Bundespatentgericht, Urteil vom 08.04.2014, Az. 4 Ni 34/12 (EP)

4. Senat | REWIS RS 2014, 6502

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Gegenstand

Patentnichtigkeitsklageverfahren – "Fettabsaugevorrichtung (europäisches Patent)" – Nichtigkeitsklage, die auf eine unzulässige Erweiterung des Inhalts der Anmeldung gestützt ist - unzulässige Aufnahme eines einschränkenden Merkmals (uneigentliche Erweiterung) – Verteidigung durch Aufnahme einer entsprechenden Schutzrechtserklärung (Disclaimer) - Nichtigerklärung des StreitpatentsWirkungslosigkeit dieser Entscheidung


Leitsatz

Fettabsaugevorrichtung

Anders als beim nationalen Patent führt die auf eine unzulässige Erweiterung des Inhalts der Anmeldung gestützte Nichtigkeitsklage bei einem angegriffenen EP-Patents nach Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst c EPÜ auch dann zur Nichtigerklärung des Streitpatents, wenn die unzulässige Erweiterung in der unzulässigen Aufnahme eines einschränkenden Merkmals besteht (uneigentliche Erweiterung) und der Patentinhaber das Streitpatent auch durch Aufnahme einer entsprechenden Schutzrechtserklärung (Disclaimer) verteidigt.

Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 0 971 754

([X.] 698 00 998)

hat der 4. Senat (Nichtigkeitssenat) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 08. April 2014 durch den Vorsitzenden [X.] sowie die Richterin [X.], [X.]. Univ. Dr. Müller, [X.] und die Richterin Dipl.-Phys. Univ. Zimmerer für Recht erkannt:

[X.] Das [X.] Patent 0 971 754 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] für nichtig erklärt.

I[X.] Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

II[X.] [X.] ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Fettsaugvorrichtung betrifft. Das in französischer Sprache abgefasste Streitpatent mit der Bezeichnung „[X.]“ wird vom [X.] unter der Nummer [X.] 698 00 998 T2 geführt. Es umfasst 9 Patentansprüche, von denen Patentanspruch 1 folgenden Wortlaut hat:

2

1. Appareil de lipo-aspiration comprenant une canule d'aspiration (3) agencée pour aspirer de la graisse sous-cutanée par un orifice (14) d'entrée la canule ayant un axe longitudinal (16) et étant montée sur un organe [X.] (10 11) logé dans un boîtier (2) ledit organe d'entraînement ayant une entrée pourvue pour y connecter une source d'énergie et agencée pour produire un mouvement et le transmettre à ladite canule et le mouvement de la canule comprenant un composant de translation suivant l’axe de la canule caractèrisé en ce que le mouvement de la canule est un mouvement de nutation comprenant un composant de vibration perpendiculaire à l’axe de la canule et le composant de translation suivant l’axe de la canule le composant de translation ayant une amplitude entre 2 mm et 1 cm et un espace (18) étant prevu entre la canule (3) et le boîtier (2) ledit espace étant suffisamment [X.] a permettre au composant de vibration de provoquer la dislocation de la graisse

3

in der [X.] Übersetzung:

4

Fettabsaugvorrichtung, umfassend eine Saugkanüle (3) zum Absaugen von subkutanem Fett durch eine Eingangsöffnung (14), wobei die [X.] eine Längsachse (16) aufweist und mit einem mechanischen Antriebselement (10, 11) verbunden ist, das sich in einem Gehäuse (2) befindet, wobei das Antriebselement eine Öffnung aufweist, die dazu vorgesehen ist, dort eine Energiequelle anzuschließen und geeignet ist, eine Bewegung hervorzurufen und diese an die [X.] zu übertragen, und wobei die Bewegung der [X.] eine Parallelverschiebung entlang der Achse der [X.] umfasst, dadurch gekennzeichnet, dass die Bewegung der [X.] unrund ist, und eine zur [X.]nachse senkrechte Vibration umfasst, und die Parallelverschiebung entlang der [X.]nachse verläuft, wobei die Parallelverschiebung eine Amplitude zwischen 2 mm und 1 cm aufweist, und wobei ein Zwischenraum (18) zwischen der [X.] (3) und dem Gehäuse (2) vorgesehen ist, wobei der Zwischenraum groß genug ist, dass die Vibration die Ablösung des Fetts auslösen kann.

5

Wegen des Wortlauts der unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen Ansprüche 2 bis 9 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.

6

Mit ihrer Nichtigkeitsklage greifen die Klägerinnen das Streitpatent vollumfänglich mit den [X.] der unzulässigen Erweiterung des Inhalts der Anmeldung, der mangelnden Ausführbarkeit und der fehlenden Patentfähigkeit an.

7

Sie machen geltend, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus. Insbesondere sei das Merkmal, dass der Zwischenraum groß genug ist, dass die Vibration die Ablösung des Fettes auslösen kann (Merkmal 1.9.1), in der ursprünglichen Anmeldung nicht enthalten. In dieser werde die Größe des Zwischenraums nicht einmal erwähnt. Eine Größenbeschreibung dahingehend, dass der Zwischenraum groß genug sei, um durch die Vibration das Fett abzulösen, wodurch eine Unterscheidung zwischen einem zur Fettablösung geeigneten und nicht geeigneten Zwischenraum getroffen werde, sei vom ursprünglichen [X.] nicht umfasst.

8

Zudem sei die [X.] nicht ausreichend deutlich und vollständig, dass ein Fachmann die Erfindung ausführen könne; im Streitpatent sei nicht erläutert, wie eine zur [X.]nachse senkrechte Vibration erzeugt und wie die Größe des Zwischenraums ermittelt werde.

