Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.09.2019, Az. IX ZR 16/18

9. Zivilsenat | REWIS RS 2019, 3668

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Gegenstand

Insolvenzanfechtung wegen inkongruenter Deckung: Drittzahlung als nur geringfügige Abweichung von der vereinbarten Zahlungsweise im Zusammenhang mit dem externen Cash Management-System eines Konzerns; Abtretung des Rückgewähranspruchs durch den einen an den anderen Insolvenzverwalter - Baumarkt


Leitsatz

Baumarkt

1. Wenn in einem Konzern in gesunden wirtschaftlichen Verhältnissen ein externes Cash Management-System in einer Weise eingerichtet und über zehn Jahre ohne Beanstandungen durchgeführt worden ist, dass eine Konzerngesellschaft über die ganze Zeit die bei den Konzerngesellschaften eingehenden Gelder gesammelt und die an die Konzerngesellschaften gerichteten Rechnungen vereinbarungsgemäß auch dann beglichen hat, wenn die internen Verrechnungskonten der Konzerngesellschaften bei der die Zahlungen vornehmenden Gesellschaft im Soll standen, weicht die Überweisung eines von einer anderen Konzerngesellschaft geschuldeten Geldbetrags durch jene Gesellschaft nur geringfügig von der vereinbarten Zahlungsweise ab.

2. Die Abtretung des aus einer Insolvenzanfechtung folgenden Rückgewähranspruchs ist nicht deswegen insolvenzzweckwidrig und nichtig, weil zwischen den beteiligten Insolvenzverwaltern nicht streitig ist, wem der Rückgewähranspruch zusteht.

Tenor

Die Revision gegen den die Berufung zurückweisenden Beschluss des 2. Zivilsenats des [X.] vom 18. Dezember 2017 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die [X.], die spätere Schuldnerin, war bis September 2009 die Muttergesellschaft eines Konzerns, der deutschlandweit Baumärkte betrieb. Mindestens seit Mitte des Jahres 2003 nahm die spätere Schuldnerin für die konzernverbundenen Gesellschaften, so auch für die [X.] (künftig: [X.]), Zahlungen vor, unabhängig davon, ob die entsprechenden bei ihr geführten [X.] der Gesellschaften ein Guthaben aufwiesen. Seit September 2009 war die [X.] Muttergesellschaft des Konzerns; die Zahlungsweise wurde nicht umgestellt. Diese Praxis beruhte nach der Darstellung des [X.] auf einer Vereinbarung der Konzerngesellschaften.

2

Unter dem 9. November 2011 schloss die [X.] mit der beklagten Anwaltsgesellschaft einen Vertrag über die arbeitsrechtliche Beratung im Zusammenhang mit der Restrukturierung der konzernverbundenen Unternehmen. Es wurde vereinbart, dass sämtliche Honorarrechnungen an die [X.] zu richten seien, unabhängig davon, auf welches konzernverbundene Unternehmen sich die Beratung bezöge. Am 6. und 17. Mai 2013 stellte die Beklagte der [X.] insgesamt 117.730,99 € für die arbeitsrechtliche Beratung im Zeitraum vom 16. April bis 15. Mai 2013 in Rechnung. Die [X.] legte die Rechnungen der späteren Schuldnerin vor; diese überwies den in Rechnung gestellten Betrag an die Beklagte, wobei das für die [X.] geführte [X.] zu diesem Zeitpunkt kein Guthaben aufwies. Die Valuta wurde der Beklagten auf ihrem Konto am 12. Juni 2013 gutgeschrieben.

3

Am 11. Juli 2013 stellten die Schuldnerin und am 12. Juli 2013 die [X.] Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Die für die Schuldnerin und die [X.] zuständigen Insolvenzgerichte eröffneten jeweils am 1. Oktober 2013 die Insolvenzverfahren und bestellten den Kläger zum Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und Rechtsanwalt    G.    zum Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.] (künftig: Insolvenzverwalter/[X.]). Nach dem bestrittenen Vortrag des [X.] trat der Insolvenzverwalter/[X.] die sich aus § 131 [X.] gegen die Beklagte ergebenden Anfechtungsansprüche mit Schreiben vom 21. September 2016 an ihn ab.

