Bundessozialgericht, Urteil vom 23.02.2017, Az. B 4 AS 7/16 R

4. Senat | REWIS RS 2017, 15048

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 15. Oktober 2015 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit steht, ob die Klägerin als [X.]ürgerin der [X.] ([X.]) ohne nachgewiesenes Aufenthaltsrecht vom 1.7. bis 31.12.2007 Anspruch auf Leistungen nach dem [X.] hat, oder ob dieser durch § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 [X.] ausgeschlossen ist, sowie ob ggf ein anderes System Leistungen zu erbringen hat.

2

Die 1969 geborene Klägerin ist [X.] Staatsangehörige. Sie lebte - jedenfalls zeitweise - mit dem 1946 geborenen [X.] Staatsangehörigen R K in eheähnlicher Gemeinschaft in [X.] zusammen. Die näheren Umstände zum Aufenthalt der Klägerin blieben ungeklärt.

3

Der [X.]eklagte erbrachte der Klägerin und ihrem Lebenspartner vom 1.1.2005 bis [X.] Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.]. Für die [X.] vom 1.7. bis 31.12.2007 bewilligte er nur noch für den Lebenspartner Leistungen, während er diese für die Klägerin ablehnte. Sie habe keine Freizügigkeitsbescheinigung vorlegen können und ihr [X.] sei ungeklärt ([X.]escheid vom [X.]; Widerspruchsbescheid vom 4.10.2007).

4

Hiergegen haben die Klägerin und ihr Lebenspartner Klage beim [X.] [X.]erlin erhoben, die später auf Ansprüche der Klägerin "begrenzt" worden ist. Sie hat geltend gemacht, sie sei im [X.]esitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis für die [X.]undesrepublik [X.]. Insbesondere sei sie hier vom [X.] bis 31.12.1995 mit Unterbrechungen beschäftigt gewesen und habe Pflichtbeitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt. Sie hat die Freizügigkeitsbescheinigung vom 11.12.2008 vorgelegt, die als [X.]punkt der Anmeldung eines Wohnsitzes in [X.] den 1.1.2005 angibt. Das [X.] hat verschiedene Auskünfte von Meldebehörden eingeholt und die Klage sodann abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 13.10.2011). Ein Leistungsanspruch bestehe nicht, weil er nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 [X.] ausgeschlossen sei. Die Klägerin habe für den streitigen [X.]raum weder eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis noch halte sie sich seit fünf Jahren rechtmäßig in [X.] auf.

5

Auf die [X.]erufung der Klägerin hat das L[X.] den Lebensgefährten der Klägerin sowie ihre Zahnärztin als Zeugen vernommen. Es hat Auskünfte aus dem Melderegister der Stadt L sowie des Landesamts für [X.]ürger- und Ordnungsangelegenheiten [X.] vom 2.10.2015 über den Aufenthalt der Klägerin und des Lebenspartners eingeholt. Das L[X.] hat die [X.]erufung zurückgewiesen (Urteil vom 15.10.2015). Die Klägerin sei nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 [X.] von Leistungen nach dem [X.] ausgeschlossen. Ein Daueraufenthaltsrecht sei nicht nachgewiesen.

6

Die Klägerin hat die vom L[X.] zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt, das Urteil des L[X.] verletze § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 [X.]. Der bundesrechtliche Leistungsausschluss nach dieser Vorschrift verstoße gegen ihr Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art 1 iVm Art 20 Abs 1 GG. Auch habe das L[X.] rechtsfehlerhaft angenommen, sie verfüge nicht über ein Daueraufenthaltsrecht. Sie erhebt auch Verfahrensrügen: Das L[X.] habe seiner Entscheidung die beiden Melderegisterauskünfte vom 2.10.2015 zugrunde gelegt. Diese seien ihr erst kurz vor der mündlichen Verhandlung zur Kenntnis gelangt, sodass sie sich nicht sachgerecht zu den Auskünften habe äußern oder eine qualifizierte Melderegisterauskunft einholen können. Hierin liege eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs. Auch habe das L[X.] ihren Hilfsbeweisantrag, zum [X.]eweis ihres Aufenthalts in [X.] und [X.] von 1987 bis 30.4.2009 den [X.], in W, zu hören, nicht ablehnen dürfen. Hätte das L[X.] dem [X.]eweisantrag Folge geleistet, wäre es ggf zu einer anderen Entscheidung gelangt. Schließlich habe das L[X.] im Hinblick auf die inzwischen ergangenen Entscheidungen des [X.][X.] den Sozialhilfeträger notwendig zum [X.]erufungsverfahren beiladen müssen.

