Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.04.2014, Az. I ZR 237/12

1. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 6578

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Anhörungsrüge gegen die Entscheidung über eine Nichtzulassungsbeschwerde: Geltendmachung neuer und eigenständiger Gehörsverletzungen; Ziel der Ergänzung der Begründung


Tenor

Die Anhörungsrüge gegen den Senatsbeschluss vom 6. November 2013 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Gründe

1

Die gemäß § 321a ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Anhörungsrüge ist nicht begründet. Der Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) ist durch die Zurückweisung ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision durch Beschluss des Senats vom 6. November 2013 nicht verletzt.

2

I. Die Bestimmung des Art. 103 Abs. 1 GG garantiert den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens, dass sie Gelegenheit erhalten, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern, und dass das Gericht das Vorbringen zur Kenntnis nimmt und bei seiner Entscheidung in Erwägung zieht ([X.] 86, 133, 144; [X.], NJW-RR 2004, 1710, 1712). Hingegen ist es nicht erforderlich, alle Einzelpunkte des [X.] ausdrücklich zu bescheiden ([X.] 96, 205, 216 f.; [X.], Beschluss vom 24. Februar 2005 - [X.], NJW 2005, 1432 f.). Die [X.] hat auch keinen Anspruch darauf, dass das Gericht sich in dem von ihr für richtig erachteten Sinn mit ihrem Vorbringen befasst (vgl. [X.], Beschluss vom 7. Juli 2011 - [X.], [X.], 314 Rn. 12 - Medicus.log).

3

II. Der Senat hat bei seiner Entscheidung vom 6. November 2013 die Angriffe der Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten in vollem Umfang geprüft, jedoch sämtlich nicht für durchgreifend erachtet.

4

1. Soweit die Beklagte mit ihrer Anhörungsrüge ihren Vortrag aus der Nichtzulassungsbeschwerde wiederholt, kann die Anhörungsrüge damit nicht begründet werden. Nach der vom [X.] gebilligten Rechtsprechung des [X.] können mit der Anhörungsrüge nur neue und eigenständige Verletzungen des Art. 103 Abs. 1 GG durch das Rechtsmittelgericht gerügt werden (vgl. [X.], [X.] vom 5. Mai 2008 - 1 BvR 562/08, [X.], 2635 f.; [X.], Beschluss vom 19. Juli 2012 - [X.], [X.], 766 Rn. 2). Eine [X.] gegen die Entscheidung über eine Nichtzulassungsbeschwerde kann auch nicht mit dem Ziel eingelegt werden, eine Ergänzung der Begründung herbeizuführen (vgl. [X.], Beschluss vom 9. April 2013 - [X.], juris Rn. 3; Beschluss vom 15. August 2013 - [X.], juris Rn. 2).

5

2. In der Rechtsprechung des [X.]s ist im Übrigen geklärt, dass eine mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbare letztinstanzliche gerichtliche Entscheidung von [X.] wegen regelmäßig keiner Begründung bedarf ([X.], [X.] vom 8. Dezember 2010 - 1 BvR 1382/10, NJW 2011, 1497 Rn. 12). Dies gilt auch für Entscheidungen des [X.], mit denen - wie hier - eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nach § 544 Abs. 4 ZPO zurückgewiesen worden ist ([X.], NJW 2011, 1497 Rn. 12). Eine Begründung ist nur dann ausnahmsweise geboten, wenn vom eindeutigen Wortlaut einer Norm abgewichen wird und der Grund hierfür nicht ohne weiteres erkennbar ist oder wenn ein im Zeitpunkt der Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde bestehender Zulassungsgrund vor der Entscheidung über diese wegfällt und deswegen eine Prüfung der Erfolgsaussichten auf der Grundlage anderer als der von der Vorinstanz als tragend angesehenen Gründe erforderlich ist ([X.], NJW 2011, 1497 Rn. 13). Eine solche Ausnahme ist jedoch weder von der Beklagten dargetan noch sonst ersichtlich.

6

An diesen Grundsätzen zur Begründung letztinstanzlicher Entscheidungen ändert sich auch dann nichts, wenn mit der Nichtzulassungsbeschwerde eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch die Vorinstanz gerügt worden ist. Der Umstand, dass die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 544 Abs. 4 ZPO mit einer Anhörungsrüge nach § 321a ZPO angefochten werden kann, wenn mit dieser eine nicht nur sekundäre, sondern eine neue und eigenständige Gehörsverletzung gerügt wird, hat keinen Einfluss auf [X.] bei Beschlüssen über die Nichtzulassungsbeschwerde ([X.], NJW 2011, 1497 Rn. 14; [X.], Beschluss vom 15. August 2013 - [X.], juris Rn. 4).

