Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.06.2010, Az. I ZB 40/09

I. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 5440

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS [X.]/09 vom 24. Juni 2010 in der [X.] betreffend die Marke Nr. 305 16 820 Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja [X.] § 8 Abs. 2 Nr. 10, § 50 Abs. 1, § 83 Abs. 3 Nr. 3 Eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs i.S. von § 83 Abs. 3 Nr. 3 [X.] kann vorliegen, wenn das [X.] in einem Löschungsverfahren wegen bösgläubiger Markenan-meldung einen wertvollen Besitzstand des [X.] zum Zeitpunkt der Markenanmeldung bejaht hat und das [X.] das Vorbringen als unsubstantiiert seiner Entscheidung zugrunde legt, ohne ei-nen richterlichen Hinweis zu erteilen. [X.], [X.]uss vom 24. Juni 2010 - [X.]/09 - [X.] - 2 - Der [X.] Zivilsenat des [X.] hat am 24. Juni 2010 durch [X.], Dr. Schaffert und [X.] beschlossen: Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der an [X.] am 28. April 2009 zugestellte [X.]uss des 32. Senats ([X.]) des [X.]s aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen. Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 • festgesetzt. Gründe: [X.] Für den Markeninhaber ist seit dem 1. März 2006 die am 21. März 2005 angemeldete Marke Nr. 305 16 820 1 für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen der Klassen 6, 19, 35, 37, 39 und 41 bis 44 eingetragen. 2 - 3 - Die Antragstellerin hat beim [X.] beantragt, weil der Markeninhaber bei der Anmeldung [X.] gewesen sei. 3 4 [X.] hat die Lö-schung der Marke angeordnet und entschieden, dass der Antragstellerin keine Kosten erstattet werden. Auf die Beschwerde des Markeninhabers hat das [X.] den [X.]uss des [X.] aufgehoben und den Löschungsantrag der Antragstellerin sowie ihre gegen die Kostenentscheidung des [X.] gerichtete Anschlussbeschwerde zu-rückgewiesen ([X.], [X.]. v. 28.4.2009 - 32 W(pat) 77/07, juris). 5 Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der sie die Versagung des rechtlichen Gehörs rügt. 6 I[X.] Das [X.] hat die Auffassung vertreten, die Marke sei nicht i.S. von § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] bösgläubig angemeldet worden. Die Anmeldung sei weder rechtsmissbräuchlich noch wettbewerbswidrig erfolgt. Eine Löschung der Marke unter dem Gesichtspunkt der Störung eines schutz-würdigen [X.] komme nicht in Betracht, weil die Antragstellerin einen solchen Besitzstand nicht substantiiert dargetan und ihren vom Markeninhaber bestrittenen Vortrag zudem nicht unter Beweis gestellt habe. Es lasse sich auch nicht feststellen, dass der Markeninhaber die Marke in der Absicht angemeldet habe, sie zweckfremd als Mittel des [X.] einzusetzen. 7 II[X.] [X.] hat Erfolg. 8 - 4 - 1. Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbe-schwerde ist zulässig. Ihre Statthaftigkeit folgt daraus, dass ein im [X.], die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnender Verfahrensman-gel gerügt wird. Die Rechtsbeschwerde beruft sich auf eine Versagung des rechtlichen Gehörs und hat dies im Einzelnen begründet. Auf die Frage, ob die erhobenen [X.] durchgreifen, kommt es für die Statthaftigkeit des Rechtsmit-tels nicht an (st. Rspr.; vgl. [X.], [X.]. v. 20.5.2009 - [X.], [X.], 992 [X.]. 10 = [X.], 1104 - Schuhverzierung). 9 2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Die Entscheidung des [X.]s beruht auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs der Antragstellerin. 