Bundessozialgericht, Beschluss vom 31.03.2017, Az. B 12 KR 28/16 B

12. Senat | REWIS RS 2017, 13021

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - Verfahrensmangel - Zurückweisung der Berufung durch Beschluss vor Ablauf der Anhörungsfrist - absoluter Revisionsgrund - Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter


Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision wird der Beschluss des [X.] vom 11. Februar 2016 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

I. In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit wendet sich der Kläger gegen die Erhebung des kassenindividuellen Zusatz([X.])beitrags in Höhe von 8 Euro monatlich (§ 242 [X.]) durch die beklagte Krankenkasse im Zeitraum vom [X.] bis 28.2.2012.

2

Mit Verfügung vom 11.1.2016 wies der Vorsitzende des 4. Senats des [X.] die Beteiligten auf die Möglichkeit des vereinfachten Verfahrens nach § 153 Abs 4 [X.] sowie dessen Voraussetzungen hin, teilte mit, dass der Senat diese Voraussetzungen für gegeben halte und gab Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu bis zum 20.2.2016. Die Anhörungsmitteilung wurde dem Kläger am [X.] zugestellt. Das [X.] hat mit Beschluss vom 11.2.2016, zugestellt am 17.2.2016, die Berufung des [X.] gegen das seine Klage abweisende erstinstanzliche Urteil vom 16.5.2013 zurückgewiesen. Der Kläger hatte sich zuvor nicht geäußert.

3

Der Kläger rügt mit der Nichtzulassungsbeschwerde ua die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (§§ 62, 153 Abs 4 [X.] [X.], Art 103 Abs 1 GG), weil das [X.] vor Ablauf der von ihm (selbst) gesetzten [X.] (20.2.2016) entschieden habe (11.2.2016).

4

II. 1. Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Der Kläger macht zu Recht einen Verfahrensmangel geltend, auf dem der angefochtene Beschluss auch beruht (§ 160 Abs 2 [X.] [X.]). Das [X.] hat gegen das Recht des [X.] auf [X.] (Art 101 Abs 1 [X.] GG) verstoßen, weil es am 11.2.2016 gemäß § 153 Abs 4 S 1 [X.] durch Beschluss entschieden hat, obwohl die von ihm gesetzte, erst am 20.2.2016 endende Frist zur Stellungnahme noch nicht abgelaufen war und der Kläger sich auch nicht bereits abschließend in der Sache geäußert hatte.

5

a) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig. Die fristgerecht eingelegte Beschwerde genügt den Anforderungen des § 160a Abs 2 S 3 [X.], denn sie bezeichnet substantiiert Tatsachen (grundlegend etwa BSG Beschluss vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - [X.] 1500 § 160a [X.]6), aus denen sich ein Verstoß gegen § 153 Abs 4 [X.] [X.] ergeben kann.

6

b) Die Beschwerde ist auch begründet, denn die gerügte Verletzung des § 153 Abs 4 [X.] [X.] liegt vor.

7

Zwar hat das [X.] den Kläger unter dem 11.1.2016 darauf hingewiesen, dass es in Betracht ziehe, dessen Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung (und ohne Beteiligung [X.]) zurückzuweisen. Diese Anhörungsmitteilung hat den prozessrechtlichen Anforderungen entsprochen (vgl [X.], NVwZ 2016, 806, 809; [X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.], 11. Aufl 2014, § 153 Rd[X.] 19 mwN). Auch war die dem Kläger bis zum 20.2.2016 gesetzte Frist zur Äußerung angemessen.

8

Vor Ablauf der vom Gericht gesetzten [X.] darf das Gericht aber grundsätzlich nicht entscheiden (BSG Beschluss vom 12.10.2016 - [X.] [X.] 48/16 B - Juris Rd[X.]; Beschluss vom 17.4.2012 - [X.]3 R 61/12 B - Juris Rd[X.] 8; Beschluss vom [X.] - B 5 R 386/07 B - [X.] 4-1500 § 153 [X.] Rd[X.] 12, unter Hinweis auf [X.] Beschluss vom 24.10.1991 - 1 BvR 604/90 - Juris; auch BSG Urteil vom 11.5.1995 - 2 [X.] 43/94 - HVBG-Info 1995, 2372; [X.], NVwZ 2016, 806, 811). Ausnahmsweise muss es den Ablauf der von ihm gesetzten, angemessenen Frist zur Stellungnahme dann nicht abwarten, wenn ein Beteiligter sich vor Fristablauf abschließend in der Sache geäußert hat und weitere Stellungnahmen nach Lage der Dinge nicht zu erwarten sind (vgl - zu § 105 [X.] - Roller in HK-[X.], 5. Aufl 2017, § 105 Rd[X.] 8; [X.] in [X.], [X.], Stand April 2010, § 105 Rd[X.] 51). - Diese Maßgaben hat das [X.] ersichtlich nicht beachtet.

9

Weil das [X.] vor Ablauf der von ihm gesetzten [X.] entschieden hat, liegt eine Verletzung des § 153 Abs 4 [X.] [X.] vor. Der darin liegende Anhörungsmangel ist ein absoluter Revisionsgrund (§ 202 S 1 [X.] iVm § 547 [X.] 1 ZPO), bei dem das Beruhen der Entscheidung auf dem Verfahrensfehler vermutet wird. Denn der Verfahrensfehler führt nicht nur zu einer Verletzung des Anspruchs des [X.] auf rechtliches Gehör (§§ 62, 153 Abs 4 [X.] [X.], Art 103 Abs 1 GG), sondern auch zu einer unvorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts (nur mit Berufsrichtern) und damit zu einer Verletzung des Rechts des [X.] auf [X.] (Art 101 Abs 1 [X.] GG; BSG Beschluss vom 17.11.2015 - [X.] KR 65/15 B - Juris Rd[X.] ff; Beschluss vom 24.2.2016 - [X.]3 R 341/15 B - Juris Rd[X.] 6).

2. Nach § 160a Abs 5 [X.] kann das BSG in dem Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverweisen. Hiervon macht der Senat zur Vermeidung weiterer Verfahrensverzögerungen Gebrauch.

3. Die Kostenentscheidung bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.

Meta

B 12 KR 28/16 B

31.03.2017

Bundessozialgericht 12. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Lüneburg, 16. Mai 2013, Az: S 16 KR 292/11

§ 62 SGG, § 153 Abs 4 S 1 SGG, § 153 Abs 4 S 2 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 202 S 1 SGG, § 547 Nr 1 ZPO, Art 101 Abs 1 S 2 GG, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 31.03.2017, Az. B 12 KR 28/16 B (REWIS RS 2017, 13021)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 13021

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