Bundesfinanzhof, Urteil vom 24.01.2013, Az. V R 34/11

5. Senat | REWIS RS 2013, 8681

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Gegenstand

(Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG - Abholung und Entsorgung von Speiseabfällen aus Restaurants und Großküchen ist keine "landwirtschaftliche Dienstleistung" - Keine Anwendbarkeit von § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO bei Erstbescheiden - Verfassungsmäßigkeit der gesetzmäßigen Besteuerung - Prüfung einer Schätzung durch den BFH)


Leitsatz

Die Abholung und Entsorgung von Speiseabfällen aus Restaurants und Großküchen stellt keine landwirtschaftliche Dienstleistung dar, die der Pauschalbesteuerung nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG unterliegt .

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Landwirt. Er betrieb in den Streitjahren 2003 bis 2005 auf ca. 19 ha gepachteten Flächen einen Mastbetrieb (Schweine und Rinder), ohne dass die Anzahl der [X.] ([X.]) nachhaltig die in § 51 Abs. 1a des Bewertungsgesetzes bezeichnete Grenze überschritt.

2

In den Streitjahren holte er mit einem Spezialfahrzeug von Großküchen und Restaurants gegen Bezahlung organische Abfälle ([X.]) ab. Diese erhitzte der Kläger und verfütterte sie anschließend ausschließlich an seine eigenen Schweine.

3

Im [X.] an eine Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) die Auffassung, dass die Entsorgung der [X.] eine dem Regelsteuersatz unterliegende sonstige Leistung des [X.] darstelle, und setzte mit Bescheiden vom 29. Oktober 2008 erstmalig Umsatzsteuer für die [X.], 2004 und 2005 fest. Dabei berücksichtigte das [X.] die streitbefangenen Umsätze ([X.]abholung), in deren Bemessungsgrundlage es neben den Geldzahlungen der Restaurants und Großküchen zusätzlich den Wert der [X.] einbezog, und die damit zusammenhängenden Vorsteuern.

4

Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das [X.] ([X.]) mit dem in "Entscheidungen der [X.]e" 2012, 187 veröffentlichten Urteil nur insoweit statt, als das [X.] die Bemessungsgrundlage für die streitbefangene Leistung des [X.] ([X.]abholung) um den Wert der [X.] erhöht hatte. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen.

5

Zur Begründung führte das [X.] im Wesentlichen aus, die Abholung und Entsorgung der [X.] sei eine sonstige Leistung, die nicht der [X.] gemäß § 24 der in den Streitjahren gültigen Fassung des Umsatzsteuergesetzes 1999 bzw. 2005 (UStG) unterliege. Die [X.] trügen nicht "normalerweise zur landwirtschaftlichen Erzeugung" i.S. von Art. 295 der Richtlinie 2006/112/[X.] vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) bei, da sie der gewerblichen Betätigung der Restaurants und Großküchen dienten. Die Leistungen des [X.] fielen auch nicht unter Anhang [X.] Nr. 2 MwStSystRL, denn die dort genannten Betätigungen müssten sich auf "landwirtschaftliche Erzeugnisse" beziehen. Die [X.] seien aber keine "landwirtschaftlichen", sondern gewerbliche (Abfall-) Produkte.

6

Die [X.]abholung unterfalle zudem weder als sog. landwirtschaftlicher Hilfsumsatz noch als landwirtschaftlicher Nebenbetrieb der Besteuerung nach § 24 UStG. Bei restriktiver richtlinienkonformer Auslegung seien landwirtschaftliche Hilfsleistungen nicht von § 24 UStG erfasst. Ein landwirtschaftlicher Nebenbetrieb --dessen Vereinbarkeit mit Art. 295 i.V.m. Anhang [X.] MwStSystRL unterstellt-- liege nicht vor, da die Umsätze aus der [X.]verwertung in erheblichem Umfang die Umsätze aus Landwirtschaft überstiegen hätten, so dass die [X.]abholung nicht als Betätigung von untergeordneter Bedeutung beurteilt werden könne. Für die Frage der "Bedeutung" der Leistungen komme es nicht auf die aufgewendete Arbeitszeit, sondern auf die gegenüber Dritten erbrachten Leistungen an, deren Umfang sich nach dem Entgelt richte.