9

Der patentgemäße Gegenstand sei auch nicht patentfähig, da er weder neu noch erfinderisch sei. Die Klägerinnen sind der Auffassung, die Priorität der [X.] Patentanmeldung werde im Hinblick auf die Merkmale 1.8.1 und 1.9.1 zu Unrecht beansprucht, so dass die [X.] und [X.] auch zum Stand der Technik nach Art. 54 Abs. 2 und Abs. 3 EPÜ zählten. [X.] stünden jeweils die [X.], [X.], [X.] und [X.] entgegen. Durch eine Kombination der Druckschrift [X.] mit den Druckschriften [X.], [X.] oder [X.] sei der Gegenstand von Patentanspruch 1 des Streitpatents darüber hinaus nahegelegt. Ferner beziehen sich die Klägerinnen auf eine offenkundige Vorbenutzung. Die abhängigen Ansprüche seien ebenfalls weder neu noch erfinderisch.

Mit Schriftsatz vom 18.11.2013 hat der [X.] 4 [X.] eingereicht, die aufgrund des neuen, in der mündlichen Verhandlung am 8.04.2014 gestellten [X.], der einen Disclaimer zu Patentanspruch 1 enthält, zu den [X.] 2 bis 5 umnummeriert worden sind.

Hinsichtlich des Wortlauts von Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 wird auf die Wiedergabe des Antrags des [X.]n verwiesen. Die [X.] 2 bis 5 enthalten in ihrem jeweiligen Anspruch 1 u.a. folgenden Wortlaut:

um die Nutationsbewegung zu erlauben und so dass die Vibration die Ablösung des Fetts auslösen kann.“

Die Klägerinnen berufen sich insgesamt auf folgende Druckschriften:

D1 [X.] 4,735,604

[X.]   [X.] 5,352,194

[X.] EP 0 391 511

D4 [X.] 4,634,420

[X.] FR 2 744 369 (veröffentlicht am 08.08.1997)

[X.] [X.] 5,112,302

[X.] WO 98/40021 (eingereicht am 09.03.1998 und veröffentlicht am 17.09.1998)

D8 [X.] 4,940,468

D9 [X.] 5,242,386

D10 CN 2219093 Y

[X.] WO 89/11883 A1

[X.] 97/49340 A1

Die Klägerinnen beantragen,

das [X.] Patent 0 971 754 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] in vollem Umfang für nichtig zu erklären.

Der [X.] beantragt sinngemäß,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise die Klage abzuweisen, soweit das Patent in der erteilten Fassung unter Hinzufügung folgenden Disclaimers verteidigt wird. Der Wortlaut „wobei der Zwischenraum groß genug ist, dass die Vibration die Ablösung des Fetts auslösen kann“ soll im Patentanspruch in eckige Klammern gesetzt werden und hinzugefügt werden: „Hierbei handelt es sich um eine unzulässige Erweiterung“ (Hilfsantrag 1),

ferner die Klage abzuweisen, sofern das Patent mit den [X.] 2 bis 5 (ehemalige [X.] 1 bis vom 18.11.2013) verteidigt wird.

Der [X.] tritt den Ausführungen der Klägerinnen in allen Punkten entgegen und hält das Streitpatent für bestandsfähig. Hinsichtlich der geltend gemachten unzulässigen Erweiterung vertritt der [X.] die Auffassung, dass auch in der ursprünglichen Anmeldung die Erläuterung der Nutationsbewegung sich auf die „erfindungsgemäße“ Nutationsbewegung beziehe, d.h. für den Fachmann sei klar gewesen bzw. er habe mitgelesen, dass der Zwischenraum so groß sei, dass er zu einer Nutationsbewegung führe, welche das Fett ablöse.

Der Senat hat den Parteien einen frühen gerichtlichen Hinweis nach § 83 Abs. 1 [X.] zugeleitet. Auf den Hinweis vom 13.09.2013 wird Bezug genommen ([X.]. 217 ff. d.A.).

Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien samt Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 08.04.2014 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist begründet, da der geltend gemachte [X.] der unzulässigen Erweiterung, Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 [X.], Art. 138 Abs. 1 Buch[X.] [X.], zur vollumfänglichen Nichtigerklärung des [X.] führt.

1. Der Gegenstand des [X.] betrifft eine Fettabsaugvorrichtung, die eine Absaugkanüle aufweist, die eingerichtet ist, um das subkutane Fett durch eine Eingangsöffnung abzusaugen, wobei die Kanüle eine Längsachse hat und an einem mechanischen Antriebselement angebracht ist, welches einen Eingang zum Anschließen einer Energiequelle hat und eingerichtet ist, um eine Bewegung zu erzeugen und sie an die Kanüle zu übertragen, und wobei die Bewegung der Kanüle einen Translationsanteil entlang der Achse der Kanüle aufwei[X.] (siehe [X.] Übersetzung des [X.] – im Folgenden [X.] - [X.]-17).

[X.] waren in verschiedenen Ausführungen bereits vor dem [X.] des [X.] bekannt. Wie in der Beschreibungseinleitung des [X.] erläutert wird, sind [X.] mit einem mechanischen Antriebselement bekannt, die eine Bewegung erzeugen und eine translatorische Bewegung an die [X.] übertragen. Um die Translationsbewegung dieses Elements zu führen, weisen diese Vorrichtungen eine innere [X.] auf, die in einer äußeren [X.] gleitet (siehe [X.] [X.]-36).

Als Nachteil derartiger im Stand der Technik bekannter Vorrichtungen beschreibt die [X.] unter Hinweis u.a. auf die [X.], [X.] und [X.], dass die Translationsbewegung der inneren [X.] bezüglich der äußeren [X.] bei großer Amplitude von mindestens 1 cm wie bei der [X.] einen gefährlichen Abschabeeffekt erzeuge; bei den bekannten Vorrichtungen komme es entweder zu einem Guillotine-Effekt oder – wie bei der [X.] – zu einem Abschabeffekt oder die Fettabsaugung sei – wie bei der [X.] - nicht wirkungsvoll möglich ([X.] S. 2 Z. 34- [X.]. [X.]; [X.]-12). So komme es bei der [X.] zur Wirkung einer „Guillotine“ oder Schere, das heißt, dass sie ein Abschneiden der Gefäße und der Nerven hervorrufen könne. Dies mache praktisch eine Vollnarkose unbedingt notwendig. Ferner bestehe die Gefahr, dass sich das Fett zwischen die innere [X.] und die äußeren [X.] hineinziehe, was eine Blockade der Translationsbewegung hervorrufen könne. Weiter sei bei Vorhandensein einer doppelten [X.], d.h. einer inneren [X.] und einer äußeren [X.], der Durchmesser der [X.] relativ groß ([X.] [X.] – S.2 Z.9).

