Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.01.2010, Az. I ZR 82/08

1. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 10469

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Gegenstand

Markenrecht: Markenmäßige Verwendung von Symbolen ehemaliger Ostblockstaaten auf Bekleidungsstücken; Wegfall der durch die Markenanmeldung begründeten Erstbegehungsgefahr


Tenor

Die Revision gegen das Urteil des [X.], 3. Zivilsenat, vom 10. April 2008 wird auf Kosten der Klägerin, mit Ausnahme der Kosten des Streithelfers, die dieser selbst zu tragen hat, zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Streithelfer der Klägerin ist Inhaber der Wortmarke Nr. 30421978 "[X.]". Diese ist mit Priorität vom 16. April 2004 unter anderem eingetragen für "Schlafanzüge, Badeanzüge, Halstücher, Schals, Krawatten, Hosen, Overalls". Die Eintragung für "Bekleidungsstücke, Sportbekleidungsstücke, T-Shirts, Trikots, Sweatshirts, Jacken, Hemden, Mäntel" ist während des Revisionsverfahrens gelöscht worden.

2

Die Klägerin handelt mit Bekleidungsstücken einschließlich T-Shirts. Ihr steht an der Marke des Streithelfers eine Lizenz zu, die sich auf alle Arten von Oberbekleidung erstreckt. Sie ist nach dem Lizenzvertrag berechtigt, im eigenen Namen Unterlassungsansprüche geltend zu machen.

3

Die Beklagte vertreibt über das [X.] bedruckte Kleidungsstücke. Der Käufer kann den Aufdruck selbst bestimmen oder auf vorgegebene Motive zurückgreifen. Zu der von der Beklagten bereitgehaltenen Auswahl zählt auch ein Motiv, das aus dem Bild von Hammer und Sichel und der Buchstabenfolge "[X.]" besteht. Die Buchstabenfolge "[X.]" steht als Abkürzung der kyrillischen Schreibweise der früheren [X.]. Die Abbildung eines T-Shirts mit dem Motiv auf der [X.]seite der Beklagten ist im Klageantrag wiedergegeben.

4

Die Klägerin hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin beantragt,

der Beklagten zu verbieten,

im geschäftlichen Verkehr ohne Zustimmung der Klägerin oder deren Lizenzgeber Bekleidungsstücke mit der Kennzeichnung "[X.]" wie nachstehend abgebildet

Abbildung

a) zu bedrucken oder bedrucken zu lassen,

b) anzubieten oder in den Verkehr zu bringen oder

c) das Zeichen im Geschäftsverkehr oder in der Werbung für Bekleidungsstücke zu benutzen.

5

Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen ([X.], 22).

6

Mit der (vom Senat zugelassenen) Revision verfolgt die Klägerin ihren zuletzt gestellten Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

I. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 5, § 30 Abs. 3 [X.] verneint und zur Begründung ausgeführt:

8

Die Beklagte habe die [X.] nicht verletzt, weil sie die beanstandete Bezeichnung nicht markenmäßig benutzt habe. Dem Aufdruck des Kürzels "[X.]" mit [X.] entnehme der Verkehr keinen Herkunftshinweis. Der durchschnittlich informierte verständige Verbraucher werde die Bedeutung von "[X.]" mit vorangestelltem [X.] als ursprünglich staatliches Symbol der [X.] aufgrund der langjährigen und intensiven Benutzung erkennen. Hierzu trage auch der rege Handel mit Produkten und staatlichen Symbolen des früheren Ostblocks bei. Dass der Verkehr trotz der ihm bekannten Bedeutung als staatliches Hoheitssymbol das beanstandete Motiv als Marke ansehe, sei nicht ersichtlich. Dem Verkehr sei bekannt, dass auf der Vorderseite von T-Shirts nicht nur Marken, sondern auch Botschaften in Form von Sprüchen, Bekenntnissen oder Verballhornungen von Symbolen gezeigt würden. Im Interesse der durch Art. 5 GG geschützten Meinungsfreiheit müsse das Tatbestandsmerkmal der markenmäßigen Benutzung ohnehin einschränkend ausgelegt werden.

9

Eine Verwechslungsgefahr i.S. von § 14 Abs. 2 Nr. 2 [X.] sei ebenfalls nicht gegeben. Zwischen der [X.] "[X.]" und dem zusammengesetzten Zeichen bestehe keine für eine Verwechslungsgefahr hinreichende Zeichenähnlichkeit.

