Bundessozialgericht, Urteil vom 13.10.2010, Az. B 6 KA 47/09 R

6. Senat | REWIS RS 2010, 2448

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 6. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens, mit Ausnahme der außergericht-lichen Kosten der Beigeladenen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines [X.] wegen der Verordnung eines Arzneimittels außerhalb der in der Arzneimittelzulassung ausgewiesenen Indikation.

2

Der Kläger ist Facharzt für Innere Medizin (Arzt für Onkologie und für Pneumologie ), Chefarzt des onkologischen Schwerpunktes eines Krankenhauses mit einem Zentrum für Pneumologie und Thoraxchirurgie und zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt. Er verordnete in den [X.] bis II/2001 bei Patienten, die bei der zu [X.] ([X.]) bzw bei deren Rechtsvorgängerin versichert waren, das Arzneimittel [X.]. Auf Antrag der Beigeladenen zu 1. setzte der Prüfungsausschuss gegen den Kläger einen Regress von ca 4155 Euro fest; die beklagte Prüfungseinrichtung wies den Widerspruch des [X.] zurück (Bescheid vom [X.] mit Berichtigung vom 29.7.2002 sowie Widerspruchsbescheid vom [X.]) : [X.] sei nach dem [X.] ([X.]) nur zur palliativen Behandlung fortgeschrittener Karzinome der Brust und der Gebärmutter zugelassen; der vom Kläger behandelte Patient sei dagegen an Bronchialkrebs erkrankt gewesen.

3

Klage und Berufung des [X.] sind erfolglos geblieben (Urteil des [X.] vom 30.4.2008; Urteil des L[X.] vom 6.10.2009, veröffentlicht in [X.] 2010, 394, und Kurzfassung in [X.], 256) . Im Urteil des L[X.] ist unter anderem ausgeführt, der Kläger habe das Arzneimittel [X.] nicht zu Lasten der gesetzlichen [X.] verordnen dürfen. [X.] sei nur zur palliativen Behandlung fortgeschrittener Karzinome der Brust und der Gebärmutter zugelassen. Die vom Kläger vorgenommenen Verordnungen bei anderen Tumorerkrankungen zur Behebung der Kachexie (Appetitlosigkeit mit der Folge körperlicher Auszehrung) stellten keinen zulässigen Off-Label-Use dar. Ausreichende wissenschaftlich nachprüfbare Studien, die die Eignung und Unbedenklichkeit der Arzneimittel auch im Falle anderer Krebsarten, insbesondere bei Bronchialkrebs, belegen könnten, ergäben sich aus den vorliegenden und den vom Kläger angeführten Stellungnahmen nicht. Es fehle auch an der erforderlichen Gewichtung und Abwägung der Risiken thromboembolischer und vaskulärer Komplikationen. Die Zulässigkeit der Verordnungen von [X.] ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung der abgeschwächten Anforderungen des [X.] Denn die vom Kläger vorgenommenen Verordnungen dieser Arzneimittel seien nicht darauf angelegt, auf die lebensbedrohliche ([X.] selbst einzuwirken, sondern hätten sich allein gegen die im Endstadium dieser Erkrankung auftretende Kachexie gerichtet. Der Gesichtspunkt, dass dies die Lebensqualität des Erkrankten in seiner Endphase insgesamt deutlich verbessert habe, reiche nicht aus.

