Bundessozialgericht, Beschluss vom 05.06.2013, Az. B 6 KA 7/13 B

6. Senat | REWIS RS 2013, 5320

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Gegenstand

Kassenärztliche Vereinigung - Disziplinarmaßnahme - Verschuldensfeststellung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des [X.] vom 19. Dezember 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten auch des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5500 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Streitig ist die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme wegen Nichtbeantwortung von Schreiben der [X.] ([X.]) und der Ablehnung vertragsärztlicher Behandlung.

2

Die Klägerin ist seit 1992 als Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten im Bezirk der beklagten [X.] zur kassen- bzw vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Gegründet auf den Vorhalt, sie habe zahlreiche Schreiben der Beklagten nicht beantwortet und außerdem die (Nach-)Behandlung einer Patientin verweigert, die über Schmerzen im Bereich ihrer Operationswunde geklagt habe und der nur die Behandlung als Privatpatientin angeboten worden sei, setzte der [X.] der Beklagten gegen die Klägerin eine Geldbuße von 500 Euro fest (Bescheid vom 18.5.2005). Ihre Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteile des [X.] vom 17.6.2009 und des L[X.] vom 19.12.2012). Das L[X.] hat ausgeführt, die Klägerin habe sowohl durch die Nichtbeantwortung der Schreiben der [X.] als auch durch die Ablehnung der Behandlung der Schmerzpatientin vertragsärztliche Pflichten verletzt. Ein eigenes Verschulden liege auch insoweit vor, als die Behandlungsablehnung durch ihren Ehemann erfolgt sei: Sie müsse sich dessen Verhalten als Mitarbeiter in ihrer Praxis gemäß § 278 Satz 1 BGB zurechnen lassen; zumindest treffe sie ein Organisationsverschulden, weil sie die regelmäßige Kontrolle und Überwachung der bei ihr tätigen Mitarbeiter - insoweit auch ihres Ehemannes - unterlassen habe.

3

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des L[X.] macht die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, eine Abweichung von der Rechtsprechung des B[X.] und Verfahrensmängel geltend.

4

II. Die Beschwerde der Klägerin ist unbegründet.

5

1. Die von der Klägerin geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 [X.] 1 [X.]G) besteht nicht.

6

Eine grundsätzliche Bedeutung setzt voraus, dass eine Rechtsfrage aufgeworfen wird, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl B[X.] [X.] 4-1500 § 153 [X.] Rd[X.] 13 mwN). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt insbesondere dann, wenn die Rechtsfrage durch die vorliegende Rechtsprechung bereits geklärt ist (s zB B[X.] [X.] 4-1500 § 160 [X.] Rd[X.] mwN). Die Klärungsfähigkeit ist nicht gegeben, wenn die aufgeworfene Rechtsfrage nicht im Revisionsverfahren zur Entscheidung anstehen würde (Entscheidungserheblichkeit), und die Bedeutung über den Einzelfall hinaus besteht nicht, wenn die Relevanz der Rechtsfrage auch für weitere Fälle nicht erkennbar ist oder die Rechtsfrage aufgrund besonderer Gestaltung des vorliegenden Rechtsstreits keiner verallgemeinerungsfähigen Beantwortung zugänglich ist (vgl zB B[X.] vom 5.11.2008 - [X.] [X.]/07 B - Rd[X.] 6 iVm 11). Diese Anforderungen sind verfassungsrechtlich unbedenklich (s die [X.] in B[X.] [X.] 4-1500 § 153 [X.] Rd[X.] 13 sowie [X.] [X.] 4-1500 § 160a [X.] Rd[X.] 4 f).

7

Nach diesen Maßstäben sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung nicht gegeben. Die von der Klägerin aufgeworfene - hier sinngemäß verkürzt formulierte - Frage,

        

ob das Verhalten ihres Ehemannes ihr ohne Feststellung eines eigenen Verschuldens zugerechnet werden kann (Beschwerdebegründung [X.] unter [X.] [X.]-16),

ist nicht klärungsfähig (entscheidungserheblich), weil es auf sie nach dem Kontext des Bescheids und auch nach den Ausführungen des L[X.] nicht ankommt. Der [X.] hat in seinem Bescheid zum Ausdruck gebracht, dass er ein eigenes Verschulden der Klägerin auch dann als gegeben ansieht, wenn sie von dem Verhalten ihres Ehemanns nichts wusste; denn jedenfalls "hätte sie dafür Sorge tragen müssen, dass solche vertrags(arzt)rechtswidrigen Handlungen durch das Personal, zu dem hier auch der Ehemann gehörte, unterbleiben" (Bescheid S 3). Damit hat der [X.] darauf abgestellt, dass die Klägerin zumindest ein Organisationsverschulden trifft; darin liegt ein eigenes Verschulden der Klägerin. Diese Argumentation des [X.]es hat das L[X.] übernommen, indem es das Verschulden der Klägerin jedenfalls in Organisationsmängeln sieht (L[X.]-Urteil S 9). Damit haben sowohl der [X.] als auch das L[X.] ein eigenes Verschulden jedenfalls aufgrund von Organisationsmängeln festgestellt. Daher kommt es für die Verschuldensfeststellung nicht auf die Frage an, ob ein eigenes Verschulden auch auf die Zurechnung des Verhaltens ihres Ehemanns gegründet werden kann.

