Bundessozialgericht, Beschluss vom 09.02.2011, Az. B 6 KA 48/10 B

6. Senat | REWIS RS 2011, 9644

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Gegenstand

Sozialgerichtliches Verfahren - absoluter Revisionsgrund der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des erkennenden Gerichts - vertragsärztliche Versorgung - Honorarverteilungsmaßstab - ungeschriebene generelle Härteklausel


Tenor

Auf die Beschwerden des Klägers und der Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 12. Mai 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhand-lung und Entscheidung an das [X.] zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 82 746 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Der Kläger, der als Zahnarzt an der vertragszahnärztlichen Versorgung in [X.] teilnimmt, begehrt von der beklagten [X.] die Gewährung eines Härtefallzuschlages für das [X.].

2

Er erhielt für das [X.] ein Jahreshonorar in Höhe von 509 913,48 DM bei einem angeforderten [X.] 246,35 DM. Nachdem er im September 2003 einen Härtefallzuschlag beantragt hatte, gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 26.2.2004 auf der Grundlage des § 2a ihres [X.] ([X.]) einen Härtezuschlag in Höhe von 31 557,59 Euro, der mit Bescheid vom [X.] degressionsbedingt um 2061,49 DM verringert wurde. Der hiergegen erhobene Widerspruch des [X.] blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 24.3.2004). Das [X.] hat die daraufhin erhobene Klage mit Urteil vom 26.9.2007 abgewiesen.

3

Das L[X.] hat auf die Berufung des [X.] das Urteil des [X.] aufgehoben, die Bescheide der [X.] geändert und sie verurteilt, den Härtefallantrag des [X.] unter Beachtung der Rechtsauffassung des [X.]s neu zu bescheiden (Urteil vom [X.]). Es hat zunächst ausgeführt, dass die gegen [X.] Reinstrom und [X.] in der mündlichen Verhandlung gestellten Befangenheitsanträge des [X.] rechtsmissbräuchlich und daher unzulässig seien, weil mit ihnen verfahrensfremde Zwecke verfolgt würden. Der nach § 2a Abs 1 [X.] gewährte Zuschlag sei nicht zu beanstanden. Es habe aber Anlass bestanden, den Antrag des [X.] darauf zu überprüfen, ob ihm weitergehende Ansprüche aus einer generellen Härteklausel zustünden.

4

Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil macht der Kläger absolute Revisionsgründe im Zusammenhang mit Verfahrensmängeln (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 [X.] [X.]G) geltend, die Beklagte rügt ebenfalls Verfahrensfehler und macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 [X.] [X.]G) sowie eine Divergenz (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 [X.] [X.]G) geltend.

5

II. Auf die Beschwerden der Beteiligten war gemäß § 160a Abs 5 [X.]G das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuweisen. Es liegt ein Verfahrensfehler gemäß § 160 Abs 2 [X.] [X.]G vor, auf dem das Urteil beruht.

6

1. [X.] war zwar nicht gemäß § 60 Abs 1 Satz 1 [X.]G iVm § 41 [X.] 4 ZPO von der Mitwirkung im Berufungsverfahren ausgeschlossen. Der [X.] verweist insoweit auf die Beschlüsse vom heutigen Tag in den [X.] [X.] 47/10 B, [X.] [X.] 50/10 B, [X.] [X.] 51/10 B, [X.] [X.] 52/10 B, [X.] [X.] 54/10 B, [X.] [X.] 55/10 B, [X.] [X.] 56/10 B und [X.] [X.] 57/10 B.

7

2. Die Mitwirkung von [X.] war aber verfahrensfehlerhaft, weil er nach § 60 Abs 2 [X.]G ausgeschlossen ist. Danach ist von der Ausübung des Amtes als [X.] ausgeschlossen, wer am vorausgegangenen Verwaltungsverfahren mitgewirkt hat. Das war hier der Fall. Anders als bei den Honorarbescheiden und den hierzu erlassenen [X.] handelte es sich bei den Entscheidungen über Zahlungen aufgrund einer Härteklausel nicht um ein Geschäft der laufenden Verwaltung, für das nach § 16 Satz 1 der Satzung der [X.] (in der ab 31.3.1983 geltenden Fassung, zuletzt geändert durch Beschluss der Vertreterversammlung vom 15.7.1998) der Geschäftsführer in eigener Verantwortung zuständig war. Ob ein Vergütungszuschlag unter Härtegesichtspunkten zu zahlen war, entschied vielmehr nach § 2a Abs 1 Buchst b des [X.] der Vorstand. Dementsprechend liegt dem angefochtenen Bescheid ein einstimmiger Beschluss des [X.] und damit in der Amtszeit von [X.] zugrunde.