4

Der Kläger hat die Zahlung über 117.730,99 € nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 [X.] angefochten. Das [X.] hat die Klage ab- und das Berufungsgericht die Berufung des [X.] durch Beschluss zurückgewiesen. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

6

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Aktivlegitimation sei nicht schlüssig aufgezeigt. Die Abtretung sei insolvenzzweckwidrig und damit nichtig. Denn es sei nicht ersichtlich, dass der [X.] zwischen den beiden beteiligten Insolvenzverwaltern streitig gewesen sei. Darüber hinaus fehle es im Streitfall an der [X.] der Zahlung. In die Betrachtung einzubeziehen seien die konzernartige Verflechtung der Vertragspartnerin, also der [X.], und der zahlenden Gesellschaft, der Schuldnerin, sowie die langjährig geübte Zahlungspraxis, welche nicht [X.] geblieben sei, sondern den jeweiligen Zahlungsempfängern, auch der [X.]n, aufgrund der Angaben in den [X.] offenbar geworden sein werde. In einem solchen Fall sei die vertragliche Vereinbarung nicht als dahingehend konkretisiert anzusehen, dass die Zahlung durch das betreffende andere Konzernunternehmen sich als Abweichung vom vertraglichen Leistungsprogramm erweise.

II.

7

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.

8

1. Die Ansicht des Berufungsgerichts, der Kläger sei schon wegen einer unwirksamen Abtretung nicht aktivlegitimiert, trifft nicht zu.

9

a) Allerdings ist der Kläger hinsichtlich des [X.]s aus § 143 Abs. 1, § 131 Abs. 1 Nr. 1 [X.] nicht aus eigenem Recht aktivlegitimiert. Nur der Insolvenzverwalter/[X.] kann nach diesen Vorschriften gegen die [X.] einen Anspruch auf Rückgewähr der erfolgten Honorarzahlungen haben. Gegner einer Deckungsanfechtung nach §§ 130, 131 [X.] kann allein ein Insolvenzgläubiger sein, an den der Insolvenzschuldner geleistet hat ([X.], Urteil vom 19. Februar 2009 - [X.], [X.], 381 Rn. 8; vom 3. April 2012 - [X.], [X.], 2507 Rn. 37). Zu den [X.] gehört jeder, der in der Insolvenz nur eine Forderung im Sinne des § 38 [X.] oder einen nachrangigen Anspruch (§ 39 [X.]) gehabt hätte ([X.], Urteil vom 19. Januar 2012 - [X.], [X.]Z 192, 221 Rn. 15). Eine solche Insolvenzforderung nach § 38 [X.] hätte die [X.] allein im Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.] anmelden, nur in diesem Insolvenzverfahren hätte sie [X.] sein können. Denn sie hatte den [X.] mit der [X.] geschlossen, diese allein schuldete die [X.], auch wenn die Beratungsleistungen den anderen Unternehmen des Konzerns, so auch in großem Umfang der Schuldnerin, zugutegekommen sind. Eine andere Frage ist, ob der Kläger aus eigenem Recht einen [X.] aus §§ 143, 134 [X.] gegen die [X.] hätte geltend machen können (vgl. [X.], Urteil vom 3. März 2005 - [X.], [X.]Z 162, 276, 279 ff; vom 16. November 2007 - [X.], [X.]Z 174, 228 Rn. 8; vom 4. Februar 2016 - [X.], [X.], 1738 Rn. 9). Der Kläger hat jedoch die Voraussetzungen dieses Anfechtungstatbestandes nicht dargelegt und sich auch nicht auf Anfechtungsansprüche aus eigenem Recht berufen.

