Bundessozialgericht, Urteil vom 24.03.2016, Az. B 12 R 12/14 R

12. Senat | REWIS RS 2016, 13930

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

(Anfrageverfahren - Widerruf der Zustimmungserklärung nach § 7a Abs 6 S 1 Nr 1 SGB 4 auch noch nach Zugang dieser bei der DRV Bund möglich)


Leitsatz

Der Beschäftigte kann seine in einem Statusfeststellungsverfahren erklärte Zustimmung, dass die Sozialversicherungspflicht erst mit Bekanntgabe der Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung Bund eintreten soll, grundsätzlich auch noch nach Zugang der Zustimmungserklärung bei diesem Träger widerrufen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 30. September 2014 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten auch des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird für das Revisionsverfahren auf 5000 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beigeladene zu 1. in der gesetzlichen Rentenversicherung ([X.]), der [X.] Pflegeversicherung ([X.]) und nach dem Recht der Arbeitsförderung wegen Beschäftigung versicherungspflichtig war.

2

Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH ein interdisziplinäres Therapiezentrum. Der Beigeladene zu 1. ist [X.] und war vom 1.12.2006 bis 31.12.2008 auf der Grundlage eines Anstellungsvertrags als Fremdgeschäftsführer der Klägerin tätig. Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuer führte die Klägerin für den Beigeladenen zu 1. nicht ab.

3

Am 20.12.2006 beantragte die Klägerin bei der [X.] ([X.]) die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen zu 1. Auf einem Formblatt der [X.] stimmte der Beigeladene zu 1. mit Erklärung vom [X.] (Eingang 12.3.2007) einem späteren Beginn der Versicherungspflicht erst mit Bekanntgabe eines entsprechenden Bescheides zu. Einen in der Folgezeit ergangenen, die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. bejahenden Bescheid der Einzugsstelle hob das [X.] auf, weil diese für eine Statusfeststellung nicht zuständig gewesen sei (Urteil vom [X.]). Daraufhin stellte die Beklagte mit - an die Klägerin und den Beigeladenen zu 1. gerichteten inhaltlich gleichlautenden - Bescheiden vom [X.] fest, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. seit 1.12.2006 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. Während des von der Klägerin eingeleiteten Widerspruchsverfahrens erklärte der Beigeladene zu 1. gegenüber der [X.] in einem am [X.] bei dieser eingegangenen Formularvordruck, er stimme einem späteren Beginn der Versicherungspflicht mit Bekanntgabe des Bescheides nicht zu. Mit Bescheiden vom 13.10.2010 änderte die Beklagte ihre früheren Bescheide dahin, dass in der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung, jedoch Versicherungspflicht in der [X.] und [X.] sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 13.1.2011).

4

Im anschließenden Klageverfahren hat der Beigeladene zu 1. am [X.] zu Protokoll erklärt, er stimme einem späteren Beginn der Versicherungspflicht nicht zu und halte an der Erklärung vom [X.] fest. Das [X.] hat die Klage abgewiesen (Urteil vom [X.]).

5

Das L[X.] hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen: Der Beigeladene zu 1. sei vom 1.12.2006 bis 31.12.2008 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses versicherungspflichtig in der [X.], [X.] und nach dem Recht der Arbeitsförderung tätig gewesen. Die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung überwögen (wie näher ausgeführt wird). Die Versicherungspflicht sei mit dem Beginn der Beschäftigung eingetreten. Die Voraussetzungen für einen späteren Versicherungsbeginn lägen nicht vor. Der Beigeladene zu 1. habe seine Zustimmung zum späteren Eintritt der Versicherungspflicht bis zur Bestandskraft des Bescheides der [X.] nicht aufrechterhalten und seine frühere Zustimmung wirksam widerrufen (Urteil vom 30.9.2014).