4

Mit seiner Revision erhebt der Kläger sowohl inhaltliche als auch verfahrensbezogene [X.]. Das L[X.] habe verkannt, dass ausreichende Belege für die Eignung und Unbedenklichkeit der von ihm - dem Kläger - vorgenommenen Behandlungen vorgelegen hätten. Als Beleg dürften außerhalb des [X.]-Zulassungsverfahrens keine sog Phase III-Studien gefordert werden, vielmehr reiche der Konsens in einschlägigen Fachkreisen über den voraussichtlichen Nutzen aus. Dieser Konsens werde durch die im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren vorgelegten Veröffentlichungen und Stellungnahmen, insbesondere auch die zusammenfassenden Metaanalysen, belegt. Das L[X.] habe die vorgelegten umfangreichen Studien nicht angemessen ausgewertet. Wenn das L[X.] diese nicht als ausreichend angesehen habe, hätte es ein Sachverständigengutachten einholen müssen; hierzu hätte es sich angesichts der Mängel des Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung ([X.]) gedrängt fühlen müssen. Bei verfahrensfehlerfreiem Vorgehen des L[X.] hätte sich ergeben, dass schon im Zeitpunkt der von ihm - dem Kläger - durchgeführten Behandlungen ausreichende Belege für die Eignung und Unbedenklichkeit vorgelegen hätten und ein Konsens in Fachkreisen bestanden habe. Die Rechtswidrigkeit des [X.] ergebe sich ferner daraus, dass ein Anspruch der Versicherten auf die durchgeführten Behandlungen aufgrund der Entscheidung des [X.] vom 6.12.2005 ([X.]E 115, 25 = [X.]-2500 § 27 [X.]) bestanden habe. Außer einer - auch vom L[X.] anerkannten - lebensbedrohlichen Erkrankung und dem Fehlen einer Therapiealternative habe auch eine Aussicht auf spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestanden. Zwar seien die Behandlungen mit [X.] nicht auf die Heilung des Tumors als solchen angelegt gewesen, aber sie seien gegen die mit diesem Grundleiden einhergehende - nicht eigenständige - ([X.] der ([X.] gerichtet gewesen und durch die Bekämpfung der damit einhergehenden weiteren Krankheitsauswirkungen wie starke Abmagerung, allgemeiner Kräfteverfall, Appetitlosigkeit und Apathie geeignet gewesen, eine Gewichtszunahme, eine Stärkung des Organismus und eine Förderung des psychischen Wohlbefindens und des [X.] zu bewirken und damit zu einer Verlängerung der lebenswerten Lebenszeit und auch zu einer - manchmal sogar signifikanten - Verlängerung des Lebens insgesamt zu führen. Die Annahme des L[X.], er - der Kläger - habe die Verlängerung der Lebensdauer nicht als Behandlungsziel angegeben, sei unrichtig; wenn das L[X.] sein Vorbringen derart eingeschränkt gesehen habe, hätte es ihn zumindest darauf hinweisen müssen. Die Auffassung, die Anwendungen von [X.] seien ausschließlich auf die Verbesserung der Lebensqualität und nicht auf die Verlängerung der Lebensdauer gerichtet gewesen, verletze die Grenzen der freien Beweiswürdigung; sie sei auch weder als Erfahrungssatz noch medizinisch begründbar. Aber selbst wenn man die Lebensverlängerung außer Betracht lasse, sei nach den Vorgaben des [X.] eine Leistungspflicht anzuerkennen. Der Entscheidung vom 6.12.2005 sei nicht zu entnehmen, dass sich die spürbare positive Auswirkung auf die lebensbedrohliche Krankheit selbst beziehen müsse. Der vorliegende Fall der Linderung von [X.] einer lebensbedrohlichen Erkrankung werde von den Grundsätzen des Beschlusses des [X.] mitumfasst. Nicht tragfähig sei schließlich das Argument des L[X.], durch Akzeptieren der Behandlung mit [X.] würde das Erfordernis der Arzneimittelzulassung und das Arzneimittelzulassungsverfahren entwertet. Bei schwerwiegenden Krebserkrankungen falle nach dem Grundsatz "je schwerwiegender die Erkrankung und hoffnungsloser die Situation, desto geringere Anforderungen", die [X.] eindeutig positiv aus. Dabei sei eine den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechende Behandlung durch den Kläger als langjährigem Chefarzt des onkologischen Schwerpunktes an dem einer [X.] angeschlossenen Lehrkrankenhaus evident gewährleistet.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des [X.] vom 6. Oktober 2009, das Urteil des [X.] vom 30. April 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Januar 2005 aufzuheben,
hilfsweise,
das Urteil des [X.] vom 6. Oktober 2009 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Sie verteidigt das Urteil des L[X.]. Das L[X.] habe zu Recht verneint, dass die Eignung und Unbedenklichkeit der vom Kläger durchgeführten Behandlungen mit [X.] hinreichend belegt seien. Die Studien belegten auch keinen Konsens über eine Verbesserung der Lebensqualität durch solche Behandlungen, zumal nicht für den Zeitpunkt der durchgeführten Behandlung. Jedenfalls sei dessen Einsatz nicht darauf ausgerichtet gewesen, auf die lebensbedrohliche Tumorerkrankung selbst einzuwirken. Zudem würden unkalkulierbare Risiken in Kauf genommen, sodass ein Heilversuch vorliege, der gesonderten Regelungen und Voraussetzungen unterliege. Es reiche nicht aus, dass der Kläger für seine Patienten angebe, diese hätten von der [X.] kurzfristig profitiert. Auch hätte er die Entwicklung bei seinen Patienten umfassend dokumentieren müssen.

8

Die Beigeladenen geben im Revisionsverfahren keine Stellungnahme ab.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des [X.] ist sowohl mit dem Haupt- als auch mit dem Hilfsantrag unbegründet. Das angefochtene Urteil des [X.] lässt keine Verletzung von Bundesrecht erkennen. Der angefochtene Arzneikostenregress ist nicht zu beanstanden.

A. Rechtsgrundlage des angefochtenen Arzneikostenregresses ist § 106 Abs 2 [X.] (hier zugrunde zu legen idF des [X.] vom 22.12.1999, [X.] 2626, die auch in den weiteren Jahren 2000/2001 galt; zur Maßgeblichkeit des § 106 Abs 2 [X.] für Verordnungsregresse in Fallkonstellationen der vorliegenden Art vgl zuletzt [X.]-2500 § 106 [X.] Rd[X.]; BSG vom [X.] [X.]/09 R - RdNr 14 iVm 21 ff mwN - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen; BSG vom [X.] KA 14/09 R - Rd[X.] iVm 25 f mwN - zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen) . Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen, entweder nach Durchschnittswerten oder anhand von [X.] (§ 106 Abs 2 Satz 1 Nr 1) und/oder auf der Grundlage von Stichproben (aaO Satz 1 [X.]), geprüft. Über diese [X.] hinaus können die Landesverbände der [X.] mit den Kassenärztlichen Vereinigungen ([X.]) gemäß § 106 Abs 2 Satz 4 [X.] andere arztbezogene [X.] vereinbaren (vgl [X.]-2500 § 106 [X.] RdNr 12 f mwN; [X.]-2500 § 106 [X.] RdNr 14; [X.]-2500 § 106 [X.] Rd[X.]; BSG vom [X.] KA 14/09 R - Rd[X.]) . Diese Prüfvereinbarungen ermächtigen regelmäßig auch zu [X.]. [X.] sind insbesondere dann sachgerecht - und die Wahl dieser Prüfmethode rechtmäßig -, wenn das individuelle Vorgehen eines Arztes in bestimmten einzelnen Behandlungsfällen hinsichtlich des Behandlungs- oder Verordnungsumfangs am Maßstab des [X.] überprüft werden soll (s [X.]-2500 § 106 [X.] RdNr 14; [X.]-2500 § 106 [X.] Rd[X.]; BSG vom [X.] aaO RdNr 14) .