b) Doch ist revisionsrechtlich davon auszugehen, dass der Insolvenzverwalter/[X.] den [X.] aus §§ 143, 131 Abs. 1 Nr. 1 [X.] wirksam an den Kläger abgetreten hat. Eine solche Abtretung von [X.] durch den Insolvenzverwalter an einen anderen ist gemäß § 398 BGB grundsätzlich möglich (vgl. [X.], Urteil vom 17. Februar 2011 - [X.], [X.], 486 Rn. 8 f). Rechte des [X.] werden durch die Abtretung nicht beeinträchtigt ([X.], Urteil vom 17. Februar 2011, aaO Rn. 11). Der Abtretungsvertrag ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht insolvenzzweckwidrig und damit nichtig.

aa) Dem Insolvenzverwalter steht bei der Ausübung seiner Tätigkeit grundsätzlich ein weiter Ermessensspielraum zu. Seine Rechtsmacht ist allerdings durch den [X.] (§ 1 [X.]) beschränkt. Deshalb sind solche Rechtshandlungen des Verwalters unwirksam, welche dem Zweck des Insolvenzverfahrens - der gleichmäßigen Befriedigung aller Insolvenzgläubiger - klar und eindeutig zuwiderlaufen; sie verpflichten die Masse nicht ([X.], Urteil vom 10. Januar 2013 - [X.], [X.], 347 Rn. 8). Voraussetzung des [X.] ist der offensichtliche, ohne weiteres erkennbare Verstoß gegen die Aufgaben eines Insolvenzverwalters. Der Schutz des Rechtsverkehrs gebietet es, nicht jede für die Masse nachteilige Rechtshandlung des Verwalters als unwirksam anzusehen. Mit der [X.] können nur solche Maßnahmen belegt werden, die dem [X.] offensichtlich zuwiderlaufen. Beispiele sind Schenkungen aus der Masse, die Anerkennung nicht bestehender Aus- und Absonderungsrechte oder die entgeltliche Ablösung einer offensichtlich wertlosen Grundschuld. Wirksam sind dagegen Verfügungen des Verwalters, die nur unzweckmäßig oder sogar unrichtig sind ([X.], Urteil vom 10. Januar 2013, aaO Rn. 9). Diese Grundsätze gelten auch im Fall der Abtretung des aus einer Insolvenzanfechtung folgenden [X.]s ([X.], Urteil vom 10. Januar 2013, aaO Rn. 10).

In einem Fall, in welchem sich zwei Verwalter gestritten hatten, welcher Masse ein [X.] zustehe, und der [X.] nicht bereit war, freiwillig zu zahlen, hat der [X.] entschieden, die Abtretung des [X.]s durch den einen an den anderen Verwalter unter Vorbehalt einer Erlösbeteiligung entbehre nicht jeglicher tatsächlicher und rechtlichen Grundlage. Auf mehr komme es nicht an. Seien dem abtretenden Verwalter bei der Einschätzung der Erfolgsaussichten einer streitigen Auseinandersetzung mit dem Zessionar oder eines von ihm selbst geführten [X.] gegen den [X.] Fehler unterlaufen, könne dies - ein Verschulden vorausgesetzt - zu einer Haftung nach § 60 [X.] führen, nicht jedoch zu einer Unwirksamkeit der Abtretung wegen [X.]widrigkeit ([X.], Urteil vom 10. Januar 2013, aaO). Aus dieser Entscheidung kann jedoch entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht geschlossen werden, dass die Abtretung eines [X.]s nur dann wirksam sei, wenn der Anspruch zwischen zwei Verwaltern streitig sei. Ein Abtretungsvertrag ist auch ohne einen solchen Streit daran zu messen, ob er offensichtlich, also ohne weiteres erkennbar, gegen Sinn und Zweck des Insolvenzverfahrens verstößt.