8

Die Mitwirkung des kraft Gesetzes ausgeschlossenen [X.]s [X.] stellt einen absoluten Revisionsgrund iS des § 202 [X.]G iVm § 547 [X.] ZPO dar. Die Entscheidung ist als auf der Rechtsverletzung beruhend anzusehen. Der absolute Revisionsgrund der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des erkennenden Gerichts führt in einem Revisionsverfahren - nach entsprechender Rüge - zur Aufhebung und Zurückverweisung, weil unwiderlegbar feststeht, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruht. § 170 Abs 1 Satz 2 [X.]G ist dagegen grundsätzlich nicht anwendbar, wenn ein absoluter Revisionsgrund vorliegt. Deshalb dürfte der [X.] die Revision selbst dann nicht zurückweisen, wenn die L[X.]-Entscheidung sich aus anderen Gründen als richtig darstellen sollte (vgl näher B[X.] [X.]-1100 Art 101 [X.] Rd[X.]3 mwN). Da ein Revisionsverfahren mithin zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht führen würde, macht der [X.] von der Möglichkeit Gebrauch, in dem Beschluss über die [X.] gemäß § 160a Abs 5 [X.]G das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das L[X.] zurückzuverweisen.

9

3. In der Sache dürften die [X.] der Beteiligten im Übrigen ohne Erfolg bleiben. Der [X.] verweist insoweit auf seine Entscheidungen zu [X.], vor allem auf die vom L[X.] und auch von der [X.] in Bezug genommene Entscheidung vom [X.] (B[X.]E 96, 53 = [X.]-2500 § 85 [X.]3), die den auch hier streitigen [X.] der [X.] betraf. Dort hat der [X.] ausgeführt, dass eine ungeschriebene generelle Härteklausel dann anzuwenden ist, wenn ein [X.] keine oder eine zu eng gefasste Härteklausel enthält. Der [X.] hat zunächst einen Härtefall nach § 2a [X.] der [X.] und sodann eine ungeschriebene generelle Härteklausel geprüft. Daraus ist ersichtlich, dass eine geschriebene Härteklausel dann die weitere Prüfung einer generellen Härteklausel nicht ausschließt, wenn die geschriebene Klausel zu eng gefasst ist. Wenn das B[X.] sodann § 2a [X.] und eine generelle Härteklausel prüft, wird daraus ebenfalls deutlich, dass die geschriebene Härteklausel des [X.] nicht alle denkbaren Härtefälle erfasst. Ohne Weiteres erhellt dies ein Blick auf die vom [X.] genannten Beispiele für den Anwendungsbereich der generellen Härteklausel. So hat der [X.] als mögliche Anwendungsfälle überraschende Veränderungen der Versorgungsstruktur durch Ausscheiden eines von wenigen Zahnärzten in einer Region oder die Änderung der Behandlungsausrichtung einer zahnärztlichen Praxis genannt (B[X.] [X.]-2500 § 85 [X.]7 S 196; B[X.]E 83, 52, 61 = [X.]-2500 § 85 [X.]8 S 210). Derartige Einzelfälle kann eine Härteklausel, die allgemein auf den Versorgungsgrad und die Quote der Vergütung des [X.] abstellt, nicht abdecken. Soweit dazu Anlass besteht, ist mithin neben der geschriebenen Härteklausel auch eine stillschweigend anzunehmende generelle Härteklausel zu prüfen.

4. Der Streitwert entspricht der Differenz von beanspruchtem und tatsächlich für das [X.] erhaltenem Honorar einschließlich des gewährten [X.] (§ 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 [X.]G iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 und 3 GKG). Für eine Halbierung des Streitwertes sieht der [X.] keinen Raum (vgl B[X.] vom 13.10.2010 - [X.] [X.] 2/10 B - Juris Rd[X.]0 mwN, zur Veröffentlichung in [X.]-1500 § 110 [X.] vorgesehen).

Meta

B 6 KA 48/10 B

09.02.2011

Bundessozialgericht 6. Senat

Beschluss

Sachgebiet: KA

vorgehend SG Hannover, 26. September 2007, Az: S 43 KA 170/07, Urteil

§ 160a Abs 5 SGG, § 202 SGG, § 547 Nr 2 ZPO, § 85 Abs 4 SGB 5

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Beschluss vom 09.02.2011, Az. B 6 KA 48/10 B (REWIS RS 2011, 9644)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 9644

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