Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.10.2011, Az. 1 StR 336/11

1. Strafsenat | REWIS RS 2011, 2204

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Gegenstand

Verfallsanordnung: Aus der Tat erlangter Vermögenswert bei Provisionszahlungen aus einem „Schneeballsystem“


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 11. Februar 2011

a) im Strafausspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt wird, und

b) im Ausspruch nach § 111i Abs. 2 StPO mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen Betruges in elf Fällen jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Erbringen von Finanzdienstleistungen (§ 54 Abs. 1 Nr. 2, § 32 Abs. 1 Satz 1, § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 5 [X.]) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Diese beträgt nach der Urteilsformel in der Sitzungsniederschrift [X.], nach Tenor und Entscheidungsgründen der [X.] und sechs Monate. Mit Beschluss vom 9. Juni 2011 hat das [X.] Tenor und Urteilsgründe dahingehend berichtigt, dass die ausgesprochene Gesamtfreiheitsstrafe auf [X.] laute; es handle sich um ein offensichtliches Schreibversehen.

2

Das [X.] hat ferner festgestellt, dass in Höhe eines Betrages von 210.613,82 € lediglich deshalb nicht auf Verfall erkannt werde, weil Ansprüche von Verletzten [X.]. § 73 Abs.1 Satz 2 StGB entgegenstehen.

3

Die hiergegen gerichtete, auf die Rüge formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat im tenorierten Umfang Erfolg, im Übrigen ist sie unbegründet.

I.

4

Nach den Feststellungen des [X.]s vermittelte der Angeklagte für den in den Vereinigten Staaten ansässigen [X.]Finanzprodukte, bei denen Anleger auf der Grundlage eines Darlehensvertrages und einer von [X.]in Form eines Schuldscheins abgegebenen Rückzahlungsgarantie Geldbeträge unmittelbar auf Konten des [X.]überwiesen in der [X.] irrigen Annahme, das Geld werde gewinnbringend angelegt. Tatsächlich erfolgte keine Geldanlage, sondern [X.]betrieb ein umfangreiches Schneeballsystem, in dem er „Ausschüttungen und Provisionszahlungen aus den Einlagen weiterer Anleger“ ([X.]) bediente. Die Anleger überwiesen die Anlagebeträge jeweils direkt auf Konten des [X.], die „Provisionen wurden von [X.]an den Angeklagten ausgekehrt“ ([X.]). Obwohl der Angeklagte seit März 2007 billigend in Kauf nahm, dass [X.]in dieser Weise verfährt und daher jedem Anleger der Totalverlust seiner Anlage droht, und obwohl ihm bewusst war, dass er keine Erlaubnis für Drittstaateneinlagenvermittlung nach § 32 Abs. 1 Satz 1, § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 5 [X.] hatte, vermittelte er selbst an zehn, über [X.] an weitere 21 Geschädigte das von [X.]angebotenen „Finanzprodukt“. Die Vermittler bereicherten sich an dem von ihnen unmittelbar oder über [X.] mittelbar eingeworbenen [X.] in Form der ihnen zugeflossenen Provisionen ([X.]).

5

Die [X.] hat dies als elf tatmehrheitliche Fälle des Betruges gewertet (soweit sich der Angeklagte [X.] bediente, die er nicht über die von ihm erkannte Möglichkeit eines Totalverlustes für die Anleger informierte, ging die [X.] von einer Betrugstat aus), diese jeweils in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubtem Erbringen von Finanzdienstleistungen.

II.

6

Die Revision hat mit zulässig erhobener Verfahrensrüge wegen des Widerspruchs zwischen der Urteilsformel und den Urteilsgründen hinsichtlich des [X.] Erfolg.

7

Die in der verkündeten Urteilsformel genannte Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten kann nicht bestehen bleiben.

8

Der Berichtigungsbeschluss vom 9. Juni 2011 ist unwirksam, denn das vom [X.] angeführte Schreibversehen ist nicht offensichtlich. Enthalten die Urteilsgründe - wie hier - für sich genommen rechtlich einwandfreie Strafzumessungserwägungen kann ein die Strafhöhe betreffender Widerspruch zwischen der verkündeten Urteilsformel und Urteilsformel sowie -gründen des schriftlichen Urteils nicht als offenkundiges, für alle klar zu Tage tretendes Fassungsversehen aufgefasst werden, das einer nachträglichen Berichtigung zugänglich wäre ([X.], Beschluss vom 25. Mai 2007 - 1 [X.]). Es liegt auch keine Fallgestaltung vor, bei der ohne Weiteres deutlich wird, dass der Tatrichter seine Ausführungen zur Strafzumessung in Wirklichkeit nicht auf die im schriftlichen Urteil, sondern auf die verkündete Urteilsformel bezeichnete Strafe bezogen hat und dass diese Strafe trotz der anders lautenden Urteilsgründe dem Beratungsergebnis entspricht ([X.], Beschluss vom 8. Juni 2011 - 4 StR 196/11 mwN).