bb) Das ist nach dem dem Revisionsurteil zugrunde zulegenden Sach- und Streitstand nicht der Fall. Zwar stand der [X.] aus §§ 143, 131 [X.] allein dem Insolvenzverwalter/[X.] zu. Doch war der Erfolg der Klage jedenfalls nicht sicher. Auch sollte der abtretende Insolvenzverwalter nach klägerischem Vortrag an den Erlösen aus dem [X.] beteiligt werden, wenn auch nur zur Hälfte. Weiter hat der Kläger als Gegenleistung die Aufgabe übernommen, den [X.] gegenüber der [X.]n durchzusetzen. Deswegen gewinnt die Insolvenzmasse im Verfahren über das Vermögen der [X.] durch die erfolgreiche Durchsetzung des [X.]s durch den Kläger und wird durch einen [X.] nicht belastet. Ob die Abtretung darüber hinaus wirtschaftlich sinnvoll und zweckmäßig war, ist keine Frage der offensichtlichen [X.]widrigkeit, sondern kann sich allenfalls haftungsrechtlich auswirken.

2. Dem Kläger steht jedoch, wie das Berufungsgericht im Ergebnis richtig gesehen hat, kein [X.] aus §§ 143, 131 Abs. 1 Nr. 1 [X.], § 398 BGB zu.

a) [X.] ist davon auszugehen, dass in der Zahlung der Schuldnerin an die [X.] eine die Gläubiger benachteiligende Rechtshandlung der [X.] im letzten Monat vor [X.] lag (§§ 129, 131 Abs. 1 Nr. 1 [X.]).

aa) Nach dem klägerischen Vortrag liegt in der Zahlung des Rechnungsbetrages durch die Schuldnerin an die [X.] eine gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung in Form einer mittelbaren Zuwendung und kein einfacher - die anderen Insolvenzgläubiger nicht benachteiligender - Gläubigertausch.

Wenn eine Zahlung von dem Konto eines [X.] an den [X.] erfolgt, liegt die Rechtshandlung der Schuldnerin (hier der [X.]) in der an den [X.] (die Schuldnerin) gerichteten Anweisung, zugunsten des [X.]s (der [X.]n) eine Überweisung auszuführen. Die Gläubigerbenachteiligung äußert sich in der Weggabe der Zahlungsmittel an den [X.], durch die entweder das auf dem Konto des [X.] befindliche Treugut des Schuldners vermindert und zugleich das für seine Verbindlichkeiten haftende Vermögen verkürzt wird oder der Dritte seine Verbindlichkeiten gegenüber dem Schuldner tilgt und dieser dadurch unter Verkürzung des haftenden Vermögens seine Forderung gegen den [X.] verliert ([X.], Urteil vom 12. April 2018 - [X.], [X.], 562 Rn. 10). Demgegenüber liegt eine gläubigerbenachteiligende Rechtshandlung bei einer Überweisung von einem Konto eines [X.] nicht vor, wenn dieser auf Veranlassung des Schuldners, ohne dazu diesem gegenüber verpflichtet zu sein, dessen Verbindlichkeiten aus eigenen Mitteln begleicht (Anweisung auf Kredit). Schließlich fehlt es an einer die Gläubiger benachteiligenden Rechtshandlung, sofern der Dritte ohne Veranlassung und nähere Kenntnis des Schuldners im ausschließlichen Interesse der Befriedigung des [X.]s aus eigenem Vermögen die Überweisungen vornimmt (vgl. [X.], Urteil vom 12. April 2018, aaO Rn. 11; vgl. auch [X.], Urteil vom 21. Juni 2012 - [X.], [X.], 805 Rn. 12).

Der Kläger hat vorgetragen, die [X.] habe durch die Überlassung der an sie gerichteten Rechnungen der [X.]n an die Schuldnerin diese angewiesen, den Rechnungsbetrag an die [X.] zu überweisen, wodurch ihre Schulden gegenüber der [X.]n für diese ersichtlich getilgt worden seien. Zur Zahlung sei die Schuldnerin aufgrund der [X.]en Vereinbarungen gegenüber der [X.] auch dann verpflichtet gewesen, wenn das bei der Schuldnerin für die [X.] geführte Verrechnungskonto keine Guthaben mehr aufgewiesen habe. In diesem Fall sei die Schuldnerin verpflichtet gewesen, der [X.] ein Darlehen zu gewähren. Wenn das Konto der [X.] bei der Schuldnerin ein Guthaben aufwies, führte die Schuldnerin mithin durch die Tilgung der Schulden der [X.] den ihr durch die [X.] gewährten Kredit zurück. Wenn das Konto der [X.] kein Guthaben aufwies, gewährte die Schuldnerin der [X.] durch die Tilgung der Schulden, wie zwischen ihnen vereinbart, einen (weiteren) Kredit. In beiden Fällen verringerte sich durch die Zahlung der Schuldnerin an die [X.] das haftende Vermögen der [X.].

