Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.07.2016, Az. V ZB 32/15

V. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 8174

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[X.]:[X.]:BGH:2016:140716BVZB32.15.0

BUN[X.]SGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZB 32/15
vom

14. Juli 2016

in der Abschiebungshaftsache

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Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 14. Juli 2016
durch die Vorsitzende [X.]in Dr.
[X.], die [X.]in Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und die [X.] [X.], [X.] und Dr. Göbel

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des [X.] -
18. Zivilkammer -
vom 18. Februar 2015 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts
Nürnberg vom 15. Januar 2015 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen werden in allen Instanzen der [X.] auferlegt.

Der Gegenstandswert des [X.] beträgt

Gründe:

I.

Der Betroffene, ein [X.]r Staatsangehöriger reiste zu einem un-bekannten Zeitpunkt ohne gültige Papiere und ohne einen Aufenthaltstitel in 1
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das [X.] ein. Er verfügte über gefälschte [X.] Ausweisdoku-mente (Personalausweis und Führerschein), mit denen er sich bei dem [X.] der [X.] am 12. September 2014 anmeldete. [X.] arbeitete er bei seinem in [X.] lebenden Bruder. Nach
Entde-ckung der Fälschung der Ausweispapiere beantragte die beteiligte Behörde am 15. Januar 2015 gegen den Betroffenen die Haft zum Zweck seiner [X.] bis zum 26. März 2015.

Das Amtsgericht hat die Haft
bis zum 12. März 2015 angeordnet.
Der Betroffene ist am 3. Februar 2015 in den [X.] abgeschoben worden, nach-dem ein Angehöriger dessen [X.] [X.] (einen elektronisch lesba-ren Personalausweis) vorlegte, was die Beschaffung eines Passersatzpapieres für die Durchführung der Abschiebung entbehrlich machte.

Das [X.] hat die mit dem Feststellungsantrag weiter geführte Be-schwerde des Betroffenen zurückgewiesen. Dagegen wendet sich dieser mit der Rechtsbeschwerde.

II.

Das Beschwerdegericht bejaht die Rechtmäßigkeit der Haftanordnung. Der Betroffene sei wegen seiner unerlaubten Einreise vollziehbar [X.] gewesen. Die Haftgründe in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr.
1 und [X.]
[X.] hätten vorgelegen. Die angeordnete Dauer der Haft sei erforderlich und auch verhältnismäßig gewesen.

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III.

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2
FamFG auch dann ohne Zulassung statthaft, wenn bereits das Beschwerdege-richt über einen Feststellungsantrag nach §
62 Abs. 1 FamFG entschieden hat
(Senat, Beschluss vom
6. Oktober 2011 -
V [X.], [X.] 2012, 44 Rn. 5) und im Übrigen nach § 71 FamFG zulässig. Sie ist auch begründet, weil die Anordnung der Abschiebungshaft den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.

1. Ohne Erfolg macht der Rechtsbeschwerdeführer allerdings geltend, dass die Haftanordnung nicht auf die in § 62 Abs. 3 Nr. 1, [X.] und Nr. 5
[X.] genannten Haftgründe hätte gestützt werden dürfen. Der Senat hat
-
allerdings erst nach dem Erlass des angegriffenen Beschlusses und der Be-gründung der Rechtsbeschwerde -
entschieden, dass die genannten Haftgrün-de auch nach dem Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2008/115/EG (des [X.] und des Rates vom 16.
Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, [X.]. [X.] 348 S. 98 -
im Folgenden: Rückführungsrichtlinie) am 24. Dezember 2011 auf die Haft zur Sicherung der Abschiebung des Ausländers in seinem Heimatstaat weiter anzu-wenden
waren. Zur Begründung wird auf den Beschluss vom 18.
Februar 2016 ([X.], [X.] 2016, 235
Rn. 10 ff.) Bezug genommen.

2. Die Rechtsbeschwerde hat jedoch aus einem anderen Grund Erfolg.

a) Der Senat hat bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass nach der Umsetzung der Rückführungsrichtlinie auch die auf Grund illegaler Einreise 5
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kraft Gesetzes vollziehbare Ausreisepflicht (§ 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.]) nicht mehr ohne weiteres mit der Abschiebung des Betroffenen durchgesetzt werden darf. Dafür bedarf es einer dem Haftrichter nachzuweisenden Rück-kehrentscheidung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 der Rückführungsrichtlinie, die
-
soweit die Ausreisepflicht nicht bereits durch einen Verwaltungsakt begründet worden ist -
regelmäßig durch die Androhung der Abschiebung nach § 59
[X.] erfolgt (vgl. Senat, Beschluss vom 14. März 2013 -
V
ZB
135/12, NVwZ 2013, 1027 Rn.
7; Beschluss vom 16. Mai 2013 -
V [X.], [X.] 2013, 229 Rn. 9; Beschluss vom 12. Juli 2013 -
V [X.], [X.] 2013, 279 Rn. 17; Beschluss vom 22. Oktober 2014 -
V [X.], [X.] 2015, 60 Rn.
6). In den [X.] hat das in doppelter Hinsicht Bedeu-tung.