Wie sich aus den Urteilen des [X.]s vom [X.] und vom [X.] ergibt, handelt es sich bei den vorliegenden Streitigkeiten über die vertragsarztrechtliche Zulässigkeit von [X.] um einen Fall des § 106 [X.] und nicht um einen Regress "wegen sonstigen Schadens" im Sinne des § 48 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BSG vom [X.] [X.]/09 R - Rd[X.]0 bis 26, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen, und BSG vom [X.] KA 14/09 R - Rd[X.]5 f, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen) . Denn vorliegend steht ein Fehler der Verordnung selbst in Frage, wie dies bei Verstößen gegen die [X.] bzw bei Verordnungen nicht verordnungsfähiger Arzneimittel und auch bei Verordnungen außerhalb der nach dem [X.] erteilten Zulassung der Fall ist (vgl BSG vom [X.] aaO Rd[X.]5 am Ende) .

B. Der [X.] war rechtmäßig. Die Voraussetzungen für einen Regress im Wege der Einzelfallprüfung gemäß § 106 [X.] waren erfüllt. Der Kläger durfte das Arzneimittel [X.] nicht zur Behandlung der Kachexie (Appetitlosigkeit mit der Folge körperlicher Auszehrung) bei [X.] verordnen.

Dies folgt daraus, dass die Zulassung von [X.] nach dem [X.] nur für die Anwendung bei der Kachexie im Falle von Brust- und Gebärmutterkrebs erfolgt war, sodass die Verordnung von [X.] bei anderen [X.]arten einen Off-Label-Use darstellte. Dessen Voraussetzungen waren nicht erfüllt, insbesondere waren die Eignung und Unbedenklichkeit des Einsatzes dieses Arzneimittels nicht ausreichend belegt (unten 1.). Die Verordnung von [X.] kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Behandlung einer lebensbedrohlichen Erkrankung und den dafür vom [X.] herausgestellten abgeschwächten Anforderungen gerechtfertigt werden (unten 2.).

1. [X.] eines Fertigarzneimittels wie [X.] ist in erster Linie danach zu beurteilen, mit welchen Maßgaben es im Arzneimittelzulassungsverfahren nach dem [X.] zugelassen wurde. In diesem Verfahren werden Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit anhand vom Arzneimittelhersteller vorzulegender Studien überprüft (vgl §§ 21, 22, 24, 25 Abs 5 Satz 1 [X.]). Die Zulassung des Arzneimittels erfolgt nicht unbegrenzt, sondern nur nach Maßgabe der anhand der Studien ausgewiesenen und überprüften Anwendungsgebiete (vgl § 22 Abs 1 [X.] [X.] und dazu [X.], 184, 186 f = [X.] 3-2500 § 31 [X.] f) . So erfolgte die Zulassung von [X.], wie im Urteil des [X.] festgestellt worden ist, für die palliative Behandlung bei Brust- und Gebärmutterkrebs und hier für den Einsatz gegen die bei solchen [X.]behandlungen auftretende Kachexie.

Der Kläger setzte [X.] indessen nicht in diesem Anwendungsgebiet ein. Zwar waren die Verordnungen des [X.] auch gegen die bei [X.]behandlungen auftretende Kachexie gerichtet, aber nicht im Zusammenhang mit Brust- und Gebärmutterkrebs von Frauen. Er verordnete [X.] vielmehr gegen die Kachexie insbesondere bei fortgeschrittenen [X.]. Mithin lag ein Off-Label-Use vor.

Ein Off-Label-Use ist nur unter engen Voraussetzungen zulässig. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass nicht das Verfahren nach dem [X.] durchlaufen wurde, das mit der Überprüfung der Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit auf die Gewährleistung von Arzneimittelsicherheit angelegt ist. Wie vom 1. [X.] de[X.] in langjähriger Rechtsprechung wiederholt herausgestellt und vom 6. [X.] weitergeführt worden ist, müssen für einen zulässigen Off-Label-Use - zum einen - eine schwerwiegende Erkrankung vorliegen (dh eine die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung), und es darf - zum anderen - keine andere - zugelassene - Therapie verfügbar sein, und - zum dritten - aufgrund der Datenlage muss die begründete Aussicht bestehen, dass mit dem betroffenen Arzneimittel ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann (so [X.] vom 28.2.2008, [X.] 4-2500 § 13 [X.] Rd[X.], 23, 26 mit Hinweis auf die stRspr; vgl auch [X.]surteile vom [X.], zB - B 6 KA 6/09 R - [X.] 4-2500 § 106 [X.] Rd[X.]1 f und - B 6 KA 20/09 R - in Rd[X.]6 f sowie - B 6 KA 24/09 R - in RdNr 18 ff) . Abzustellen ist dabei auf die im Zeitpunkt der Behandlung vorliegenden Erkenntnisse (BSG vom 28.2.2008 aaO Rd[X.]) . Das Erfordernis der Aussicht auf einen Behandlungserfolg umfasst dabei nicht nur die Qualität und Wirksamkeit eines Arzneimittels, sondern schließt auch ein, dass mit der Medikation keine unvertretbaren Nebenwirkungen und Risiken verbunden sein dürfen. Gerade die Notwendigkeit der Analyse und Gewichtung eventueller unzuträglicher Nebenwirkungen ist ein zentrales Element des Überprüfungsstandards, auf den die Neugestaltung des [X.] vom [X.] ausgerichtet ist, deren Konzeption ihren Ursprung in den Erfahrungen der 1960er Jahre mit den nicht ausreichend analysierten Nebenwirkungen von Contergan hat (vgl hierzu [X.] und [X.]-2500 § 106 [X.] Rd[X.]) . Soll die Verordnung eines Arzneimittels ausnahmsweise ohne derartige Gewähr der Arzneimittelsicherheit in Betracht kommen, so müssen für diesen Off-Label-Use anderweitig Qualitätsstandards, die dem Einsatz im Rahmen der Zulassungsindikation vergleichbar sind, gewährleistet und hinreichend belegt sein. Dabei muss auch gesichert sein, dass von der [X.] keine unzuträglichen Nebenwirkungen ausgehen; die Patienten sollen vor unkalkulierbaren Risiken geschützt werden (vgl [X.], 160 = [X.] 4-2500 § 13 [X.], RdNr 18 mwN; s auch [X.]E 97, 112 = [X.] 4-2500 § 31 [X.], RdNr 18; [X.]-2500 § 13 [X.] Rd[X.]3).