II. Die Revision ist nicht begründet.

1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Unterlassungsantrag hinreichend bestimmt ist.

a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag - und nach § 313 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung - nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht mehr klar umrissen sind, der Beklagte sich deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Beklagten verboten ist. Der Mangel der Bestimmtheit des Klageantrags ist auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachten ([X.], 255, 263 - Abgasemissionen).

b) Nach dem Unterlassungsantrag soll der Beklagten untersagt werden, Bekleidungsstücke mit der Kennzeichnung "[X.]" zu versehen, anzubieten oder in Verkehr zu bringen oder das Zeichen im Geschäftsverkehr zu benutzen. Ob die Beklagte die angegriffene Bezeichnung als Kennzeichen benutzt, ist zwischen den Parteien aber gerade umstritten. Dies ist vorliegend jedoch unschädlich, weil die Klägerin den Unterlassungsantrag - wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat - auf die konkrete Verletzungsform beschränkt hat (vgl. [X.], 126, 131 f. - Farbmarkenverletzung I).

2. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 5, § 30 Abs. 3 [X.] nicht zu.

Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Beklagte die beanstandete Bezeichnung nicht markenmäßig verwandt hat.

a) Eine Verletzungshandlung nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 [X.] kann grundsätzlich nur angenommen werden, wenn die angegriffene Bezeichnung markenmäßig verwendet wird. Eine markenmäßige Benutzung oder - was dem entspricht - eine Verwendung als Marke setzt voraus, dass die Bezeichnung im Rahmen des Produkt- oder Leistungsabsatzes jedenfalls auch der Unterscheidung der Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen dient (vgl. [X.], Urt. v. 12.11.2002 - [X.]/01, [X.]. 2002, [X.] = [X.], 55 [X.]. 51 ff. - [X.]; [X.], Urt. v. 30.4.2008 - I ZR 123/05, [X.], 793 [X.]. 15 = [X.], 1196 - Rillenkoffer). Die Rechte aus der Marke nach der Bestimmung des § 14 Abs. 2 Nr. 2 [X.], deren Anwendung das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr voraussetzt, sind daher auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen die Benutzung des Zeichens durch einen [X.] die Hauptfunktion, das heißt die Gewährleistung der Herkunft der Ware oder Dienstleistung gegenüber dem Verbraucher, beeinträchtigt oder immerhin beeinträchtigen könnte (zu Art. 5 Abs. 1 lit. b [X.] [X.], Urt. v. 12.6.2008 - [X.]/06, [X.]. 2008, [X.] = [X.], 698 [X.]. 57 - O2/[X.]; Urt. v. 18.6.2009 - [X.]/07, [X.], 756 [X.]. 59 = [X.], 930 - L'Oréal/[X.]; zu § 14 Abs. 2 Nr. 2 [X.] [X.]Z 171, 89 [X.]. 22 - Pralinenform; [X.], Urt. v. 5.2.2009 - I ZR 167/06, [X.], 484 [X.]. 60 = [X.], 616 - METROBUS).

b) Die Beurteilung, ob eine Bezeichnung vom Verkehr als Herkunftshinweis verstanden wird, obliegt im Wesentlichen dem Tatrichter ([X.], Urt. [X.] - [X.], [X.], 414, 415 = [X.], 610 - [X.] Schaumgebäck). Dem Berufungsgericht ist bei seiner Beurteilung kein Rechtsfehler unterlaufen.

aa) Das Berufungsgericht hat eine markenmäßige Verwendung mit der Begründung verneint, der Verkehr entnehme dem Kürzel "[X.]" mit [X.] keinen Herkunftshinweis. Der durchschnittlich informierte und verständige, angemessen aufmerksame Verbraucher werde die Bedeutung des von der Beklagten verwandten Motivs erkennen und es nicht als Produktkennzeichen ansehen.

bb) Die Revision macht dagegen geltend, die Wahrnehmung des Zeichens als produktbezogener Herkunftshinweis setze nicht voraus, dass der Verkehr von einem Wandel der ursprünglichen Bedeutung zu einem markenmäßigen Herkunftshinweis ausgehe. Die Klägerin habe deshalb hierzu auch nichts vortragen müssen. Ausreichend sei vielmehr, dass der Verkehr die angegriffene Bezeichnung als Herkunftshinweis auf einen bestimmten Betrieb auffasse, weil die Angabe nach Art einer Marke auf der Ware herausgestellt oder die Aufmerksamkeit vorrangig auf sie gerichtet sei. Davon sei vorliegend bei dem großflächigen Aufdruck auf der Brustseite von T-Shirts, Sweatshirts oder Pullovern auszugehen. Wegen der Kennzeichnungsgewohnheiten auf dem in Rede stehenden Warensektor dränge sich dem Verkehr im vorliegenden Fall der Schluss auf, dass das Zeichen "[X.]" mit [X.] nach Art einer Marke verwendet werde. Dem kann nicht beigetreten werden.

