Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.02.2011, Az. V ZB 310/10

V. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 9380

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BUNDESGERI[X.]HTSHOF BES[X.]HLUSS [X.]/10 vom 17. Februar 2011 in dem Re[X.]htsstreit Na[X.]hs[X.]hlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: [X.] Art. 103 Abs. 1; ZPO §§ 234 Abs. 1, 236 Abs. 2 B, [X.], 574 Abs. 2 Nr. 2 Über einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand darf das Geri[X.]ht ni[X.]ht vor Ablauf der [X.] ents[X.]heiden. Eine vorzeitige Ents[X.]heidung kann den Anspru[X.]h des Antragsstellers auf re[X.]htli[X.]hes Gehör verletzen und die Zu-lassung der Re[X.]htsbes[X.]hwerde begründen. [X.], Bes[X.]hluss vom 17. Februar 2011 - [X.]/10 - [X.] - 2 - Der [X.] hat am 17. Februar 2011 dur[X.]h [X.] Dr. [X.], die Ri[X.]hterin [X.], [X.] [X.]zub und die Ri[X.]hterinnen Dr. Brü[X.]kner und [X.] bes[X.]hlossen: Auf die Re[X.]htsbes[X.]hwerde der Kläger wird der Bes[X.]hluss des 4. Zivilsenats des [X.] vom 27. Oktober 2010 aufgehoben. Den Klägern wird gegen die Versäumung der Frist zur [X.] der Berufung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ge-währt. Die Sa[X.]he wird zur Verhandlung und Ents[X.]heidung über die Beru-fung der Kläger an das Berufungsgeri[X.]ht zurü[X.]kverwiesen, das au[X.]h über die außergeri[X.]htli[X.]hen Kosten des [X.] zu ents[X.]heiden hat. Geri[X.]htskosten für das Re[X.]htsbes[X.]hwerdeverfahren werden ni[X.]ht erhoben. Der Gegenstandswert für das Re[X.]htsbes[X.]hwerdeverfahren beträgt 22.217,91 •. - 3 - Gründe: [X.] Die Kläger haben gegen ein Urteil des [X.], das ihnen am 27. Juli 2010 zugestellt worden ist, re[X.]htzeitig Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung ist am 8. Oktober 2010 bei dem [X.] eingegangen. Die Kläger haben am glei[X.]hen [X.] in den vorigen Stand beantragt und folgendes ausgeführt: Der Kläger zu 1 habe als Prozessbevollmä[X.]htigter der Kläger die Berufungsbegründung am 1. September 2010 mit der Ans[X.]hrift: "Postfa[X.]h 100 101, 60001 [X.]" versehen abgesendet. Die Ans[X.]hrift habe er dem Werk "[X.]" entnommen. Der Brief sei am 3. September 2010 als unzu-stellbar zurü[X.]kgekommen. Vom 2. September 2010 bis zum 5. Oktober 2010 seien die Kläger urlaubsbedingt in [X.] gewesen und hätten erst bei ihrer Rü[X.]kkehr von der fehlges[X.]hlagenen Zustellung Kenntnis erhalten. Mit dem [X.] Bes[X.]hluss hat das [X.] das Wiedereinsetzungsge-su[X.]h zurü[X.]kgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen wenden si[X.]h die Kläger mit der Re[X.]htsbes[X.]hwerde. 1 I[X.] Das Berufungsgeri[X.]ht meint, der Kläger zu 1 habe es zu vertreten, dass die am 1. September 2010 versandte [X.] ni[X.]ht zuge-stellt werden konnte. Denn er habe eine seit Jahren ni[X.]ht mehr existierende Postfa[X.]hans[X.]hrift des [X.] verwendet, die er ungeprüft einem älteren Handbu[X.]h entnommen habe. Au[X.]h die urlaubsbedingte Abwesenheit könne die Kläger ni[X.]ht entlasten, weil es der Kläger zu 1 als Re[X.]htsanwalt fahrlässig unterlassen habe, während seiner Abwesenheit für ei-2 - 4 - ne tägli[X.]he Postkontrolle zu sorgen. Sein Vers[X.]hulden müsse si[X.]h die Klägerin zu 2 gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zure[X.]hnen lassen. II[X.] [X.] hat Erfolg. Indem das Berufungsgeri[X.]ht den [X.] auf Wiedereinsetzung vor Ablauf der [X.] zurü[X.]kgewie-sen und die Berufung als unzulässig verworfen hat, hat es den Anspru[X.]h der Kläger auf re[X.]htli[X.]hes Gehör verletzt. Aus diesem Grund erfordert die Si[X.]he-rung einer einheitli[X.]hen Re[X.]htspre[X.]hung im Sinne von § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO eine Ents[X.]heidung des [X.]