Wie das [X.] zutreffend ausgeführt hat, sind nicht alle für einen Off-Label-Use bestehenden Regelvoraussetzungen erfüllt. Das [X.] hat, ohne dass seine Ausführungen insoweit revisionsgerichtlich zu beanstanden wären (zu den vom Kläger dagegen erhobenen Verfahrensrügen siehe unten D.) , ausgeführt, dass es sich zwar bei fortgeschrittenen [X.] um schwerwiegende Erkrankungen handelt. Das [X.] hat auch die weitere Voraussetzung, dass keine andere zugelassene Therapie zur Verfügung gestanden hat, tendenziell bejaht: Es hat dargelegt, die Ansicht der Beklagten sei unzutreffend, die Patienten könnten auf die Gabe hochkalorischer Kost verwiesen werden; denn dies stelle keine gleichwertige Alternative dar. Damit würde zwar die tumorinduzierte Kachexie behandelt, aber nicht - wie mit [X.] - erreicht, dass der Patient wieder mit Appetit natürliche Nahrung zu sich nehme. Ferner hat das [X.] ins Feld geführt, dass die Gabe hochkalorischer Kost nicht selten zu Verdauungsproblemen führe (Diarrhoe). Das [X.] hat über das Vorliegen dieser Voraussetzung (Fehlen einer anderen zugelassenen Therapie) allerdings nicht abschließend entschieden, dies vielmehr offengelassen, weil es jedenfalls an der dritten Voraussetzung fehle, nämlich an ausreichenden Belegen für eine begründete Aussicht auf einen Behandlungserfolg: Das [X.] hat hierzu ausgeführt, dass diese dritte Voraussetzung nur dann erfüllt wäre, wenn im Behandlungszeitpunkt entweder bereits eine klinische Prüfung mit Phase [X.] veröffentlicht und ein entsprechender Zulassungsantrag gestellt worden wäre oder wenn sonstwie zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen vorgelegen hätten, aufgrund derer sich in den einschlägigen Fachkreisen ein Konsens über den voraussichtlichen Nutzen der angewendeten Methode gebildet hätte. Das [X.] hat die dritte Voraussetzung für einen zulässigen Off-Label-Use in unbedenklicher Weise als nicht erfüllt angesehen.

Im Einzelnen hat das [X.] - unter anderem unter Bezugnahme auf das Gutachten des [X.] vom 17.4.2003, das im Widerspruchsverfahren von der Beklagten eingeholt worden war - Folgendes ausgeführt: Bis 2003 gab es keine Phase [X.] zum Einsatz von [X.] zur Bekämpfung der Kachexie bei anderen [X.]arten als Brust- und Gebärmutterkrebs. Die Studie, an der auch der Kläger selbst beteiligt war, betraf nur 33 Patienten; zudem wurde darin konzediert, dass noch eine Reihe von Fragen offen geblieben war und noch eine [X.] erforderlich sei. Andere Studien kamen zwar zum Ergebnis einer Verbesserung der Kachexie, aber vielfach mit der Einschränkung, dass dies nicht mit einer Verbesserung der Lebensqualität einhergehe. Es wurden auch erhebliche Nebenwirkungen beschrieben wie Übelkeit/Erbrechen, Diarrhoe, Sodbrennen, Muskelkrämpfe, Müdigkeit, Kopfschmerzen und, wie das [X.] weiterhin hervorgehoben hat, auch Thrombose und Embolie, womit tödliche Komplikationen und Lebensverkürzungen verbunden sein könnten.

Das [X.] hat weiter rechtsfehlerfrei aufgezeigt, dass sich nichts anderes aus der Zusammenfassung (dem sog ab[X.]act) einer Metaanalyse von [X.] und [X.] aus dem [X.] ergibt. Abgesehen davon, dass diese schon nicht ohne Weiteres für den früher gelegenen [X.] und [X.] (2000/2001) maßgeblich sein kann, ergibt sie, dass auch im [X.] noch keine ausreichenden Belege für eine begründete Aussicht auf einen Behandlungserfolg mit [X.] bei Bronchialkarzinom vorlagen. Auch sie erfüllten nicht die Voraussetzungen einer Phase III-Studie an einem größeren Patientenkollektiv. Zwar bezogen sie auch andere Studien - und damit insgesamt 4000 Patienten ein -, die aber teilweise andere Erkrankungen als [X.] betrafen; zudem bestätigten sie zwar, dass [X.] den Appetit verbessere und zur Gewichtszunahme führe, ergaben aber nicht den Schluss auf eine Verbesserung der Lebensqualität. Auch die Zusammenfassung (das sog ab[X.]act) einer Metaanalyse von [X.]/[X.] aus dem [X.] ergab, wie im Urteil des [X.] festgestellt, keine vorteilhaften Auswirkungen der Behandlung mit [X.] auf die gesamte Lebensqualität. Für eine valide Beurteilung wurde eine neue Studie für erforderlich gehalten.

Gegen die Eignung und Unbedenklichkeit von [X.] für die Behandlung von Kachexie in Fällen von [X.] spricht auch die aktualisierte Fachinformation mit Stand vom Januar 2009: In ihr sind, wie das [X.] dargestellt hat, als Indikation nur die palliative Behandlung von Mammakarzinomen und Endometriumkarzinomen (Innenhaut der Gebärmutter) genannt, und die Anwendung von [X.] zur Behandlung anderer neoplastischer Erkrankungen wird ausdrücklich nicht empfohlen.