Aufgabe der Erfindung, eine Fettabsaugvorrichtung herzustellen, deren Verwendung beträchtlich weniger Verletzungen der Gefäße und der Nerven zur Folge hat, obgleich sie eine mechanische Unterstützung mit einschließt, die erlaubt, das subkutane Fett des Patienten auf wirkungsvolle Weise zu entfernen (siehe [X.] [X.]-7).

Patentanspruch 1 in [X.] Übersetzung und mit hinzugefügter Merkmalsgliederung vor:

1. Fettabsaugvorrichtung,

1.1 umfassend eine Saugkanüle (3) zum Absaugen von subkutanem Fett durch eine Eingangsöffnung (14),

1.2 wobei die [X.] eine Längsachse (16) aufweist und

1.3 mit einem mechanischen Antriebselement (10, 11) verbunden ist, das sich in einem Gehäuse (2) befindet,

1.4 wobei das Antriebselement eine Öffnung aufweist, die dazu vorgesehen ist, dort eine Energiequelle anzuschließen und geeignet ist, eine Bewegung hervorzurufen und diese an die [X.] zu übertragen, und

dadurch gekennzeichnet, dass

1.6 die Bewegung der [X.] unrund ist, und

1.7 eine zur [X.]nachse senkrechte Vibration umfasst, und

1.8 die Parallelverschiebung entlang der [X.]nachse

verläuft,

1.8.1 wobei die Parallelverschiebung eine Amplitude zwischen 2 mm und 1 cm aufweist, und

1.9 wobei ein Zwischenraum (18) zwischen der [X.] (3) und dem Gehäuse (2) vorgesehen ist,

1.9.1 wobei der Zwischenraum groß genug ist, dass die Vibration die Ablösung des Fetts auslösen kann.

Die Patentansprüche 2 bis 9 erteilter Fassung sind jeweils unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogen. Hinsichtlich ihres Wortlauts wird auf die [X.] Bezug genommen.

4. Als für die hier maßgebliche Entwicklung und für die Beurteilung der objektiven Problemstellung berufener Fachmann sieht der Senat einen Ingenieur mit langjähriger Erfahrung in der Entwicklung von [X.], der außerdem jedenfalls einfache medizinische Grundkenntnisse erworben hat und bezüglich der spezifischen medizinischen Probleme mit einem Chirurgen in engem Kontakt steht, mit diesem ggf. ein Team bildet oder diesen ergänzend heranzieht (zum [X.] vgl. [X.], 482 – Pfeffersäckchen; [X.], 41 – Diodenbeleuchtung; [X.], 404 – [X.]; [X.], [X.], v. 7.2.2012). Entgegen der Auffassung der Beklagten ist für die Beurteilung des angesprochenen Fachmanns nicht auf den Anwender der beanspruchten Erfindung, also auf den Arzt bzw. Chirurgen abzustellen, sondern den für die Entwicklungsleistung angesprochenen Fachmann, den Ingenieur, der sich zur Problemlösung insbesondere hinsichtlich der spezifischen medizinischen Probleme und Anforderungen durchaus der Kenntnisse des Chirurgen bedient und dessen Wünsche berücksichtigt.

5. Nach dessen maßgeblichem Verständnis und einer sich am [X.] orientierenden Betrachtung ist zu beurteilen, welche technische Lehre Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist und welcher technische Sinngehalt den Merkmalen des Patentanspruchs im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit zukommt ([X.] Rspr., [X.], [X.]. v. [X.], [X.], GRUR 2002, 515 –Schneidmesser I).

Maßgeblich ist danach der seinem technischen Sinn nach aufzufassende Patentanspruch und ergänzend der [X.] der Patentschrift, soweit dieser Niederschlag in dem betreffenden Patentanspruch gefunden hat (vgl. zur [X.] Rspr. [X.], [X.]. v. 17.04.2007, [X.] – Rn. 30 – Pumpeinrichtung, [X.], 959; [X.], [X.]. v. 26.06.2007, [X.] – [X.], [X.], 145, 147 m. w. N.).

Der Senat legt danach folgendes Verständnis zu Grunde, wobei im Hinblick auf die nach der [X.] maßgebende Begrifflichkeit insoweit auf die [X.] Fassung abgestellt wird, als die Übersetzung sich als ungenau oder nicht eindeutig erwei[X.]

Der Erfindungsgegenstand nach Patentanspruch 1 betrifft eine Fettabsaugvorrichtung, die nach Merkmal 1.1. eine Saugkanüle zum Absaugen von subkutanem Fett und nach Merkmal 1.3 ein in einem Gehäuse befindliches mechanisches Antriebselement umfasst, welches nach Merkmal 1.4. die [X.] in der im kennzeichnenden Teil beschrieben Weise bewegen soll, um durch die erzeugte Vibration die Ablösung des Fetts auszulösen. Als wesentliches Erfindungselement wird hierbei in der Beschreibung auf die Bewegung der [X.] abgestellt, die eine „Nutationsbewegung“ darstellen soll, wie im [X.] näher beschrieben wird ([X.] [X.] [X.] – 33) und deren Übertragung eine Vibration in das abzutragende subkutane Fettgewebe hinein erlauben soll, welches ein leichteres Eintreten des Fetts in die [X.] und eine sichere, wirksame Fettabsaugung ermöglichen soll ([X.] [X.] [X.] – 33). Im Einzelnen bedürfen folgende Merkmale der näheren Erläuterung:

5.1. Fettabsaugung (1., 1.1)

Die gegenständliche Fettabsaugvorrichtung ist danach eine Vorrichtung, die aufgrund der Ausgestaltung und Zweckangabe in 1.1.

