche gegen die [X.] geltend machen, die dem gegen die [X.] gerichteten Zahlungsbegehren entgegenstünden. Zudem habe die Klägerin im Hinblick darauf keinen Schaden erlitten. Weitere Fragen, etwa wie der [X.] auszulegen sei, inwiefern die [X.] zur Erstellung von [X.] verpflichtet gewesen und ihnen Pflichtverletzungen vorzuwerfen seien, und die haftungsbegründende Kausalität ausreichend dargelegt sei, könnten deshalb offen bleiben.

9

Eine Inanspruchnahme der [X.] könne auch nicht auf eine deliktische Haftung gemäß § 826 [X.] gestützt werden. Aufgrund der Aktenlage sowie der vor dem [X.] gemachten Angaben des Geschäftsführers der [X.] zu 1 und des Zeugen [X.]         könne nicht angenommen werden, dass den [X.] eine zumindest bedingt vorsätzliche sittenwidrige Schädigung der Klägerin zur Last zu legen sei.

II.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

1. Ausgehend von seinem eigenen Lösungsansatz und der von ihm getroffenen Feststellungen hätte das Berufungsgericht vertragliche Schadensersatzansprüche der Klägerin nicht verneinen dürfen.

a) Das Berufungsgericht hat auf der Grundlage des Vorbringens der Klägerin die mit der B.     L beziehungsweise mit der A.     abgeschlossene Vereinbarung über [X.] dahingehend ausgelegt, dass die [X.] als Schiedsgutachter im engeren Sinne den [X.] als ein wesentliches Element zur Bestimmung des Kaufpreises ermitteln sollten. Dies hat es der Ziffer 5.4.1 des Vertrags und dem Sachvortrag der Klägerin entnommen, wonach sich die [X.] und die [X.] zur Kaufpreisfindung in die Hände der [X.] als neutrale und sachverständige Instanz zur Ermittlung des jeweiligen [X.]es begeben hätten. Des Weiteren hat es die Ziffer 1.1 des [X.]s (Einsatz der Kurzbewertungen zur Abrechnung von Sonderleasing-Verträgen) sowie das Vorbringen der Klägerin, die [X.] hätten jahrelang detaillierte Kenntnis davon gehabt, dass die Fahrzeugbewertungen im [X.] aufgrund der mit den Autohäusern getroffenen Abreden als zwingende Kaufpreisgrundlage fungierten, dahin gewürdigt, dass die [X.] von der [X.] den Auftrag erhalten hätten, die [X.] zur Abrechnung der Leasingverträge mit den Vertragshändlern zu erstellen.

aa) Schiedsgutachten im engeren Sinne, auf die die §§ 317 ff [X.] entsprechende Anwendung finden, dienen vor allem dazu, den von den [X.]en zwar objektiv bestimmten, aber nur mit einer gewissen Sachkunde feststellbaren Vertragsinhalt zu ermitteln. Es handelt sich um privatrechtlich vereinbarte Sachverständigengutachten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens, die der Klärung oder Feststellung von Tatsachen dienen, so beispielsweise auch der Feststellung des Wertes eines Autos. Dabei erkennen die [X.]en die durch das Gutachten zu treffende Bestimmung bis an die Grenze der offenbaren Unrichtigkeit als verbindlich an (vgl. [X.], Urteile vom 22. April 1965 - [X.], [X.]Z 43, 374, 376 f, vom 18. Mai 1983 - [X.], NJW 1983, 1854, 1855; vgl. auch Urteil vom 25. September 2008 - [X.], [X.], 3641 Rn. 9; [X.] in: [X.], [X.], 72. Aufl., § 317 Rn. 6; [X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., § 317 Rn. 8 ff; MünchKomm[X.]/Würdinger, 6. Aufl., § 317 Rn. 31 f; [X.]/[X.], [X.], Neubearbeitung 2009, § 317 Rn. 13).

bb) Hiervon ausgehend ist die Würdigung des [X.] durch das Berufungsgericht dahin möglich, bei den auf der Grundlage des [X.]s erstellten [X.] der [X.] handele es sich - in Vollzug der zwischen der [X.] und den [X.] getroffenen vertraglichen Vereinbarungen (hier: der "Vereinbarung über [X.]" mit der Klägerin vom 30. September/2. Oktober 2003) - um Schiedsgutachten im engeren Sinne. Dieser Würdigung, die von der Revision als ihr günstig hingenommen wird, steht - wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat - insbesondere nicht entgegen, dass die Beauftragung der [X.] - vertragsgemäß - allein durch die [X.] erfolgte. Denn grundsätzlich kann auch einer der Vertragspartner der [X.] allein den [X.] mit dem Sachverständigen abschließen. Dabei muss jedoch eindeutig offengelegt werden, dass es sich um für beide Seiten zu erstattende Schiedsgutachten handelt, also der Gutachter als neutraler Dritter und nicht nur als Privatgutachter seines Auftraggebers tätig wird (vgl. [X.], Urteile vom 6. Juni 1994 - [X.], NJW-RR 1994, 1314 und vom 14. Februar 2005 - [X.], [X.] 2005, 394, 395).

