Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.06.2005, Az. IX ZB 64/04

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2005, 2932

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[X.][X.]/04
vom 23. Juni 2005 in dem Verfahren auf Vollstreckbarerklärung

- 2 - Der [X.]. Zivilsenat des [X.] hat durch [X.] [X.], [X.], [X.], [X.] und die Richterin [X.]
am 23. Juni 2005 beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den [X.]uß des 2. Zivilsenats des [X.] vom 19. Februar 2004 wird auf Kosten des Antragsgegners als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert des [X.] wird auf 146.845,54 • festgesetzt.

Gründe:
[X.]
Die in [X.] residierende Antragstellerin (Gläubigerin) erwirkte gegen den in [X.] ansässigen Antragsgegner (Schuldner) beim [X.] am 30. September 2002 ein Urteil, das den Antragsgegner unter anderem zur Zahlung von 134.645,54 • sowie von [X.] in Höhe von 12.200 • verurteilte.

Die Gläubigerin begehrt insoweit die Zulassung dieses Urteils zur Voll-streckung in [X.]. Der Schuldner wendet ein, der [X.] 3 - rung stünden Versagungsgründe entgegen. Der Vorsitzende einer Zivilkammer des [X.] hat dem Antrag der Gläubigerin stattgegeben. Die Beschwer-de des Schuldners ist erfolglos geblieben. Dagegen wendet sich dieser mit [X.].

I[X.]
Das gemäß § 15 Abs. 1 [X.], § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsmittel ist unzulässig; denn die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des [X.] (§ 574 Abs. 2 ZPO).

1. Auf das Verfahren findet die Verordnung ([X.]) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 22. Dezember 2000 ([X.]) gemäß Art. 66 Abs. 2 Buchst. a, Art. 76 [X.] Anwendung.

2. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) liegt entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht vor. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine ent-scheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage [X.], die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und des-halb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwick-lung und Handhabung des Rechts berührt ([X.], 288, 291 zu § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO). [X.] kann, ob die innerhalb der Frist (§ 16 - 4 - Abs. 2 Satz 2 [X.], § 575 Abs. 2, 551 Abs. 2 Satz 6 a.F. ZPO) vorgetragene Rechtsmittelbegründung dem [X.] des § 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO, § 16 Abs. 2 [X.] entspricht. Denn die von der Rechtsbeschwerde zu Art. 34 Nr. 1 [X.] aufgeworfenen Fragen sind in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften und des [X.] geklärt.

Nach Art. 45 Abs. 1 Satz 1 [X.] darf die Vollstreckbarerklärung von dem Rechtsmittelgericht nur aus einem der in den Artikeln 34 und 35 aufge-führten Gründe versagt werden. Gemäß Art. 34 Nr. 1 [X.] wird eine Ent-scheidung nicht anerkannt, wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung (ordre public) des Mitgliedstaats, in dem sie geltend gemacht wird, offensicht-lich widersprechen würde. Zu Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ hat der [X.] entschieden, daß diese Vorschrift eng auszulegen ist, da sie ein Hin-dernis für die Verwirklichung eines der grundlegenden Ziele des [X.] über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 bildet. In der Rechtsprechung des [X.] ist daher anerkannt, daß die [X.] nur in Ausnahmefällen eine Rolle spielen kann (vgl. z.B. [X.] NJW 1989, 663, 664; 1997, 1061, 1062; 2000, 1853, 1854; 2185, 2186). Dies ist der Fall, wenn die Anerkennung oder Vollstreckung der in einem anderen Mitgliedstaat erlassenen Entscheidung gegen einen wesentlichen Rechtsgrundsatz verstieße und deshalb in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zur Rechtsordnung des Vollstreckungsstaates stünde. Damit das Verbot der Nachprüfung der ausländischen Entscheidung auf ihre Gesetzmäßigkeit gewahrt bleibt (vgl. Art. 36, 45 Abs. 2 [X.]), muß es sich bei diesem Verstoß um eine offensichtliche Verletzung einer in der - 5 - Rechtsordnung des Vollstreckungsstaates als wesentlich geltenden Rechts-norm oder eines dort als grundlegend anerkannten Rechts handeln. Dieser Rechtsprechung ist der [X.] gefolgt ([X.], 390, 392 f). Die Vollstreckbarkeit kann nicht schon deshalb versagt werden, weil die ausländi-sche Entscheidung in einem Verfahren erlassen worden ist, das von [X.] des [X.] abweicht. Ein Versagungsgrund ist vielmehr nur dann gegeben, wenn das Urteil des ausländischen Gerichts aufgrund eines Verfahrens ergangen ist, das von den Grundprinzipien des [X.] Verfahrensrechts in einem solchen Maße abweicht, daß es nicht als in einem geordneten, rechtsstaatlichen Verfahren ergangen angesehen werden kann ([X.], 327, 331; [X.], [X.]. v. 21. März 1990 - [X.], NJW 1990, 2201, 2202 f).