8

Im Übrigen fehlt es bei der Rechtsfrage in der von der Klägerin gewählten konkreten Formulierung auch an der Bedeutung über den Einzelfall hinaus. Denn die Rechtsfrage ist durch den Passus "Verhalten des Ehemannes der Beschwerdeführerin" auf den Einzelfall der Klägerin beschränkt. Fragen der Rechtsanwendung in ganz besonders gelagerten, singulären Konstellationen haben regelmäßig von vornherein keine grundsätzliche Bedeutung.

9

2. Auch die von der Klägerin geltend gemachte Rechtsprechungsabweichung (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 [X.] [X.]G) liegt nicht vor. Entgegen ihrer Ansicht (Beschwerdebegründung [X.] unter [X.] S 16 f) weicht das Urteil des L[X.] nicht von dem Urteil des B[X.] vom 11.9.2002 ([X.] [X.] 36/01 R - [X.] 3-2500 § 81 [X.] 8) ab. Nach diesem Urteil des B[X.] sind in [X.] die Gerichte nicht befugt, ihrerseits an Stelle des [X.]es entscheidungserhebliche Feststellungen, Gewichtungen und Abwägungen nachzuholen (B[X.] aaO [X.] = Juris Rd[X.]3).

Davon ist das L[X.] nicht abgewichen. Es hat keinen mit den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung unvereinbaren Rechtssatz aufgestellt.

Das L[X.] ist im Übrigen auch im Rahmen seiner Rechtsanwendung im Einzelfall nicht von der Aussage des B[X.] abgewichen. Die Ansicht der Klägerin, das L[X.]-Urteil enthalte Feststellungen, die nicht im [X.] enthalten sind, trifft nicht zu: Im [X.] ist nicht nur der Vorwurf des [X.] enthalten; dort heißt es, die Klägerin hätte "dafür Sorge tragen müssen, dass solche vertragsrechtswidrigen Handlungen durch das Personal, zu dem hier auch der Ehemann gehörte, unterbleiben" (Bescheid S 3); dort sind auch die Belastungen der Klägerin durch die schwere Erkrankung ihres Bruders und dessen Tod sowie durch Krankheit und Schwangerschaft ihrer Arzthelferinnen festgestellt, und ist ausgeführt, dass die Klägerin trotz dieser Schwierigkeiten dafür Sorge tragen musste, dass den Angelegenheiten, zu deren Erledigung sie vertragsarztrechtlich verpflichtet ist, Rechnung getragen werden kann (Bescheid [X.] im Absatz "Die betroffene Ärztin hat sich dahingehend eingelassen …"). Das L[X.] hat auch seinerseits nur diese vom [X.] benannten Gesichtspunkte zugrunde gelegt: Es hat zum einen den Vorwurf des [X.] erhoben und zum anderen ausgeführt, dass dieser Vorwurf hier auch bei Berücksichtigung ihrer Belastung mit familiären Problemen berechtigt ist (L[X.]-Urteil S 9). Der Vorhalt der Klägerin, das L[X.] habe "an Stelle des [X.]es" entscheidungserhebliche Feststellungen getroffen, ist somit unbegründet.

3. Die von der Klägerin erhobene Verfahrensrüge (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 [X.] [X.]G) ist ebenfalls unbegründet. Unter diesem Gesichtspunkt macht die Klägerin sinngemäß geltend, das L[X.] hätte wegen des dem [X.] anzulastenden Gehörsverstoßes - aufgrund der versagten Terminsverlegung - den Rechtsstreit an das [X.] zurückverweisen müssen (vgl Beschwerdebegründung [X.] unter [X.] S 17). [X.] trifft dieser Vorhalt nicht zu. Wie das L[X.] ausgeführt hat, ist in § 159 Abs 1 [X.]G normiert, dass das L[X.] die Sache an das [X.] zurückverweisen "kann", wenn das Verfahren des [X.] an einem wesentlichen Mangel leidet. Das L[X.] ist also im Falle eines Verfahrensfehlers des [X.] nicht zur Zurückverweisung verpflichtet, sondern "kann" aus sachlichen Gründen davon absehen. Ein solcher Grund liegt vor, wenn die bisherige Verfahrensdauer schon sehr lang gewesen ist und das Verfahren in der Sache entscheidungsreif ist (so auch L[X.] Urteil S 6 mit Hinweis auf [X.] in [X.]). Bedenken dagegen, dass diese Voraussetzungen hier vorgelegen haben, sind nicht ersichtlich und der Beschwerdebegründung auch nicht zu entnehmen.

4. [X.] beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 [X.]G iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt die Klägerin die Kosten des von ihr erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO).

Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 [X.]G iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 2, § 47 Abs 1 und 3 GKG. Bei Anfechtung von [X.]en ist zunächst der sog [X.] von 5000 Euro zugrunde zu legen (vgl § 52 Abs 2 GKG) und dieser Betrag im Falle einer festgesetzten Geldbuße um deren Betrag zu erhöhen (vgl B[X.] vom 1.2.2005 - [X.] [X.] 70/04 B - [X.] 4-1935 § 33 [X.] 1 Rd[X.] 8 f = Juris Rd[X.] 7 f mwN; B[X.] vom 15.8.2012 - [X.] [X.] 13/12 B - Juris Rd[X.]4).

Meta

B 6 KA 7/13 B

05.06.2013

Bundessozialgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KA

vorgehend SG Hannover, 17. Juni 2009, Az: S 24 KA 228/05

§ 81 Abs 5 SGB 5

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 05.06.2013, Az. B 6 KA 7/13 B (REWIS RS 2013, 5320)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 5320

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