. 3 1. Na[X.]h ständiger Re[X.]htspre[X.]hung des Bundesverfassungsgeri[X.]hts ver-pfli[X.]htet Art. 103 Abs. 1 GG das Geri[X.]ht, die Ausführungen der Prozessbeteilig-ten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dadur[X.]h soll [X.] werden, dass die Ents[X.]heidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Ni[X.]htberü[X.]ksi[X.]htigung des Sa[X.]hvortrags der Parteien haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berü[X.]ksi[X.]hti-gung jedes S[X.]hriftsatzes, der innerhalb einer gesetzli[X.]hen oder ri[X.]hterli[X.]h be-stimmten Frist bei Geri[X.]ht eingeht ([X.], [X.]E 53, 219, 222; vgl. au[X.]h [X.]/[X.], ZPO, 28. Aufl., § 128 Rn. 6 jeweils mwN). Dana[X.]h darf das [X.] über einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ni[X.]ht vor Ablauf der [X.] ents[X.]heiden. Es ist unerhebli[X.]h, ob es die Sa[X.]he für ents[X.]heidungsreif hält, weil der Antragssteller innerhalb der Frist zu den [X.] ergänzend vortragen kann und darf. 4 2. Gegen diese Grundsätze hat das Berufungsgeri[X.]ht verstoßen. 5 6 Die Kläger haben in ihrem Wiedereinsetzungsantrag dur[X.]h Vorlage von Unterlagen sowohl die Versendung der [X.] am 1. September 2010 als au[X.]h ihre Rü[X.]ksendung am 3. September 2010 und ihre
- 5 - Urlaubsreise vom 2. September 2010 bis 5. Oktober 2010 glaubhaft gema[X.]ht. Davon ist au[X.]h das Berufungsgeri[X.]ht ausgegangen. Damit entfiel das Hindernis im Sinne von § 234 Abs. 2 ZPO am 5. Oktober 2010, als der Kläger zu 1 na[X.]h Urlaubsrü[X.]kkehr von der fehlges[X.]hlagenen Postzustellung Kenntnis erhielt. Gemäß § 187 Abs. 1 BGB begann der Lauf der Frist am 6. Oktober 2010 und endete gemäß § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO und § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB am 5. November 2010. Die Verwerfung der Berufung s[X.]hon am 27. Oktober 2010 hatte zur Folge, dass sowohl die am 28. Oktober 2010 bei Geri[X.]ht eingegangene ergänzende Begründung des Wiedereinsetzungsge-su[X.]hs als au[X.]h der am 4. November 2010 eingegangene S[X.]hriftsatz bei der Ents[X.]heidung unberü[X.]ksi[X.]htigt blieben. Unerhebli[X.]h ist insoweit, dass der S[X.]hriftsatz vom 4. November 2010 eine Reaktion auf die Ents[X.]heidung des Be-rufungsgeri[X.]hts darstellte. 3. Der Senat kann über den Wiedereinsetzungsantrag und damit über die Zulässigkeit der Berufung gemäß § 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO abs[X.]hließend [X.], da weitere Feststellungen ni[X.]ht zu erwarten sind. Die Verwerfung der Berufung erweist si[X.]h als re[X.]htsfehlerhaft, weil die Voraussetzungen für die [X.] Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorliegen. 7 a) Der Ents[X.]heidung über den Wiedereinsetzungsantrag ist au[X.]h der ni[X.]ht berü[X.]ksi[X.]htigte Vortrag der Kläger aus den S[X.]hriftsätzen vom 28. Oktober 2010 und vom 4. November 2010 zugrunde zu legen. Beide S[X.]hriftsätze sind vor Ablauf der Antragsfrist am 5. November 2010 eingegangen. 