Bundessozialgericht, Beschluss vom 31.07.2019, Az. B 13 R 263/18 B

13. Senat | REWIS RS 2019, 4904

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - hinreichende Bezeichnung des Verfahrensmangels


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 21. Juni 2018 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I. Mit Urteil vom 21.6.2018 hat das [X.] einen Anspruch der Klägerin auf Witwenrente nach ihrem am 13.9.2013 verstorbenen Ehemann S. verneint. Die Ehe wurde am [X.] geschlossen, nachdem die Eheleute bereits von 1972 bis 1975 miteinander verheiratet waren.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim [X.] eingelegt. Sie beruft sich ausschließlich auf Verfahrensmängel (Zulassungsgründe nach § 160 Abs 2 [X.] [X.]).

3

II. Die Beschwerde der Klägerin ist als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 [X.] [X.] keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

4

Die Klägerin macht ausschließlich geltend, die angegriffene Entscheidung des [X.] beruhe auf [X.] (Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 [X.] [X.]), weil sie trotz ausdrücklichen Antrags in der Sitzung vom 21.6.2018 nicht persönlich angehört worden sei. Hierdurch habe das [X.] gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 [X.]) und den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (§ 62 [X.], Art 103 Abs 1 GG) verstoßen.

5

1. Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 [X.] [X.] ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB [X.] Urteil vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - [X.], 81 - Juris RdNr 4; [X.] Urteil vom 24.10.1961 - 6 [X.] 19/60 - [X.], 169 = [X.] [X.] zu § 52 [X.] - Juris RdNr 29). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Zu Grunde zu legen ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des [X.] ([X.] Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - [X.] zu § 162 [X.]; [X.] Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - [X.] 1500 § 160 [X.]3; [X.] Beschluss vom 16.11.2000 - [X.] RA 122/99 B - [X.] 3-1500 § 160 [X.]3 - Juris RdNr 23). Gemäß § 160 Abs 2 [X.] Halbs 2 [X.] kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 [X.] und auf eine Verletzung des § 103 [X.] nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das [X.] ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Daran fehlt es.

6

2. Die Klägerin hat die von ihr allein geltend gemachten Verfahrensmängel - Verletzung der Sachaufklärungspflicht und des rechtlichen Gehörs (§ 103 [X.] bzw § 62 [X.] iVm Art 103 Abs 1 GG) nicht hinreichend bezeichnet. Hierfür fehlt es schon an einer - zumindest knappen - Darstellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts. Vorliegend wird bereits der Gegenstand des Rechtsstreits nicht eindeutig kenntlich gemacht. Nur aufgrund eines Halbsatzes am Ende von Seite 7 der Beschwerdebegründung vom 5.12.2018 sowie des Inhalts anschließend wiedergegebener Rechtsprechung des [X.] lässt sich erahnen, dass es in dem der Beschwerdebegründung zugrundeliegenden Rechtsstreit um die Frage einer sog [X.] und - wie daraus abzuleiten ist - um einen Anspruch auf Witwenrente geht. Ein Verfahrensmangel wird jedoch nur dann iS des § 160a Abs 2 [X.] [X.] hinreichend bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des [X.] möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht (vgl zB [X.] Beschluss vom 16.11.2000 - [X.] RA 122/99 B - [X.] 3-1500 § 160 [X.]3 - Juris RdNr 16 mwN; [X.] Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.]0 RdNr 16 mwN). Demgegenüber ist es nicht Aufgabe des erkennenden [X.]s, sich den maßgeblichen Sachverhalt aus den Akten oder dem angegriffenen Urteil herauszusuchen (vgl [X.] Beschluss vom 31.5.2017 - B 5 R 358/16 B - Juris RdNr 8 mwN; [X.] Beschluss vom [X.] - [X.] R 309/14 B - Juris Rd[X.] f).

7

3. Unabhängig vom Fehlen der erforderlichen Sachverhaltsdarstellung wird der gerügte Verfahrensmangel wegen Verletzung der Amtsermittlungspflicht auch im Übrigen nicht anforderungsgerecht bezeichnet.

8

Die Amtsermittlungspflicht sieht die Klägerin verletzt, weil sie in der letzten mündlichen Verhandlung am 21.6.2018 den Antrag zu Protokoll gestellt habe, "… dass die Klägerin zum Ergebnis der heutigen Beweisaufnahme, insbesondere den drei Zeugenerklärungen in gleicher Angelegenheit persönlich befragt wird". Vor dem Hintergrund der zuvor gemachten Aussagen der Zeugin M. hätte sich das [X.] gedrängt fühlen müssen, sie hierzu konkret anzuhören, und sie aufzufordern, die von der Zeugin erwähnten Eheringe sowie eine Rechnung hierüber vorzulegen. Die Ablehnung des Beweisantrags durch das [X.] sei nicht hinreichend begründet, denn sie beruhe auf einer vorweggenommenen Beweiswürdigung.