10 a) Die Bestimmung des Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten ei-nes gerichtlichen Verfahrens, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor Erlass der Ent-scheidung zu äußern. Dazu gehört auch, dass die Verfahrensbeteiligten bei Anwendung der von ihnen zu verlangenden Sorgfalt erkennen können, auf wel-chen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Aus Art. 103 Abs. 1 GG ergibt sich zwar keine Verpflichtung des Gerichts, vor der Entschei-dung auf seine Rechtsauffassung hinzuweisen oder allgemein von seinem Fra-ge- und Aufklärungsrecht Gebrauch zu machen. Es stellt jedoch eine Versa-gung des rechtlichen Gehörs dar, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Verfahrensbeteiligter - selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen - nach dem bisherigen [X.] nicht zu rechnen brauchte, weil dies im Ergebnis der Verhinderung des Vortrags ei-nes Verfahrensbeteiligten gleichkommt (vgl. [X.] 84, 188, 190; [X.] NJW 1994, 1274). 11 - 5 - 12 b) Die Rechtsbeschwerde rügt mit Erfolg, das [X.] habe den Anspruch der Antragstellerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, indem es deren Vorbringen zu einem wertvollen Besitzstand mit der [X.] nicht berücksichtigt habe, der Vortrag sei unsubstantiiert. Mit dieser Beur-teilung brauchte die Antragstellerin ohne richterlichen Hinweis nach dem bishe-rigen [X.] nicht zu rechnen. [X.]) Nach der Rechtsprechung des Senats ist von einer Bösgläubigkeit des Anmelders auszugehen, wenn die Anmeldung rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig erfolgt. Das [X.] knüpft an die Rechtsprechung zum au-ßerkennzeichenrechtlichen Löschungsanspruch aus § 1 UWG a.F. oder § 826 BGB unter Geltung des [X.] an. Die zu diesem Anspruch entwickelten Grundsätze sind auch zur Beurteilung der Bösgläubigkeit des [X.] unter Geltung des § 50 Abs. 1 Nr. 4 [X.] a.F. heranzuziehen ([X.], [X.]. v. 30.10.2003 - [X.], [X.], 510, 511 = [X.], 766 - [X.]; [X.]. v. 2.4.2009 - [X.], [X.], 780 [X.]. 11 = [X.], 820 - [X.]). Sie gelten nach der Novellierung des § 50 Abs. 1 [X.] unter der Einführung des Eintragungshindernisses der bösgläubigen Marken-anmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] weiter, weil hierdurch die für die bösgläubige Markenanmeldung bestehenden Maßstäbe nicht geändert werden sollten, sondern das Entstehen ungerechtfertigter Markenrechte im Interesse der Rechtssicherheit bereits im Eintragungsverfahren verhindert werden sollte (vgl. Begründung zu Art. 2 Abs. 9 Nr. 1 lit. c und [X.]. a des [X.] eines Gesetzes zur Reform des Geschmacksmusterrechts - Ge-schmacksmusterreformgesetz, BT-Drucks. 15/1075, [X.] f.). Eine bösgläubige Markenanmeldung kommt danach in Betracht, wenn der Anmelder weiß, dass ein anderer dasselbe oder ein verwechselbares Zeichen für dieselben oder ähn-liche Waren benutzt, ohne hierfür einen formalen Kennzeichenschutz erworben 13 - 6 - zu haben, und wenn besondere Umstände hinzukommen, die das Verhalten des Anmelders als sittenwidrig erscheinen lassen. Solche besonderen [X.] können darin liegen, dass der [X.] in Kenntnis eines schutzwür-digen [X.] des Vorbenutzers ohne zureichenden sachlichen Grund für gleiche oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen die gleiche oder eine zum Verwechseln ähnliche Bezeichnung mit dem Ziel der Störung des Besitz-stands des Vorbenutzers oder in der Absicht, für diesen den Gebrauch der Be-zeichnung zu sperren, als Kennzeichen hat eintragen lassen (vgl. [X.] [X.], 780 [X.]. 13 - [X.]; zu § 50 Abs. 1 Nr. 4 [X.] a.F.: [X.], Urt. v. 10.8.2000 - I ZR 283/97, [X.], 1032, 1034 = [X.], 1293 - [X.] 2000; zu § 4 Nr. 10 UWG: [X.], Urt. v. 26.6.2008 - I ZR 190/05, [X.], 917 [X.]. 20 = [X.], 1319 - [X.]; vgl. auch zu Art. 51 Abs. 1 lit. [X.]: [X.], Urt. v. 11.6.2009 - [X.]/07, [X.]. 2009, [X.] = [X.], 763 [X.]. 