Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.06.2010, Az. I ZB 40/09

1. Zivilsenat | REWIS RS 2010, 5435

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Löschungsverfahren wegen bösgläubiger Markenanmeldung: Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs - LIMES LOGISTIK


Leitsatz

LIMES LOGISTIK

Eine Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs i.S. von § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG kann vorliegen, wenn das Deutsche Patent- und Markenamt in einem Löschungsverfahren wegen bösgläubiger Markenanmeldung einen wertvollen Besitzstand des Löschungsantragstellers zum Zeitpunkt der Markenanmeldung bejaht hat und das Bundespatentgericht das Vorbringen als unsubstanziiert seiner Entscheidung zugrunde legt, ohne einen richterlichen Hinweis zu erteilen .

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der an [X.] Statt am 28. April 2009 zugestellte Beschluss des 32. Senats ([X.]) des [X.] aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Für den Markeninhaber ist seit dem 1. März 2006 die am 21. März 2005 angemeldete Marke Nr. 305 16 820

Abbildung

2

für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen der Klassen 6, 19, 35, 37, 39 und 41 bis 44 eingetragen.

3

Die Antragstellerin hat beim [X.] die Löschung der Marke beantragt, weil der Markeninhaber bei der Anmeldung [X.] gewesen sei.

4

Die Markenabteilung des [X.]s hat die Löschung der Marke angeordnet und entschieden, dass der Antragstellerin keine Kosten erstattet werden.

5

Auf die Beschwerde des Markeninhabers hat das [X.] den [X.]uss des [X.]s aufgehoben und den Löschungsantrag der Antragstellerin sowie ihre gegen die Kostenentscheidung des [X.]s gerichtete [X.] zurückgewiesen ([X.], [X.]. v. 28.4.2009 - 32 W(pat) 77/07, juris).

6

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der sie die Versagung des rechtlichen Gehörs rügt.

7

II. Das [X.] hat die Auffassung vertreten, die Marke sei nicht i.S. von § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] [X.] angemeldet worden. Die Anmeldung sei weder rechtsmissbräuchlich noch wettbewerbswidrig erfolgt. Eine Löschung der Marke unter dem Gesichtspunkt der Störung eines schutzwürdigen [X.] komme nicht in Betracht, weil die Antragstellerin einen solchen Besitzstand nicht substantiiert dargetan und ihren vom Markeninhaber bestrittenen Vortrag zudem nicht unter Beweis gestellt habe. Es lasse sich auch nicht feststellen, dass der Markeninhaber die Marke in der Absicht angemeldet habe, sie zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einzusetzen.

8

III. [X.] hat Erfolg.

9

1. Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist zulässig. Ihre Statthaftigkeit folgt daraus, dass ein im Gesetz aufgeführter, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröffnender Verfahrensmangel gerügt wird. Die Rechtsbeschwerde beruft sich auf eine Versagung des rechtlichen Gehörs und hat dies im Einzelnen begründet. Auf die Frage, ob die erhobenen [X.] durchgreifen, kommt es für die Statthaftigkeit des Rechtsmittels nicht an (st. Rspr.; vgl. [X.], [X.]. v. 20.5.2009 - [X.], [X.], 992 [X.]. 10 = [X.], 1104 - Schuhverzierung).

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Die Entscheidung des [X.]s beruht auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs der Antragstellerin.

a) Die Bestimmung des Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern. Dazu gehört auch, dass die Verfahrensbeteiligten bei Anwendung der von ihnen zu verlangenden Sorgfalt erkennen können, auf welchen Tatsachenvortrag es für die Entscheidung ankommen kann. Aus Art. 103 Abs. 1 GG ergibt sich zwar keine Verpflichtung des Gerichts, vor der Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinzuweisen oder allgemein von seinem Frage- und Aufklärungsrecht Gebrauch zu machen. Es stellt jedoch eine Versagung des rechtlichen Gehörs dar, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Verfahrensbeteiligter - selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen - nach dem bisherigen [X.] nicht zu rechnen brauchte, weil dies im Ergebnis der Verhinderung des Vortrags eines Verfahrensbeteiligten gleichkommt (vgl. [X.] 84, 188, 190; [X.] NJW 1994, 1274).

b) Die Rechtsbeschwerde rügt mit Erfolg, das [X.] habe den Anspruch der Antragstellerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, indem es deren Vorbringen zu einem wertvollen Besitzstand mit der Begründung nicht berücksichtigt habe, der Vortrag sei unsubstantiiert. Mit dieser Beurteilung brauchte die Antragstellerin ohne richterlichen Hinweis nach dem bisherigen [X.] nicht zu rechnen.