8 b) Dana[X.]h haben die Kläger glaubhaft gema[X.]ht, dass die Verwendung der fals[X.]hen Ans[X.]hrift ni[X.]ht auf einem Vers[X.]hulden ihrerseits beruhte. Der Klä-ger zu 1 hatte keine Veranlassung, die dem "NOMOS Tas[X.]henjuristen" ent-nommene Ans[X.]hrift anhand weiterer Quellen zu überprüfen. Insbesondere hat si[X.]h ni[X.]ht ausgewirkt, dass er die Ausgabe aus dem [X.] verwendete, weil die Ausgabe von 2010 unverändert die offenbar bereits seit längerem ni[X.]ht 9 - 6 - mehr gültige Postfa[X.]hans[X.]hrift enthält. Das [X.] hat die Ri[X.]htigkeit der in dem Werk wiedergegebenen Ans[X.]hrift ausweis-li[X.]h des vorgelegten S[X.]hreibens sogar no[X.]h am 10. Februar 2010 gegenüber dem Verlag bestätigt. Darauf kommt es allerdings ni[X.]ht ents[X.]heidend an, weil au[X.]h ein redaktioneller Fehler des Verlags ni[X.]ht den Klägern zugere[X.]hnet wer-den könnte. [X.]) Ein Vers[X.]hulden fällt dem Kläger zu 1 au[X.]h ni[X.]ht deshalb zur Last, weil er während seines Urlaubs ni[X.]ht für eine Postkontrolle sorgte. Grundsätz-li[X.]h muss ein Re[X.]htsanwalt zwar eine berufsbedingt strenge Sorgfalt au[X.]h in eigenen Angelegenheiten walten lassen. Au[X.]h muss er gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 2 [X.] für eine Vertretung sorgen, wenn er si[X.]h länger als eine Wo[X.]he von seiner Kanzlei entfernen will. Glei[X.]hwohl trifft den Kläger zu 1 kein Vers[X.]hulden, weil eine Postkontrolle ohne die unvers[X.]huldete Verwendung einer fals[X.]hen Ans[X.]hrift ni[X.]ht erforderli[X.]h gewesen wäre. Er hat dur[X.]h seine als anwaltli[X.]he Versi[X.]herung zu wertende Erklärung glaubhaft gema[X.]ht, dass seine berufli[X.]he Tätigkeit auss[X.]hließli[X.]h in der außergeri[X.]htli[X.]hen Beratung von Steuerberatern besteht und unter normalen Umständen eine Postkontrolle ni[X.]ht erfordert, weil seine Mandanten Zustellungen selbst entgegennehmen. In der fragli[X.]hen Zeit vertrat er als Anwalt bei Geri[X.]ht nur dieses Verfahren, bei dem es si[X.]h um eine Privatangelegenheit handelt. Insoweit durfte er auf den übli[X.]hen Postlauf ver-trauen und konnte aus seiner Si[X.]ht mit der Absendung der Berufungsbegrün-dung fast einen Monat vor Fristablauf davon ausgehen, alles Notwendige ver-anlasst zu haben. Mit weiteren fristgebundenen S[X.]hreiben oder Rü[X.]kfragen des Geri[X.]hts musste er für die Zeit seiner Abwesenheit ni[X.]ht re[X.]hnen und hatte [X.] Veranlassung, für eine Vertretung zum Zwe[X.]ke der Postkontrolle zu sorgen. 10 - 7 - [X.] Dana[X.]h kann der angefo[X.]htene Bes[X.]hluss keinen Bestand haben. Die beantragte Wiedereinsetzung ist zu gewähren mit der Folge, dass das Beru-fungsgeri[X.]ht in der Sa[X.]he über die Berufung zu befinden hat. Über die [X.]skosten für das Re[X.]htsbes[X.]hwerdeverfahren hat der Senat gemäß § 21 GKG ents[X.]hieden. 11 [X.] [X.] [X.]zub
Brü[X.]kner [X.]

Vorinstanzen: LG [X.], Ents[X.]heidung vom 16.07.2010 - 2-7 O 374/08 - OLG [X.], Ents[X.]heidung vom 27.10.2010 - 4 U 170/10 -

Meta

V ZB 310/10

17.02.2011

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.02.2011, Az. V ZB 310/10 (REWIS RS 2011, 9380)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9380

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