cc) Das Berufungsgericht hat zutreffend auf die Kennzeichnungsgewohnheiten in dem maßgeblichen Warensektor abgestellt (vgl. [X.], Urt. v. [X.] - I ZR 204/01, GRUR 2004, 865, 866 = [X.], 1281 - [X.]), in dem der Verkehr in unterschiedlicher Größe angebrachte Aufdrucke markenrechtlich geschützter Zeichen auf der Vorderseite von Bekleidungsstücken vorfindet. Die Antwort auf die Frage, ob der Verkehr ein auf der Vorderseite eines Bekleidungsstücks angebrachtes Motiv als produktbezogenen Hinweis auf die Herkunft oder als bloßes dekoratives Element auffasst, kann jedoch nach der Art und der Platzierung des Motivs variieren. Denn anders als bei eingenähten Etiketten auf der Innenseite von Bekleidungsstücken (hierzu [X.], [X.]. v. 24.4.2008 - I ZB 21/06, [X.], 1093 [X.]. 22 = [X.], 1428 - [X.]) geht der Verkehr nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bei Wörtern und Symbolen, die auf der Vorderseite von Bekleidungsstücken angebracht sind, nicht generell davon aus, es handele sich um einen Herkunftshinweis. Ob dies der Fall ist, bedarf vielmehr einer Beurteilung im jeweiligen Einzelfall. Der Verkehr wird Zeichen, die ihm als Produkthinweis für Bekleidungsstücke bekannt sind, ebenfalls als Herkunftshinweis auffassen, auch wenn sie auf der Außenseite der Kleidung angebracht sind (vgl. [X.], Urt. [X.] - I ZR 21/98, [X.], 158, 160 = [X.], 44 - [X.]). Zeichen, die dem Verkehr, wenn auch in anderem Zusammenhang bekannt sind, wird er häufig ebenso als Kennzeichen ansehen (vgl. [X.], 258, 260). Entsprechendes gilt für Phantasiebezeichnungen oder Bildzeichen, wie sie vielfach von Unternehmen zur Kennzeichnung von Bekleidungsstücken außen auf der Kleidung verwandt werden. Diese Maßstäbe lassen sich auf die angegriffene Bezeichnung aber nicht übertragen. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Verkehr den Wortbestandteil "[X.]" jedenfalls im Zusammenhang mit dem [X.] als Abkürzung der kyrillischen Schreibweise der früheren [X.] erkennt. Der durchschnittlich informierte [X.] aufmerksame Durchschnittsverbraucher hat danach bei der Wiedergabe auf der Vorderseite von Bekleidungsstücken keine Veranlassung, der Bezeichnung statt dieser ihm bekannten Bedeutung nunmehr auch einen Herkunftshinweis zu entnehmen. Aber selbst diejenigen Teile des angesprochenen Publikums, die die Bedeutung der Buchstabenfolge "[X.]" nicht kennen, haben keine Veranlassung, in der angegriffenen Bezeichnung in Kombination mit dem [X.] mehr als ein dekoratives Element zu sehen.

Zu Recht ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, dass die von der Klägerin in Bezug genommene Medienberichterstattung über die Verwendung staatlicher Symbole des ehemaligen Ostblocks für Markenanmeldungen keinen Anhalt für eine Änderung des [X.] ergeben hat.

Entgegen der Ansicht der Revision kommt es nicht darauf an, dass das Berufungsgericht in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung die isolierte Verwendung der Bezeichnung "[X.]" auf Bekleidungsstücken verboten hat. Die Beklagte hat die Buchstabenfolge nur im Zusammenhang mit dem [X.] verwendet. Dementsprechend beschränkt sich der im Hauptsacheverfahren gestellte Antrag auf diese Verletzungsform. Jedenfalls in dieser Kombination fasst der Verkehr den beanstandeten Aufdruck auf T-Shirts nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht als Herkunftshinweis auf.

Das Berufungsgericht konnte die Feststellungen zum Verkehrsverständnis selbst treffen, weil die [X.] zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehören (vgl. [X.], Urt. v. 29.6.2006 - I ZR 110/03, [X.], 937 [X.]. 27 = [X.], 1133 - [X.]). Der Einholung eines Verkehrsgutachtens hierzu bedurfte es entgegen der Rüge der Revision auch nicht im Hinblick darauf, dass das Berufungsgericht für die isolierte Verwendung der Bezeichnung "[X.]" eine markenmäßige Verwendung in einem anderen Verfahren bejaht hat. Davon unterscheidet sich das vorliegende Verfahren dadurch, dass der Verbraucher durch das [X.] in besonderem Maße auf die hinter dem [X.] stehende Bedeutung hingelenkt wird.

III. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 1 ZPO.

Bornkamm                              Pokrant                       Büscher

                              [X.]

Meta

I ZR 82/08

14.01.2010

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 10. April 2008, Az: 3 U 280/06, Urteil

§ 14 Abs 2 Nr 2 MarkenG, § 14 Abs 5 MarkenG, § 64a MarkenG, § 6 Abs 2 PatKostG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 14.01.2010, Az. I ZR 82/08 (REWIS RS 2010, 10469)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 10469

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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