Einen solchen fundamentalen Verfahrensverstoß zeigt die Rechtsbe-schwerde nicht auf. Sie meint, das [X.] hätte den Antrags-gegner darüber aufklären müssen, daß trotz der Niederlegung des Mandats durch seinen [X.] Prozeßbevollmächtigten der Prozeß auch dann "weiterlaufe", wenn er keinen neuen Anwalt mit seiner Interessenwahrnehmung beauftrage. Auch hätte es darauf hinweisen müssen, daß trotz Mandatsnieder-legung auch weiterhin Zustellungen an den bisherigen Prozeßbevollmächtigten vorgenommen würden. Das [X.] Gericht hat jedoch ersichtlich sein Ver-fahren an Art. 85 der [X.] Zivilprozeßordnung orientiert. Diese Vorschrift entspricht § 87 Abs. 1 ZPO. Auch nach [X.] Recht können das Gericht und der [X.] dem bisherigen Prozeßbevollmächtigten gegenüber wirksam handeln, solange das Erlöschen der Vollmacht im Außenverhältnis noch keine Wirksamkeit erlangt hat. Insbesondere müssen alle Zustellungen an ihn erfolgen (§ 172 ZPO). Der Prozeßbevollmächtigte muß die Zustellungen entgegennehmen und die [X.] - unabhängig vom Erlöschen - 6 - nehmen und die [X.] - unabhängig vom Erlöschen der Vertretungsmacht im Innenverhältnis - davon unterrichten (Musielak/[X.], ZPO 4. Aufl. § 87 Rn. 6). Ein Hinweis auf diese Rechtsfolge ist grundsätzlich nicht vorgesehen. Es ist vielmehr Sache der [X.], sich um den Fortgang ihres Prozesses zu kümmern und für ihre weitere Vertretung vor dem ausländischen Gericht zu sorgen (vgl. [X.], [X.]. v. 19. September 1977 - [X.], NJW 1978, 1114, 1115; [X.]. v. 21. März 1990, aaO [X.]; [X.], [X.]. Art. 34 [X.] Rn. 27).

Ob in Einzelfällen aus dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG etwas anderes hergeleitet werden kann (vgl. BVerwG Rpfleger 1983, 116, 117; [X.]/Vollkommer, ZPO 25. Aufl. § 87 Rn. 4; [X.]/v. [X.], 2. Aufl. § 87 Rn. 6), bedarf hier keiner Entschei-dung. Zwar gehört die Beachtung der Grundrechte zum Inhalt der [X.] öffentlichen Ordnung ([X.], 327, 330; 144, 390, 392; Kropholler, [X.]. Art. 34 [X.] Rn. 15; vgl. auch [X.] NJW 2000, 1853, 1854). Jedoch legt die Rechtsbeschwerde schon nicht dar, was der Antragsgegner veranlaßt und insbesondere gegenüber dem [X.] Gericht noch vorgetragen hätte, wenn die von ihm für erforderlich gehaltenen Hinweise erteilt worden wären (vgl. zu dem erforderlichen Vortrag bei einer Gehörsrüge [X.] 28, 17, 19 f; 79, 80, 83 f; [X.], [X.]. v. 11. Februar 2003 - [X.], [X.], 702, 703). Im übrigen würde auch die Ent-scheidung des [X.] nicht auf einem - unterstellten - [X.] beruhen; denn das Beschwerdegericht hat - für den Senat bindend (§ 17 Abs. 2 Satz 2 [X.], § 577 Abs. 2 Satz 4, § 559 ZPO) - festgestellt, daß der Prozeßbevollmächtigte des Antragsgegners diesen und seinen vorinstanz-- 7 - lichen Verfahrensbevollmächtigten trotz Mandatsniederlegung regelmäßig über den [X.] unterrichtet hat.

Auch ein Verstoß gegen den Anspruch auf ein faires Verfahren liegt nicht vor. Anders als in der Entscheidung des Senats vom 29. Juni 2000 ([X.], 390, 391 f) hat das Gericht dem Antragsgegner nicht verwehrt, sich im Verfahren durch einen Rechtsanwalt vertreten zu lassen.

3. Die vom Antragsgegner vertretene Auffassung kommt nach alledem zweifelsfrei nicht in Betracht. Daher besteht entgegen der Anregung der Rechtsbeschwerde keine Veranlassung, den [X.] mit der von ihr aufgeworfenen Rechtsfrage zu befassen. Zwar ist die zitierte Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ er-gangen. Über die Formulierung dieser Vorschrift geht Art. 34 Nr. 1 [X.] aber noch hinaus, indem diese Bestimmung ausdrücklich einen offensichtlichen Widerspruch zum ordre public verlangt. In Fortschreibung der schon bislang geübten zurückhaltenden Auslegung soll damit deutlich gemacht werden, daß der ordre public nur in Ausnahmefällen geltend gemacht werden kann ([X.]. 534/99 S. 24 zu Art. 41 des Entwurfs; Kropholler, aaO Art. 34 [X.] Rn. 4). Auch hat der [X.] schon unter der Geltung des Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ die Anwendung der [X.] auf offensichtli-che Verletzungen wesentlicher Rechtsnormen des Vollstreckungsstaates be-schränkt ([X.] NJW 2000, 1853, 1854).

Eine Abweichung des [X.] von einer Entscheidung des Gerichtshofs macht die Rechtsbeschwerde selbst nicht geltend (§ 16 Abs. 2 Satz 3 [X.]). - 8 - - 9 - II[X.]
Mit der Entscheidung über die Rechtsbeschwerde erledigt sich der [X.] vom 14. Juni 2005 auf Aussetzung der Vollziehung (vgl. § 23 Abs. 2 Nr. 4, § 24 Abs. 2 Nr. 3 [X.]).

[X.] [X.] [X.]

[X.] [X.]

Meta

IX ZB 64/04

23.06.2005

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.06.2005, Az. IX ZB 64/04 (REWIS RS 2005, 2932)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2005, 2932

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