9

Wie der [X.] zutreffend ausgeführt hat, nötigt die bestehende Divergenz zwischen der Urteilsformel in dem allein maßgeblichen Sitzungsprotokoll (§ 274 [X.]; vgl. [X.], Beschluss vom 9. Mai 2001 - 2 StR 42/01; [X.], Beschluss vom 4. Februar 1986 - 1 [X.]) und den Urteilsgründen nicht stets zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung. Der [X.] kann hier ausschließen, dass das Tatgericht auf eine noch niedrigere Gesamtfreiheitsstrafe als die von drei Jahren und sechs Monaten erkannt hätte, so dass der [X.] auf diese niedrigere der beiden Strafen durcherkennt (vgl. [X.], Beschluss vom 20. Oktober 2009 - 4 [X.]/09 mwN).

III.

[X.] nach § 111i Abs. 2 [X.] ist auf die Sachrüge aufzuheben, da er von den Feststellungen nicht getragen wird. Einer Erörterung der insoweit erhobenen Verfahrensrüge bedarf es nicht.

1. Voraussetzung für die Anwendung des § 111i Abs. 2 [X.] ist, dass das Gericht nur deshalb nicht auf Verfall, Verfall von Wertersatz oder erweiterten Verfall erkannt hat, weil Ansprüche eines Verletzten [X.]. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehen. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB hindert eine Verfallsentscheidung aber nur dann, wenn der Täter oder Teilnehmer „aus der Tat” einen Vermögensvorteil erlangt hat und Gegenansprüche eines Verletzten bestehen; das „für die Tat” Erlangte unterliegt schon nach dem Gesetzeswortlaut dem Verfall hingegen ohne Rücksicht auf Ansprüche Verletzter (vgl. [X.], Beschluss vom 9. November 2010 - 4 StR 447/10 mwN; [X.], Urteil vom 8. Juni 1999 - 1 StR 210/99).

Die insoweit unklaren Feststellungen des [X.]s erlauben dem Revisionsgericht nicht die Überprüfung, ob die dem Angeklagten im Tatzeitraum zugeflossenen Provisionen aus den zur Aburteilung gelangten Straftaten stammen. „Aus der Tat” sind diejenigen Vermögenswerte erlangt, die dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes selbst in irgendeiner Phase des Tatablaufs zugeflossen sind (vgl. [X.], Urteil vom 16. Mai 2006 - 1 StR 46/06, [X.]St 51, 65, 66; [X.], Urteil vom 22. Oktober 2002 - 1 [X.]; [X.], Beschluss vom 28. November 2000 - 5 StR 371/00). Um Vorteile „für die Tat” handelt es sich demgegenüber, wenn die Vermögenswerte dem Täter als Gegenleistung für [X.] gewährt werden, etwa wenn ein Lohn für die Tatbegehung gezahlt wird (vgl. [X.], Urteil vom 22. Oktober 2002 - 1 [X.] mwN).

Ausgehend hiervon erweist sich die Formulierung in den Urteilsgründen, die Provisionen seien „aus der Tat des Angeklagten“ erlangt, weil sie „Entgelt für seine Vermittlungstätigkeit“ seien ([X.]3), als widersprüchlich.

Dass die vom Angeklagten und dessen [X.]n geworbenen „Anleger“ das Geld jeweils direkt auf Konten des [X.]einbezahlt haben, steht der Annahme, dass die dann von [X.]an den Angeklagten „ausgekehrten“ ([X.]) Provisionen „aus der Tat“ stammen, grundsätzlich nicht entgegen. Denn Vermögenswerte sind nicht nur dann aus einer Tat erlangt, wenn sie dem Täter vom Opfer ohne weiteren Zwischenschritt zufließen. Dies ist auch gegeben, wenn der Vermögenswert zunächst - unbeschadet der zivilrechtlichen Besitz- und Eigentumsverhältnisse - nur einem anderen Tatbeteiligten zufließt (vgl. [X.], Urteil vom 22. Oktober 2002 - 1 [X.]; [X.], Urteil vom 12. August 2003 - 1 [X.]/03).