bb) Die Einhaltung der Monatsfrist vor [X.] nach § 131 Abs. 1 Nr. 1, § 139 Abs. 1 [X.] ist nach dem bestrittenen und unter Beweis gestellten Vortrag des Klägers revisionsrechtlich zu unterstellen. Die [X.] hat den Insolvenzantrag am 12. Juli 2013 gestellt. Die nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 [X.] anfechtbare Rechtshandlung soll nach klägerischem Vortrag am 12. Juni 2013 vorgenommen sein, mithin ist die Monatsfrist gewahrt (zur Berechnung der Frist nach § 139 Abs. 1 [X.] vgl. HK-[X.]/[X.], 9. Aufl., § 139 Rn. 7; [X.] in [X.], [X.], 2018, § 139 Rn. 15).

b) Doch fallen die durch die Schuldnerin als Leistungsmittlerin für die [X.] an die [X.] erbrachten Zahlungen vorliegend ausnahmsweise nicht unter § 131 [X.].

aa) Nach dieser Regelung ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine inkongruente Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, anfechtbar. Gemäß § 131 Abs. 1 [X.] ist eine Rechtshandlung inkongruent, die einem Insolvenzgläubiger eine Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der [X.] zu beanspruchen hatte. Die [X.] ist zu dem [X.]punkt zu beurteilen, in dem die Rechtshandlung vorgenommen wurde. Dabei unterscheidet gerade das Recht des Gläubigers, die Leistung zu fordern, kongruente und inkongruente Rechtshandlungen ([X.], Urteil vom 6. Dezember 2018 – [X.], [X.], 679 Rn. 18 [X.] in [X.]Z). Was ein Gläubiger beanspruchen kann und wozu der Schuldner verpflichtet ist, ist keine spezifisch insolvenzrechtliche, sondern zuvörderst eine materiell-rechtliche Frage. Folgt der Anspruch wie vorliegend aus einer vertraglichen Vereinbarung ([X.]), kommt es darauf an, was vertraglich vereinbart worden ist. Haben die Vertragsparteien nicht alle Fragen rechtsgeschäftlich geregelt, ist auf die entsprechenden gesetzlichen Regeln zurückzugreifen. Soweit rechtsgeschäftliche Regelungen möglich sind, ist immer nur maßgeblich, was die Vertragsparteien tatsächlich - ausdrücklich oder konkludent - vereinbart haben, nicht was sie hätten vereinbaren können ([X.], 323 Rn. 15; vgl. [X.] in [X.], [X.], 2014, § 131 Rn. 32). Maßstab ist allein die objektive Rechtslage. Es kommt nicht darauf an, welche Vorstellungen die Parteien hatten, insbesondere müssen sie die [X.] weder erkannt noch fahrlässig nicht erkannt haben. Daher spielt auch der gute Glaube beider Parteien, dass die Deckung in vollem Umfang dem Schuldverhältnis entspreche, keine Rolle (vgl. [X.], aaO Rn. 33). Nicht in der Art geschuldet sind sämtliche Befriedigungen, die mit dem geschuldeten Leistungsprogramm nicht im Einklang stehen, also nach dem Inhalt des Schuldverhältnisses von der tatsächlich geschuldeten Leistung abweichen (vgl. [X.], aaO Rn. 54).