9

Mit diesen Darlegungen hat die Klägerin jedoch keinen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag bezeichnet. Denn im sozialgerichtlichen Verfahren ist eine Parteivernehmung auf Antrag oder von Amts wegen nicht vorgesehen, weil § 118 Abs 1 S 1 [X.] nicht auf die §§ 445 ff ZPO verweist (stRspr; vgl [X.] Beschluss vom 27.5.2011 - B 12 KR 79/10 B - Juris RdNr 8; [X.] Beschluss vom 15.8.2018 - [X.] R 387/16 B- Juris RdNr 6). Selbst wenn in eng begrenzten Ausnahmefällen eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht iS des § 103 [X.] bei abgelehnter Parteivernehmung angenommen werden könnte (vgl [X.] Beschluss vom 14.10.2008 - [X.] R 407/08 B - Juris RdNr 18), so genügt der Antrag der bereits vor dem [X.] anwaltlich vertretenen Klägerin jedenfalls nicht den Anforderungen an einen ordnungsgemäßen Beweisantrag iS der § 118 Abs 1 S 1 [X.], § 373 ZPO. Denn ein zu einer Zulassung der Revision führender Beweisantrag kann grundsätzlich nur ein solcher sein, der in prozessordnungsgerechter Weise formuliert ist, das Beweisthema möglichst konkret angibt und insoweit wenigstens umreißt, was die Beweisaufnahme ergeben soll ([X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 18a mwN). Entsprechende Angaben fehlen in der Beschwerdebegründung. Einen auf Inaugenscheinnahme der Eheringe oder Urkundenvorlage (Vorlage der Rechnung für diese Ringe) gerichteten Beweisantrag gestellt zu haben, hat die Klägerin bereits nicht behauptet.

4. Schließlich wird mit der Beschwerdebegründung auch kein Verfahrensmangel wegen Verletzung des Grundsatzes rechtlichen Gehörs den Anforderungen des § 160a Abs 2 [X.] [X.] genügend bezeichnet. Schon aufgrund der fehlenden Darstellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts (so unter 2.) kann der [X.] nicht beurteilen, ob der wegen krankheitsbedingter Abwesenheit der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 21.6.2018 unterbliebene, auf Seite 13 der Beschwerdebegründung wiedergegebene Vortrag, neue Tatsachen enthalten hätte und nicht lediglich eine Wiederholung oder Bekräftigung früheren schriftsätzlichen Vorbringens gewesen wäre. Zudem ist nicht zu erkennen, ob dieser Vortrag - bei Zugrundelegung der insoweit maßgeblichen materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des [X.] (hierzu oben unter 1.) - tatsächlich hätte entscheidungserheblich sein können.

Im [X.] richtet sich das gesamte Vorbringen der Klägerin gegen die vom [X.] vorgenommene Beweiswürdigung. Insoweit gilt jedoch, dass die Einschränkungen des § 160 Abs 2 [X.] Halbs 2 [X.] für die Geltendmachung eines [X.] wegen Verletzung des § 128 Abs 1 S 1 [X.] (freie Beweiswürdigung) auch nicht durch die Berufung auf die vermeintliche Verletzung des Anspruch auf rechtliches Gehör umgangen werden können (vgl [X.] Beschluss vom 18.5.2016 - B 5 RS 10/16 B - Juris RdNr 8 mwN; [X.] Beschluss vom 29.6.2018 - [X.] R 9/16 B - Juris RdNr 10). Dass die Klägerin das Berufungsurteil inhaltlich für unrichtig hält, kann ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl zB [X.] Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - [X.] 4-1500 § 160 [X.] RdNr 4; [X.] Beschluss vom [X.] - 1 BvR 96/10 - [X.] 4-1500 § 178a [X.] RdNr 28 mwN).

5. Von einer weiteren Begründung sieht der [X.] ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 [X.]).

6. Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 [X.] durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

7. [X.] beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 [X.].

Meta

B 13 R 263/18 B

31.07.2019

Bundessozialgericht 13. Senat

Beschluss

Sachgebiet: R

vorgehend SG Berlin, 23. Juni 2016, Az: S 11 R 6815/14

§ 62 SGG, § 103 SGG, § 118 Abs 1 S 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 373 ZPO, § 445 ZPO, §§ 445ff ZPO, Art 103 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 31.07.2019, Az. B 13 R 263/18 B (REWIS RS 2019, 4904)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 4904

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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1 BvR 96/10

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