Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.01.2016, Az. V ZB 18/14

V. Zivilsenat | REWIS RS 2016, 17718

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[X.]:[X.]:[X.]GH:2016:140116[X.]VZ[X.]18.14.0

[X.]UN[X.]SGERICHTSHOF

[X.]ESCHLUSS
V Z[X.] 18/14

vom

14. Januar 2016

in der Abschiebungshaftsache

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2
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Der V.
Zivilsenat des [X.] hat am 14. Januar 2016 durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch und
die Richter [X.], [X.] und Dr. Göbel

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde wird festgestellt, dass die [X.]eschlüsse des [X.] vom 10. Dezember 2013 und des [X.] -
1.
Zivilkammer -
vom 15. Januar 2014 den [X.]etroffenen in seinen Rechten verletzt haben.
Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des [X.]etroffenen in allen Instanzen werden dem [X.] auferlegt.
Der Gegenstandswert des [X.] beträgt

Gründe:
I.
Der [X.]etroffene, ein [X.] Staatsangehöriger, reiste 1995 als Minder-jähriger mit seinen Eltern in das [X.] ein. Er lebte -
auch nach [X.] Ablehnung eines Asylantrags im Jahr 1998 und eines [X.] -
zunächst auf Grund einer Duldung, später auf Grund befristeter Aufenthaltserlaubnis im [X.].
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Mit Verfügung vom 3. April 2013 wies die beteiligte [X.]ehörde den Antrag des [X.]etroffenen auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zurück. Sie wies den [X.]etroffenen in ihrer Verfügung zugleich aus der [X.] aus, forderte ihn zur Ausreise innerhalb von einem Monat auf und drohte ihm bei Nichtbefolgung die Abschiebung in die [X.]
an. Einen Monat später wurde dem [X.]etroffenen die Abschiebung bekanntgegeben, und er wurde aufge-fordert, sich am 14. Mai 2013 morgens zum Zwecke der Abschiebung bei der [X.]ehörde einzufinden. Er erschien nicht. Sein Aufenthalt war der beteiligten [X.]e-hörde danach unbekannt. Am 10. Dezember 2013 wurde der [X.]etroffene bei einer allgemeinen Verkehrskontrolle, bei der er sich mit einem gefälschten bul-garischen Pass auswies, festgenommen.
Auf Antrag der beteiligten [X.]ehörde hat das Amtsgericht am gleichen Tag gegen
den [X.]etroffenen Haft zur Sicherung der Abschiebung bis längstens zum 9.
März 2014 angeordnet. Die dagegen gerichtete [X.]eschwerde hat das [X.] mit [X.]eschluss vom 15. Januar 2014 zurückgewiesen. Der Senat hat mit [X.]eschluss vom 28. Januar 2014 den Vollzug der Abschiebungshaft einstweilen ausgesetzt. Im Rechtsbeschwerdeverfahren beantragt der [X.]etroffene, die [X.] seiner Rechte durch die Haftanordnung des Amtsgerichts und die Ent-scheidung des [X.] festzustellen.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist mit dem Feststellungsantrag analog § 62
FamFG statthaft, auch im Übrigen zulässig und begründet.
1. Die Haftanordnung des Amtsgerichts stellt sich schon deshalb als rechtswidrig dar, weil sie darauf gestützt ist, dass gegen den [X.]etroffenen eine Abschiebeanordnung nach § 58a [X.] ergangen sei, die nicht unmittelbar habe vollzogen werden können. An einer solchen Abschiebeanordnung der 2
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obersten Landesbehörde oder des [X.] zur Abwehr einer besonderen Gefahr der Sicherheit für die [X.] oder einer terroristischen Gefahr (zu den von dieser Norm erfassten Gefahren: [X.], NVwZ 2007, 156, 159) fehlt es hier. Der von dem Haftrichter der Sache nach herangezogene Haftgrund, dass eine nach § 58a [X.] ergangene Abschiebungsanordnung nicht unmittelbar vollzogen werden kann (§ 62 Abs. 3 Satz 1 Nr.
1a, im [X.]eschluss allerdings fehlerhaft als Nr. 2 zitiert), ist nicht ein-schlägig. Die [X.]egründung des Amtsgerichts hat mit dem von der beteiligten [X.]e-hörde in ihrem Haftantrag vorgetragenen Sachverhalt nichts zu tun, nach dem diese eine sog. Ermessensausweisungsentscheidung nach § 55 [X.] ge-troffen hat, die sie auf fünf Verurteilungen des [X.]etroffenen wegen strafrechli-cher Vergehen (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, [X.]eleidigung und mehrfachen Fahrens ohne Fahrerlaubnis) gestützt hat.
2. Die [X.]eschwerdeentscheidung ist rechtswidrig, weil das [X.]e-schwerdegericht nicht geprüft hat, ob die für die Anordnung von Haft zur Siche-rung der Abschiebung notwendigen Vollstreckungsvoraussetzungen noch [X.], obwohl hierfür im Hinblick auf das Vorbringen des [X.]etroffenen bei seiner Anhörung Anlass bestand.
a) Zu den vom Haftrichter zu prüfenden Vollstreckungsvoraussetzungen gehört grundsätzlich eine Abschiebungsandrohung nach § 59 [X.] (vgl. näher Senat, [X.]eschluss vom 16. Mai 2013 -
V [X.], [X.] 2013, 229 Rn.
9 ff.). Eine solche Androhung muss auch dann erfolgen, wenn der [X.] gemäß §
14 [X.] unerlaubt eingereist und deshalb nach § 58 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 [X.] vollziehbar ausreisepflichtig ist (Senat, [X.]eschluss vom 12. Juli 2013 -
V [X.], [X.] 2013, 279 Rn. 26 f.).
b) Nach dem Kenntnisstand bei der Haftanordnung lag diese Vorausset-zung allerdings vor. Der Haftantrag entsprach insbesondere dem sich aus §
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Abs. 2 Satz
2 Nr. 5 FamFG ergebenden [X.]egründungserfordernis (vgl. Senat, [X.]eschluss vom 22. Oktober 2014 -
V [X.], [X.] 2015, 60 Rn. 6; [X.] vom 22. Oktober 2015 -
V [X.], juris Rn. 3), weil die Androhung in der dem Haftantrag
beigefügten Verfügung der beteiligten [X.]ehörde vom 3.
April
2013 enthalten war und der Sachverhalt sich so darstellte, dass der [X.]e-troffene der Ausreiseaufforderung der [X.]ehörde nicht nachgekommen, sondern nach Zustellung der behördlichen Verfügung bis zu seinem Aufgreifen bei einer Verkehrskontrolle im Dezember 2013 im [X.] untergetaucht war.
c) Tatsächlich fehlte es jedoch an der Vollstreckungsvoraussetzung, weil der [X.]etroffene nach den Feststellungen des [X.] nach der [X.] der beteiligten [X.]ehörde in die [X.] ausgereist und erst später über [X.], wo er sich einen gefälschten Pass hatte anfertigen lassen, wieder in die [X.] eingereist ist. Die Ausreise nach erfolgter Ab-schiebungsandrohung hatte -
wie von der Rechtsbeschwerde zutreffend [X.] -