Demnach fehlte es bei den vom Kläger vorgenommenen Verordnungen von [X.] an einer begründeten Aussicht auf einen Behandlungserfolg. Wie dargelegt, erfordert dies ausreichende Belege für die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit (oben Rd[X.]) . Dies haben die im Verfahren eingeholten und die vom Kläger vorgelegten Stellungnahmen nicht ausreichend belegt. Wie das [X.] ausgeführt hat, war der Kläger an einer der Studien zu [X.] sogar selbst beteiligt und diese ergab zusammengefasst, dass noch eine Reihe von Fragen offen war, sodass noch weiterer Überprüfungsbedarf gesehen wurde. Mithin war unter eigener Beteiligung des [X.] klargestellt, dass die Überprüfungen noch nicht zu einem abschließenden positiven Ergebnis gelangt waren, die Erprobungsphase vielmehr noch nicht als abgeschlossen betrachtet werden konnte. Dabei ist auch von Bedeutung, dass die zahlreichen Studien keine Abwägung mit eventuell zu befürchtenden Nebenwirkungen im Falle anderer [X.]arten als Brust- und Gebärmutterkrebs enthielten, solche aber im Zusammenhang mit dem Einsatz von [X.] in vielfältiger und schwerwiegender Gestalt diskutiert wurden, bis hin zu lebensgefährdenden Komplikationen wie Thrombose und Embolie (zur Ausrichtung des [X.] auf Arzneimittelsicherheit vgl oben Rd[X.]) .

Demgegenüber greift keine der vom Kläger erhobenen Einwendungen durch. Weder die von ihm gegen die Verfahrensweise des [X.] vorgebrachten [X.] (hierzu im Einzelnen s unten D.) noch seine Einwände gegen die vom [X.] zugrunde gelegten inhaltlichen Maßstäbe haben Erfolg. Der [X.] folgt schon nicht seiner Ansicht, die vom [X.] gestellten Anforderungen an die Qualität der wissenschaftlichen Erkenntnisse für einen zulässigen Off-Label-Use seien überzogen. Der Kläger meint, es werde mehr gefordert, als an wissenschaftlichen Erkenntnissen überhaupt möglich und ethisch vertretbar sei. Für Krankheitsfälle der hier vorliegenden Art lasse sich kein Patientenkollektiv finden, das für eine Phase III-Studie ausreichend groß sei, das weiterhin einheitlich vorbehandelt werde und bei dem die Parameter zur Lebensqualität und Toxizität standardisiert erfasst werden könnten. Es müsse ausreichen, dass in den einschlägigen Fachkreisen aufgrund einer Vielzahl der veröffentlichten Erkenntnisse mit positiven Ergebnissen zur Appetitsteigerung und Gewichtszunahme sowie zum Allgemeinbefinden ein Konsens über den Nutzen einer Verabreichung von [X.] bestanden habe, wogegen etwaige Nachteile durch Nebenwirkungen und Risiken nicht ins Gewicht fallen könnten und zu vernachlässigen seien. Abgesehen davon, dass nach den Feststellungen des [X.] für den Off-Label-Use von [X.] keine Phase [X.] vorliegen, konnten auch den anderen - weniger validen - Studien keine ausreichenden Belege für die Eignung und Unbedenklichkeit des Einsatzes von [X.] entnommen werden. Insbesondere ergab die Studie, an der der Kläger selbst teilnahm, dass - wie schon erwähnt - die Erprobungsphase noch nicht als abgeschlossen angesehen werden konnte. Das [X.] hat auch keinen Konsens über die Eignung und Unbedenklichkeit der Anwendung von [X.] feststellen können, es hat vielmehr formuliert, dass für das Vorliegen eines Konsenses keine Anhaltspunkte vorlagen. Dieser Feststellung hat der Kläger mit seinem Einwand, schon im Zeitpunkt seiner Medikation habe in den Fachkreisen Konsens über Qualität und Wirksamkeit von [X.] bei [X.] bestanden, lediglich seine gegenteilige Ansicht entgegengesetzt. Den vom [X.] getroffenen Tatsachenfeststellungen, die vom Revisionsgericht grundsätzlich als verbindlich zugrunde zu legen sind (§ 163 SGG) , lediglich die Behauptung anderer Tatsachen entgegenzusetzen, reicht revisionsrechtlich nicht aus (vgl [X.], 250, 252 = [X.] 3-4100 § 119 [X.] mwN; BSG vom 1.7.2010 - B 11 AL 1/09 R - Rd[X.]5, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen) .

Die "Regel"voraussetzungen eines zulässigen Off-Label-Use bei den vom Kläger vorgenommenen Verordnungen von [X.] sind damit nicht erfüllt. Aber auch die vom [X.] herausgestellten Anforderungen greifen nicht ein, wie noch unter 2. darzulegen ist.

2. Auch die Voraussetzungen, unter denen nach der Rechtsprechung des [X.] der Einsatz eines Arzneimittels unter Außerachtlassung der Begrenzungen durch das [X.] zulässig sein kann, lagen nicht vor. Allerdings hat das [X.] in [X.], die als hoffnungslos erscheinen, aus Art 2 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip und aus Art 2 Abs 2 Satz 1 GG iVm der daraus abzuleitenden Schutzpflicht entnommen, dass Therapiemethoden, die nach dem [X.] oder dem [X.] an sich nicht angewendet werden dürfen, unter bestimmten Voraussetzungen doch zulässig sind. Das [X.] hat insoweit dem Versicherten einen erweiterten Behandlungsanspruch gemäß §§ 27 ff [X.] eingeräumt, was reziprok bedeutet, dass dann in entsprechender Weise der Arzt zur Gewährung der Behandlung bzw zur Verordnung des Arzneimittels berechtigt und verpflichtet ist.