Der [X.] neigt zu der Auffassung, dass das Erlangte auch dann aus der Tat stammt, wenn die den einzelnen Tatbeteiligten zugeflossenen Vermögenswerte aus einer in sich zwar nicht mehr differenzierbaren, aber mit „Gruppenwillen“ für alle Tatbeteiligten „gesammelten“ Gesamtmenge durch Betrug erlangter Vermögenswerte (dann als Teil der „[X.]“, vgl. hierzu [X.], Beschluss vom 23. April 2009 - 5 [X.]) entnommen werden.

Gewichtiges aber nicht einziges Indiz hierfür wäre, wenn [X.]die Provisionszahlungen jeweils zeitnah zur Einzahlung der an ihn gezahlten „Anlegergelder“ gezahlt hätte. Feststellungen hierzu trifft die [X.] nicht und auch die Formulierungen in den Urteilsgründen, wonach [X.]die Provisionen aus den „Einlagen weiterer Anleger“ ([X.]) bediente und sich die Vermittler „an dem von ihnen unmittelbar oder im Rahmen der Hierarchiestufen mittelbar eingeworbenen Geld“ bereicherten ([X.]), belegen ein [X.] „aus der Tat“ nicht hinreichend.

Sollte [X.]- was nach den genannten Formulierungen ebenfalls möglich erscheint - die Provisionen hingegen aus verschiedenartig erzielten Gesamteinnahmen (weil er beispielsweise nicht nur ein „Vermittlersystem“, dessen „Teil“ der Angeklagte war - vgl. [X.] -, für sein betrügerisches Schneeballsystem einsetzte) auskehren, erwiesen sich die an den Angeklagten gezahlten Provisionen sowohl hinsichtlich des vom Angeklagten begangenen Betruges als auch hinsichtlich seiner unerlaubten Vermittlung von Finanzdienstleistungen als Zahlung einer versprochenen Belohnung, wären mithin „für die Tat“ und nicht „aus der Tat“ erlangt.

2. Diese Unklarheit nötigt zur Aufhebung des Ausspruchs nach § 111i Abs. 2 [X.] mitsamt den zugrunde liegenden Feststellungen, um darüber neu zu entscheiden (vgl. [X.], Beschluss vom 9. November 2010 - 4 StR 447/10 mwN). Die Sache ist deshalb insoweit zurückzuverweisen, da der [X.] die erforderlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann.

Für die neue Hauptverhandlung weist der [X.] ergänzend darauf hin, dass eine Anordnung des Verfalls von Wertersatz nach §§ 73, 73a StGB für Erlöse aus nicht zur Aburteilung gelangten (z.B. weil nach § 154 [X.] von der Verfolgung ausgenommene) Straftaten unzulässig ist ([X.], Beschluss vom 7. Januar 2003 - 3 [X.], [X.], 422), dementsprechend sich auch der Ausspruch nach § 111i Abs. 2 [X.] hinsichtlich solcher Provisionseinnahmen verbietet.

In Betracht käme - worauf der [X.] zutreffend hinweist - hinsichtlich der gewerbsmäßig begangenen Betrugstaten - eine Anordnung von erweitertem Verfall gemäß § 73d [X.] (vgl. § 263 Abs. 7 Satz 2 StGB). Nach dieser Vorschrift können Gegenstände eines an der rechtswidrigen Tat Beteiligten bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung der Vorschrift für verfallen erklärt werden, wenn das Tatgericht davon überzeugt ist, dass die von der Verfallsanordnung erfassten Gegenstände für rechtswidrige Taten oder aus ihnen unmittelbar erlangt worden sind, ohne dass diese im Einzelnen festgestellt werden müssen ([X.], Beschluss vom 7. Juli 2011 - 3 [X.] mwN; [X.], Beschluss vom 22. November 1994 - 4 StR 516/94, [X.]St 40, 371; [X.], Beschluss vom 14. Januar 2004 - 2 BvR 564/95; weitere Nachweise bei [X.], StGB, 58. Aufl., § 73d Rn. 5). An die tatrichterliche Überzeugung dürfen dabei keine überspannten Anforderungen gestellt werden (vgl. [X.], Urteil vom 7. Juli 2004 - 1 [X.]), jedoch genügt allein der Hinweis nicht, dass „die Vermittlungstätigkeit insgesamt […] nach § 54 Abs. 1 Nr. 2, § 32 Abs. 1 Satz 1 [X.] Gegenstand der Strafverfolgung“ sei ([X.]3), zumal die Strafvorschriften nach dem [X.] nicht auf § 73d StGB verweisen.