7

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts [X.]erlin-[X.]randenburg vom 15. Oktober 2015 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts [X.]erlin vom 13. Oktober 2011 aufzuheben sowie den [X.]escheid des [X.]eklagten vom 6. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Oktober 2007 abzuändern und den [X.]eklagten zu verurteilen, der Klägerin für den [X.]raum vom 1. Juli 2007 bis 31. Dezember 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem [X.] in der gesetzlichen Höhe zu bewilligen.

8

Der [X.]eklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

9

Er hält die angefochtene Entscheidung des L[X.] für überzeugend.

Die [X.]eteiligten haben auf Anfrage des Senats ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision, über die der [X.] nach erklärtem Einverständnis der [X.]eteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§§ 165, 124 [X.] [X.]; dazu [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 11. Aufl 2014, § 165 Rd[X.] 4), ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 [X.] S 2 [X.]).

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Urteil des [X.] vom 15.10.2015, der Gerichtsbescheid des [X.] sowie der die [X.]ewilligung von [X.]eistungen zur Sicherung des [X.]ebensunterhalts nach dem [X.] ablehnende [X.]escheid des [X.]eklagten vom [X.] in der Gestalt des [X.]iderspruchsbescheids vom 4.10.2007. In zeitlicher [X.]insicht macht die Klägerin [X.]eistungsansprüche für den Zeitraum vom 1.7. bis 31.12.2007 geltend.

Das [X.] hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin in dem streitigen Zeitraum vom 1.7. bis 31.12.2007 keinen Anspruch auf [X.]eistungen zur Sicherung des [X.]ebensunterhalts nach dem [X.] hat (1.). Ihre gegen die Verneinung des Anspruchs durch das [X.] erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch (a). Auch unterliegt sie dem [X.]eistungsausschluss nach § 7 Abs 1 S 2 [X.] 2 [X.] (b). Der [X.] kann in der Sache aber nicht abschließend entscheiden, weil das [X.] - wie die Klägerin zutreffend rügt - den zuständigen Sozialhilfeträger als möglichen alternativ leistungspflichtigen Träger nicht gemäß § 75 [X.] Alt 2 [X.] zum Rechtsstreit beigeladen hat (2.). Das [X.] wird dessen [X.]eiladung nachzuholen haben.

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf [X.]eistungen zur Sicherung des [X.]ebensunterhalts nach dem [X.] gegen den [X.]eklagten.

a) Die Verfahrensrügen der Klägerin, die sich auf die Feststellungen des [X.] zum Anspruch auf [X.]eistungen nach dem [X.] beziehen, konkret die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs und das Übergehen eines [X.]eweisantrags, greifen nicht durch.

aa) Das Urteil des [X.] beruht nicht auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs der Klägerin (§ 62 [X.], Art 103 Abs 1 GG).

Die Klägerin macht zwar geltend, sie habe sich nicht sachgerecht zu den vom [X.] eingeholten und ihr vor der mündlichen Verhandlung per Telefax übersandten Melderegisterauskünften vom [X.] äußern können. Insoweit scheitert der Erfolg einer Gehörsrüge schon daran, dass sie nicht alles unternommen hat, sich rechtliches Gehör zu verschaffen (dazu [X.] vom [X.] - [X.] 13 [X.] [X.] = [X.] 3-1500 § 160 [X.]). Nachdem das [X.] ihr die eingeholten Auskünfte vom [X.] zugesandt hatte, hat die anwaltlich vertretene Klägerin weder eine Vertagung des Rechtsstreits noch ein Schriftsatzrecht beantragt. Daher liegt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht vor (vgl [X.] vom 23.10.2003 - [X.]/03 [X.] - [X.] 4-1500 § 62 [X.] 1).

bb) Das [X.] hat auch nicht die Pflicht zur Amtsermittlung (§ 103 [X.]) verletzt, indem es den Antrag auf Vernehmung eines weiteren Zeugen abgelehnt hat.