7

Die Regelbesteuerung der [X.]abholung verstoße weder gegen den Gleichheitssatz noch gegen Vertrauensschutzgesichtspunkte. Es gelte das Prinzip der [X.]. Eine Verwaltungsanweisung, auf die der Kläger hätte vertrauen dürfen, habe nicht existiert. Die steuerliche Behandlung der Erzeugung und des Verkaufs von Biogas sei mangels Vergleichbarkeit für den Streitfall unerheblich. Die vom Kläger herangezogenen Vorschriften über die Speiseabfallentsorgung hätten lediglich ordnungspolitische Zwecke und könnten die europaweit harmonisierte Umsatzbesteuerung nicht beeinflussen.

8

Als Bemessungsgrundlage berücksichtigte das [X.] die in den Jahresabschlüssen zum 30. Juni des dem jeweiligen Streitjahr folgenden Kalenderjahres ausgewiesenen Erlöse abzüglich der Umsatzsteuer. Eine auf das Kalenderjahr bezogene Berechnung sei nicht möglich. Durch die Verschiebung würden sich allenfalls geringe Abweichungen ergeben.

9

Gegen das Urteil wendet sich der Kläger mit der vom [X.] zugelassenen Revision, die er auf Verletzung materiellen Rechts stützt. Zu Unrecht gehe das [X.] davon aus, dass die streitbefangenen Umsätze der Regelbesteuerung unterlägen.

Das [X.] lege Art. 295 ff. MwStSystRL zu eng aus. Eine landwirtschaftliche Dienstleistung müsse nicht zwingend gegenüber einem Land- und Forstwirt erbracht werden. Es müsse berücksichtigt werden, dass [X.] nicht als gewerblicher Abfall entsorgt werden dürften, sondern im Ergebnis landwirtschaftlich verarbeitet werden müssten. Nach der Speiseabfallverordnung erhalte eine Genehmigung zur Entsorgung nur, wer Schweine mäste oder zur Schlachtung führe. Die Beurteilung aus Sicht des Leistungsempfängers sei ursprünglich als Vereinfachungsregelung entwickelt worden und diene landwirtschaftlicher Nachbarschaftshilfe. Sie dürfe nicht zum Dogma erhöht werden.

Da die streitigen Umsätze der Futterbeschaffung dienten, handele es sich um Vorbereitungshandlungen zur landwirtschaftlichen Urproduktion (Schweinemast) und nicht um [X.]. Der Vorgang sei vergleichbar mit der Beschaffung von Fertigfutter, die der Durchschnittsbesteuerung unterliege. Zudem handele es sich um einen landwirtschaftlichen Nebenbetrieb.

Die rückwirkende Änderung der Verwaltungsauffassung verstoße gegen Art. 20 Abs. 3, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 sowie Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Zudem sei Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, soweit die [X.]verwertung im Rahmen der Schweinemast anders beurteilt werde als im Rahmen der Verwertung in einer Biogasanlage.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit es die Klage abgewiesen hat, und die Umsatzsteuerbescheide für 2003, 2004 und 2005 vom 29. Oktober 2008 dahingehend zu ändern, dass die erfassten Leistungen der [X.] gemäß § 24 UStG unterworfen werden.

Das [X.] beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Es schließt sich der Auffassung des [X.] an. Ergänzend weist es darauf hin, dass der Kläger für die Ausführung der streitigen Umsätze spezielle Gerätschaften in Form eines Fahrzeuges und eines [X.] benötigt und damit die "normale Ausrüstung" seines landwirtschaftlichen Betriebs nicht ausgereicht habe.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zurückzuweisen. Das [X.] geht zutreffend davon aus, dass der Kläger nicht berechtigt ist, für seine sonstigen Leistungen, die in der Entsorgung der [X.] bestehen, gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG die [X.] anzuwenden.

1. Für die im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs ausgeführten Umsätze wird die Steuer für Dienstleistungen i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 9 UStG gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG und die diesen Umsätzen zuzurechnenden Vorsteuerbeträge gemäß § 24 Abs. 1 Satz 3 UStG auf jeweils neun Prozent der Bemessungsgrundlage festgesetzt.

a) Als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gelten nach § 24 Abs. 2 Satz 1 UStG

"1. die Landwirtschaft, die Forstwirtschaft, der Wein-, Garten-, Obst- und Gemüsebau, die Baumschulen, alle Betriebe, die Pflanzen und Pflanzenteile mit Hilfe der Naturkräfte gewinnen, die Binnenfischerei, die Teichwirtschaft, die Fischzucht für die Binnenfischerei und Teichwirtschaft, die Imkerei, die [X.] sowie die Saatzucht;

2. Tierzucht- und Tierhaltungsbetriebe, soweit ihre Tierbestände nach den §§ 51 und 51a des Bewertungsgesetzes zur landwirtschaftlichen Nutzung gehören".

Zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehören nach § 24 Abs. 2 Satz 1 UStG auch die Nebenbetriebe, die dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu dienen bestimmt sind.

b) § 24 UStG ist nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ([X.]) richtlinienkonform entsprechend dem geltenden Unionsrecht, in den Streitjahren Art. 25 der [X.] vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/[X.] ([X.]/[X.]), auszulegen (vgl. [X.]-Urteil vom 13. Januar 2011 V R 65/09, [X.]E 233, 72, [X.], 465, m.w.N.).

Nach Art. 25 Abs. 1 der [X.]/[X.] können die Mitgliedstaaten auf landwirtschaftliche Erzeuger, bei denen die Anwendung der normalen Mehrwertsteuerregelung oder gegebenenfalls der vereinfachten Regelung nach Art. 24 der [X.]/[X.] auf Schwierigkeiten stoßen würde, als Ausgleich für die Belastung durch die Mehrwertsteuer, die auf die von den [X.] bezogenen Gegenstände und Dienstleistungen gezahlt wird, eine Pauschalregelung anwenden. Nach Art. 25 Abs. 2 fünfter Gedankenstrich der [X.]/[X.] gelten als landwirtschaftliche Dienstleistungen die in Anhang B aufgeführten Dienstleistungen, die von einem landwirtschaftlichen Erzeuger mit Hilfe seiner Arbeitskräfte und/oder der normalen Ausrüstung seines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder Fischereibetriebs vorgenommen werden. Als landwirtschaftliche Dienstleistungen gelten nach Anhang B der [X.]/[X.] Dienstleistungen, die normalerweise zur landwirtschaftlichen Produktion beitragen, wie z.B. "Hüten, Zucht und [X.] von Vieh" (vierter Gedankenstrich).

2. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der [X.] ([X.]) gilt Art. 25 der [X.]/[X.] nur für die Lieferung landwirtschaftlicher Erzeugnisse und die Erbringung landwirtschaftlicher Dienstleistungen, wie sie in Abs. 2 dieser Bestimmung definiert sind; demgegenüber unterliegen die sonstigen Umsätze der Pauschallandwirte der allgemeinen Besteuerungsregelung ([X.]-Urteile vom 15. Juli 2004 C-321/02, [X.], [X.]. 2004, [X.]. 31 und 36, sowie vom 26. Mai 2005 [X.]/04, [X.], [X.]. 2005, [X.] Rdnr. 21). Weiter sind die von Art. 25 der [X.]/[X.] verwendeten Begriffe in der gesamten [X.] autonom und einheitlich auszulegen ([X.]-Urteil [X.] in [X.]. 2005, [X.] Rdnr. 24). Dabei ist die Sonderregelung nach Art. 25 der [X.]/[X.] eng auszulegen und darüber hinaus nur insoweit anzuwenden, als dies zur Erreichung ihres Zieles erforderlich ist ([X.]-Urteile [X.] in [X.]. 2004, [X.]. 27, und [X.] in [X.]. 2005, [X.] Rdnr. 27; vom 8. März 2012 [X.]/10, [X.] 2012, 685 Rdnr. 49). Dieses Ziel besteht darin, die Belastung durch die Steuer auf die von den Landwirten bezogenen Gegenstände und Dienstleistungen dadurch auszugleichen, dass den landwirtschaftlichen Erzeugern, die ihre Tätigkeit im Rahmen eines landwirtschaftlichen, forstwirtschaftlichen oder Fischereibetriebs ausüben, ein Pauschalausgleich gezahlt wird, wenn sie landwirtschaftliche Erzeugnisse liefern oder landwirtschaftliche Dienstleistungen erbringen ([X.]-Urteile [X.] in [X.]. 2004, [X.]. 29, und [X.] in [X.]. 2005, [X.] Rdnr. 28). Keine "landwirtschaftlichen Dienstleistungen" sind daher Leistungen, die keinen landwirtschaftlichen Zwecken dienen und sich nicht auf normalerweise in land-, forst- und fischwirtschaftlichen Betrieben verwendete Mittel beziehen ([X.]-Urteile [X.] in [X.]. 2004, [X.]. 31, und [X.] in [X.]. 2005, [X.] Rdnr. 29).

Dieser Auslegung folgt die Rechtsprechung des [X.] (vgl. [X.]-Urteil in [X.]E 233, 72, [X.], 465, m.w.N.). Die ertragsteuerrechtliche Beurteilung ist daher ohne Bedeutung ([X.]-Urteil vom 13. August 2008 XI R 8/08, [X.]E 221, 569, [X.] 2009, 216, unter II.3.).