b) Rechtsfehlerhaft verkannt hat das Berufungsgericht jedoch die Haftungsfolgen, die sich auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung für die [X.] ergeben können, wenn von ihr erstellte Fahrzeugbewertungen unrichtig sind.

aa) Ein Schiedsgutachter verfehlt seinen Auftrag (nur) dann, wenn er ein offenbar unrichtiges und damit entsprechend § 319 [X.] unverbindliches Gutachten erstellt. [X.] Unrichtigkeit ist anzunehmen, wenn sich einem sachkundigen und unbefangenen Beobachter, wenn auch erst nach eingehender Prüfung, offensichtliche Fehler der Leistungsbestimmung aufdrängen, die das Gesamtergebnis verfälschen. Sie verlangt mehr als bloße Unrichtigkeit, so dass ein Gutachten offenbar unrichtig erst dann ist, wenn es den Grundsatz von Treu und Glauben in grober Weise verletzt und sich seine Unrichtigkeit dem Blick eines sachkundigen und unbefangenen Beurteilers sofort aufdrängen muss (vgl. Senatsurteil vom 14. Dezember 1967 - [X.], [X.], 307, 308; [X.], Urteile vom 27. Juni 2001 - [X.], NJW 2001, 3775, 3776 f sowie vom 21. Januar 2004 - [X.], NJW-RR 2004, 760, 761; in: MünchKomm[X.]/Würdinger, aaO, § 319 Rn. 15).

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts waren die von den [X.] erstellten Fahrzeugbewertungen nach dem [X.] in dem hier maßgeblichen Zeitraum von Januar bis November 2008 in entsprechender Anwendung des § 319 Abs. 1 [X.] offenbar unrichtig, weil die ermittelten Preise in erheblichem Ausmaß von den tatsächlichen Marktpreisen abgewichen sind, was für einen sachverständigen Beobachter zumindest nach eingehender Prüfung offenkundig war.

bb) Ist ein Schiedsgutachten offenbar unrichtig, so können sich hieraus (werk-)vertragliche Schadensersatzansprüche ergeben (vgl. [X.], Urteil vom 22. April 1965 aaO), ohne dass sich der Gutachter wie ein Richter oder Schiedsrichter auf die Vergünstigung des § 839 Abs. 2 [X.] berufen kann (vgl. [X.], Urteil vom 13. Dezember 1956 - [X.], [X.]Z 22, 343, 345). Wird, wie hier, der [X.] nur von einer [X.] der [X.] abgeschlossen, so ändert dies nichts daran, dass - entsprechend seiner Funktion und dem "Wesen" seiner Aufgabenstellung - der Schiedsgutachter allen [X.]en der [X.] gegenüber gleichermaßen zur ordnungsgemäßen Erstellung seines Gutachtens verpflichtet ist (vgl. [X.], Urteil vom 6. Juni 1994 aaO; [X.], 190, 194). Folgerichtig können - was das Berufungsgericht verkannt hat - bei einer Schlechtleistung des Schiedsgutachters auch den nicht am [X.] beteiligten Partnern der [X.] unmittelbare vertragliche Schadensersatzansprüche zustehen. (Wobei dies vorliegend rechtlich unbedenklich auch für die [X.] gelten könnte, die - wie die Klägerin - zum Zeitpunkt des Abschlusses des [X.]s noch keine Vereinbarungen über [X.] abgeschlossen hatten, vgl. [X.], Urteil vom 28. Juni 1979 - [X.], [X.]Z 75, 75, 78 f). Auf eine, bei Anwendung der Grundsätze des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zu prüfende, besondere Schutzbedürftigkeit der geschädigten "Hauptvertragspartei" kommt es dabei nicht an.

c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lässt sich nach den bisherigen Feststellungen auch nicht der Eintritt eines auf die - anzunehmenden - Pflichtverletzungen der [X.] zurückzuführenden Schadens verneinen.