Zwar hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung hilfsweise beantragt, einen mit Namen und Anschrift benannten Zeugen aus " [X.]" (richtig: [X.]) zum Thema "Aufenthalt in [X.] bzw [X.] seit 1987 bis 30.4.2009" zu vernehmen. Die Pflicht zur Amtsermittlung ist aber nur verletzt, wenn das [X.] einen prozessordnungsgemäß gestellten [X.]eweisantrag, der ausgehend von der Rechtsauffassung des [X.] entscheidungserheblich ist, abgelehnt hätte.

Die Klägerin hat keinen prozessordnungsgemäßen [X.]eweisantrag gestellt. Dazu wäre erforderlich, dass ein anwaltlich vertretener [X.]eteiligter für bestimmte Tatsachen bestimmte [X.]eweismittel benennt; daneben muss er das [X.]eweisthema zumindest umreißen und angeben, was die [X.]eweisaufnahme ergeben soll (vgl [X.] vom [X.] - [X.] 9a [X.]/06 [X.] - [X.] 4-1500 § 160 [X.] 13; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 11. Aufl 2014, § 160 Rd[X.] 18d mwN). [X.]as die Vernehmung des Zeugen zum Thema "Aufenthalt" ergeben soll, hat die Klägerin nicht deutlich gemacht. Dies war auch nicht ausnahmsweise entbehrlich, denn grundsätzlich ist ein entfernt lebender Freund oder [X.]ekannter kein geeignetes [X.]eweismittel für den Nachweis eines durchgehenden Aufenthalts (zu den Anforderungen [X.]SG Urteil vom 30.1.2013 - [X.] 4 [X.]/12 R - [X.]SGE 113, 60 = [X.] 4-4200 § 7 [X.] 34, Rd[X.] 18 f) über einen langen Zeitraum. [X.]enn es um den Nachweis des tatsächlichen Aufenthalts über einen langen Zeitraum geht, ist aufzuzeigen, warum ein benannter, in [X.] bei [X.] lebender Zeuge ein geeignetes [X.]eweismittel sein könnte, um [X.]ahrnehmungen über den Aufenthalt der Klägerin in [X.] und [X.] zu bekunden.

b) Zwar erfüllt die Klägerin nach den Feststellungen des [X.] im streitigen Zeitraum die Anspruchsvoraussetzungen für [X.]eistungen nach dem [X.] (§ 7 Abs 1 S 1 und [X.], §§ 8, 9 [X.]). Sie ist jedoch nach Maßgabe des § 7 Abs 1 S 2 [X.] 2 [X.] (in der ab 28.8.2007 geltenden Fassung der Vorschrift; vgl Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der [X.] vom 19.8.2007, [X.]G[X.]l I 1970, 2008; [X.] aF) von [X.]eistungen zur Sicherung des [X.]ebensunterhalts nach dem [X.] ausgeschlossen.

Nach der Vorschrift sind von den [X.]eistungen nach dem [X.] ua Ausländerinnen und Ausländer ausgenommen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, und ihre Familienangehörigen ([X.] 2). Die Klägerin unterfällt diesem [X.]eistungsausschluss, denn in dem streitigen Zeitraum kann sie sich weder auf eine materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem [X.]/[X.] noch auf ein Aufenthaltsrecht nach dem [X.] berufen. Der Aufenthalt zur Arbeitssuche schließt die der Anwendung des [X.]eistungsausschlusses dagegen nicht aus.

Durch den mit Freizügigkeitsbescheinigung belegten Aufenthalt im [X.]undesgebiet seit 1.1.2005 hat sie insbesondere kein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs 5 S 1 [X.]/[X.] aF erworben. Nach dieser Vorschrift haben Unionsbürger, ihre Ehegatten oder [X.]ebenspartner und ihre unterhaltsberechtigten Kinder, die sich seit fünf Jahren ständig rechtmäßig im [X.]undesgebiet aufgehalten haben, unabhängig vom weiteren Vorliegen der Freizügigkeitsvoraussetzungen, das Recht auf Aufenthalt. Ein rechtmäßiger für mehr als fünf Jahre bestehender Aufenthalt ist weder durch die [X.]escheinigung der Ausländerbehörde belegt noch hat das [X.] diesen festgestellt.