1.1

zur Verringerung von subkutanem Fettgewebe mittels Absaugung zumindest geeignet sein muss, ohne auf diesen Zweck gegenständlich beschränkt zu sein (z.B. Senat [X.]. v. 20.11.2012, 4 Ni 36/10).

5.2. Antriebselement (1.3, 1.4)

Das mechanische Antriebselement ist somit nicht die Energiequelle, sondern das Element, das eine Bewegung hervorruft und an die [X.] überträgt.

Im [X.] sind als Ausführungsbeispiel ein Zylinder (10) und [X.] (11) genannt ([X.] [X.], [X.]-9, [X.].1) oder ein Element (20) mit Kolben (22) ([X.] S.10 [X.]-3, [X.] – 8). Es sind jedoch auch andere Antriebselemente vorstellbar, die nur irgendwie eine Bewegung hervorrufen können, die an die [X.] übertragbar ist (z.B. ein Elektromotor).

Als Energiequelle wird in der [X.] Druckgas, elektrischer Strom, magnetische Induktion oder eine unter Druck stehende Flüssigkeit genannt ([X.] [X.] [X.]-9). Weiter weiß der Fachmann, dass Kolben i.d.R. von Motoren angetrieben werden.

Unter einer „Öffnung“ für eine derartige Energiequelle versteht der Fachmann daher einen Stromanschluss, ein Batteriefach, eine Induktionsschnittstelle, einen Druckluftanschluss oder einen Flüssigkeitsanschluss oder auch eine mechanische Verbindung zu einem Motor.

5.3. Bewegung des [X.] (1.4)

Das Merkmal 1.4 gibt lediglich an, dass das Antriebselement eine Bewegung ausführt und diese an die [X.] überträgt. Über die Art der Bewegung (reine Translationsbewegung, Nutationsbewegung, …) macht das Merkmal 1.4 keine Aussage.

Es ist zwischen der Bewegung der [X.], die eindeutig definiert ist (siehe folgender Absatz) und der Bewegung des [X.] zu unterscheiden (Merkmal 1.4: „

5.4. Bewegung der Kanüle (1.5, 1.6, 1.7, 1.8, 1.8.1)

5.4.1 Die Merkmale 1.5-1.8 bestimmen die Bewegung der [X.], die in der maßgeblichen [X.] zur Kennzeichnung von Merkmal 1.6. als „

Der in der [X.] Übersetzung zu Merkmal 1.6 verwendete Begriff „unrund“ findet dagegen im [X.]n Text keine Entsprechung und geht im Übrigen auch nicht über die auch der [X.]n Fassung entsprechenden Merkmale 1.7 und 1.8 hinaus.

5.4.2 Die dem [X.] zugrundeliegende Definition einer Nutationsbewegung entspricht allerdings nicht der physikalisch korrekten Definition (Kreiselbewegung siehe [X.] bis [X.]), sie ist jedoch nach dem Inhalt der gesamten Patentschrift und insbesondere nach dem mit der offenbarten technischen Lehre verfolgten Zweck auszulegen und bildet ihr eigenes Lexikon ([X.], [X.]. v. 2.3.1999, [X.], [X.], 909, – Spannschraube; [X.]. 2000, 105, – Extrusionskopf).

Abbildung

[X.]ur 5 zeigt nach Angaben des [X.] ([X.] [X.] [X.]) schematisch, die auf die [X.] übertragene Nutationsbewegung:

Für das in [X.]. 5 dargestellte Ausführungsbeispiel mit der [X.]nlänge von ca. 25 cm bedeutet die Nutationsbewegung,

Eine Nutationsbewegung im Sinne des [X.] ist jedoch nicht auf eine Kreisbewegung eingeschränkt, sondern es ist eine beliebige Bewegung mit Längs-(Translations-) und Quer-(Vibrations-)anteil ([X.] [X.] [X.]7-19).

5.5. Amplitude der Parallelverschiebung/senkrechte Vibration (1.8.1)

Amplitude auf.

Querbewegung ([X.] senkrecht zur Achse) ist der Begriff Amplitude eindeutig am Beispiel von [X.].5 als halber Gesamthub definiert (vgl. [X.] [X.] [X.]-27):

Translationsbewegung gibt die [X.] keine Definition der Amplitude vor, sondern lediglich die Größenordnung wie sie auch beansprucht ist (vgl. [X.] [X.] [X.]0-15):

Gesamthub der Translationsbewegung der doppelten Amplitude entspricht, also zwischen 4 mm und 2 cm liegt.

5.6. Zwischenraum (1.9, 1.9.1)

Was im [X.] mit Zwischenraum/freien Raum (18) zwischen der [X.] (3) und dem Gehäuse (2) gemeint ist, offenbart beispielhaft [X.]. 4 und die dazugehörige Beschreibung (vgl. DE [X.] [X.] [X.]-35: „

Abbildung

In [X.]ur 4 ist mit Bezugszeichen 18 ein freier Raum (weites [X.]) für eine Bewegung in Längs- und Querrichtung offenbart.

Auf eine derartige Ausgestaltung ist der Patentanspruch jedoch nicht festgelegt. Denn der Zwischenraum muss nach dem Wortlaut nicht zwangsläufig dadurch entstehen, dass sich auch die [X.] – und nicht nur das Antriebselement (M 1.3)  innerhalb des Gehäuses befindet und das Gehäuse ein weites [X.] besitzt. Der Wortlaut des Anspruchs umfasst daher z.B. auch [X.]n, die sich außerhalb des Gehäuses befinden und einen Zwischenraum/Abstand/freien Raum/Spiel zum daneben liegenden – und nicht umschließenden – Gehäuse besitzen.

Die Formulierung des Merkmals 1.9.1. „

II.