a) Das [X.] hat - zunächst für nicht anerkannte Behandlungsmethoden - aus Art 2 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip und aus Art 2 Abs 2 Satz 1 GG iVm der sich daraus ergebenden Schutzpflicht abgeleitet, dass in Fällen, in denen eine lebensbedrohliche oder in der Regel tödlich verlaufende Krankheit vorliegt und eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, der Versicherte nicht von der Gewährung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode ausgeschlossen werden darf, wenn diese eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bietet ([X.]E 115, 25, 49 = [X.] 4-2500 § 27 [X.] Rd[X.]3). Es muss eine durch nahe Lebensgefahr gekennzeichnete individuelle Notlage gegeben sein ([X.] vom 30.6.2008, NJW 2008, 3556 RdNr 10; an die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung anknüpfend BSG vom [X.], [X.], 170 = [X.] 4-2500 § 31 [X.], Rd[X.]5; BSG vom 14.12.2006, [X.] 4-2500 § 31 [X.] Rd[X.]0; BSG vom [X.], [X.] 2007-36 S 238; BSG vom 28.2.2008, [X.], 103 = [X.] 4-2500 § 31 [X.], Rd[X.]2; BSG vom 16.12.2008, [X.] 2008-73 S 575). Das [X.] hat in einer speziellen Situation - Apheresebehandlung in einem besonderen Fall - ausreichen lassen, dass die Erkrankung voraussichtlich erst in einigen Jahren zum Tod führt ([X.] vom [X.] - 1 BvR 3101/06 - Rd[X.], in Juris dokumentiert) .

Diese Grundsätze haben das [X.] und da[X.] auf den Bereich der Versorgung mit Arzneimitteln übertragen. Sofern eine im vorgenannten Sinne lebensbedrohliche Erkrankung vorliegt (oder - wie da[X.] es formuliert - eine wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung, vgl dazu BSG vom [X.], [X.], 153 = [X.] 4-2500 § 27 [X.], Rd[X.]1 am Ende; BSG vom 14.12.2006, [X.] 2006-111 S 767/768; BSG vom [X.], [X.] 2007-36 S 237 unter 2.; BSG vom 28.2.2008, [X.], 103 = [X.] 4-2500 § 31 [X.] Rd[X.]2 am Ende) und eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, er[X.]eckt sich der [X.] des Versicherten über die Beschränkungen der arzneimittelrechtlichen Zulassung hinaus - dh sowohl bei Fehlen jeglicher Arzneimittelzulassung als auch bei Einsatz außerhalb des in der Zulassung ausgewiesenen Anwendungsbereichs - auf die Versorgung mit solchen Arzneimitteln, die eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bieten (s hierzu [X.] vom 30.6.2008 aaO; ebenso [X.] vom [X.], [X.], 170 = [X.] 4-2500 § 31 [X.], RdNr 19; BSG vom 28.2.2008, [X.] 4-2500 § 13 [X.] Rd[X.]0 mwN) . Dies bedeutet, verglichen mit den "Regel"voraussetzungen für einen Off-Label-Use, dass - über eine schwerwiegende Erkrankung hinausgehend - eine lebensbedrohliche oder in der Regel tödlich verlaufende Krankheit vorliegen muss: Nur unter dieser Voraussetzung ist das Erfordernis ausreichender Belege für die Eignung und Unbedenklichkeit des Einsatzes des Arzneimittels bzw der Behandlungsmethode dahin abzuschwächen, dass eine nicht ganz fern liegende Aussicht positiver Einwirkung auf den Krankheitsverlauf ausreicht.

Hat der erkrankte Versicherte nach diesen rechtlichen Maßstäben Anspruch auf die Versorgung mit einem bestimmten Arzneimittel, so darf nicht wegen der Verordnung dieses Medikaments ein Regress gegen den verordnenden Arzt festgesetzt werden.

b) Dabei ist stets der Ausgangspunkt des [X.] zu beachten, nämlich dass nur insoweit, als eine lebensbedrohliche Erkrankung und deren Heilung in Frage steht, die erweiternde Auslegung der leistungsrechtlichen Vorschriften des [X.] geboten ist. Dementsprechend gilt der Maßstab, dass eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fern liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf ausreicht, nur insoweit, als eine Aussicht auf Heilung der Grunderkrankung selbst oder auf positive Einwirkung auf den Verlauf der Grunderkrankung als solcher besteht. Nur in einer solchen Situation ist die dargelegte verfassungskonforme Erweiterung des Leistungsanspruchs des Versicherten gemäß §§ 27 ff [X.] veranlasst und gerechtfertigt. Diese ([X.])enge Sicht ist nicht etwa, wie gelegentlich geltend gemacht wird, durch die Entscheidung des [X.] vom [X.] in Frage gestellt worden ([X.] - 1 BvR 3101/06 -, in Juris dokumentiert) . Hierin hat das [X.] lediglich klargestellt, dass bei der Frage, ob eine Behandlung auf eine lebensbedrohliche Erkrankung einwirkt, das sog Gesamtrisikoprofil mitzuberücksichtigen ist in dem Sinne, dass die Einwirkung auf einen Faktor im Gesamtrisikoprofil ausreicht. Damit ist aber nicht in Zweifel gezogen, dass es sich auch in solchen Fällen um die Einwirkung auf die lebensbedrohliche Erkrankung selbst handeln muss.

