Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.03.2018, Az. V ZR 200/17

V. Zivilsenat | REWIS RS 2018, 12644

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[X.]:[X.]:BGH:2018:080318BVZR200.17.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZR 200/17
vom

8. März 2018

in dem Rechtsstreit

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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. März 2018 durch die Vorsitzende Richterin Dr.
[X.], die
Richterin Weinland, den Richter
Dr.
[X.], die Richterin [X.] und [X.]
Hamdorf

beschlossen:

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger wird das Urteil der 5. Zivilkammer des [X.] vom 14. Juli 2017 aufge-hoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 30.000

Gründe:
I.
Die Beklagten
mieteten
mit Vertrag vom 26. August
2009 ein Haus. Mit notarieller Vereinbarung vom 11. November 2010 räumte
der
Kläger zu 1 den Beklagten ein lebenslanges Wohnrecht ein. Zu dessen Sicherung wurde eine beschränkte
persönliche Dienstbarkeit in das Grundbuch eingetragen. In einem

Dienstbarkeit werde als [X.]
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leistung für die Überlassung von Einbauten in dem Haus gewährt. Die Kläger verlangen nach Kündigung des Mietvertrags die Herausgabe des Grundstücks.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das [X.] hat die [X.] zurückgewiesen. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde wollen
die
Kläger die Zulassung der Revision erreichen; die Beklagten beantragen die Zurückwei-sung der Beschwerde.

II.
Das Berufungsgericht, das unter Hinweis auf § 540 Abs. 2 i.V.m. § 313a Abs. 1 Satz 1
ZPO von der Darstellung eines Tatbestandes abgesehen hat, verneint einen Herausgabeanspruch aus § 546 Abs. 1 BGB. Unabhängig da-von, ob die sonstigen Voraussetzungen dieser Vorschrift vorlägen, müssten die Kläger sich den Einwand treuwidrigen Verhaltens gemäß § 242 BGB entgegen halten lassen, da sie das Grundstück wegen der beschränkten
persönlichen Dienstbarkeit, die den Beklagten ein Recht zum Besitz gebe, sogleich wieder herausgeben müssten. Die Auslegung der Vereinbarung der [X.]en vom 11.
November 2010 ergebe, dass eine selbständige beschränkte
persönliche Dienstbarkeit bestellt worden sei, die nicht von dem Bestand des Mietvertrags abhängig sei. Auch die sonstigen Umstände stützten diese Auslegung. Der Klä-ger zu 1 sei dankbar für seine Heilung durch die Beklagten gewesen und habe diesen etwas Gutes tun und einen starken Schutz über den Mietvertrag hinaus gewähren wollen. Ihm sei bewusst gewesen, dass der Mietvertrag durch das Wohnrecht praktisch unkündbar sei. Die
Kläger könnten auch nicht nach § 985 BGB Herausgabe verlangen. Mangels Anspruchs auf Löschung der [X.] hätten die Beklagten ein Recht zum Besitz.
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III.
1. Das Rechtsmittel ist nach § 26 Nr. 8 EGZPO zulässig, weil der Wert

(zur Bemessung der Beschwer vgl. Senat, Beschluss vom 3. April 2014

V
ZR
185/13, [X.], 253 Rn. 4).
2. [X.] ist auch begründet. Das [X.] Berufungsurteil ist nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben, weil das Berufungs-gericht den
Anspruch
der Kläger
auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
a)
Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht unter anderem dazu, [X.] des Vorbringens der [X.] zu erfassen und -
so-weit er eine zentrale Frage des jeweiligen Verfahrens betrifft -
in den Gründen zu bescheiden. Von einer Verletzung dieser Pflicht ist auszugehen, wenn be-sondere Umstände deutlich machen, dass das Vorbringen der Beteiligten [X.] überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung er-sichtlich nicht erwogen worden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Oktober 2015 -
V [X.], [X.], 180 Rn. 4). So ist es hier.
b) [X.] rügt mit Erfolg, dass das Berufungs-gericht den unter Beweis gestellten Vortrag in der Berufungsbegründung über-gangen hat, der Mietvertrag sei am 26. Auguausgefüllt und unterschrieben worden. Ende September 2010 seien die Kreuz-fahrtunternehmen des [X.] zu 1 in wirtschaftliche und finanzielle Turbulen-zen geraten. In dieser Situation seien die Beklagten an den Kläger zu 1 heran-getreten und hätten ihn
um eine rechtliche Absicherung des Mietverhältnisses gebeten mit dem Ziel, den Zugriff Dritter z.B. im Zwangsvollstreckungs-
oder Insolvenzverfahren zu verhindern. Man sei auf die Idee der Einräumung einer 4
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Dienstbarkeit gekommen. Da es sich hierbei um eine anfechtbare Erklärung nach der [X.] gehandelt habe, sei die Erklärung
als Annex Nr. 1

verfasst und auf den 4.
September 2009 rückdatiert worden. Der Mietvertrag sei
[X.] worden. Mit diesem Vorbringen hat sich das Berufungsgericht nicht be-fasst. Es zieht z

