Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.09.2022, Az. 3 StR 251/22

3. Strafsenat | REWIS RS 2022, 5513

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Gegenstand

Elektronischer Rechtsverkehr in Strafsachen: Revisionseinlegung und Revisionsbegründung durch elektronische Übermittlung


Tenor

Es wird festgestellt, dass die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 30. März 2022 zulässig ist.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Dagegen richtet sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten.

2

1. Der [X.] hat beantragt, das Rechtsmittel gemäß § 349 Abs. 1 StPO als unzulässig zu verwerfen, weil es nicht wirksam eingelegt und begründet worden sei. Dem [X.] seien zwar entsprechende Schriftsätze übermittelt worden. Mangels Versendung über das besondere elektronische Anwaltspostfach genügten die Schreiben jedoch nicht den Anforderungen des § 32d Satz 2 StPO.

3

2. Der Senat erachtet die Revision demgegenüber für zulässig.

4

a) Nach dem seit dem 1. Januar 2022 geltenden § 32d Satz 2 StPO müssen Verteidiger und Rechtsanwälte die Revision und ihre Begründung dem Gericht als elektronisches Dokument übermitteln. Insoweit handelt es sich um eine Form- und Wirksamkeitsvoraussetzung der jeweiligen Prozesshandlung. Ihre Nichteinhaltung bewirkt die Unwirksamkeit der Erklärung (st. Rspr.; s. etwa [X.], Beschluss vom 19. Juli 2022 - 4 StR 68/22, juris Rn. 3 mwN). § 32a Abs. 3 StPO hält zwei Möglichkeiten der Übermittlung solcher dem Schriftformerfordernis unterliegender Dokumente im elektronischen Rechtsverkehr bereit:

5

Ein Weg ist die Übermittlung mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person. Diese Alternative entspricht der Vorgehensweise, die bis zum 31. Dezember 2017 in § 41a StPO geregelt war. Verwendet der Absender eine solche qualifizierte elektronische Signatur, ist die Authentizität des Dokuments sichergestellt. Für derart signierte Dateien regelt § 4 Abs. 1 [X.] die Übermittlung. Möglich ist der sichere Übermittlungsweg (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 [X.]), ausreichend der schlichte Versand "an das für den Empfang elektronischer Dokumente eingerichtete Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach des Gerichts über eine Anwendung, die auf [X.] oder einem diesen ersetzenden, dem jeweiligen Stand der Technik entsprechenden Protokollstandard beruht" (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 [X.]).

6

Die andere - mit § 32a StPO zum 1. Januar 2018 zusätzlich eingeführte - Möglichkeit ist die (einfache) Signatur der verantwortenden Person bei gleichzeitiger Einreichung auf einem sicheren Übermittlungsweg. Anders als im Fall der qualifizierten elektronischen Signatur gewährleisten hier besondere Eigenschaften der Übertragungsart die Urheberschaft und Integrität des Dokuments. Zu den sicheren Übermittlungswegen zählen die abschließend in § 32a Abs. 4 StPO aufgeführten, darunter derjenige zwischen dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach [X.]) nach § 31a der [X.] und der elektronischen Poststelle des Gerichts (§ 32a Abs. 4 Nr. 2 StPO; vgl. zum Ganzen BT-Drucks. 18/9416 S. 45; [X.], Beschluss vom 3. Mai 2022 - 3 StR 89/22, juris Rn. 8; [X.], Beschluss vom 27. Mai 2022 - [X.] RVs 53/22, juris Rn. 7 mwN; juris PK - ERV/[X.], Stand: 5. September 2022, § 32 a StPO Rn. 27 ff. mwN).

7

b) Vorliegend hat der Verteidiger für die Revisionseinlegung und ihre Begründung das Einreichungsverfahren mittels qualifizierter elektronischer Signatur gewählt und die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür jeweils erfüllt.

8

aa) Das folgt für das Revisionsbegründungsschreiben aus dem vom elektronischen Empfangspostfach des [X.]s Kleve automatisch ausgestellten Prüfvermerk vom 7. Juni 2022. Dieser weist als Ergebnis der technischen Prüfung den Eingang über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP), den Verteidiger als Absender nebst seiner [X.] sowie den Umstand aus, dass das eingereichte elektronische Dokument durch diesen Rechtsanwalt "qualifiziert signiert nach [X.]" worden sei. Damit genügt die Einreichung ohne Weiteres den Anforderungen von § 32d Satz 2, § 32a Abs. 3 Alternative 1 StPO.

9

bb) Für das Revisionseinlegungsschreiben gilt im Ergebnis nichts anderes. Zwar weist der hierfür relevante Prüfvermerk vom 1. April 2022 nur den Eingang über das EGVP und den Verteidiger nebst [X.] als Absender aus. Er enthält ferner die Angabe, das eingereichte Dokument sei nicht qualifiziert elektronisch signiert gewesen. Dem widerstreiten jedoch zwei Umstände: Zum einen hat das System auf dem beim [X.] gefertigten Ausdruck der [X.] den Vermerk "signiert durch [es folgt der vollständige Name des Verteidigers] (gültig)" angebracht und damit den gleichen Vermerk, der sich auf dem Ausdruck der unzweifelhaft qualifiziert elektronisch signierten [X.] findet. Zum anderen liegen aus dem Computersystem des Verteidigers generierte [X.] für die [X.] und die -begründungsschrift vor. Aus diesen ergibt sich, dass er beide Dokumente mit einer Signaturdatei versehen hat und jeweils beides - Schreiben und Signatur - beim [X.] eingegangen ist. Ausweislich des ebenfalls systemgenerierten [X.] ist das dem Verteidiger seitens der [X.] erteilte Zertifikat für die elektronische Signatur im maßgeblichen Zeitraum auch durchgehend gültig gewesen. Diese Nachweise lassen den Senat [X.] darauf schließen, dass die [X.] ebenfalls mit einer qualifiziert elektronischen Signatur des Verteidigers versehen gewesen und jene systemseitig nicht richtig erkannt oder nicht vollständig ausgewiesen worden ist.

c) Die Revisionsschriften des Verteidigers sind überdies beide im PDF-Format und damit in für die Bearbeitung beim Gericht geeigneter Form eingegangen (§ 32a Abs. 2 StPO i.V.m. § 2 Abs. 1 [X.]; vgl. dazu näher [X.], Beschluss vom 7. Juni 2022 - 4 OLG 4 Ss 67/22, juris Rn. 10 ff.). Damit ist die Revision insgesamt zulässig eingelegt und begründet worden.

3. Der hilfsweise gestellte Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfristen ist deshalb gegenstandslos ([X.], Beschluss vom 31. Mai 2022 - 3 [X.], NStZ-RR 2022, 285 mwN).

4. Da der [X.] noch keinen Sachantrag zur Revision des Angeklagten gestellt hat, sind ihm die Akten zur entsprechenden Antragstellung zurückzugeben.

Berg     

      

Paul     

      

Erbguth

      

Kreicker     

      

Voigt     

      

Meta

3 StR 251/22

08.09.2022

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Kleve, 30. März 2022, Az: 170 KLs 12/20

§ 32a Abs 3 StPO, § 32a Abs 4 Nr 2 StPO, § 32d S 2 StPO, § 41a StPO, § 344 StPO, § 345 Abs 2 StPO, § 346 StPO, § 4 Abs 1 Nr 1 ERVV, § 4 Abs 1 Nr 2 ERVV, § 31a BRAO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.09.2022, Az. 3 StR 251/22 (REWIS RS 2022, 5513)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 5513

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