o-hung auch für den Fall unerlaubter Wiedereinreise -
von der Sonderregelung für das Flughafenverfahren (§ 18a Abs. 2 AsylVfG) abgesehen -
nicht zulässig ist (Senat, [X.]eschluss vom 1. Oktober 2015 -
V [X.], juris Rn. 7; [X.]VerwGE 124, 166, 170). Sie ist hier von der beteiligten [X.]ehörde auch nicht angeordnet worden. Das [X.]eschwerdegericht hätte daher bei der von ihm auf der Grundlage des Vortrags des [X.]etroffenen getroffenen Entscheidung die Haftanordnung des Amtsgerichts auf dessen [X.]eschwerde aufheben müssen.
3. [X.]eide Entscheidungen haben den [X.]etroffenen zudem in seinen Rech-ten deshalb verletzt, weil die Gerichte darauf hingewirkt haben, dass die Haft unter Verletzung der im Lichte von Art. 16 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie) auszulegenden Vorschrift des § 62a Abs.
1 [X.] vollzogen wurde (zum Inhalt des Gebots der getrennten Un-9
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terbringung: vgl. Senat, [X.]eschluss vom 25. Juli 2014 -
V [X.], [X.] 2014, 230 Rn. 7 bis 9).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 81 Abs. 1, § 83 Abs. 2, § 430
FamFG, Art. 5 [X.] analog. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach
§ 36 Abs. 3 GNotKG.
Stresemann
Schmidt-Räntsch
Czub

Kazele
Göbel

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 10.12.2013 -
03 [X.] ([X.]) -

LG Schweinfurt, Entscheidung vom 15.01.2014 -
11 [X.]/13 -

11

Meta

V ZB 18/14

14.01.2016

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 14.01.2016, Az. V ZB 18/14 (REWIS RS 2016, 17718)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 17718

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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