Nach ständiger Rechtsprechung des [X.]s sind Insolvenzgläubiger benachteiligende nicht geschuldete Direktzahlungen, die ein Dritter auf Anweisung des Schuldners erbringt, dem Empfänger gegenüber als inkongruente Deckung anfechtbar ([X.], Urteil vom 8. Dezember 2005 - [X.], [X.], 1348 Rn. 9; vom 20. Januar 2011 - [X.], [X.], 141 Rn. 17; vom 6. Dezember 2012 - [X.], NJW 2013, 940 Rn. 46; vom 17. Dezember 2015 - [X.], [X.]Z 208, 243 Rn. 16; vom 9. November 2017 - [X.], [X.], 267 Rn. 8; vgl. auch [X.], 323 Rn. 13; [X.], 163 Rn. 13). Deswegen stellen Direktzahlungen durch den Auftraggeber an den Subunternehmer oder Lieferanten seines Auftragnehmers inkongruente Leistungen im Sinne von § 131 Abs. 1 [X.] dar, weil Subunternehmer und Lieferanten aufgrund ihres Werk- oder Werklieferungsvertrages regelmäßig keinen Anspruch gegen den Auftragnehmer auf Zahlung des [X.] oder des Kaufpreises durch den Auftraggeber haben ([X.], Urteil vom 16. Oktober 2008 - [X.], [X.], 55 Rn. 13; vom 17. Dezember 2015, aaO). Dies gilt auch für Mietzahlungen, die der [X.] auf Anweisung des [X.] an den Vermieter entgegen der vertraglichen Vereinbarung leistet. Denn der Vermieter hat keinen Anspruch darauf, seine Forderung gegen den Zwischenmieter in dieser Art - aufgrund einer Zahlungsanweisung an den [X.] - durch diesen als [X.] erfüllt zu bekommen ([X.], Urteil vom 20. Januar 2011, aaO). Entsprechendes gilt, wenn der Schuldner über einen Leistungsmittler eine Geldstrafe an die [X.] zahlt ([X.], Urteil vom 14. Oktober 2010 - [X.], [X.], 189 Rn. 8).

bb) Hier weicht die [X.] jedoch nur so geringfügig von der vertraglich vereinbarten Leistung ab, dass keine inkongruente Deckung angenommen werden kann. Denn die Zahlung der [X.] an die [X.] über die Schuldnerin als Leistungsmittlerin ist als gleichwertig mit der geschuldeten Deckung anzusehen (vgl. [X.] in [X.], [X.], 2014, § 131 Rn. 40).

(1) Die Kongruenz zwischen Anspruch und Deckungsleistung ist im Interesse der Gläubigergleichbehandlung nach strengen Maßstäben zu beurteilen. Doch schaden lediglich geringfügige Abweichungen von der nach dem Inhalt des Anspruchs typischen und gesetzmäßigen Erfüllung, die der Verkehrssitte (§§ 157, 242 BGB) oder Handelsbräuchen (§ 346 HGB) entsprechen, nicht. So sind Leistungen durch bargeldlose Überweisung und eigene Schecks kongruent. Das gilt auch für Abbuchungen im Lastschriftverfahren aufgrund einer Einziehungsermächtigung des Schuldners ([X.], Urteil vom 9. Januar 2003 - [X.], [X.], 197, 198; vom 10. Juni 2008 - [X.], [X.]Z 177, 69 Rn. 45; vgl. [X.], Urteil vom 22. Oktober 2015 - 6 [X.], juris Rn. 18; [X.], aaO § 131 Rn. 39 ff, 61).

(2) Eine entsprechende Verkehrssitte oder einen entsprechenden Handelsbrauch hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Dennoch ist in dem konkret im         Konzern über zehn Jahre gehandhabten [X.] eine solche geringfügige Abweichung zwischen Vereinbarung und Deckung zu sehen.

