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Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Gewährung der Wiedereinsetzung ohne Wiedereinsetzungsantrag
Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des 7. [X.] des [X.] vom 15. Dezember 2009 aufgehoben.
Dem Beklagten wird gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Berufung gegen das Urteil des [X.] vom 30. April 2009 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
[X.]: 4.800 €
I.
Mit Urteil vom 30. April 2009 hat das Amtsgericht den [X.]n verurteilt, an die Klägerin monatlichen Trennungsunterhalt zu zahlen. Das Urteil wurde dem [X.]n am 11. Mai 2009 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 4. Juni 2009 beantragte der [X.] Prozesskostenhilfe für die Durchführung eines Berufungsverfahrens. Dem am 8. Juni 2009 eingegangenen Original dieses Antrags war neben der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zur Begründung auch der noch nicht unterschriebene Entwurf einer Berufung und Berufungsbegründung beigefügt.
Das [X.] hat dem [X.]n mit Beschluss vom 16. September 2009 Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Berufung bewilligt. Der Beschluss ist dem [X.]n am 6. Oktober 2009 zugegangen. Nach dem Vortrag des [X.]n hat sein Prozessbevollmächtigter noch am gleichen Tag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und diesem Antrag Original, beglaubigte Abschriften und einfache Abschriften der Berufung und Berufungsbegründung beigefügt. Nachdem diese Schriftsätze nicht bei Gericht eingegangen waren, wies der Vorsitzende den [X.]n mit Verfügung vom 30. Oktober 2009 auf den Fristablauf hin. Mit einem am 11. November 2009 eingegangenen Schriftsatz vom 9. November 2009 hat der [X.] Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Dem Schreiben hat er eine eidesstattliche Versicherung der Kanzleimitarbeiterin seines Prozessbevollmächtigten und eine von diesem unterzeichnete Berufung nebst Berufungsbegründung beigefügt.
Das [X.] hat mit Beschlüssen vom 15. Dezember 2009 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung verworfen. Gegen die Zurückweisung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand richtet sich die Rechtsbeschwerde des [X.]n.
II.
Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 [X.] noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsurteil vom 25. November 2009 - [X.] - FamRZ 2010, 192 Rn. 5).
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des [X.] erfordert. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen an den Vortrag im Wiedereinsetzungsverfahren überspannt; der angefochtene Beschluss verletzt den [X.]n damit in seinen Verfahrensgrundrechten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Berufung.
a) Soweit das Berufungsgericht die begehrte Wiedereinsetzung versagt hat, weil der [X.] lediglich Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist, nicht aber zugleich Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist und in die versäumte Frist für einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt hat, hält dies der rechtlichen Prüfung nicht stand.
aa) Zu Recht geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass die Frist für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die versäumte Berufungsfrist nach § 234 Abs. 1 ZPO ungenutzt abgelaufen war.
Dem [X.]n konnte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt werden, weil er die Kosten für die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht selbst aufbringen konnte und innerhalb der einmonatigen Berufungsfrist Prozesskostenhilfe für die Durchführung der Berufung beantragt hatte. Einer [X.], die vor Ablauf der Rechtsmittelfrist zur Durchführung des Rechtsmittels Prozesskostenhilfe beantragt hat, ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie vernünftigerweise nicht mit der Verweigerung der Prozesskostenhilfe wegen nicht hinreichend nachgewiesener Bedürftigkeit rechnen musste. Das ist regelmäßig der Fall, wenn dem Antrag innerhalb der Rechtsmittelfrist eine vollständig ausgefüllte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst den erforderlichen Anlagen beigefügt war (Senatsbeschlüsse vom 11. Juni 2008 - [X.]/05 - NJW-RR 2008, 1313 Rn. 26 und vom 13. Februar 2008 - [X.] 151/07 - [X.], 871 Rn. 10). Die Prozesskostenarmut als die Prozessführung hinderndes Ereignis entfällt dann mit der Zustellung des [X.]. Ab diesem Zeitpunkt beginnt nach § 234 Abs. 2 ZPO die [X.] (vgl. insoweit Senatsbeschluss vom 11. Juni 2008 - [X.]/05 - NJW-RR 2008, 1313 Rn. 10 ff.).