zu dem Mietvertrag vom 04.09.2009her-an, erwähnt aber nicht
die Umstände, unter denen es zu dieser Erklärung
ge-kommen sein soll.
Die von den Klägern dargelegte Rückdatierung wird nicht angesprochen.
c) Der übergangene Vortrag
ist entscheidungserheblich.
Er ist für die Feststellung, auf welcher schuldrechtlichen Abrede
die Bestellung der be-schränkten persönlichen Dienstbarkeit vom 11. November 2010 beruht, wesent-lich.
[X.]) Bestellen die [X.]en eines Mietvertrags eine
beschränkte persönli-che Dienstbarkeit können, wovon das Berufungsgericht zutreffend ausgeht,
zwei Nutzungsrechte (ein schuldrechtliches und ein dingliches) gleichen oder ähnlichen Inhalts nebeneinander entstehen. Die Bestellung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit kann aber
auch
lediglich als eine dingliche Sicher-heit für das durch den Mietvertrag begründete schuldrechtliche Nutzungsrecht vereinbart werden.
Wann und in welchem Umfang der Nutzungsberechtigte auf das ihm eingeräumte dingliche Nutzungsrecht zurückgreifen kann, ergibt sich in diesem Fall aus der Sicherungsabrede, die zugleich der Rechtsgrund für die Bestellung der Dienstbarkeit ist
(Senat, Beschluss vom 7. April 2011

V
ZB
11/10, NJW-RR 2011, 882 Rn. 19 mwN; Urteil vom 27. Juni 2014

V
ZR
51/13, [X.], 790 Rn. 11). Im Verhältnis von Dienstbarkeitsberech-tigtem und
-verpflichteten bestimmt sich das Nutzungsrecht hingegen nach den Vereinbarungen des Mietvertrags.
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bb) Das Nebeneinanderbestehen eines schuldrechtlichen und eines dinglichen Nutzungsrechts verwandten Inhalts
ist aber ein Ausnahmefall und bedarf einer zweifelsfreien, in der Regel ausdrücklichen Abrede (vgl. Senat, Urteil vom 27. Juni 2014 [X.], [X.], 790 Rn. 10; Urteil vom 20.
September 1974 -
V [X.], NJW 1974, 2123 f.;
Urteil vom 20.
März
1963 -
V [X.], NJW 1963, 1247). Ob hier ein solcher Ausnah-mefall gegeben ist, hängt davon ab, in welchem
Verhältnis der Mietvertrag
vom 26.
August 2009
und das am 11. November 2010 bestellte dingliche
Woh-nungsrecht zueinander stehen. Dieses Verhältnis hätte das Berufungsgericht klären und dabei das unter Beweis gestellte Vorbringen der Kläger [X.] müssen.
Es kommt dafür nämlich,
anders als das Berufungsgericht meint, nicht nur auf die Vereinbarung über die Bestellung des dinglichen Rechts vom 11. November 2010, sondern vor allem auf die
von den Klägern dargelegte

nicht formbedürftige
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schuldrechtliche
Abrede
an, nach der die Beklagten sich nur gegenüber einem Dritten, der das Grundstück
im Wege eines Zwangsver-steigerungs-
oder Insolvenzverfahrens erwirbt, auf die Dienstbarkeit hätten be-rufen können, während im Verhältnis der [X.]en zueinander allein das Miet-verhältnis habe maßgeblich sein sollen. Indiz gegen die Vereinbarung einer sol-chen Sicherungsdienstbarkeit ist
zwar die
von dem Berufungsgericht herange-zogene
Aussage
des
beurkundenden
Notars in einem Parallelverfahren, wo-nach in seiner Gegenwart nicht über den Zusammenhang zwischen Mietvertrag und Wohnrecht gesprochen worden
sei
und wonach er im Vorfeld der Beurkun-dung den Kläger
zu 1 darauf hingewiesen
habe, dieser
erhalte durch das Woh-

bewusst gewesen
sei. Bei der Würdigung der Aussage ist aber zu berücksichtigen, dass der
Notar nur an der Bestellung des dinglichen Wohnungsrechts nach § 1090 BGB mitgewirkt hat, an der schuldrechtlichen Vereinbarung aber nicht beteiligt war und er deshalb aus eigener Erkenntnis weder zu dem eigentlichen [X.]
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grund für die Bestellung des Wohnungsrechts noch zu einer Sicherungsabrede Angaben machen kann.
Das hat das Berufungsgericht außer Acht gelassen.
3.
Infolgedessen ist das Berufungsurteil gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufzu-heben und die Sache zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht hat in der neuen Entscheidung, die mit einem Tatbestand zu versehen ist,
auch
über den in der Berufungsinstanz klageerweiternd gestellten Antrag auf Löschung des einge-tragenen Wohnungsrechts
zu entscheiden.
[X.]
Weinland
[X.]

[X.]
Hamdorf
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 13.12.2016 -
3
C 159/16 -

LG [X.], Entscheidung vom 14.07.2017 -
5 S 5/17 -

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Meta

V ZR 200/17

08.03.2018

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.03.2018, Az. V ZR 200/17 (REWIS RS 2018, 12644)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 12644

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