Der Senat sieht in dem Merkmal

des Patentanspruchs 1 erteilter Fassung eine zur Nichtigerklärung führende unzulässige Erweiterung des Inhalts der Anmeldung von Patentanspruch 1 wie sie sich in der [X.]/44966 (Anlage [X.]) darstellt (Art. 138 Abs. 1 Buch[X.] [X.] iVm Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 [X.]).

1. Nach Art. 138 Abs. 1 Buch[X.] [X.] iVm Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 [X.] ist das [X.] Patent für nichtig zu erklären, wenn sein Gegenstand über den Inhalt der früheren Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht, was anhand eines Vergleichs des durch die Patentansprüche bestimmten Gegenstands des erteilten bzw. geänderten Patents mit dem Inhalt der ursprünglichen Unterlagen der Anmeldung in ihrer Gesamtheit festzustellen i[X.]

1.1. Maßgeblich für die Beurteilung einer identischen und den Inhalt der Anmeldung nicht erweiterten [X.] ist danach das Verständnis des Fachmanns zum Zeitpunkt der Patentanmeldung. Dieser muss den Gegenstand des erteilten Patentanspruchs identisch dem Inhalt der [X.] der gesamten Anmeldeunterlagen als zur angemeldeten Erfindung gehörig entnehmen können. Für die Beurteilung sind hierbei die auch für die Neuheitsprüfung und Prüfung der wirksamen Priorität geltenden Anforderungen einer unmittelbaren und eindeutigen [X.] anzuwenden ([X.] Rspr. [X.], [X.]. v. 14.10.2003, [X.] = GRUR 2004, 133, 135 - Elektronische Funktionseinheit; [X.]. v. 30.1.2008, [X.] 107/04 = GRUR 2008, 597 – [X.]). Deshalb zählen nicht dazu auch weitergehende, den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmende Erkenntnisse, die der Fachmann auch nicht als selbstverständlich mitliest, sondern zu denen er durch Ergänzung der [X.] aufgrund seines allgemeinen Fachwissens oder durch Abwandlung der offenbarten Lehre gelangen kann ([X.] [X.]. v. 16.12.2008, [X.] 89/07 = [X.], 382 – Olanzapin; [X.], 910, 916 – [X.] Dokument), auch wenn sie ihm geläufig (Senat [X.]. v. 10.1.2012, 4 Ni 6/11 = GRUR 2013, 165 – Traglaschenkette).

Der [X.] ([X.]. v. 11.2.2014, [X.] 107/12 = [X.], 542 – Kommunikationskanal) hat hierbei im Zusammenhang mit der Frage der Zulässigkeit von Verallgemeinerungen ursprungsoffenbarter Ausführungsbeispiele in seiner jüngsten Rechtsprechung herausgestellt, dass das Erfordernis der identischen [X.] hierbei in einer Weise anzuwenden ist, die berücksichtigt, dass die Ermittlung dessen, was dem Fachmann als Erfindung und was als Ausführungsbeispiel der Erfindung offenbart wird, wertenden Charakter hat, und eine unangemessene Beschränkung des Anmelders bei der Ausschöpfung des [X.]s der Voranmeldung vermeidet. Soweit in der Anmeldung bereits Ansprüche formuliert sind, haben diese vorläufigen Charakter. Erst im Verlauf des sich anschließenden Prüfungsverfahrens ist herauszuarbeiten, was unter Berücksichtigung des Standes der Technik schutzfähig ist und für welche Ansprüche der Anmelder Schutz begehrt. Erst mit der Erteilung des Patents mit bestimmten Ansprüchen erfolgt eine endgültige Festlegung des Schutzgegenstands.

1.2. Diesen Grundsätzen entsprechend enthält Patentanspruch 1 mit dem Merkmal 1.9.1 eine gegenüber dem Inhalt der Anmeldung unzulässig erweiterte Lehre dahingehend, dass der Zwischenraum in einen Wirkzusammenhang mit dem [X.] und einem erstmals einbezogenen Leistungserfolg, der Ablösung des Fettes, gesetzt wird (siehe [X.]), während in der Anmeldung zu [X.].4 nur ausgeführt wird, dass ein Zwischenraum vorhanden ist, um die Nutationsbewegung zu erlauben (vgl. [X.] [X.] [X.]-2: „[X.], [X.], tel...“; Patentschrift [X.] 33-35 „Um die Nutationsbewegung zu erlauben, ist zwischen der [X.] und dem Griff eine freier Raum 18 vorgesehen, wie in [X.]. 4 dargestellt ist…“).

Hierdurch wird kein unmittelbarer Beziehungszusammenhang zwischen Zwischenraum und Nutrationsbewegung und insbesondere dem insoweit enthaltenen [X.] hergestellt, der ursprünglich nicht als zur Erfindung gehörend offenbart war. In der Beschreibung der [X.] wie auch der [X.] ist zwar auch erläutert, dass die Vibration der [X.] die Ablösung des Fetts bewirkt (vgl. [X.] S. 9 Z. 8- 11 „[X.] directement à la graisse ce qui la fait dissocier, disloquer ou éclater et la bat pour ainsi dire en mousse ce qui lat fait entrer facilement das [X.], …“; [X.] [X.] [X.]-5

Allerdings wird in der Beschreibung der [X.] und des [X.] kein weiterer Zusammenhang zwischen dem freien Raum 18 und einer wirksamen Fettabsaugung hergestellt, sondern die Beschreibung der [X.] geht ausschließlich ausführlich auf die Bedeutung des [X.] und der zu wählenden Amplitude des [X.]s am Ende der [X.] für eine wirksame und schonende Fettabsaugung ein, wenn es heißt

de nutation Nutationsbewegung

composant de vibration

den [X.] nicht in den Anmeldeunterlagen nach [X.].

[X.] völlig unberücksichtigt bleiben und es ist nur eine Translation berücksichtigen, so dass der Kolben zum Vor- und Rückschub in der Lage ist, der für die Nutationsbewegung maßgebliche [X.] am Ende der Kanüle sich aber ohne Rücksicht auf den Zwischenraum ausschließlich oder im Wesentlichen aus den weiteren Bedingungen, wie Art und Länge der Kanüle, ergäbe.