Die Wiedereinsetzung setzt nach § 236 Abs. 2 ZPO voraus, dass innerhalb der [X.] die schuldlose Fristversäumung glaubhaft gemacht und die versäumte [X.] nachgeholt ist. Danach hätte der [X.] die versäumte Berufung spätestens innerhalb von 14 Tagen nach Zustellung des die Prozesskostenhilfe bewilligenden Beschlusses am 6. Oktober 2009, also bis zum 20. Oktober 2009 einlegen müssen. Die Berufung hätte innerhalb der Monatsfrist des § 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO begründet werden müssen (vgl. insoweit Senatsbeschluss vom 11. Juni 2008 - [X.]/05 - NJW-RR 2008, 1313 Rn. 10 ff.). Innerhalb dieser Fristen ist allerdings weder ein Wiedereinsetzungsantrag eingegangen noch sind die versäumten [X.]en nachgeholt worden.
bb) Im Ansatz zu Recht geht das Berufungsgericht weiter davon aus, dass dem [X.]n auch Wiedereinsetzung in eine schuldlos versäumte [X.] bewilligt werden kann (Senatsbeschluss vom 11. Juni 2008 - [X.]/07 - [X.], 1605 Rn. 12). Dies setzt allerdings voraus, dass der [X.] auch die Frist für das Wiedereinsetzungsgesuch und die Nachholung der versäumten [X.]en schuldlos versäumt hat. Zudem müssen innerhalb der Fristen des § 234 Abs. 1 ZPO die versäumten Handlungen nachgeholt werden.
Soweit das Berufungsgericht die begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand schon deswegen abgelehnt hat, weil es an Wiedereinsetzungsanträgen hinsichtlich der Berufungsbegründungsfrist und der [X.] fehlt, hält dies der rechtlichen Prüfung nicht stand. Nach § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch ohne Antrag gewährt werden, wenn die versäumte [X.] fristgerecht nachgeholt wurde und die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen glaubhaft gemacht sind. Das ist hier der Fall.
Die Frist für das Wiedereinsetzungsgesuch in die versäumte [X.] begann gemäß § 234 Abs. 2 ZPO mit Kenntnis des [X.]n davon, dass sein früheres Wiedereinsetzungsgesuch nicht zu den Akten gelangt war. Dies wurde dem [X.]n mit Verfügung vom 30. Oktober 2009 mitgeteilt. Bereits mit Schriftsatz vom 9. November 2009, eingegangen am 11. November 2009, hat der [X.] Wiedereinsetzung in den vorigen Stand "gegen die Versäumung der Berufungsfrist" beantragt, eine unverschuldete Fristversäumung durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung der [X.] glaubhaft gemacht und zugleich die versäumten Handlungen nachgeholt. Denn er hat diesem Wiedereinsetzungsgesuch das frühere Wiedereinsetzungsgesuch vom 6. Oktober 2009 und die Berufung nebst Berufungsbegründung beigefügt. Die beigefügten Schriftsätze sind vom Prozessbevollmächtigten des [X.]n eigenhändig unterschrieben und nicht mehr als Entwurf gekennzeichnet. Im Gegensatz zur Rechtsauffassung der Beschwerdeerwiderung hat der [X.] seine Berufung damit innerhalb der Frist zur Wiedereinsetzung in die versäumte [X.] wirksam eingelegt und begründet. Weil damit die versäumten Handlungen nachgeholt waren und eine unverschuldete Fristversäumung glaubhaft gemacht war, durfte das [X.] nicht mehr auf einen fehlenden Antrag abstellen, sondern musste von Amts wegen auch über das Wiedereinsetzungsgesuch hinsichtlich der versäumten Berufungsbegründungsfrist und der [X.] entscheiden (vgl. Senatsbeschluss vom 5. März 2008 - [X.] 182/04 - [X.], 1063 Rn. 7 und [X.], Beschluss vom 18. Oktober 1978 - [X.] 43/78 - FamRZ 1979, 30, 31).
b) Auch die Hilfsbegründung kann die Entscheidung des [X.]s nicht rechtfertigen.
aa) Soweit das [X.] "Zweifel" an einem fehlenden Verschulden des [X.]n geäußert hat, weil mit keinem Wort ausgeführt worden sei, dass die nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe abgeschickte Berufungsschrift unterschrieben gewesen sei, trägt dies die Ablehnung der begehrten Wiedereinsetzung nicht. Bleiben dem Gericht auf der Grundlage eines - wie hier - hinreichend substantiiert vorgetragenen [X.] Zweifel, hat es die [X.] nach § 139 Abs. 1 ZPO darauf hinzuweisen. Gleiches gilt, wenn es im Verfahren der Wiedereinsetzung einer eidesstattlichen Versicherung keinen Glauben schenkt (Senatsbeschlüsse vom 13. Juni 2007 - [X.] 232/06 - FamRZ 2007, 1458 Rn. 4 f. und vom 24. Februar 2010 - [X.] 129/09 - FamRZ 2010, 726 Rn. 10).