aa) Allerdings ist ein offenbar unrichtiges Gutachten im Verhältnis der [X.] zu den betroffenen Vertragshändlern unverbindlich; die Bestimmung der Leistung - hier: die Ermittlung eines marktgerechten [X.]es - erfolgt in diesem Fall entsprechend § 319 Abs. 1 Satz 2 [X.] durch Urteil. Dabei kann die von der Unrichtigkeit betroffene [X.] unmittelbar auf (Rück-)Zahlung des ihr noch zustehenden oder des überzahlten Betrags klagen (vgl. [X.], Urteil vom 7. April 2000 - [X.], [X.], 2986, 2987).

bb) Der Umstand, dass die Klägerin gegebenenfalls von der [X.] oder der A.    Rückerstattung der gezahlten Kaufpreise verlangen kann, soweit diese die bei Zugrundelegung marktgerechter [X.]e geschuldeten Beträge übersteigen, und durch eine Realisierung dieser Ansprüche der verursachte Vermögensverlust möglicherweise ausgeglichen werden könnte, hindert indes nicht den Eintritt eines ersatzfähigen Schadens. Vielmehr steht es der Klägerin, die neben dem Schadensersatzanspruch gegen die [X.] noch einen anderen, zum Ausgleich des Schadens führenden Anspruch gegen einen [X.] haben könnte, grundsätzlich frei, den Schuldner, gegen den sie vorgehen möchte, auszuwählen (vgl. [X.], Urteil vom 17. Februar 1982 - [X.], NJW 1982, 1806). Ersatz- oder Rückforderungsansprüche, die den von einer Pflichtverletzung Betroffenen infolge der Pflichtverletzung gegenüber [X.] entstehen, schließen die Annahme eines Schadens im Verhältnis zwischen ihnen und den für die Pflichtverletzung Verantwortlichen nicht aus. Der Schädiger kann den Geschädigten nicht darauf verweisen, er habe gegen einen [X.] einen Anspruch, der zum Ausgleich seiner Vermögensbeeinträchtigungen führen könne. Dies folgt aus der Regelung des § 255 [X.] (vgl. [X.], Urteile vom 19. Juli 2001 - [X.], [X.], 544, 546 und vom 15. April 2010 - [X.], NJW 2010, 1961, Rn. 28 mwN). Dementsprechend ist - der vorliegenden Konstellation durchaus vergleichbar - der durch Fehler eines Tierarztes bei der Ankaufsuntersuchung eines Pferdes geschädigte Käufer nicht verpflichtet, zur Beseitigung oder Minderung seines Schadens zunächst seine Ansprüche gegen den Verkäufer geltend zu machen (vgl. [X.], Urteil vom 22. Dezember 2011 - [X.], [X.], 1070 f).

Dabei liegt entgegen der Revisionserwiderung auch kein Fall der Vorteilsausgleichung vor. Zwar ist zutreffend, dass die Klägerin wegen eines etwaigen Vermögensschadens nicht doppelten Ausgleich, sowohl von den [X.] als auch von ihrem eigentlichen Vertragspartner, der im Wege eines vertraglichen Anpassungsanspruchs verlangen kann. Es handelt sich hier aber nicht um die Frage der Anrechnung einer etwa schon von der [X.] oder der A.    erhaltenen Leistung auf die Ansprüche gegen die [X.].

2. Demgegenüber ist das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gekommen, dass ein deliktischer Anspruch der Klägerin aus § 826 [X.] nicht besteht.

a) Nach der Rechtsprechung des [X.] setzt die Haftung eines Gutachters aus dieser Vorschrift voraus, dass der Sachverständige bei Erstellung des Gutachtens leichtfertig oder gewissenlos und zumindest mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat. Der Sachverständige muss sich etwa durch nachlässige Ermittlungen zu den Grundlagen seines Auftrags oder gar durch "ins Blaue" gemachte Angaben der Gutachtenaufgabe leichtfertig entledigt und damit eine Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Adressaten des Gutachtens oder den in seinem Informationsbereich stehenden [X.] an den Tag gelegt haben, die angesichts der Bedeutung, die das Gutachten für deren Entschließung hatte, und der von ihm in Anspruch genommenen Kompetenz als gewissenlos bezeichnet werden muss (vgl. [X.], Urteile vom 20. Mai 2003 - [X.], NJW 2003, 2825, 2826 f und vom 20. April 2004 - [X.], NJW 2004, 3035, 3038).

b) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht im Streitfall beachtet und eine rechtsfehlerfreie tatrichterliche Würdigung auf der Grundlage des beiderseitigen Vorbringens auch hinsichtlich des möglichen Vorliegens bedingten Vorsatzes vorgenommen. Es obliegt dem Tatrichter zu entscheiden, ob nur bewusste Fahrlässigkeit oder bereits bedingter Vorsatz vorliegt; die Beurteilung ist revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar, nämlich dahingehend, ob der Begriff des bedingten Vorsatzes verkannt wurde oder ob Verstöße gegen § 286 ZPO vorliegen, sei es durch mangelnde Berücksichtigung entscheidungserheblicher Umstände, sei es durch Verstöße gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze (vgl. Senatsurteil vom 8. März 2012 - [X.], [X.] 2012, 546, Rn. 15). Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden.