aa) Das Vorliegen einer Rückkehrentscheidung gehört zu den von dem Haftrichter bei der Anordnung der Abschiebungshaft zu prüfenden Vollstre-ckungsvoraussetzungen (Senat, Beschluss vom 16. Mai 2013 -
V
[X.], [X.] 2013, 229 Rn. 9; Beschluss vom 14. Januar 2016 -
V
ZB
18/14, juris Rn. 7). Fehlt es an einer Androhung der Abschiebung, darf die Haft zu deren Sicherung wegen Fehlens einer Vollstreckungsvoraussetzung grundsätzlich nicht angeordnet werden (vgl. Senat, Beschluss vom 12.
Juli
2013
-
V
[X.], [X.] 2013, 279 Rn. 18). Dies gilt auch dann, wenn die [X.] für den Erlass einer Abschiebungsandrohung gegen den Be-troffenen an sich vorlägen und die Ausländerbehörde auch beabsichtigt, eine solche Verfügung zu erlassen (Senat, Beschluss vom 16.
Mai
2013
-
V
ZB
44/12, [X.] 2013, 229 Rn.
11; Beschluss vom 12.
Juli 2013
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V [X.], [X.] 2013, 279 Rn. 18).

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bb) Das Vorliegen einer Abschiebungsandrohung gehört zudem zu den von der Behörde im [X.] nach § 417 Abs. 2 Nr. 5 FamFG darzulegenden [X.]. Fehlt es an dem Vortrag der Behörde, dass eine Abschiebungsandrohung entweder bereits ergangen ist oder aber wegen Vorliegens einer anderen Rückkehrentscheidung ausnahmsweise entbehrlich ist, liegt ein Verstoß gegen den gesetzlichen Begründungszwang vor, der zur Unzulässigkeit des [X.]s führt (Senat, Beschluss vom 16. Mai 2013
-
V [X.], juris Rn. 7; Beschluss vom 30. Oktober 2013 -
V [X.], juris Rn. 4 mwN). Ohne einen zulässigen [X.] der Behörde darf der [X.] die beantragte Haft zur Sicherung der Abschiebung nicht anordnen (Senat,
Beschluss vom 17.
Oktober 2013 -
V
ZB 162/12, [X.] 2014, 51 Rn.
6 mwN).

b) aa) Die Anordnung der Abschiebungshaft stellte sich bereits aus dem letztgenannten Grund als rechtswidrig dar. Da die beteiligte Behörde in ihrem [X.] diese Vollstreckungsvoraussetzung mit keinem Wort erwähnt hatte, fehlte es an einem zulässigen [X.].

bb) Dieser Mangel ist im Beschwerdeverfahren nicht behoben worden. Ein Begründungsmangel im [X.] kann -
wenn auch nur mit Wirkung für die Zukunft (zur Unmöglichkeit einer rückwirkenden Heilung, vgl. Senat,
Beschluss vom 19. Januar 2012 -
V [X.], juris Rn. 8; Beschluss vom 17.
Oktober 2013
-
V
ZB 162/12, [X.] 2014, 51 Rn. 9) -
allerdings im Be-schwerdeverfahren grundsätzlich behoben werden (vgl. Senat, Beschluss vom 31. Januar 2013 -
V [X.], [X.] 2013, 130 Rn. 23). Das setzt jedoch [X.], dass der Betroffene Gelegenheit erhält, sich zu den von der Behörde er-gänzten Ausführungen zu den tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der Haftanordnung vor dem Beschwerdegericht zu äußern und persönlich dazu 10
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7
-
Stellung zu nehmen (Senat, Beschluss vom 29. April 2010 -
V [X.], [X.] 2010, 210 Rn. 25; Beschluss vom 16. Mai 2013 -
V [X.], juris Rn.
9; Beschluss vom 30.
Oktober 2013 -
V [X.], juris Rn. 6). Zu
einer [X.] Behebung des Mangels konnte es hier jedoch schon deswegen nicht kommen, weil der Vorgang erst nach der Abschiebung des Betroffenen an das Beschwerdegericht gelangt ist. Eine Behebung des [X.] wäre deswegen selbst dann nicht mehr möglich gewesen, wenn das Beschwerdege-richt erkannt hätte, dass es bei Erlass der Haftanordnung sowohl an einer Voll-streckungsvoraussetzung als auch an einem den Begründungsanforderungen in § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 FamFG entsprechenden zulässigen [X.] fehlte.

cc) Aus diesem Grund kann dahinstehen, ob die beteiligte Behörde vor oder nach der Inhaftierung des Betroffenen eine überprüfbare Rückkehrent-scheidung (wie eine Abschiebungsanordnung und eine Androhung) gegen ihn erlassen hat. Zwar hätte es dann nicht (oder nicht mehr) an einer für die Anord-nung der Abschiebungshaft erforderlichen Vollstreckungsvoraussetzung gefehlt; der auf einem Verstoß gegen die Begründungsanforderungen in § 417 Abs. 2 FamFG beruhende Mangel des [X.]s wird aber nicht bereits dadurch be-hoben, dass die objektiven Voraussetzungen für die Anordnung von [X.]shaft vorliegen oder nach dem Erlass der Haftanordnung eintreten.

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3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird nach § 74 Abs.
7
FamFG abgesehen.

[X.] Schmidt-Räntsch Czub

Kazele Göbel

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 15.01.2015 -
59 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 18.02.2015 -
18 [X.] -

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Meta

V ZB 32/15

14.07.2016

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.07.2016, Az. V ZB 32/15 (REWIS RS 2016, 8174)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 8174

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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