3. Bei Anwendung dieser Grundsätze handelt es sich bei den streitbefangenen Leistungen nicht um landwirtschaftliche Dienstleistungen, die der Pauschalbesteuerung nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG unterliegen.

a) Eine Ausweitung des Anwendungsbereiches des § 24 UStG auf die von Landwirten durchgeführte Entsorgung von in Restaurants und Großküchen anfallenden [X.]n ist mit Art. 25 der [X.]/[X.] nicht vereinbar. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Entsorgung von Speiseresten in der Liste der landwirtschaftlichen Dienstleistungen gemäß Anhang B der [X.]/[X.] nicht ausdrücklich aufgeführt ist. Bei der gebotenen engen Auslegung (vgl. [X.]-Urteile [X.] in [X.]. 2004, [X.]. 27; [X.] in [X.]. 2005, [X.] Rdnr. 27; [X.]-Urteil in [X.]E 233, 72, [X.], 465) handelt es sich nicht um das [X.] von Vieh im Sinne von Anhang B vierter Gedankenstrich i.V.m. Art. 25 Abs. 2 fünfter Gedankenstrich der [X.]/[X.].

b) Entgegen der Auffassung des [X.] kann es dahinstehen, ob die Speiseresteentsorgung innerhalb eines landwirtschaftlichen Nebenbetriebs erfolgt ist. Die Zuordnung zu einem landwirtschaftlichen Nebenbetrieb ändert nichts daran, dass nur landwirtschaftliche Dienstleistungen der [X.] unterliegen. Eine solche liegt hier nicht vor.

4. Entgegen der Auffassung des [X.] ergibt sich eine abweichende Beurteilung auch nicht aufgrund schutzwürdigen Vertrauens.

a) Soweit der Vortrag des [X.] dahin zu verstehen ist, dass er aufgrund Abschn. 264 Abs. 1 Satz 2 der [X.] 2000 bzw. 2005 i.V.m. R 135 Abs. 3 und 4 bzw. R 15.5 der in den Streitjahren gültigen Fassung der Einkommensteuer-Richtlinien darauf vertraut habe, dass auch die [X.] der [X.] unterliegen, ist dieses Vertrauen im Streitfall nicht nach § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Abgabenordnung ([X.]) geschützt. Die Vorschrift ist bei Erstbescheiden nicht anwendbar (vgl. [X.]-Beschluss vom 4. Juni 2007 IV B 88/06, [X.]/NV 2007, 2088; [X.]-Urteil vom 19. März 2002 VIII R 57/99, [X.]E 198, 137, [X.] 2002, 662, m.w.N.). Da der Kläger weder Umsatzsteuervoranmeldungen noch Jahressteuererklärungen für die Streitjahre eingereicht hat, die gemäß § 168 Satz 1 [X.] als Festsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gelten könnten, handelt es sich bei den angegriffenen Bescheiden um Erstbescheide.

Ob eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 [X.] diesen Aspekt ggf. berücksichtigen könnte, kann im vorliegenden Verfahren nicht entschieden werden (vgl. [X.]-Urteil vom 12. Dezember 1995 VIII R 59/92, [X.]E 179, 335, [X.] 1996, 219).

b) Soweit sich der Kläger darauf beruft, dass der streitige Sachverhalt durch das [X.] bei vorangegangenen Betriebsprüfungen nicht beanstandet wurde, begründet dies nach ständiger Rechtsprechung keinen Vertrauensschutz. Eine Bindung des [X.] an eine früher erfolgte rechtliche Beurteilung kann sich nur aufgrund einer verbindlichen Zusage gemäß § 204 [X.] oder einer nach Treu und Glauben verbindlichen Auskunft ergeben (z.B. [X.]-Urteile vom 31. Mai 2007 V R 5/05, [X.]E 217, 290, [X.], 289, m.w.N.; vom 30. April 2009 V R 3/08, [X.]E 226, 144). Dafür ist nichts ersichtlich.

c) In einer dem UStG und der [X.]/[X.] entsprechenden, d.h. gesetzmäßigen Besteuerung vermag der Senat weder eine Verletzung der in Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG verbürgten Grundrechte, noch einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) zu sehen. Unbillige Härten, die aufgrund eines schutzwürdigen Vertrauens in eine fehlerhafte rechtliche Beurteilung entstehen, sind im Wege des § 163 [X.] geltend zu machen. Dieses Verfahren bietet den Betroffenen ausreichenden Rechtsschutz (vgl. Klein/Rüsken, [X.], 11. Aufl., § 176 Rz 3, m.w.N.).