Es kann dahinstehen, ob die Klägerin - wie vom [X.] angenommen - ein Aufenthaltsrecht zu dem Zweck der Arbeitssuche hat, oder ob sie nicht mehr über ein solches Freizügigkeitsrecht verfügt, denn in beiden Fällen ist sie gemäß § 7 Abs 1 S 2 [X.] 2 [X.] von [X.]eistungen nach dem [X.] ausgeschlossen. [X.]eide für die Grundsicherung nach dem [X.] zuständigen [X.]e des [X.]SG haben entschieden, dass - über den [X.]ortlaut der Regelung hinaus - auch diejenigen [X.]-[X.]ürger von den [X.]eistungen zur Sicherung des [X.]ebensunterhalts nach dem [X.] ausgeschlossen sind, die weder über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung noch ein anderes materielles Aufenthaltsrecht verfügen. Die Vorschrift ist insoweit planwidrig lückenhaft, als sie nicht ausdrücklich den Ausschluss auch derjenigen normiert, die über keine materielle Freizügigkeitsberechtigung oder ein anderes materielles Aufenthaltsrecht verfügen, weil sie einen [X.]eistungsausschluss schon für solche Ausländer anordnet, die sich auf eine Freizügigkeitsberechtigung im Sinne des [X.]/[X.] zum Zwecke der Arbeitssuche berufen können. Ein Erst-Recht-Schluss ergibt, dass auch solche [X.]-[X.]ürger von dem Ausschluss betroffen sind (vgl Urteil des [X.]s vom 3.12.2015 - [X.] 4 AS 44/15 R - für [X.]SGE vorgesehen = [X.] 4-4200 § 7 [X.] 43, Rd[X.] 19 f; [X.]SG Urteil vom 16.12.2015 - [X.] 14 [X.]/14 R - [X.] 4-4200 § 7 [X.] 48 Rd[X.] 20; [X.]SG Urteil vom 20.1.2016 - [X.] 14 [X.]/15 R - [X.] 4-4200 § 7 [X.] 47 Rd[X.] 24).

Diese Auslegung des § 7 Abs 1 S 2 [X.] 2 [X.] ist nach den Entscheidungen des EuG[X.] in der Rechtssache [X.] (Urteil vom 11.11.2014 - [X.]/13 <[X.]> - NZS 2015, 20 ff) und in der Rechtssache [X.] (Urteil vom 15.9.2015 - [X.]/14 <[X.]> - [X.] 2015, 638 ff) europarechtskonform (vgl auch [X.]SG Urteil vom 3.12.2015 - [X.] 4 AS 44/15 R - für [X.]SGE vorgesehen = [X.] 4-4200 § 7 [X.] 43, Rd[X.] 35; [X.]SG Urteil vom 16.12.2015 - [X.] 14 [X.]/14 R - [X.] 4-4200 § 7 [X.] 48 Rd[X.] 35; [X.]SG Urteil vom 20.1.2016 - [X.] 14 [X.]/15 R - [X.] 4-4200 § 7 [X.] 47 Rd[X.] 31). Insbesondere liegt ein Verstoß gegen das in Art 45, 18 A[X.]V enthaltene Diskriminierungsverbot bei finanziellen [X.]eistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats erleichtern sollen, nicht vor, weil [X.]eistungen nach dem [X.] ausschließlich als solche der "Sozialhilfe" im Sinne von Art 24 [X.] R[X.] 2004/38/[X.] zu charakterisieren sind (EuG[X.] Urteil vom 15.9.2015 - [X.]/14 <[X.]> - [X.] 2015, 638 ff; bestätigt durch EuG[X.] Urteil vom 25.2.2016 - [X.]/14 - juris Rd[X.] 37).

Verfassungsrechtliche [X.]edenken stehen dem [X.]eistungsausschluss nach § 7 Abs 1 S 2 [X.] ebenfalls nicht entgegen ([X.]SG Urteil vom 3.12.2015 - [X.] 4 AS 44/15 R - für [X.]SGE vorgesehen = [X.] 4-4200 § 7 [X.] 43; [X.]SG Urteil vom 20.1.2016 - [X.] 14 [X.]/15 R - [X.] 4-4200 § 7 [X.] 47).

2. Allerdings ist das Urteil des [X.] deshalb aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen, weil der Klägerin Ansprüche nach dem SG[X.] XII zustehen könnten.

Die Grundsicherungssenate des [X.]SG haben für [X.]-[X.]ürger, die dem [X.]eistungsausschluss nach § 7 Abs 1 S 2 [X.] 2 [X.] unterliegen, einen Anspruch nach § 23 Abs 1 S 3 SG[X.] XII (idF bis 28.12.2016) grundsätzlich für möglich gehalten ([X.]SG Urteil vom 3.12.2015 - [X.] 4 AS 44/15 R - für [X.]SGE vorgesehen = [X.] 4-4200 § 7 [X.] 43; [X.]SG Urteil vom 20.1.2016 - [X.] 14 [X.]/15 R - [X.] 4-4200 § 7 [X.] 47).