Für ein insoweit eingeschränktes und einen Wirkzusammenhang zwischen Zwischenraum und Nutrationsbewegung, insbesondere den [X.], einbeziehendes Verständnis des angesprochenen Fachmanns fehlt in den Anmeldeunterlagen ([X.]) jeglicher Hinweis, wie auch aus dem in der genannten Aufgabe zum Ausdruck kommenden Erfindungsgedanken ([X.] [X.]. v. [X.], [X.] = [X.], 602 – Gelenkanordnung) sich ein derartiges einschränkendes Verständnis nicht ergibt.

einer Nutationsbewegung als solche auf Seite 8 der Beschreibung der [X.] und der Annahme, der Fachmann werde dem bereits den allein technisch sinnvollen Informationsgehalt entnehmen, dass der freie Raum nicht irgendeine, sondern eine erfindungsgemäße, zur Ablösung des Fetts geeignete Vibration erlaubt.

Somit ist der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag unzulässig erweitert und hat keinen Bestand.

[X.]

Soweit der Beklagte mit Hilfsantrag 1 die hilfsweise Aufrechterhaltung des [X.] mit dem im Patentanspruch 1 eingefügten folgenden Disclaimer beantragt hat:

kann dies der Nichtigerklärung des [X.] nicht entgegenstehen, da sich bereits eine derartige beschränkte Verteidigung des [X.] als unzulässig erwei[X.]

1. Vorliegend erscheint fraglich, ob die vorliegende Erweiterung des Inhalts der Anmeldung sich als unzulässig erweist, weil der Gegenstand der Lehre nach Patentanspruch 1 sich gegenüber dem Inhalt der Anmeldung als Beschränkung darstellt oder ob sich die Einfügung des ursprünglich nicht offenbarten Merkmals 1.9.1 derart auf den Inhalt der geschützten Lehre auswirkt, dass diese eine andere Erfindung als diejenige der ursprünglichen Anmeldung, damit ein aliud zum Gegenstand hat, und deshalb auch nach der Rechtsprechung des [X.]s nicht mehr als Beschränkung angesehen werden kann ([X.] [X.]. v. 21.6.2011, [X.] 43/09 = GRUR 2011, 1003 – Integrationselement; [X.]. v. 6.08.2013, [X.] = GRUR 2013, 1135 – Tintenstrahldrucker). Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der schillernde Begriff des „aliuds“ (Keukenschrijver/Busse [X.], 7. Aufl., § 38 Rdn. 19) nicht nur Gegenstände erfasst, die zum ursprünglich offenbarten Gegenstand in einem Ausschließlichkeitsverhältnis stehen („exklusives aliud“), sondern ein aliud bereits dann vorliegen soll, wenn die Veränderung einen technischen Aspekt betrifft ([X.] GRUR 2011, 1003 – Integrationselement).

Im vorliegenden Fall spricht im Übrigen viel dafür, dass das Merkmal 1.9.1 die ursprünglich offenbarte technische Lehre nur konkretisiert und damit einschränkt, nicht jedoch einen anderen technischen Aspekt anspricht, welche die ursprüngliche Lehre zu einer anderen technischen Lehre macht, da sich die Ausgestaltung der Fettabsaugvorrichtung nur als spezieller erweist, ohne dass deren Wirkungsweise und das wesentliche Konstruktionsprinzip verändert werden. Hierfür spricht auch, dass die Aufnahme von Merkmal 1.9.1 nicht zu einer Verschiebung des sich aus Art. 64 EPÜ, §§ 9, 10 [X.] ergebenden Schutzumfangs führen dürfte, sondern diesen nur im Hinblick auf die konkretisierte Ausgestaltung des Zwischenraums beschränkt. Dies kann letztlich jedoch dahin gestellt bleiben, weil sich auch in diesem Fall das Patent als nicht bestandsfähig erwei[X.]

2. Der Senat sieht vorliegend in Abweichung zur Rechtsprechung bei nationalen Patenten und der insoweit maßgeblichen Gesetzeslage nach dem [X.] keine Möglichkeit, die mit der uneigentlichen Erweiterung des [X.] verbundene Annahme einer unentrinnbaren Falle im Hinblick auf Art. 123 Abs. 2 und Abs. 3 EPÜ zu verneinen und das [X.] in der hilfsweise eingeschränkten Fassung mit einem sog. Rettungsdisclaimer zu erhalten.

a. Insoweit kann letztlich dahinstehen, ob es überhaupt eines Disclaimers als Ausdruck eines auf eingeschränkte Verteidigung gerichteten Willens und Antrags des [X.] und einer beschränkten Verteidigung des Patentanspruchs bedarf oder ob - der Rechtsauffassung des [X.]s folgend - ein Disclaimer zwar zulässig, aber nicht als erforderlich anzusehen ist und auch im Patentanspruch keinen Ausdruck finden muss, weil das nicht offenbarte einschränkende Merkmal im Anspruch verbleiben kann, bei der Prüfung der Patentfähigkeit aber jedenfalls insoweit außer [X.] zu lassen ist, als es nicht zur Stützung der Patentfähigkeit herangezogen werden darf. Allerdings sieht der Senat die insoweit vom [X.] vertretene Ansicht nur dann als folgerichtig an, wenn sie bereits Ausdruck eines einschränkenden Verständnisses der Tatbestandsvoraussetzungen des [X.]es der unzulässigen Erweiterung des Inhalts der Anmeldung ist, so dass diese Vorgehensweise und Prüfung auch von Amts zu erfolgen hat und es keines hierauf gerichteten Willens zur eingeschränkten Verteidigung oder Antrags des [X.] bedarf.

b. Danach wären die Erwägungen des [X.]s bereits im Rahmen des [X.] zu berücksichtigen, auf einen Hilfsantrag und entsprechenden Verteidigungswillen des [X.] käme es nicht an. Für ein derartiges Verständnis der Spruchpraxis des [X.]s und deshalb für eine teleologisch orientierte Begrenzung bereits des Anwendungsbereichs von § 21 Abs. 1 [X.] spricht, dass der [X.] hinsichtlich des Gesetzeswortlauts auf allgemeine Auslegungskriterien zurückgreift um die Frage zu beantworten, ob der hier maßgebliche Fall zwingend zum vollständigen Widerruf führt oder ob den berechtigten Belangen der Öffentlichkeit nicht dadurch Genüge getan ist, dass - wie sich aus § 38 Satz 2 [X.] ergibt - aus der Änderung Rechte nicht hergeleitet werden können ([X.] [X.]. v 21.10.2010, [X.] = GRUR 2011, 40 - [X.]).