6

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 7a [X.]B IV. Der Widerruf der Zustimmung durch den Beigeladenen zu 1. sei erst nach Bekanntgabe des Bescheides vom [X.] und damit zu spät erfolgt. Auch hätten sie (die Klägerin) und der Beigeladene zu 1. (vorab) konkludent den Ausschluss eines Widerrufs vereinbart. Das Statusfeststellungsverfahren sei aus Gründen der Rechtssicherheit und zur Vermeidung existenzgefährdender Beitragsnachforderungen eingeführt worden. Könnte eine einmal erklärte Zustimmung bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Statusfeststellungsverfahrens widerrufen werden, laufe dies dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit zuwider.

7

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des [X.] vom 30. September 2014 und des [X.] vom 15. März 2013 aufzuheben sowie unter Änderung der Bescheide der [X.] vom 30. März 2010 und vom 13. Oktober 2010, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Januar 2011 festzustellen, dass der Beigeladene zu 1. in seiner Tätigkeit bei der Klägerin in der [X.] vom 1. Dezember 2006 bis 31. Dezember 2008 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Pflegeversicherung, der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag,
hilfsweise,
das Urteil des [X.] vom 30. September 2014 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das [X.] zurückzuverweisen.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise,
als unbegründet zurückzuweisen.

9

Sie hält das L[X.]-Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die Revision der [X.]lägerin ist unbegründet. Das [X.] hat revisionsrechtlich beanstandungsfrei ihre Berufung gegen das klageabweisende erstinstanzliche Urteil zurückgewiesen.

1. Gegenstand der revisionsrechtlichen Überprüfung ist ausschließlich der Beginn der Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in der [X.] und [X.] sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung mit Beginn seiner Tätigkeit am 1.12.2006 (Bescheide vom [X.], geändert durch die Bescheide vom 13.10.2010, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.1.2011). Die [X.]lägerin beruft sich auf die Unwirksamkeit des Widerrufs einer nach § 7a Abs 6 [X.] [X.] vom Beigeladenen zu 1. erklärten Zustimmung zu einem späteren Beginn der Versicherungspflicht. Dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. wegen hier von der [X.] angenommener Beschäftigung versicherungspflichtig war, zieht die [X.]lägerin nach der mündlichen Verhandlung im Revisionsverfahren dagegen selbst nicht mehr in Zweifel und macht insoweit auch nicht iS von § 164 Abs 2 S 3 SGG die Verletzung einer Vorschrift des materiellen Rechts geltend.

2. Das [X.] hat beanstandungsfrei entschieden, dass die Versicherungspflicht des Beigeladenen zu 1. in der [X.], in der [X.] sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung mit Aufnahme der Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. als Geschäftsführer der [X.]lägerin am 1.12.2006 begann. Schon die erste Voraussetzung der mehreren Tatbestandserfordernisse für einen späteren Eintritt der Versicherungspflicht nach § 7a Abs 6 [X.] [X.] liegt nicht vor. Es fehlt die dafür nötige Zustimmung des Beschäftigten. Der Beigeladene zu 1. hat seine zunächst im März 2007 erteilte Zustimmung durch seine gegenteilige Erklärung vom [X.] (eingegangen bei der [X.] am [X.]) wirksam widerrufen. Dieser Widerruf war auch noch nach Zugang der Zustimmungserklärung bei der [X.] möglich.

Die Zustimmungserklärung des Beschäftigten ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, auf die die allgemeinen Grundsätze des bürgerlichen Rechts zur Wirksamkeit von Willenserklärungen eingeschränkt Anwendung finden und daher einen Widerruf nicht von vornherein ausschließen (dazu im Folgenden a); bei der Bestimmung des Zeitpunkts, bis zu dem ein Widerruf noch erfolgen kann, ist allerdings der § 7a Abs 6 [X.] zugrunde liegende Sinn und Zweck mit zu berücksichtigen (dazu b). Unter diesem Blickwinkel standen dem Widerruf der Zustimmungserklärung des Beigeladenen zu 1. schutzwürdige Belange anderer Beteiligter nicht entgegen (dazu c).

a) Der Widerruf der Zustimmung nach § 7a Abs 6 [X.] [X.] durch den Beigeladenen zu 1. war grundsätzlich auch noch möglich, nachdem die Zustimmungserklärung bei der [X.] (am 12.3.2007) eingegangen war.