Diesen rechtlichen Ausgangspunkt hat auch das [X.] zugrunde gelegt. Dementsprechend hat es das Erfordernis einer auf Indizien gestützten, nicht ganz fern liegenden Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf als nicht erfüllt angesehen, denn die vom Kläger praktizierte Anwendung von [X.] bei Patienten mit einem fortgeschrittenen Bronchialkarzinom war nicht darauf gerichtet, die lebensbedrohliche Erkrankung als solche zu heilen oder positiv auf ihren Verlauf einzuwirken, sondern der Einsatz von [X.] zielte "nur" auf die Verbesserung der Lebensqualität in dem Sinne, dass der Erkrankte wieder mit Appetit natürliche Nahrung zu sich nimmt und dadurch der tumorinduzierten Kachexie (Appetitlosigkeit mit der Folge körperlicher Auszehrung) entgegengewirkt wird. Der Kläger wollte mit der Anwendung von [X.] also nicht auf die lebensbedrohliche Erkrankung als solche einwirken, sondern nur deren weitere Auswirkungen abmildern. Dementsprechend hat das [X.] zu Recht für den vorliegenden Fall die Entscheidung des [X.] vom 6.12.2005 als nicht einschlägig erachtet.

Entgegen der Ansicht des [X.] kommt es hier nicht darauf an, ob durch den Einsatz von [X.] der Appetit von Patienten, die er wegen eines [X.] behandelte, wiederhergestellt und ob dadurch eine günstigere Prognose hinsichtlich der diesen noch verbleibenden Lebenszeit erreicht werden konnte. Nach dem Beschluss des [X.] vom 6.12.2005 ([X.]E 115, 25, 49 = [X.] 4-2500 § 27 [X.] Rd[X.]3) soll dem Patienten - bildlich gesprochen - der Strohhalm der Hoffnung auf Heilung, an den er sich klammert, nicht wegen Fehlens wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit verweigert werden. Hoffnungen in diesem Sinne kann ein Patient aber nur mit Behandlungsmethoden verbinden, die darauf gerichtet sind, auf seine mutmaßlich tödlich verlaufende Grunderkrankung als solche einzuwirken. Für Behandlungsverfahren, die dies nach ihrem eigenen methodischen Ansatz nicht leisten, gelten die reduzierten Wirksamkeitsanforderungen der Rechtsprechung des [X.] von vornherein nicht. Soweit mit dem in § 27 Abs 1 Satz 1 [X.] genannten Behandlungsziel "Krankheitsbeschwerden zu lindern" jede Verbesserung der Lebensqualität eines schwerkranken Patienten verbunden wird, ist dieses Ziel nicht von der Ausweitung der Leistungsansprüche der Versicherten gemäß dem Beschluss des [X.] vom 6.12.2005 erfasst. Allein die Hoffnung einer - unter Umständen ganz geringen - Chance auf Heilung der Krankheit oder auf nachhaltige, nicht nur wenige Tage oder Wochen umfassende, Lebensverlängerung rechtfertigt es, die Voraussetzungen an den Nachweis der Wirksamkeit von Behandlungsmethoden so weit zu reduzieren, wie das in dem Beschluss des [X.] erfolgt ist.

Dem wird die Ansicht des [X.] nicht gerecht, jede Verbesserung des Appetits des Patienten könne dessen subjektive Lebensqualität verbessern und so mittelbar - ungeachtet des dadurch nicht beeinflussten Wachstums des Tumors - eine (geringfügige) Lebensverlängerung bewirken. Nicht jede Verbesserung der Lebensqualität - zumal wenn diese in der Gesamtschau mit den möglichen vielfältigen und schwerwiegenden Nebenwirkungen zweifelhaft erscheint -, sondern nur die Erfüllung der Hoffnung des Patienten auf eine rettende Behandlung in einer aussichtslosen gesundheitlichen Situation indiziert die vom [X.] beschriebene notstandsähnliche Lage, in der (nahezu) jeder Behandlungsansatz auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung möglich sein soll.

Sind demnach die vom [X.] herausgestellten Voraussetzungen für erweiterte Behandlungsmöglichkeiten ohne die Beschränkungen durch das [X.] für den Einsatz von [X.] nicht erfüllt, so kommt es auf die weiteren Voraussetzungen für die Anwendung der Rechtsprechung des [X.] nicht an. Das [X.] und da[X.] haben in ihren Entscheidungen insbesondere klargestellt, dass in Fällen, in denen die genannte Rechtsprechung des [X.] einschlägig ist, immer auch die Voraussetzung erfüllt sein muss, dass keine Alternative einer allgemein anerkannten - dh nach dem [X.] zulässigen -, dem medizinischem Standard entsprechenden Behandlung besteht. Hierauf einzugehen, erübrigt sich, weil es schon an den "[X.] für eine Anwendung der [X.]-Rechtsprechung fehlt.

[X.] Bei allem ist schließlich darauf hinzuweisen, dass der Kläger das Risiko eines Regresses, wie er ihm gegenüber festgesetzt worden ist, hätte vermeiden können: Er hätte - worauf der [X.] in ständiger Rechtsprechung hinweist -, für den Versicherten ein Privatrezept ausstellen und es diesem überlassen können, sich bei seiner [X.] um Erstattung der Kosten zu bemühen. Ermöglicht der Vertragsarzt indessen nicht auf diese Weise eine [X.] durch die [X.], sondern stellt er ohne vorherige Rückfrage bei dieser eine vertragsärztliche Verordnung aus und löst der Patient diese in der Apotheke ein, so sind damit die Arzneikosten angefallen und die [X.] kann nur noch im [X.] geltend machen, ihre Leistungspflicht habe nicht bestanden. Verhindert der Vertragsarzt durch diesen Weg der vertragsärztlichen Verordnung bei einem medizinisch um[X.]ittenen Arzneieinsatz ohne dementsprechende Zulassung eine [X.] durch die [X.] und übernimmt er damit das Risiko, dass später die Leistungspflicht der [X.] verneint wird, so kann ein entsprechender Regress nicht beanstandet werden (stRspr, [X.] vom [X.], [X.] 2007, 557, 560, und - ausführlich - BSG vom [X.], [X.] 4-2500 § 106 [X.] Rd[X.]3 f, auch zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen) .