3. Für eine derartige einschränkende Anwendbarkeit des [X.]s der unzulässigen Erweiterung des Inhalts der Anmeldung oder für eine Disclaimerlösung sieht der Senat im Rahmen der hier für das EP-[X.] nach Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 [X.] anwendbaren Bestimmung des Art. 138 Abs. 1 Buch[X.] [X.] keinen Raum.

a. Eine bloße Streichung des einschränkenden Merkmals würde, sofern man den Tatbestand des Art. 138 Abs. 1 Buch[X.] [X.] iVm Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 [X.] als erfüllt ansieht, aufgrund des hierdurch erweiterten Schutzbereichs gegen den [X.] des Art. 138 Abs. 1 Buch[X.] d EPÜ iVm Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 4 [X.] verstoßen. Eine Lösung dieses, auch als unentrinnbare Falle bezeichneten, Konflikts ist weder im [X.] noch im EPÜ vorgesehen.

b. Die [X.] des [X.] ([X.], Entscheidung vom 2. Februar 1994 – [X.], [X.]. [X.] 1994, 541 = GRUR Int 1994, 842 – [X.] Merkmal/Advanced Semiconductor Products) sieht sich deshalb auch unter Berücksichtigung der für den Patentinhaber entstehenden Härte im Hinblick auf den verbindlichen Charakter von Art. 123 Abs. 2 und 3 EPÜ an der grundsätzlichen Zulassung von [X.] gehindert, sofern nicht ausnahmsweise bereits eine tatbestandsgemäße Erweiterung ausscheidet, weil das betreffende Merkmal keinen technischen Beitrag zum Gegenstand der beanspruchten Erfindung leistet oder weil dieses durch andere (engere) Merkmale zulässig ersetzt werden kann. Daraus ergibt sich aber auch, dass ein Disclaimer, der für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit oder der ausreichenden [X.] iSv Art. 83 EPÜ relevant ist oder wird, eine nach Art. 123 Abs. 2 EPÜ unzulässige Erweiterung darstellt (Singer/[X.]/[X.], EPÜ, 6. Aufl., Art. 123 Rdn. 60; 123 ff).

c. Der [X.] (GRUR 2011, 40 – [X.]) hat demgegenüber für das [X.] betreffend ein nationales Patent darauf abgestellt, dass weder aus § 21 Abs. 1 Nr. 4 noch aus § 22 Abs. 1 [X.] abgeleitet werden könne, dass ein Patent stets zu widerrufen sei, wenn sein Gegenstand gegenüber dem Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen durch Aufnahme eines darin nicht offenbarten Merkmals eingeschränkt worden sei. Aus den genannten Vorschriften ergebe sich zwar, dass das Gesetz dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes gegenüber der Öffentlichkeit hohes Gewicht einräume. Gemäß § 21 Abs. 2 [X.] sei diesem Interesse aber schon dann hinreichend Rechnung getragen, wenn ein Verstoß gegen eines dieser Verbote durch eine entsprechende Beschränkung des Patents rückgängig gemacht werde. Dies könne etwa dadurch geschehen, dass das nicht offenbarte einschränkende Merkmal im Anspruch verbleibe, bei der Prüfung der Patentfähigkeit aber jedenfalls insoweit außer [X.] zu lassen sei, als es nicht zur Stützung der Patentfähigkeit herangezogen werden dürfe. Schon damit sei sichergestellt, dass das Merkmal für die Bestimmung des Schutzbereichs maßgeblich bleibe, der Rechtsbestand des Patents aber nicht auf technische Anweisungen gestützt werde, die in der Anmeldung als nicht zur Erfindung gehörend offenbart seien. Eines Widerruf bzw. einer Nichtigerklärung bedürfe es in dieser Konstellation folglich nicht ([X.], Beschluss vom 5. Oktober 2000, [X.] 184/98, [X.], 140, – Zeittelegramm).

In seiner Entscheidung „[X.]“ hat der [X.] seine abweichende Ansicht der Auffassung der [X.] des [X.] gegenübergestellt und ist zu dem Schluss gelangt, dass für das Einspruchsverfahren betreffend ein nationales Patent die Auffassung der [X.] des [X.] trotz der weitgehend gleichgelagerten Regelungen der §§ 21 Abs. 1 Nr. 4, 22 Abs. 1 [X.] und der Art. 100 Buch[X.] c, Art. 138 Abs. 1 Buch[X.] d EPÜ nicht zu übernehmen sei. Dem von der [X.] herangezogenen Gesichtspunkt des verbindlichen Charakters von Art. 123 Abs. 2 und Abs. 3 EPÜ komme jedenfalls für das [X.] Recht keine ausschlaggebende Bedeutung zu, wie auch Art. 123 Abs. 2 und Abs. 3 EPÜ den Lösungsweg über einen Disclaimer nicht kategorisch ausschlössen. Auch der [X.] hat in seiner Entscheidung „[X.]“ zum [X.] keine abweichende Auffassung vertreten, sondern ist ausdrücklich nur für den Anwendungsbereich von §§ 21 und 22 [X.] der Auffassung der [X.] nicht beigetreten. Der [X.] hat u.a. zur Begründung darauf hingewiesen, dass er sich an einer abweichenden Lösung im Hinblick auf den verbindlichen Charakter von Art. 123 Abs. 2 und Abs. 3 EPÜ jedenfalls für das [X.] Recht nicht gehindert sieht, welches im [X.] keine entsprechende Regelung aufwei[X.] Über die vorliegende Konstellation hatte der [X.] bisher nicht zu entscheiden.