Die Zustimmung nach § 7a Abs 6 [X.] [X.] ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts. Da das [X.] keine eigene Regelung über das Wirksamwerden von Willenserklärungen im Bereich des öffentlichen Rechts enthält, sind die Vorschriften des [X.] für die Beurteilung der Wirksamkeit solcher Willenserklärungen nach der Rechtsprechung des [X.] entsprechend heranzuziehen, dies allerdings mit Modifikationen, die der Eigenart des Sozialrechts gerecht werden müssen (vgl [X.]E 60, 79, 82 = [X.] 4100 § 100 [X.]). Dies gilt auch für die Zustimmungserklärung nach § 7a Abs 6 [X.] [X.] (vgl ebenso: [X.] in [X.], Soziale [X.]rankenversicherung, Pflegeversicherung, Stand Einzelkommentierung März 2011, § 7a [X.] IV Rd[X.] 16; [X.] in [X.]/[X.], [X.] IV, Stand 7/08, [X.] § 7a, Rd[X.] 41; [X.] in [X.]asseler [X.]ommentar, Stand Einzelkommentierung Oktober 2009, § 7a [X.] IV Rd[X.] 21). Nach den Vorschriften des [X.] verhält es sich so, dass eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, in dem Zeitpunkt wirksam wird, in welchem sie ihm zugeht (§ 130 Abs 1 [X.] [X.]), es sei denn, sie wird vorher oder gleichzeitig widerrufen (§ 130 Abs 1 [X.] [X.]). Dies gilt auch dann, wenn die Willenserklärung einer Behörde gegenüber abzugeben ist (§ 130 Abs 3 [X.]). Zu einem späteren Zeitpunkt, dh nach dem Zugang der Willenserklärung, ist nach den Vorschriften des [X.] regelmäßig nur noch eine Anfechtung bei Irrtum, Täuschung und Drohung (§§ 119 ff [X.]) möglich.

Übertrüge man diese Grundsätze hier unmittelbar, wäre die Erklärung des Beigeladenen zu 1. mit Datum vom [X.] über die Zustimmung zu einem späteren Versicherungsbeginn mit Eingang bei der [X.] am 12.3.2007 wirksam geworden. Ein Widerruf des Beigeladenen zu 1. vorher oder gleichzeitig mit dem Zugang seiner Zustimmung vom [X.] erfolgte nicht (§ 130 Abs 1 [X.] [X.]). Auch hat er keine Anfechtung der Willenserklärung bei Irrtum, Täuschung und Drohung erklärt.