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats ist von einer Bösgläubigkeit des Anmelders auszugehen, wenn die Anmeldung rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig erfolgt. Das [X.] knüpft an die Rechtsprechung zum außerkennzeichenrechtlichen Löschungsanspruch aus § 1 UWG a.F. oder § 826 BGB unter Geltung des [X.] an. Die zu diesem Anspruch entwickelten Grundsätze sind auch zur Beurteilung der Bösgläubigkeit des Anmelders unter Geltung des § 50 Abs. 1 Nr. 4 [X.] a.F. heranzuziehen ([X.], [X.]. v. 30.10.2003 - [X.], [X.], 510, 511 = [X.], 766 - [X.]; [X.]. v. 2.4.2009 - [X.], [X.], 780 [X.]. 11 = [X.], 820 - [X.]). Sie gelten nach der Novellierung des § 50 Abs. 1 [X.] unter der Einführung des Eintragungshindernisses der [X.]en Markenanmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 10 [X.] weiter, weil hierdurch die für die [X.]e Markenanmeldung bestehenden Maßstäbe nicht geändert werden sollten, sondern das Entstehen ungerechtfertigter Markenrechte im Interesse der Rechtssicherheit bereits im Eintragungsverfahren verhindert werden sollte (vgl. Begründung zu Art. 2 Abs. 9 Nr. 1 lit. c und [X.]. a des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Reform des Geschmacksmusterrechts - Geschmacksmusterreformgesetz, BT-Drucks. 15/1075, [X.] f.). Eine [X.]e Markenanmeldung kommt danach in Betracht, wenn der Anmelder weiß, dass ein anderer dasselbe oder ein verwechselbares Zeichen für dieselben oder ähnliche Waren benutzt, ohne hierfür einen formalen Kennzeichenschutz erworben zu haben, und wenn besondere Umstände hinzukommen, die das Verhalten des Anmelders als sittenwidrig erscheinen lassen. Solche besonderen Umstände können darin liegen, dass der [X.] in Kenntnis eines schutzwürdigen [X.] des Vorbenutzers ohne zureichenden sachlichen Grund für gleiche oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen die gleiche oder eine zum Verwechseln ähnliche Bezeichnung mit dem Ziel der Störung des [X.] des Vorbenutzers oder in der Absicht, für diesen den Gebrauch der Bezeichnung zu sperren, als Kennzeichen hat eintragen lassen (vgl. [X.] [X.], 780 [X.]. 13 - [X.]; zu § 50 Abs. 1 Nr. 4 [X.] a.F.: [X.], Urt. v. 10.8.2000 - I ZR 283/97, [X.], 1032, 1034 = [X.], 1293 - [X.] 2000; zu § 4 Nr. 10 UWG: [X.], Urt. v. 26.6.2008 - I ZR 190/05, [X.], 917 [X.]. 20 = [X.], 1319 - [X.]; vgl. auch zu Art. 51 Abs. 1 lit. [X.]: [X.], Urt. v. 11.6.2009 - [X.]/07, [X.]. 2009, [X.] = [X.], 763 [X.]. 53 - [X.]/Hauswirth).

bb) Das [X.] hatte in der Löschungsentscheidung einen wertvollen Besitzstand der Antragstellerin aufgrund der von ihr ergriffenen Maßnahmen im Rahmen der Gründung ihres Geschäftsbetriebs bejaht. Im Beschwerdeverfahren ist der Markeninhaber dieser Beurteilung nur beiläufig mit Schriftsatz vom 27. November 2007 entgegengetreten. In der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] hat die Antragstellerin den von ihr im Jahr 2004 unter der angegriffenen Bezeichnung erzielten Umsatz zusätzlich zu dem bisherigen Vorbringen mit 700.000 € beziffert.