Zur Prüfung, ob die Klägerin einen Anspruch auf existenzsichernde [X.]eistungen nach dem SG[X.] XII hat, wird das [X.] im wiedereröffneten [X.]erufungsverfahren den Sozialhilfeträger beizuladen haben (so genannte unechte notwendige [X.]eiladung nach § 75 [X.] Alt 2 [X.]; vgl [X.]SG Urteil vom 7.11.2006 - [X.] 7b [X.] - [X.]SGE 97, 242 = [X.] 4-4200 § 20 [X.] 1, Rd[X.] 12; [X.]SG Urteil vom 25.4.2013 - [X.] 8 [X.] 16/11 R - juris Rd[X.] 10). Die Klägerin hat die unterbliebene [X.]eiladung mit der Revision zu Recht als Verfahrensmangel gerügt.

Von der nach § 168 S 2 [X.] eröffneten Möglichkeit, den zuständigen Sozialhilfeträger mit seiner Zustimmung noch im Revisionsverfahren beizuladen, hat der [X.] keinen Gebrauch gemacht. [X.]ei der zu treffenden Entscheidung sind sowohl rechtliche als auch - einen möglichen Sozialhilfeanspruch betreffende - tatsächliche Gesichtspunkte zu prüfen. So ist die Frage zu klären, ob sich die Klägerin im fraglichen Zeitraum überhaupt in [X.] aufgehalten hat; auch hat das [X.] bisher keine Feststellungen zur [X.]ilfebedürftigkeit der Klägerin nach dem SG[X.] XII getroffen (vgl [X.]SG Urteil vom 17.3.2016 - [X.] 4 AS 32/15 R - juris Rd[X.] 21).

Die Zurückverweisung zum Zwecke der [X.]eiladung des Sozialhilfeträgers kann auch nicht deshalb unterbleiben, weil Ansprüche der Klägerin auf [X.]eistungen nach § 23 Abs 1 S 3 SG[X.] XII (idF bis 28.12.2016) nicht (mehr) in [X.]etracht kämen.

Zwar hat der Gesetzgeber die maßgebliche Anspruchsgrundlage in § 23 SG[X.] XII durch Art 2 des Gesetzes zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten [X.]uch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften [X.]uch Sozialgesetzbuch vom 22.12.2016 ([X.]G[X.]l I 3155) geändert. Durch die Neufassung sollen die [X.]eistungsausschlüsse im SG[X.] XII an diejenigen in § 7 Abs 1 S 2 [X.] 2 [X.] angepasst und zugleich "klargestellt" werden, dass den ausgeschlossenen Personen weder ein Anspruch auf [X.]eistungen nach § 23 Abs 1 SG[X.] XII zusteht, noch dass ihnen [X.]eistungen im Ermessenswege gewährt werden müssen (vgl [X.]T-Drucks 18/10211 [X.]).

Das [X.] wird zu prüfen haben, ob und ggf welche Auswirkungen diese Änderungen des SG[X.] XII auf Ansprüche der Klägerin haben. Insoweit ist zweifelhaft, ob die Änderung des § 23 SG[X.] XII die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche im Zeitraum vom 1.7. bis 31.12.2007 überhaupt betreffen kann. Denn das fragliche Gesetz ist nach dessen Art 5 Abs 1 am Tag nach der Verkündung im [X.]undesgesetzblatt, also am 29.12.2016, in [X.] getreten. Es misst sich weder rückwirkende Geltung bei noch ist angeordnet, dass es auf zeitlich zurückliegende Sachverhalte Anwendung findet (vgl [X.]SG Urteil vom 25.6.2015 - [X.] 14 AS 28/14 R - [X.] 4-4200 § 42a [X.] 1 Rd[X.] 19 f).

Das [X.] wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 4 AS 7/16 R

23.02.2017

Bundessozialgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Berlin, 13. Oktober 2011, Az: S 115 AS 30347/08, Gerichtsbescheid

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 23.02.2017, Az. B 4 AS 7/16 R (REWIS RS 2017, 15048)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 15048

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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