Die Zustimmungserklärung nach § 7a Abs 6 [X.] konnte jedoch - über die Vorschrift des § 130 [X.] hinaus - vom Beigeladenen zu 1. auch noch nach deren Zugang bei der [X.] am 12.3.2007 widerrufen werden. Mit Rücksicht auf die dargestellte Rechtsprechung des [X.] zur ggf gebotenen Modifikation des Rechts der Willenserklärungen nach dem bürgerlichen Recht im Sozialrecht ist vorliegend zu beachten, dass im Unterschied zur Interessenlage bei Rechtsgeschäften des Zivilrechts eine divergierende Interessenlage im Verhältnis des einzelnen Betroffenen (hier des Beigeladenen zu 1.) zum Sozialleistungsträger (hier die Beklagte als zuständige Behörde für ein Statusfeststellungsverfahren) typischerweise nicht besteht. Im Sozialrecht besteht in der Regel kein schutzwürdiges Interesse des [X.] am Fortbestehen einer Entscheidung des Bürgers nach den insoweit strengen Vorschriften des § 130 [X.] (so zum Widerruf bzw zur Rücknahme eines [X.] vgl [X.]E 60, 79, 82 f = [X.] 4100 § 100 [X.]; [X.] Urteil vom 16.9.1998 - B 11 AL 17/98 R - Juris Rd[X.] 21; zur Rücknahme eines Antrags auf Beitragserstattung vgl [X.]E 68, 144, 147 = [X.] 3-1200 § 53 [X.] f). In ähnlicher Weise war auch die Zustimmungserklärung des Beigeladenen zu 1. nach den Regelungen des § 7a Abs 6 [X.] IV allein gegenüber der [X.] abzugeben und stellte damit nur die Wahrnehmung eines gewillkürten Gestaltungsrechts des Versicherten im Verhältnis zum Sozialversicherungsträger dar, was - wie dargestellt - für eine grundsätzlich freie Widerrufbarkeit spricht. Dies steht im Einklang damit, dass selbst im Zivilrecht - abweichend von § 130 Abs 1 [X.] [X.] - erweiterte Widerrufsmöglichkeiten für einseitige empfangsbedürftige Willenserklärungen vorgesehen sind. So ist nach § 183 [X.] [X.] die Einwilligung eines [X.] zu einem fremden Rechtsgeschäft noch bis zur Vornahme des Rechtsgeschäfts widerruflich, soweit sich nicht aus dem ihrer Erteilung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis ein anderes ergibt (zur Berücksichtigung schutzwürdiger Belange der Gegenseite vgl BGH NJW 2015, 2425 ; [X.] Urteile vom 11.12.2014 - 8 [X.] = [X.]E 150, 195 und vom 19.2.2015 - 8 AZR 1011/13 - Juris § 22 [X.]unstUrhG>).

b) Die Möglichkeit des Widerrufs einer einmal erklärten Zustimmung besteht allerdings (auch im Sozialrecht) zeitlich nicht unbegrenzt. Bei der Bestimmung des Zeitpunkts, bis zu dem ein Widerruf längstens erfolgen kann, sind insoweit vor allem die in § 7a Abs 6 [X.] in Ausgleich gebrachten, besonderen Interessen aller Beteiligten zu berücksichtigen.

Aus § 46 Abs 1 Halbs 2 [X.] I, wonach ein Verzicht auf Ansprüche auf Sozialleistungen jederzeit (allerdings unter Beachtung der Schranken seines Abs 2: keine Belastung anderer Personen oder Leistungsträger oder Umgehung von Rechtsvorschriften) mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden kann, ist im vorliegenden, das Versicherungsrecht der Sozialversicherung betreffenden [X.]ontext indessen für den vorliegenden Fall unmittelbar nichts herzuleiten. Ein Verzicht nach § 46 Abs 1 [X.] I setzt nämlich einen (Sozial-)Leistungsanspruch voraus (vgl nur [X.] [X.] 3-2600 § 106 [X.] f). Darum geht es vorliegend nicht.

Aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung des [X.] zu der Frage, bis zu welchem Zeitpunkt Anträge gegenüber einem Sozialversicherungsträger widerrufen bzw zurückgenommen werden dürfen, ist eine einheitliche Tendenz nicht zu entnehmen, vielmehr kommt es insoweit bereichsspezifisch auf den jeweiligen rechtlichen [X.]ontext an. Den zu verschiedensten Regelungsgegenständen im Sozial- und Sozialversicherungsrecht ergangenen Entscheidungen ist allerdings als Maßstab gemeinsam, dass es dafür auf die Berücksichtigung der besonderen Interessen der jeweils Beteiligten ankommt (vgl für den Antrag auf Arbeitslosengeld [X.]E 60, 79 = [X.] 4100 § 100 [X.] und [X.] Urteil vom 16.9.1998 - B 11 AL 17/98 R - Juris; für einen Rentenantrag [X.]E 76, 218 = [X.] 3-2500 § 50 [X.] 3; für einen Antrag auf Erziehungsgeld [X.] [X.] 3-7833 § 6 [X.] 5 und [X.] Urteil vom 13.12.2000 - B 14 EG 13/99 R - Juris; für einen Antrag auf Beitragserstattung [X.]E 68, 144 = [X.] 3-1200 § 53 [X.] 1). In gleicher Weise müssen auch bei der Bestimmung des Zeitpunkts, bis zu dem ein Widerruf einer einmal erklärten Zustimmung nach § 7a Abs 6 [X.] noch erfolgen kann, die der Regelung im Wege der Auslegung zu ermittelnden, ihr zugrundeliegenden Erwägungen in den Blick genommen werden, insbesondere sind die erkennbaren, darin in Ausgleich gebrachten, besonderen Belange aller Beteiligten zu berücksichtigen.