Der neue Tatrichter wird ferner Gelegenheit haben, zu berücksichtigen, dass jedenfalls die vom Angeklagten geleisteten Entschädigungszahlungen an die Tatopfer nach § 111i Abs. 2 Satz 4 Nr. 2 [X.] bei der Bemessung des „[X.]“ in Abzug zu bringen sind. Insoweit führt der [X.] zutreffend aus:

„Der Angeklagte hat jedoch die Tatopfer […] teilweise befriedigt, so dass insoweit ein krimineller Gewinn, der im Wege der Vermögensabschöpfung dem Angeklagten zu entziehen wäre, nicht mehr vorhanden ist. […] Die Überlegung der [X.], wonach die bestehenden Schadensersatzansprüche die Entschädigungsleistungen übersteigen, hindert deren Abzugsfähigkeit nicht. Die Vorschriften des Verfalls dienen der Korrektur von [X.] aufgrund von Straftaten und nicht insgesamt der Sicherung zivilrechtlicher Ansprüche.“

IV.

Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des Urteils (dazu 1. und 2.) hat keinen weiteren den Angeklagten [X.] Rechtsfehler ergeben, auch die weitergehende Verfahrensrüge (dazu nachfolgend 3.) zeigt einen solchen nicht auf.

1. Die [X.] Feststellungen tragen den Schuldspruch. Durch die aufgrund [X.]en Irrtums erfolgte Überweisung eines Anlagebetrages an [X.]erlitten die Geschädigten einen Schaden in Höhe der vollen Anlagesumme, weil die getätigte Anlage für sie wirtschaftlich völlig wertlos und verloren war; dieser Schaden wird nicht kompensiert durch die ungewisse - per se wertlose - Aussicht, möglicherweise Rückzahlungen aus den von [X.]zum Nachteil anderer begangenen Straftaten erlangten [X.] zu erhalten (vgl. [X.], Beschluss vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08; [X.], Beschluss vom 7. März 2006 - 1 StR 379/05). Der Strafzumessung hat die [X.] - zutreffend - die Differenz aus der Anlagesumme und den von [X.]geleisteten Zahlungen als „letztlich verbleibenden“ Schaden zugrunde gelegt.

2. Die Bemessung der Einzelstrafen weist auch darüber hinaus im Ergebnis keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Das Vorliegen eines von der [X.] der Strafbemessung jeweils zugrunde gelegten besonders schweren Falles des Betruges [X.]. § 263 Abs. 3 StGB - der Angeklagte handelte sowohl gewerbsmäßig als auch in der Absicht, eine große Zahl von Menschen in die Gefahr des Verlustes von Vermögenswerten zu bringen - wird durch die Feststellungen belegt und ist vorliegend derart offenkundig, dass es näherer Ausführungen dazu, ob die Indizwirkung eines Regelbeispiels durch besondere strafmildernde Umstände entkräftet worden sein könnte (vgl. [X.], Beschluss vom 5. Mai 2011 - 1 [X.] mwN), nicht bedurfte.

Soweit die [X.] - worauf der [X.] zutreffend hingewiesen hat - übersehen hat, dass hinsichtlich einzelner von [X.]n geworbener Geschädigter das Verfahren gemäß § 154a [X.] beschränkt und nicht wieder aufgenommen worden war, schließt der [X.] angesichts des insoweit festgestellten Gesamtschadens (ca. 845.000 €, 24.000 € davon von Verfahrenseinstellung betroffen) aus, dass die Kammer eine noch mildere als die Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren verhängt hätte.

3. Soweit die Revision eine Verletzung des § 244 Abs. 6 [X.] mit dem Vortrag geltend macht, ein Beweisantrag sei nicht verbeschieden worden, ist ihr der Erfolg versagt. Im Hinblick darauf, dass die Revision nicht mitteilt, dass dem Antrag durch Verlesung einer E-Mail teilweise entsprochen wurde, bestehen schon erhebliche Bedenken, ob diese Rüge den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 [X.] genügt (vgl. dazu auch [X.], Beschluss vom 1. April 2004 - 1 [X.]). Das Urteil kann aber jedenfalls nicht auf dem gerügten Rechtsfehler beruhen.

Mit dem Beweisantrag suchte die Verteidigung unter Beweis zu stellen, dass der Angeklagte die von ihm eingeschalteten [X.] nicht getäuscht habe. So habe der Angeklagte [X.] über Warnungen der [X.] aufgeklärt und gegenüber dem Vermittler [X.]erklärt, dass er - der Angeklagte - „nicht bereit sei, irgendwelche Leute zu dem Investment zu drängen“ ([X.]). Die Verteidigung hat u.a. die Einvernahme zweier Zeugen beantragt, die nach Warnhinweisen, allerdings von Banken, nicht mehr bereit gewesen seien, mit dem Vermittler [X.]abgeschlossene Verträge zu erfüllen und diesem gegenüber erklärt hätten, sie wollten die Verträge stornieren, was auch passiert sei. Die Revision macht - der Sache nach zutreffend - geltend, die [X.] habe weder die benannten Zeugen vernommen, noch den Antrag abschlägig durch Beschluss verbeschieden.