53 - [X.][X.]). [X.]) Das [X.] hatte in der [X.] einen wertvollen Besitzstand der Antragstellerin aufgrund der von ihr ergriffenen Maßnahmen im Rahmen der Gründung ihres Geschäftsbetriebs [X.]. Im Beschwerdeverfahren ist der Markeninhaber dieser Beurteilung nur bei-läufig mit Schriftsatz vom 27. November 2007 entgegengetreten. In der mündli-chen Verhandlung vor dem [X.] hat die Antragstellerin den von ihr im Jahr 2004 unter der angegriffenen Bezeichnung erzielten Umsatz zusätz-lich zu dem bisherigen Vorbringen mit 700.000 • beziffert. 14 Unter diesen Umständen hätte das [X.] die Antragstelle-rin darauf hinweisen müssen, dass es ihren Vortrag zu einem wertvollen Besitz-stand nicht als ausreichend und die [X.] als unsubstantiiert ansah und ohne weitere Darlegungen und einen Beweisantritt auch nicht [X.], den Sachverhalt von Amts wegen nach § 73 [X.] zu ermitteln. Ohne 15 - 7 - einen solchen Hinweis brauchte die Antragstellerin nach dem bisherigen [X.] nicht damit zu rechnen, das [X.] werde einen wertvollen Besitzstand verneinen. Einen entsprechenden Hinweis hat das [X.] nicht erteilt. 16 cc) Die angefochtene Entscheidung beruht auch auf der Versagung rechtlichen Gehörs. (1) [X.] von § 83 Abs. 3 Nr. 3 [X.] setzt voraus, dass die angefochtene Entscheidung auf der Versagung rechtlichen Gehörs beruht oder beruhen kann. Liegt der Gehörsverstoß in der Verletzung einer Hinweispflicht, muss mit der Rüge ausgeführt werden, wie die betreffende [X.] auf einen Hinweis reagiert hätte, weil nur so das Rechtsbeschwerdegericht beurteilen kann, ob die angefochtene Entscheidung auf dem [X.] (vgl. [X.], [X.]. v. 24.4.2008 - [X.], [X.], 1126 [X.]. 12 = [X.], 1550 - [X.]). 17 (2) Die Rechtsbeschwerde hat dargelegt, die Antragstellerin habe unter dem mit der Marke übereinstimmenden Zeichen im Jahr 2004 Umsätze von annähernd 450.000 • und im Jahr 2005 von 627.000 • erzielt und hat hierzu Aufstellungen und Rechnungsdurchschriften vorgelegt. Unter diesen [X.]n ist im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht auszuschließen, dass die Antrag-stellerin zu dem für das Vorliegen der Voraussetzungen der bösgläubigen Mar-kenanmeldung maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über die Eintragung der angegriffenen Marke am 1. März 2006 (vgl. [X.] [X.], 780 [X.]. 11 - [X.]) über einen wertvollen Besitzstand verfügte. 18 Die Rechtsbeschwerde hat weiter geltend gemacht, im Falle eines [X.] hätte die Antragstellerin die Unterlagen über die von ihr unter der [X.] - 8 - zeichnung "[X.] LOGISTIK" erzielten Umsätze vorgelegt und sich auf das Zeugnis des [X.] hierzu berufen. Das [X.] hat - von sei-nem Standpunkt folgerichtig - keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob die Markenanmeldung mit dem Ziel der Störung des [X.] der Antrag-stellerin erfolgt ist. Für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist daher zugunsten der Antragstellerin davon auszugehen, dass der Markeninhaber die [X.] mit einer entsprechenden Zielsetzung angemeldet hat. [X.] Die Begründetheit der Rüge nach § 83 Abs. 3 Nr. 3 [X.] führt zur Aufhebung des angefochtenen [X.]usses und zur Zurückverweisung der Sa-che zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentge-richt (§ 89 Abs. 4 [X.]). [X.] Büscher
Schaffert Kirchhoff Vorinstanz: [X.], Entscheidung vom 10.12.2008 - 32 W(pat) 77/07 -

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I ZB 40/09

24.06.2010

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

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Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 24.06.2010, Az. I ZB 40/09 (REWIS RS 2010, 5440)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5440

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