(a) Dass die [X.] die Schuldnerin im Rahmen einer [X.]-Vereinbarung die Zahlungen an die [X.] hat vornehmen lassen, begründet eine geringfügige Abweichung zwischen Anspruch und Deckung und einen Handelsbrauch oder eine Verkehrssitte noch nicht. Dafür bestehen in der Praxis zu unterschiedliche [X.]-Verfahren. So ist zwischen den typischen und atypischen Verfahren zu unterscheiden. Bei den typischen [X.]-Verfahren fungiert die zuständige Gesellschaft als Konzernbank, auf deren Konto ([X.]) am Ende eines jeden Bankarbeitstages alle Guthaben der angeschlossenen Gesellschaften ([X.]) überwiesen werden. Umgekehrt werden Sollsalden der teilnehmenden Gesellschaften täglich "glattgestellt". Die Bezahlung der Gläubiger erfolgt danach von den Konten ihrer jeweiligen Vertragspartner. Bei der virtuellen Variante findet der Ausgleich zwischen den Konten der beteiligten Konzerngesellschaften nur rechnerisch statt, es kommt also nicht zu realen Überweisungen zwischen [X.] und [X.] (vgl. [X.] in [X.], [X.], 2017, Anhang zu § 135 Anfechtung im Konzern Rn. 34). Bei den atypischen [X.] werden die Verbindlichkeiten des dem [X.] angeschlossenen Vertragspartners (unter Umständen nur im Fall der fehlenden Liquidität) nicht von ihm selbst, sondern von dem Konto einer anderen Gesellschaft getilgt (externes Cash Management-System; [X.], aaO Rn. 45; vgl. [X.], Urteil vom 3. März 2005 - [X.], [X.]Z 162, 276, 277).

Die vom [X.] bislang entschiedenen [X.]-Fälle zeichnen sich dadurch aus, dass fällige Verbindlichkeiten jeweils von dem Unternehmen beglichen wurden, das gerade über die erforderliche Liquidität verfügte ([X.], Urteil vom 3. März 2005 - [X.], [X.]Z 162, 276, 277; vom 16. November 2007 - [X.], [X.]Z 174, 228 Rn. 13). Diese Zahlung nach Kassenlage durch einen [X.] belegt gerade die fehlende Liquidität des Vertragsschuldners. Es bleibt deswegen auch bei atypischen [X.] bei dem Grundsatz, dass [X.]en inkongruent sind (vgl. [X.], [X.], 1030, 1033 f; [X.], [X.] 18/2018 [X.]. 4 unter C).

(b) Das vom      Konzern vor Jahren etablierte, jahrelang praktizierte und ohne Beanstandungen bis zur Stellung der [X.] funktionierende [X.]-Verfahren führt aber dazu, in der [X.] der Schuldnerin auf Weisung der [X.] an die [X.] eine nur geringe Abweichung zwischen der Vereinbarung zwischen [X.] und der [X.]n und der tatsächlich erfolgten Deckung zu sehen. Der       Konzern hatte das Zahlungssystem schon lange vor der Krise eingerichtet. Die Schuldnerin handelte nach klägerischer Darstellung seit über zehn Jahren im Konzern als Poolführerin. Sie sammelte die Einnahmen der am [X.] beteiligten Gesellschaften auf ihren Konten und überwies im Gegenzug auf Anweisung der am Pool beteiligten Gesellschaften die an diese gerichteten Rechnungen, und zwar unabhängig davon, ob die internen Verrechnungskonten im Soll standen oder ein Guthaben aufwiesen. Zahlungsverzögerungen infolge dieses Zahlungssystems traten - soweit ersichtlich - nicht auf. Danach trat die Schuldnerin, auch wenn sie keine Zahlungsdienstleisterin im Sinne von § 675o Abs. 2 BGB war (vgl. [X.], Urteil vom 25. April 2013 - [X.], [X.], 583 Rn. 30 f), ähnlich einer Konzernbank auf.