D. Die vom Kläger erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.

Die Einholung eines Sachverständigengutachtens steht im Ermessen des Gerichts. Eine Pflicht zur Einholung besteht nur dann, wenn sich dem Gericht dessen Einholung aufdrängen muss (stRspr, vgl [X.] vom [X.] KA 20/09 R -, Juris Rd[X.]9, und - B 6 KA 24/09 R -, Juris Rd[X.]0 - jeweils mwN; vgl auch BSG vom 3.2.2010, [X.] 4-2500 § 106 [X.] Rd[X.]7) . Das war hier nicht der Fall. Nach der für die Beurteilung der Notwendigkeit (weiterer) Beweiserhebung maßgeblichen Rechtsauffassung des [X.] hat dieses kein Gutachten einholen müssen. Das [X.] hat als maßgeblich erachtet, dass es im maßgeblichen Zeitraum der [X.] keinen fachwissenschaftlichen Konsens zum Einsatz von [X.] auch bei [X.] gegeben hat. Die Anregungen des [X.] zur Einholung eines Gutachtens sind darauf gerichtet gewesen, Belege dafür zu gewinnen, dass dieser Einsatz auch Befürworter hatte. Dem hat das [X.] nicht ohne Weiteres nachgehen müssen, weil das zur Feststellung eines allgemeinen Konsenses, den das [X.] aus Rechtsgründen für erforderlich gehalten hat, nichts Entscheidendes hätte beitragen können.

Die [X.] des [X.], das [X.] habe die von ihm im Berufungsverfahren eingereichten Studien nicht ausgewertet, scheitert daran, dass grundsätzlich die Vermutung besteht, dass das Gericht alles Eingereichte zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen einbezogen hat (stRspr des [X.] und de[X.], vgl [X.] vom [X.], [X.] 4-2500 § 103 [X.] Rd[X.]0 mit zahlreichen [X.]- und BSG-Angaben) . Gegenteiliges bedürfte besonderer Anhaltspunkte, die der Kläger nicht aufgezeigt hat und auch nicht ersichtlich sind.

Ebenso wenig dringt der Kläger mit seiner [X.] durch, das [X.] habe das Vorliegen eines Konsenses in Fachkreisen nicht erkannt. Hierin liegt lediglich die [X.], das [X.] sei von einem falschen Ausgangspunkt ausgegangen. Dem lediglich die abweichende Sicht eines anderen Ausgangspunktes entgegenzusetzen, reicht für eine Verfahrensrüge nicht aus (vgl oben Rd[X.] am Ende) .

Schließlich greift auch seine [X.] der Verkennung der Grenzen der freien Beweiswürdigung nicht durch. Er bringt dazu vor, die Feststellungen des [X.], dass die Anwendung von [X.] ausschließlich auf die Verbesserung der Lebensqualität und nicht auf die Verlängerung der Lebensdauer gerichtet sei, seien weder als Erfahrungssatz noch medizinisch begründbar. Dies ist schon nicht entscheidungserheblich, wie aus obigen Ausführungen zu [X.] folgt, wonach eine nur geringfügige Lebensverlängerung bei einem Behandlungsansatz, der von vornherein nicht auf eine Beeinflussung des Grundleidens zielt, nicht der vom [X.] herausgearbeiteten Ausnahme von den Verordnungsvoraussetzungen gemäß dem [X.] entspricht (vgl Rd[X.]0) . Vor allem ist nicht ersichtlich, dass das [X.] insoweit einen Erfahrungssatz hätte aufstellen wollen. Vielmehr setzt auch hier der Kläger nur seine eigene Auffassung derjenigen des [X.] entgegen.

E. Dem Regress stehen schließlich auch keine Grundrechtspositionen des [X.] entgegen. Insbesondere ist das Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art 12 Abs 1 GG nicht verletzt. Dieses Grundrecht unterliegt - ebenso wie Art 14 Abs 1 GG - einem Gesetzesvorbehalt, darf also durch Gesetz eingeschränkt werden. Das ist durch die vorliegend einschlägigen Bestimmungen des [X.] und des § 106 [X.] geschehen. Die Anwendung dieser Regelungen belastet den Kläger nicht unverhältnismäßig (vgl BSG vom 3.2.2010, [X.] 4-2500 § 106 [X.] Rd[X.]6 iVm 48).

Dabei kommt es nicht darauf an, ob die zu 1. beigeladene [X.] bei Nichtverordnung von [X.] Kosten für andere Behandlungsarten hätte tragen müssen - sog Vorteilsausgleichung - (vgl zB [X.]-2500 § 39 [X.] RdNr 14 mwN; [X.] 101, 252 = [X.] 4-2500 § 115b [X.] Rd[X.]; [X.]-2500 § 106 [X.] Rd[X.]7) .

F. Nach alledem ist nicht nur der Hauptantrag des [X.] auf Bescheidaufhebung zurückzuweisen, sondern ebenso der Hilfsantrag: Für die hilfsweise begehrte Zurückverweisung der Sache an das [X.] ist kein Raum, denn der gegenüber dem Kläger ausgesprochene Regress hat sich im Revisionsverfahren gemäß vorstehenden Ausführungen abschließend als rechtmäßig erwiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung von § 154 Abs 2 iVm § 162 Abs 3 VwGO. Der Kläger trägt als unterlegener Rechtsmittelführer die Kosten des Revisionsverfahrens (§ 154 Abs 2 VwGO) . Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten von Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil diese im Verfahren keine Anträge gestellt haben (vgl [X.], 257 = [X.] 4-1300 § 63 [X.], Rd[X.]) .

Meta

B 6 KA 47/09 R

13.10.2010

Bundessozialgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: KA

vorgehend SG Kiel, 30. April 2008, Az: 14 KA 39/05, Urteil

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 13.10.2010, Az. B 6 KA 47/09 R (REWIS RS 2010, 2448)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 2448

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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