4. Der Senat sieht anders als beim nationalen Patent bei dem verfahrensgegenständlichen [X.] angesichts der Regelung des Art. 123 Abs. 2 und Abs. 3 EPÜ keine Möglichkeit zum Erhalt des [X.] durch einschränkende Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen von Art. 138 Abs. 1 Buch[X.] [X.] iVm Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 [X.] oder durch Aufnahme eines Disclaimers, so dass sich auch der von dem Beklagten verfolgte Hilfsantrag 1 als unzulässig erwei[X.]

a. Der Umstand, dass eine unentrinnbare Falle zu einer großen Härte für den Patentinhaber führen kann, rechtfertigt nicht ohne weiteres eine die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 138 Abs. 1 Buch[X.] [X.] einschränkende Auslegung bzw. korrigierende Anwendung im Hinblick auf die Regelungen der Art. 123 Abs. 2 und Abs. 3 EPÜ, die ausdrücklich bestimmen, dass Patentansprüche nicht in der Weise geändert werden dürfen, dass ihr Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht oder dass der Schutzbereich erweitert wird, und die sich nicht darauf beschränken, dass aus der unzulässigen Änderung nur keine Rechte hergeleitet werden können und den berechtigten Belangen der Öffentlichkeit bereits dadurch Genüge getan i[X.]

Insoweit hält der Senat die in Rechtsprechung in Literatur angeführten Gründe, welche sich auch in Fällen vorliegender Art den Erhalt des Patentanspruchs aussprechen, nicht für durchgreifend, soweit diese auf eine Interessenkollision und darauf hinweisen, dass es im Ergebnis nicht gerechtfertigt erscheine, den [X.] die Interessen der Öffentlichkeit unterzuordnen. Insoweit hat auch die [X.] darauf hingewiesen, dass sich der vorliegende Fall einer unzulässigen Einschränkung die Lehre offensichtlich im Hinblick auf die Rechtssicherheit für Dritte grundlegend unterscheidet von anderen Fällen. Dritte, die sich auf die Anmeldung in der eingereichten und veröffentlichten Fassung verlassen haben und sich einem erteilten Patent gegenübersehen, das keinen breiteren, sondern einen engeren Schutzbereich hat als erwartet, werden hierdurch in ihrer Tätigkeit nicht behindert (kritisch [X.] in Singer/[X.], EPÜ, 6. Aufl. Art 123 Rdn. 126).

b. Als entscheidend gegen den Erhalt des Patent sprechend sieht der Senat vielmehr die ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmungen des Art. 123 Abs. 2 und Abs. 3 EPÜ, die nach den Ausführungen der [X.] voneinander unabhängig sind und deren Auslegung nicht im Einklang mit ihrem verbindlichen Charakter steht, wenn Artikel 123 Abs. 2 EPÜ je nach Lage des Einzelfalls als gegenüber Artikel 123 Abs. 3 EPÜ nachrangig angewendet wird. Die Absätze 2 und 3 des Artikels 123 EPÜ erscheinen vielmehr voneinander unabhängig.

Auch ist in keiner der Bestimmungen des EPÜ vorgesehen oder zugelassen, dass in die Beschreibung eines bestimmten Patents eine Erklärung aufgenommen wird, welche Rechte aus dem Vorhandensein eines bestimmten technischen Merkmals in einem Anspruch des Patents hergeleitet werden können ([X.] GRUR Int 1994, 842), wenn auch insoweit anzumerken ist, dass die Aufnahme von [X.] zur Begründung der Neuheit gesetzlich nicht vorgesehen, aber nach der Rechtsprechung der [X.] als zulässig angesehen wird ([X.] G 1/03, [X.]/03).

4.3. Der Senat sieht im Ergebnis die in der Literatur geäußerte Kritik [X.] [X.], 9. Aufl., § 21 Rdn. 67, m.w.H.), diese zur unentrinnbaren Falle führende Interpretation lasse einen ausgewogenen Ausgleich der berechtigten Interessen von Öffentlichkeit und Patentinhaber vermissen, deshalb zwar als nachvollziehbar, aber nicht ausreichend an, sich über die in Art. 123 Abs. 2 und Abs. 3 EPÜ zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Willen gleichrangiger Verbote im Wege richterlicher Rechtsfortbildung hinwegzusetzen und zudem entgegen der Rechtsauffassung der [X.] als zu beachtende gewichtige rechtliche Stellungnahme ([X.] [X.]eil vom 15.04.2010, [X.]/09 = [X.], 950 – [X.]) allein auf ein ausgewogeneres Ergebnis abzustellen, zumal bei der [X.] entgegen ursprünglichen Absichten der Problemkreis ausgeklammert worden ist [X.], [X.], 9. [X.] 21 Rdn. 67, m.w.H.) und deshalb der Lückenschließung durch richterliche Rechtsfortbildung insoweit Grenzen gesetzt sind als der Gesetzgeber diese stillschweigend billigt ([X.] 128, 193).

IV.

Auch die weiteren Hilfsanträge 2 bis 5 des Beklagten führen nicht zum Erfolg, da sämtliche danach verteidigten Patentansprüche ihrem Inhalt nach das unzulässig erweiterte Merkmal 1.9.1 enthalten.

Damit somit das Patent aufgrund Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 3 [X.], Art. 138 Abs. 1 Buch[X.] [X.] zu widerrufen war, bedarf es keiner Erörterung der weiteren, von den Klägerinnen geltend gemachten Nichtigkeitsgründe fehlender Patentfähigkeit und Ausführbarkeit nach Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 [X.].

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 [X.] i.V.m. § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 [X.] i.V.m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.

Meta

4 Ni 34/12 (EP)

08.04.2014

Bundespatentgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: Ni

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Urteil vom 08.04.2014, Az. 4 Ni 34/12 (EP) (REWIS RS 2014, 6502)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6502

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