Dabei wirtschafteten die am [X.]-Verfahren beteiligten Konzerngesellschaften nicht aus "einem Topf", vielmehr wurden die Vermögen der Konzerngesellschaften voneinander abgegrenzt und musste die Liquidität der beteiligten Gesellschaften und des Konzerns grundsätzlich gegeben sein. So hatte die Schuldnerin als Poolführerin die Kapitalerhaltungsvorschriften (§ 30 GmbHG, § 57 AktG) im Blick zu halten. Soweit sie als Tochtergesellschaft der [X.] als ihrer Muttergesellschaft ein Darlehen gewährte, musste sie sich vergewissern, dass ihre Rückzahlungsforderung vollwertig und damit die Darlehensgewährung für sie als abhängige Gesellschaft nicht nachteilig war (vgl. [X.], Urteil vom 1. Dezember 2008 - [X.], [X.]Z 179, 71 Rn. 13). Insoweit hatte die Schuldnerin eine gewisse Beobachtungspflicht im Hinblick auf die Bonität der Muttergesellschaft (vgl. [X.] in [X.]/v. [X.], Haftung und Insolvenz im GmbH-Recht, Rn. 274). Soweit die Schuldnerin als Muttergesellschaft vor dem 1. November 2008 der [X.] als ihrer Tochtergesellschaft ein Darlehen gewährt hatte, musste sie sich der andauernden Bonität der Tochtergesellschaft vergewissern, wenn sie nicht wollte, dass ihr Gesellschafterdarlehen in der Krise der Tochtergesellschaft wie haftendes Eigenkapital behandelt würde (vgl. [X.], Urteil vom 14. Februar 2019 - [X.], NJW 2019, 1289 Rn. 31, 69 f, 72, 74, [X.] in [X.]Z). Ab dem 1. November 2008 musste sie den grundsätzlichen Nachrang des Gesellschafter(Konzern)darlehens in der Insolvenz der Tochter nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 [X.] und die Anfechtbarkeit nach § 135 [X.] bedenken.

Danach musste die [X.] der Schuldnerin aufgrund der jahrelang geübten Praxis objektiv nicht in jedermann den Verdacht wachrufen, dass die am [X.] beteiligten Konzerngesellschaften sich in schlechter Vermögenslage befänden. Zwar sind nach allgemeiner Erfahrung im Geschäftsverkehr Schuldner regelmäßig nicht bereit, anderes oder gar mehr zu leisten als sie schulden. Tun sie das dennoch, so müssen dafür im allgemeinen besondere Beweggründe vorliegen ([X.], Urteil vom 8. Oktober 1998 - [X.], [X.], 118, 120). Doch liegen die besonderen Beweggründe für die vorliegende [X.] in der anfechtungsrechtlich unverdächtigen [X.]-Vereinbarung. Durch das angewandte [X.] ist der Eintritt der endgültigen Insolvenz des        Konzerns nicht beschleunigt worden. Umgekehrt wurde durch den jahrelang praktizierten [X.] die Liquidität im Konzern bei der Schuldnerin gebündelt, welche aus handelsrechtlichen und anfechtungsrechtlichen Gründen bei jeder vorgenommenen Zahlung sich der Solvenz der beteiligten Konzerngesellschaften wenigstens im Ansatz vergewissern musste.

3. Das Vorliegen anderer Anfechtungstatbestände hat der Kläger nicht geltend gemacht, aus seinem Vortrag sind solche auch nicht ersichtlich.

Kayser     

      

Lohmann     

      

Pape   

      

Möhring     

      

Röhl     

      

Meta

IX ZR 16/18

12.09.2019

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Köln, 18. Dezember 2017, Az: 2 U 25/17

§ 1 InsO, § 80 Abs 1 InsO, § 131 Abs 1 Nr 1 InsO, § 143 InsO, § 398 BGB, § 399 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.09.2019, Az. IX ZR 16/18 (REWIS RS 2019, 3668)

Papier­fundstellen: MDR 2019, 1409-1411 WM2019,1886 NJW 2019, 3578 REWIS RS 2019, 3668


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. IX ZR 16/18

Bundesgerichtshof, IX ZR 16/18, 12.09.2019.


Az. 2 U 25/17

Oberlandesgericht Köln, 2 U 25/17, 18.12.2017.


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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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