bb) Unabhängig davon kann die Entscheidung des Berufungsgerichts auch in der Sache keinen Bestand haben. Der [X.] hat in seinem Wiedereinsetzungsgesuch vom 9. November 2009 vorgetragen, dass sich die vom 4. Juni 2009 datierende Berufung "fertig vorbereitet" in der Aktentasche befunden habe, als der Prozesskostenhilfeantrag an das Gericht abgesandt worden sei. Entsprechend hat die Kanzleikraft des Prozessbevollmächtigten des [X.]n an Eides statt versichert, dass sie dem ursprünglichen Wiedereinsetzungsantrag vom 6. Oktober 2009 die Berufung vom 4. Juni 2009 "im Original, beglaubigter und einfacher Abschrift" beigefügt habe. Insbesondere die Unterscheidung zwischen Original und Abschriften macht deutlich, dass die Berufungsschrift, die zugleich auch die Berufungsbegründung enthielt, auch als vom Prozessbevollmächtigten des [X.]n unterschriebener Originalschriftsatz beigefügt war. Dafür spricht auch, dass dieser Schriftsatz unverändert auch dem zweiten Wiedereinsetzungsantrag beigefügt ist und exakt dem nicht unterschriebenen und als Entwurf gekennzeichneten Schriftsatz entspricht, der dem Prozesskostenhilfeantrag beigefügt war. Berufung und Berufungsbegründung waren seinerzeit also bereits fertig gestellt und es spricht nichts dagegen, dass sie - wie vom Prozessbevollmächtigten des [X.]n vorgetragen - bereits fertig unterschrieben in den Handakten aufbewahrt wurden.
Schließlich hat der [X.] die erste [X.] auch schuldlos versäumt. Denn aus der eidesstattlichen Versicherung seiner [X.] ergibt sich, dass er innerhalb der [X.] mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2009 Wiedereinsetzung beantragt und mit diesem Antrag die versäumten Handlungen, nämlich die Berufung und die Berufungsbegründung, nachgeholt hatte. Die Kanzleiangestellte hat diese Schriftsätze nach dem Inhalt ihrer eidesstattlichen Versicherung auf die richtige Anschrift geprüft, kuvertiert, frankiert und persönlich zur Versendung an das [X.] Hamm in den Briefkasten eingeworfen. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] durfte der [X.] nach rechtzeitiger Aufgabe des Schriftsatzes zur Post mit einem fristgerechten Zugang seines Schriftsatzes rechnen und war nicht verpflichtet, hinsichtlich der Wahrung der [X.] bei Gericht nachzufragen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 23. Januar 2008 - [X.] 155/07 - NJW-RR 2008, 930 Rn. 8 ff. und vom 18. Juli 2007 - [X.] 32/07 - FamRZ 2007, 1722 Rn. 13).
3. Der Senat kann über das Wiedereinsetzungsgesuch des [X.]n abschließend entscheiden.
Der [X.] hat die [X.] des § 234 Abs. 1 ZPO schuldlos versäumt und die versäumten [X.]en, nämlich einen Wiedereinsetzungsantrag nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe, die Berufung und die Berufungsbegründung innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO nachgeholt. Auf einen ausdrücklichen Wiedereinsetzungsantrag kam es gemäß § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht an, wobei dahinstehen kann, ob der vorsorglich erhobene Wiedereinsetzungsantrag nebst eidesstattlicher Versicherung auch als Wiedereinsetzungsantrag hinsichtlich der weiteren versäumten Fristen verstanden werden musste.
[X.] Weber-Monecke Dose
Schilling [X.]
Meta
06.10.2010
Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat
Beschluss
Sachgebiet: ZB
vorgehend OLG Hamm, 15. Dezember 2009, Az: II-7 UF 122/09, Beschluss
§ 114 ZPO, § 233 ZPO, § 234 Abs 1 ZPO, § 236 Abs 2 S 2 ZPO, § 519 ZPO, § 520 ZPO
Zitiervorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.10.2010, Az. XII ZB 22/10 (REWIS RS 2010, 2656)
Papierfundstellen: REWIS RS 2010, 2656
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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.
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