7

III. Im Streitfall bestand - anders als die Beklagte mit der Anhörungsrüge geltend macht - auch kein Grund für ein erneutes Vorabentscheidungsersuchen an den [X.] nach Art. 267 A[X.]V. Nach dem im Revisionsverfahren gegen das erste Berufungsurteil ([X.], [X.]. 2005, 72) bereits erfolgten Vorabentscheidungsersuchen ([X.], Beschluss vom 14. Februar 2008 - [X.], [X.], 413 = [X.], 669 - [X.]) und dem Urteil des Gerichtshofs der [X.] ([X.], Urteil vom 22. Dezember 2010 - [X.]/08, [X.], 240 = [X.], 189 - [X.]/Bayerischer Brauerbund II) bestehen im Streitfall bei der Auslegung des [X.]srechts keine vernünftigen Zweifel, so dass eine erneute Vorlage an den [X.] nicht geboten ist (vgl. [X.], Urteil vom 6. Oktober 1982 - [X.], [X.]. 1982, 3415 Rn. 16 = NJW 1983, 1257 - C.I.L.F.I.T; Urteil vom 15. September 2005 - [X.]/03, [X.]. 2005, [X.] Rn. 33 - Intermodal Transport).

8

1. Die Beklagte macht mit der Anhörungsrüge geltend, im vorliegenden Fall stelle sich die Frage, ob die gemäß Art. 1 Nr. 15 der Verordnung ([X.]) Nr. 692/2003 fortgeltende Bestimmung des Art. 17 Abs. 3 der Verordnung ([X.]) Nr. 2081/92 die Gewährung des Schutzes nationalen Rechts in einem Fall ausschließt, in welchem der Kläger Schutz einer nach Art. 17 der Verordnung ([X.]) Nr. 2081/92 eingetragenen geschützten geographischen Angabe gegenüber einer vorrangigen Marke sucht und die Klage eingelegt wurde nach dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Eintragung der geschützten geographischen Angabe und der Schutz sich auf nationales Recht und Tatsachen stützt, die vor der Eintragung der geschützten geographischen Angabe liegen.

9

Eine Vorlage an den [X.] ist insoweit nicht erforderlich.

Nach Art. 17 Abs. 3 der Verordnung ([X.]) Nr. 2081/92 konnten die Mitgliedstaaten den einzelstaatlichen Schutz bis zu dem Zeitpunkt, zu dem über die Eintragung entschieden wurde, beibehalten (vgl. auch [X.], [X.], 240 Rn. 63 f. - [X.]/Bayerischer Brauerbund II; [X.], Urteil vom 22. September 2011 - [X.], [X.], 394 Rn. 37 = [X.], 550 - [X.]I). Auf den Zeitpunkt der Klageerhebung stellt die Bestimmung nicht ab. Es ist zudem nichts dafür ersichtlich, dass mit dem Schutz auf [X.]sebene der zuvor bestehende nationale Schutz rückwirkend entfallen ist.

Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der Exklusivität des Schutzes nach den Verordnungen Nr. 2081/92 und 510/2006, wonach diese Verordnungen eine einheitliche und abschließende Schutzregelung für Ursprungsbezeichnungen und geographische Angaben schaffen (vgl. hierzu [X.], Urteil vom 8. September 2009 - [X.]/07, [X.]. 2009, [X.] = [X.], 143 Rn. 114 bis 129 - [X.]). Das betrifft nur ein Nebeneinander des nationalen und des unionsrechtlichen Schutzsystems (vgl. [X.], [X.], 143 Rn. 114). Vorliegend geht es um einen nationalen Schutz, solange der unionsrechtliche Schutz noch nicht besteht, also um ein Nacheinander des Schutzes, den Art. 17 Abs. 3 der Verordnung ([X.]) Nr. 2081/92 ermöglicht (vgl. [X.], [X.], 240 Rn. 63 f. - [X.]/Bayerischer Brauerbund II).

Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte für ihre gegenteilige Ansicht auf die mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2012 vorgelegten Urteile der obersten Gerichte [X.] und [X.]. Die Beklagte hat schon nicht dargelegt, dass die Gründe, die für eine Schutzversagung in diesen Entscheidungen maßgeblich waren, nicht auf Besonderheiten - etwa weil "[X.]" im [X.] und [X.] keinen Bezug zu "bayerisch" oder "[X.]" aufweist - beruhen, die mit der von der Anhörungsrüge aufgeworfenen Frage nichts zu tun haben.