Unter diesen Umständen hätte das [X.] die Antragstellerin darauf hinweisen müssen, dass es ihren Vortrag zu einem wertvollen Besitzstand nicht als ausreichend und die [X.] als unsubstantiiert ansah und ohne weitere Darlegungen und einen Beweisantritt auch nicht beabsichtigte, den Sachverhalt von Amts wegen nach § 73 [X.] zu ermitteln. Ohne einen solchen Hinweis brauchte die Antragstellerin nach dem bisherigen [X.] nicht damit zu rechnen, das [X.] werde einen wertvollen Besitzstand verneinen. Einen entsprechenden Hinweis hat das [X.] nicht erteilt.

cc) Die angefochtene Entscheidung beruht auch auf der Versagung rechtlichen Gehörs.

(1) [X.] von § 83 Abs. 3 Nr. 3 [X.] setzt voraus, dass die angefochtene Entscheidung auf der Versagung rechtlichen Gehörs beruht oder beruhen kann. Liegt der Gehörsverstoß in der Verletzung einer Hinweispflicht, muss mit der Rüge ausgeführt werden, wie die betreffende Partei auf einen Hinweis reagiert hätte, weil nur so das Rechtsbeschwerdegericht beurteilen kann, ob die angefochtene Entscheidung auf dem Gehörverstoß beruht (vgl. [X.], [X.]. v. 24.4.2008 - [X.], [X.], 1126 [X.]. 12 = [X.], 1550 - Weisse Flotte).

(2) Die Rechtsbeschwerde hat dargelegt, die Antragstellerin habe unter dem mit der Marke übereinstimmenden Zeichen im Jahr 2004 Umsätze von annähernd 450.000 € und im Jahr 2005 von 627.000 € erzielt und hat hierzu Aufstellungen und Rechnungsdurchschriften vorgelegt. Unter diesen Umständen ist im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht auszuschließen, dass die Antragstellerin zu dem für das Vorliegen der Voraussetzungen der [X.]en Markenanmeldung maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über die Eintragung der angegriffenen Marke am 1. März 2006 (vgl. [X.] [X.], 780 [X.]. 11 - [X.]) über einen wertvollen Besitzstand verfügte.

Die Rechtsbeschwerde hat weiter geltend gemacht, im Falle eines Hinweises hätte die Antragstellerin die Unterlagen über die von ihr unter der Bezeichnung "[X.]" erzielten Umsätze vorgelegt und sich auf das Zeugnis des [X.] hierzu berufen. Das [X.] hat - von seinem Standpunkt folgerichtig - keine Feststellungen zu der Frage getroffen, ob die Markenanmeldung mit dem Ziel der Störung des [X.] der Antragstellerin erfolgt ist. Für das Rechtsbeschwerdeverfahren ist daher zugunsten der Antragstellerin davon auszugehen, dass der Markeninhaber die angegriffene Marke mit einer entsprechenden Zielsetzung angemeldet hat.

IV. Die Begründetheit der Rüge nach § 83 Abs. 3 Nr. 3 [X.] führt zur Aufhebung des angefochtenen [X.]usses und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das [X.] (§ 89 Abs. 4 [X.]).

Bergmann                                        Pokrant                                      Büscher

                             Schaffert                                    [X.]

Meta

I ZB 40/09

24.06.2010

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend BPatG München, 28. April 2009, Az: 32 W (pat) 77/07, Beschluss

§ 8 Abs 2 Nr 10 MarkenG, § 50 Abs 1 MarkenG, § 83 Abs 3 Nr 3 MarkenG, Art 103 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24.06.2010, Az. I ZB 40/09 (REWIS RS 2010, 5435)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 5435

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

I ZB 40/09 (Bundesgerichtshof)


I ZB 53/08 (Bundesgerichtshof)


I ZB 23/11 (Bundesgerichtshof)

Markenrecht: Verletzung des rechtlichen Gehörs im Löschungsverfahren vor dem Bundespatentgericht bei Geltendmachung einer Spekulationsmarke - …


I ZB 23/11 (Bundesgerichtshof)


I ZB 44/14 (Bundesgerichtshof)

Markenrecht: Anforderungen an den für die Löschung wegen bösgläubiger Markenanmeldung erforderlichen Besitzstand - LIQUIDROM


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.