5. Einen vom Kläger behaupteten Verstoß des [X.]-Urteils gegen Art. 3 Abs. 1 GG im Hinblick auf die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung der Speiseresteabholung zur Verwertung in einer Biogasanlage vermag der Senat nicht zu erkennen. Die Speiseresteentsorgung gegen Entgelt stellt unabhängig davon, ob der leistende Unternehmer eine Biogasanlage oder eine Schweinemast betreibt, keine landwirtschaftliche Dienstleistung i.S. von § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG dar.

Eine möglicherweise unzutreffende Besteuerung eines Konkurrenten ist im Wege der Konkurrentenklage geltend zu machen (vgl. [X.]-Urteil vom 26. Januar 2012 VII R 4/11, [X.]E 236, 481, [X.] 2012, 541), in deren Rahmen zu klären ist, ob dem Kläger insoweit ein subjektives Recht auf Schutz gegenüber der Konkurrenz zusteht. Der Gleichheitssatz vermittelt jedenfalls keinen Anspruch auf Anwendung einer rechtswidrigen Verwaltungspraxis und damit auf "Gleichheit im Unrecht" ([X.]-Beschluss vom 1. Juli 2010 V B 62/09, [X.]/NV 2010, 2136, m.w.N.).

Auch der Hinweis des [X.] auf eine vermeintliche "Ungleichbehandlung" zu einem Betrieb, der Fertigfutter erwirbt, führt zu keiner anderen Beurteilung. Es fehlt bereits an einem vergleichbaren Sachverhalt, da der Erwerb von Fertigfutter keine Ausgangsleistung ist, die mit den streitigen Leistungen des [X.] verglichen werden könnte.

6. Die Schätzung des [X.] zur Höhe des für die [X.] gezahlten Entgelts ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

a) Die Schätzung gehört zu den tatsächlichen Feststellungen i.S. des § 118 Abs. 2 [X.]O. Der [X.] kann sie nur darauf überprüfen, ob sie zulässig war, ob sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen ist, und ob das [X.] anerkannte Schätzungsgrundsätze, Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze beachtet hat, d.h. ob das Ergebnis der Schätzung schlüssig und plausibel ist (vgl. [X.]-Urteil vom 17. Oktober 2001 I R 103/00, [X.]E 197, 68, [X.] 2004, 171).

Die Schätzungsbefugnis ergibt sich aus § 96 Abs. 1 Satz 1 zweiter Halbsatz [X.]O i.V.m. § 162 Abs. 2 Satz 1 [X.], da der Kläger keine ausreichende Aufklärung über die im jeweiligen Kalenderjahr ausgeführten Umsätze zu geben vermag. Bei der Schätzung der Höhe nach orientiert sich das [X.] an den in den Jahresabschlüssen der abweichenden Wirtschaftsjahre ausgewiesenen Erlösen. Dies lässt weder Verfahrensfehler erkennen noch ist dies unschlüssig oder unplausibel. Im Übrigen besteht hierüber zwischen den Parteien auch kein Streit.

b) Ob darüber hinaus der Wert der [X.] gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 UStG Bestandteil der Bemessungsgrundlage ist, braucht der Senat im vorliegenden Verfahren nicht entscheiden, da die Revision bereits aus den oben ausgeführten Gründen keinen Erfolg hat.

Meta

V R 34/11

24.01.2013

Bundesfinanzhof 5. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 19. Oktober 2011, Az: 5 K 4749/09 U, Urteil

§ 24 UStG 1999, Art 25 EWGRL 388/77, Art 2 Abs 1 GG, Art 3 Abs 1 GG, Art 12 Abs 1 GG, Art 14 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, § 162 Abs 2 S 1 AO, § 163 AO, § 176 Abs 1 S 1 Nr 3 AO, § 204 AO, § 51 BewG, § 51a BewG, § 118 Abs 2 FGO, § 126 Abs 2 FGO, § 24 UStG 2005, Art 295 EGRL 112/2006, Anh B EWGRL 388/77, Abschn 264 Abs 1 S 2 UStR 2000, Abschn 264 Abs 1 S 2 UStR 2005, R 135 Abs 3 EStR 2003, R 135 Abs 4 EStR 2003, R 15.5 EStR 2005, § 10 Abs 2 S 2 UStG 1999, § 10 Abs 2 S 2 UStG 2005

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 24.01.2013, Az. V R 34/11 (REWIS RS 2013, 8681)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8681

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