Ausgehend davon ergibt sich im [X.]ontext des Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a [X.] IV, dass mit der Einführung eines aufgeschobenen Versicherungsbeginns nach § 7a Abs 6 [X.] nach dem im Gesetzgebungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Sinn und Zweck der Regelung das Ziel verfolgt wurde, das finanzielle Risiko des Arbeitgebers als Beitragsschuldner (vgl § 28e [X.] IV) zu reduzieren. Ein solches Risiko ergibt sich daraus, dass sich eine von den Beteiligten ursprünglich (möglicherweise übereinstimmend) als selbstständig angesehene Tätigkeit nach Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens als versicherungspflichtige Beschäftigung erweist und damit zu erheblichen Beitragsnachforderungen führen kann. Mit der Einführung des § 7a [X.] IV durch das "Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit" vom 20.12.1999 ([X.]l I 2000, 2) zum [X.] sollten die Vorschläge des Abschlussberichts der [X.]ommission "Scheinselbständigkeit" (sog Dieterich-[X.]ommission) umgesetzt werden (vgl Entwurf der Fraktionen [X.] und [X.][X.], BT-Drucks 14/1855 [X.] unter [X.]). Danach sollte ua "angesichts der großen Unsicherheit bei der Feststellung des Status kleiner Auftragnehmer" das Risiko hoher Beitragsnachzahlungen dadurch abgemildert werden, dass die Versicherungs- und Beitragspflicht erst mit der Statusentscheidung im Anfrageverfahren entsteht, sofern das Anfrageverfahren unverzüglich eingeleitet wurde (vgl Abschlussbericht der [X.]ommission "Scheinselbständigkeit", [X.] 1999, 1260, unter [X.] 2 d; kritisch zu im Gesetzgebungsverfahren geäußerten Erwartungen [X.], NZ[X.]014, 885, 889 f).

Neben diesen Arbeitgeberbelangen gingen in die Ausgestaltung des § 7a Abs 6 [X.] IV allerdings auch [X.] mit ein: Zwar wurde mit den Anforderungen an eine zeitgleiche private Absicherung des Beschäftigten gegen das finanzielle Risiko von [X.]rankheit und zur Altersvorsorge nach § 7a Abs 6 [X.] [X.] 2 [X.] IV die durch den aufgeschobenen Versicherungsbeginn für den Beschäftigten entstehende [X.] reduziert. Dennoch können sich fehlende Versicherungszeiten nachteilig auf den Versicherungsschutz Betroffener auswirken, etwa weil ein Anspruch auf Arbeitslosengeld ggf an der Nichterfüllung der Anwartschaftszeit nach § 137 Abs 1, § 142 [X.] III scheitern kann oder durch die Nichtberücksichtigung von Versicherungszeiten die Voraussetzungen für einen Rentenanspruch fehlen können. Um dem Schutz der Beschäftigten gerecht zu werden, wurde deshalb der spätere Eintritt der Versicherungspflicht von der Zustimmung des Beschäftigten abhängig gemacht (vgl dazu näher Beschlussempfehlung und Bericht des [X.] <11. Ausschuss>, BT-Drucks 14/2046, [X.] unter [X.], [X.] unter B., [X.] unter [X.] [X.]0 und [X.]3 <[X.]oalitionsfraktionen>). Allein der Beschäftigte kann danach den Aufschub des Zeitpunkts des Beginns der Versicherungspflicht bewirken, allein er (und nicht der Arbeitgeber) hat damit entsprechend seiner Interessenlage erweiterte Handlungsspielräume in Bezug darauf, ob von dem sozialversicherungsrechtlichen Schutz schon von [X.] an Gebrauch gemacht wird, oder ob dieser Schutz vorübergehend (vom Beginn der Beschäftigung bis zum Ergehen einer Verwaltungsentscheidung) nicht in Anspruch genommen werden soll (vgl dazu auch Gesetzentwurf, [X.]O, BT-Drucks 14/1855 [X.] unter [X.], 8).