Der Revision ist darin zuzustimmen, dass dieser Antrag, wenn ihm die [X.] nicht nachgehen will und er sich nicht sonst erledigt hat (vgl. z.B. [X.], Beschluss vom 28. Mai 2009 - 5 [X.]; [X.], Beschluss vom 7. April 2005 - 5 StR 532/04; [X.], Beschluss vom 3. Juni 1992 - 5 StR 175/92), eines ablehnenden Beschlusses gemäß § 244 Abs. 6 [X.] bedurft hätte. Zwar ermangelt es dem Antrag an einer Darlegung, inwieweit die benannten Zeugen zu behaupteten Gesprächen zwischen dem Angeklagten und [X.]n etwas sagen könnten. Dies ist auch nicht aus dem Antrag (etwa durch Auslegung) zu entnehmen oder sonst offenkundig oder ersichtlich, so dass es überwiegend an der für einen [X.]. § 244 Abs. 6 [X.] verbescheidungsbedürftigen Beweisantrag erforderlichen Konnexität fehlt (vgl. [X.], Urteil vom 28. November 1997 - 3 [X.], [X.]St 43, 329 f. mwN). Der Antrag enthält jedoch darüber hinaus eine hinreichend konkrete Behauptung dahingehend, die benannten Zeugen hätten sich in bestimmter Weise gegenüber dem Vermittler [X.]   geäußert und die über diesen geschlossenen Verträgen storniert. Diesbezüglich bedurfte es keiner weiteren Darlegungen zur Konnexität, denn es verstand sich angesichts der [X.] von selbst, dass die benannten Zeuginnen zum Inhalt der betreffenden, von ihnen geführten Gespräche aus eigenem Wissen bekunden sollten und konnten (vgl. [X.], Beschluss vom 17. November 2009 - 4 StR 375/09).

Der [X.] kann vorliegend aber ausschließen, dass das Urteil auf der unterlassenen Verbescheidung des Beweisantrags beruhen könnte; auch § 244 Abs. 2 [X.] drängte die Kammer nicht zu entsprechenden Erhebungen. Ist ein Beweisantrag nicht oder rechtsfehlerhaft verbeschieden, ist es dem Revisionsgericht zwar grundsätzlich verwehrt, eine rechtsfehlerfreie Begründung nachzuliefern (vgl. [X.], Beschluss vom 28. August 2002 - 1 [X.]; [X.], Beschluss vom 2. August 2000 - 3 StR 154/00). Im Einzelfall kann indes ausgeschlossen werden, dass das Urteil auf einer fehlerhaften Antragsablehnung beruht, wenn etwa die - rechtsfehlerhaft, weil lediglich formelhaft angenommene - Bedeutungslosigkeit einer behaupteten Tatsache auf der Hand liegt ([X.] in [X.], 6. Aufl., § 244 Rn. 234 mwN). Nichts anderes kann für Fälle einer nicht nur floskelhaft sondern gänzlich fehlenden Ablehnungsbegründung gelten, jedenfalls wenn - wie hier - offenkundig ist, dass die konkrete Beweisbehauptung (Äußerungen und Verhalten der Zeugen) für das für den Strafvorwurf (Betrug zum Nachteil der über die [X.] eingeworbenen Anleger) einzig relevante Beweisthema (der Angeklagte habe die [X.] weder getäuscht noch kollusiv mit ihnen zusammengewirkt) ohne jede tatsächliche Bedeutung ist (vgl. für den ähnlich gelagerten Fall, dass die Beweisbehauptung mit dem angebotenen Beweismittel nicht zu beweisen ist, auch [X.], Urteil vom 2. Februar 1995 - 1 Ss 349/94, OLGSt, [X.], § 244 Nr. 17). Eine Beeinträchtigung des [X.] durch einen unterbliebenen Zurückweisungsbeschluss kann der [X.] hier ebenfalls ausschließen.

[X.]                                         [X.]                                        Elf

                        [X.]

Meta

1 StR 336/11

19.10.2011

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Urteil

Sachgebiet: StR

vorgehend LG München II, 11. Februar 2011, Az: W5 KLs 70 Js 14736/08

§ 73 StGB, § 263 Abs 1 StGB, § 263 Abs 3 StGB, § 264a StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 19.10.2011, Az. 1 StR 336/11 (REWIS RS 2011, 2204)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2204

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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