2. Die Anhörungsrüge meint, ein Schutz nach §§ 126 ff. [X.] sei im Hinblick auf Art. 14 Abs. 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 2081/92 und der Verordnung ([X.]) Nr. 510/2006 ausgeschlossen. Die [X.] dürfe deshalb weiter verwendet werden.

a) Dieses Vorbringen und die in diesem Zusammenhang formulierte Vorlagefrage rechtfertigt kein Vorabentscheidungsersuchen an den [X.]. Auf das Verhältnis von Art. 14 Abs. 2 der Verordnungen Nr. 2081/92 und 510/2006 zum übergangsweise zulässigen nationalen Schutz kommt es nicht an.

aa) Der Schutz des Art. 14 Abs. 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 2081/92 - Gleiches gilt für die Verordnung ([X.]) Nr. 510/2006 - setzt einen guten Glauben des Markeninhabers bei der Eintragung der Marke voraus. Einen guten Glauben der Beklagten hat das Berufungsgericht verneint. Die dagegen gerichteten, auf die Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beklagten gestützten [X.] greifen nicht durch.

bb) Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Beklagte nicht gutgläubig bei der Eintragung der Marke war, weil zuvor Schutz für Marken mit dem Bestandteil "[X.]" in [X.] von Amts wegen verweigert wurde.

Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ist der Begriff des guten Glaubens in Art. 14 Abs. 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 2081/92 unter Berücksichtigung aller Vorschriften des nationalen Rechts und des Völkerrechts zu betrachten, die in dem Zeitpunkt galten, als der Antrag auf Eintragung der Marke eingereicht wurde. Entsprechendes hat für den Zeitpunkt des Antrags auf Schutzer-streckung der [X.] zu gelten. Bei dem Inhaber der Marke kann grundsätzlich kein guter Glaube vermutet werden, wenn die seinerzeit geltenden Vorschriften einem Eintragungsantrag eindeutig entgegenstanden (vgl. [X.], Urteil vom 4. März 1999 - [X.]/97, [X.]. 1999, 443 Rn. 35 - Gorgonzola/[X.]; [X.], [X.], 413 Rn. 36 - [X.]). Zu den maßgeblichen nationalen Vorschriften gehörten im Jahr 1995 § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.], der ein Schutzhindernis für geographische Angaben begründet, und die Vorschriften über den nationalen Schutz geographischer Angaben, aus denen sich ein relatives Schutzhindernis nach § 13 Abs. 1 und 2 Nr. 5 [X.] ergibt. Diese stehen nach Art. 6

Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Beklagten folgt auch nicht daraus, dass sie seit 1925 das Zeichen "[X.]" - etwa in der Unternehmensbezeichnung - benutzt. Markenschutz ist ihr jedenfalls mehrfach verweigert worden.

Gegen eine Bösgläubigkeit der Beklagten spricht auch nicht der Umstand, dass der Kläger den Schutz für die Bezeichnung "[X.]" im Eintragungsverfahren hat fallen lassen. Der Tatsache, dass der Kläger für diese Bezeichnung den Schutz als geschützte geographische Angabe nach den Verordnungen der [X.] nicht weiterverfolgt hat, lässt sich kein Anhalt dafür entnehmen, dass die Beklagte für eine entsprechende Bezeichnung Markenschutz erwerben kann.

b) Der Nichtzulassungsbeschwerde verhilft auch nicht der Hinweis auf Art. 14 Abs. 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 1151/2012 zum Erfolg, die an die Stelle der Verordnung ([X.]) Nr. 510/2006 getreten ist. Auch diese Vorschrift setzt einen guten Glauben der Beklagten voraus, an dem es vorliegend im Hinblick auf die Schutzerstreckung der [X.] auf [X.] fehlt. Deshalb kommt es auch nicht auf die von der Anhörungsrüge in diesem Zusammenhang aufgeworfene Frage an, ob Art. 17 der Charta der Grundrechte der [X.] und Art. 14 Abs. 2 der Verordnung ([X.]) Nr. 1151/2012 als Ausdruck unionsrechtlicher Verbürgung des Schutzes des geistigen Eigentums an einer gutgläubig in der [X.] erworbenen Marke gegenüber einer geographischen Angabe auch einer Löschung dieser Marke auf der Grundlage nationalen Rechts entgegenstehen.

Büscher                     Pokrant                            [X.]

                [X.][X.]

Meta

I ZR 237/12

03.04.2014

Bundesgerichtshof 1. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend LG München I, 2. Oktober 2003, Az: 7 O 16532/01

Art 103 Abs 1 GG, § 321a ZPO, § 544 Abs 4 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 03.04.2014, Az. I ZR 237/12 (REWIS RS 2014, 6578)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6578

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

I ZR 237/12 (Bundesgerichtshof)


I ZR 69/04 (Bundesgerichtshof)

Gemeinschaftsrechtlicher Markenschutz: Ergänzende Heranziehung des MarkenG und des UWG bei Kollision einer geschützten geographischen Angabe …


I ZR 69/04 (Bundesgerichtshof)


I ZR 69/04 (Bundesgerichtshof)


I ZR 253/16 (Bundesgerichtshof)

Vorlage an den EuGH: Erstreckung der geschützten geografischen Angabe „Aceto Balsamico di Modena“ – Deutscher …


Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.