Ausgehend von diesen § 7a Abs 6 [X.] zugrunde liegenden Erwägungen liegt es im Interesse des Beschäftigten, über den Fortbestand einer einmal erteilten Zustimmung nach § 7a Abs 6 [X.] noch möglichst lange frei disponieren zu können. Je länger der Zeitablauf bis zu einem möglichen Widerruf, umso besser könnte der Beschäftigte nach seiner individuellen Interessenlage einschätzen, ob sich ggf ein - noch in der Sozialversicherung abzusicherndes - soziales Risiko realisiert oder nicht.

Trotz dieser Begünstigung des Beschäftigten sind auch Arbeitgeber im Statusfeststellungsverfahren durch die Regelungen des § 7a Abs 6 [X.] IV allerdings nicht schutzlos gestellt. Zu deren Gunsten wirkt sich das oben dargestellte Regelungsziel aus, das Risiko hoher Beitragsnachzahlungen abzumildern. Diesem Ziel dient es, auch dann, wenn Versicherungspflicht (entsprechend den allgemein geltenden Grundsätzen) vom Zeitpunkt des Vorliegens der Voraussetzungen für (versicherungspflichtige) "Beschäftigung" an besteht, Sozialversicherungsbeiträge nicht unter Berücksichtigung der [X.] (§ 23 [X.] IV) von Beginn der Tätigkeit an zu erheben, sondern erst vom Zeitpunkt der Unanfechtbarkeit der Entscheidung der [X.] an, "dass eine Beschäftigung vorliegt" (§ 7a Abs 6 [X.] [X.] IV). Unbeschadet dessen sieht § 7a Abs 7 [X.] die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und [X.]lage des Arbeitgebers gegen Entscheidungen der [X.] vor und sind nach dem Handels- und Gesellschaftsrecht ohnehin ggf Rückstellungen für Beitragsforderungen vorzunehmen (vgl § 253 Abs 1 [X.] HGB).

c) Ausgehend von den unter b) dargestellten Grundsätzen standen dem Widerruf des Beigeladenen zu 1. durch seine bei der [X.] am [X.] eingegangene Erklärung keine schutzwürdigen Interessen der Beteiligten entgegen (dazu [X.]) und war ein Widerruf des Beigeladenen zu 1. auch aus sonstigen Gründen nicht ausgeschlossen (dazu bb).

[X.]) Allein die [X.]enntnis des Arbeitgebers davon, dass der Beschäftigte im Verwaltungsverfahren seine Zustimmung nach § 7a Abs 6 [X.] [X.] zu einem erst späteren Beginn der Versicherungspflicht abgegeben hat, ist nicht geeignet ein schutzwürdiges Vertrauen auf deren Fortbestand zu begründen.

So gibt es bereits in den Gesetzesmaterialien Hinweise darauf, dass die Abgabe einer Zustimmungserklärung durch den Beschäftigten nicht schon im Stadium des erst eingeleiteten Verwaltungsverfahrens auf Statusfeststellung Rechtswirkungen entfalten kann, sondern dass dafür vielmehr zunächst die Entscheidung der [X.] über das Bestehen von Versicherungspflicht wegen Beschäftigung ergangen sein muss (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des [X.] <11. Ausschuss>, BT-Drucks 14/2046, [X.]3 <[X.]oalitionsfraktionen>: Unwirksamkeit von "Zustimmungen, die im Voraus - gleichsam als Blankoscheck" erteilt wurden).