Die Annahme, die von den [X.] dargestellte Information der [X.] über die Unrichtigkeit der Daten sei letztlich ausreichend gewesen und es sei nicht sicher auszuschließen, dass die zuständigen Mitarbeiter der [X.] darauf vertraut hätten, die [X.] werde im Verhältnis zu den [X.]n daraufhin geeignete Vorkehrungen treffen, so dass ein auch nur bedingter Schädigungsvorsatz der [X.] nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden könne, beruht auf einer umfassenden tatrichterlichen Würdigung. Das Berufungsgericht hat die von der Klägerin in den Vordergrund gestellten Umstände berücksichtigt und insbesondere die Angaben des Geschäftsführers der [X.] zu 1, dessen Schreiben vom 4. Mai 2009 und die Aussage des Zeugen [X.]        eingehend gewürdigt. Das Berufungsgericht ist zudem von den Grundsätzen für die Unterscheidung von bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit bei seiner Beurteilung ausgegangen und hat auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen ohne Rechtsfehler ein nur bewusst fahrlässiges Verhalten angenommen, weil die [X.] darauf vertraut hätten, dass das von ihnen erkannte Schadensrisiko nicht eintreten werde, und aus diesem Grund die Gefahr in Kauf genommen haben (vgl. zur Abgrenzung [X.], Urteil vom 26. Juni 2001 - [X.], NJW 2001, 3187, 3189; [X.]/[X.], [X.], 13. Aufl., § 826 Rn. 14 f). Dabei kann entgegen der Auffassung der Revision nicht angenommen werden, die [X.] hätten keinen begründeten Anlass für ein solches Vertrauen gehabt. Nachdem sie die Mitarbeiter der [X.] entsprechend über fehlerhafte Daten informiert hatten, durften sie von einer entsprechenden Weitergabe an die Vertragshändler ausgehen. Davon will auch das Berufungsgericht ersichtlich ausgehen. Die Revision hat demgegenüber keine rechtserheblichen Gesichtspunkte aufgezeigt, die eine andere Beurteilung rechtfertigten. Sie räumt vielmehr ein, dass das Schreiben der [X.] zu 1 vom 4. Mai 2009 gegen eine vorsätzliche Vorgehensweise spreche. Die Aussage des Zeugen [X.]        widerspricht dem ersichtlich nicht, zumal sie sich auf Ende 2008 bezieht; im Streit stehen jedoch Fahrzeugbewertungen für die Monate Januar bis November 2008. Dass eine andere tatrichterliche Würdigung möglich wäre, ist revisionsrechtlich unbeachtlich.

III.

Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Sache ist noch nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 1, Abs. 3 ZPO). Da sich auf der Grundlage des bisher als allein maßgeblich angesehenen Vorbringens der Klägerin ein vertraglicher Schadensersatzanspruch gegen die [X.] nicht mit der bisherigen Begründung verneinen lässt, wird das Berufungsgericht nunmehr die von ihm offen gelassenen Fragen, insbesondere nach dem Inhalt und der Bedeutung des [X.]s und der Verpflichtung der [X.], als Schiedsgutachter tätig zu werden, unter Berücksichtigung ihres Vorbringens und den von ihnen angebotenen Beweisen zu klären haben. Denn sie haben stets in den Vordergrund ihres Vortrags gestellt, dass sie nach dem [X.] und auch ausweislich der Notiz vom 15. November 1989 nur Zugriff auf den Hausrechner der [X.], und damit nur den Abruf von [X.] hätten ermöglichen sollen, jedoch keine Verpflichtung zur Korrektur oder Überprüfung der "[X.]" bestanden habe.

[X.]                           Herrmann                             Wöstmann

                 Hucke                                 [X.]

Meta

III ZR 10/12

17.01.2013

Bundesgerichtshof 3. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Stuttgart, 20. Dezember 2011, Az: 6 U 108/11, Urteil

§ 280 BGB, § 317 BGB, § 319 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 17.01.2013, Az. III ZR 10/12 (REWIS RS 2013, 8908)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8908

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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