Die [X.]lägerin konnte zudem allein aufgrund der abgegebenen Zustimmungserklärung noch nicht von einem (sicheren) erst späteren Eintritt der Versicherungspflicht mit der Bekanntgabe der Entscheidung über die Statusfeststellung (hier mit der Bekanntgabe des Bescheides vom [X.] - vgl näher [X.] Urteil vom [X.] - B 12 R 3/14 R, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen) ausgehen. Dem steht entgegen, dass nicht bereits die - wie dargestellt der freien Entscheidung des Beschäftigten unterliegende - Abgabe der Willenserklärung diese Rechtsfolge bewirkt, sondern Umstände hinzukommen müssen, auf deren Vorliegen weder der Beschäftigte noch der Arbeitgeber Einfluss haben: Nach § 7a Abs 6 [X.] [X.] 2 [X.] IV ist dafür nämlich erforderlich, dass der Beschäftigte für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung der [X.] zur Statusfeststellung über eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von [X.]rankheit und zur Altersvorsorge verfügt, die der Art nach den Leistungen der G[X.]V und der [X.] entspricht. Darauf, ob diese letztgenannte Voraussetzung erfüllt ist, können sich verständige Betroffene vernünftigerweise erst nach einer dazu von der sachkundigen [X.] getroffenen Aussage mit hinreichender Sicherheit verlassen; dazu, dass die Voraussetzung erfüllt ist, fehlt es bislang an einer positiven Feststellung.

Dass die Beklagte - wie die übrigen Sozialversicherungsträger - ein schutzwürdiges Interesse daran hatte, den Beigeladenen zu 1. an seine früher erklärte Zustimmung zu binden, ist nicht ersichtlich. Weder hat sich die Beklagte in den angefochtenen Entscheidungen auf Entsprechendes gestützt noch ist dies im Rechtsstreit so geltend gemacht worden. [X.] Nachteile für die Versichertengemeinschaft (vgl zu diesem Gesichtspunkt [X.]E 60, 79, 83 = [X.] 4100 § 100 [X.]) sind ebenso nicht erkennbar.

bb) Ein Widerruf des Beigeladenen zu 1. war auch aus anderen Gründen nicht ausgeschlossen. Es fehlen entsprechende Feststellungen des [X.] zu tatsächlichen Umständen, aus denen insoweit etwas zu Gunsten der [X.]lägerin zu folgern sein könnte. Darauf bezogene Verfahrensrügen hat die [X.]lägerin im Revisionsverfahren nicht erhoben. Dass sie geltend macht, schon im Vorfeld der Statusfeststellung oder danach sei zwischen ihr und dem Beigeladenen zu 1. konkludent vereinbart worden, Letzterer solle eine Erklärung zum Aufschub der Versicherungspflicht abgeben bzw eine solche Erklärung beibehalten, dh nicht widerrufen, ist schon von daher ohne Belang (vgl §§ 162, 163 SGG). Unabhängig von der Frage, ob eine solche Vereinbarung nicht schon nach § 32 [X.] I nichtig wäre, könnte sie zudem allenfalls Rechtswirkungen im Verhältnis der Arbeitsvertragsparteien zueinander auslösen, nicht aber auch sozialversicherungsrechtliche Folgen entfalten.

3. Die [X.]ostenentscheidung ergibt sich aus § 197a Abs 1 [X.] Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 VwGO.

4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 [X.] Halbs 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 2, § 47 Abs 1 G[X.]G.

Meta

B 12 R 12/14 R

24.03.2016

Bundessozialgericht 12. Senat

Urteil

Sachgebiet: R

vorgehend SG Freiburg (Breisgau), 15. März 2013, Az: S 18 R 404/11, Urteil

§ 7a Abs 6 S 1 Nr 1 SGB 4, § 7a Abs 6 S 1 Nr 2 SGB 4, § 7a Abs 6 S 2 SGB 4, § 7a Abs 7 S 1 SGB 4, § 130 Abs 1 S 1 BGB, § 130 Abs 1 S 2 BGB, § 130 Abs 3 BGB, § 183 S 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 24.03.2016, Az. B 12 R 12/14 R (REWIS RS 2016, 13930)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 13930

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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