Bundessozialgericht, Urteil vom 29.06.2011, Az. B 6 KA 20/10 R

6. Senat | REWIS RS 2011, 5290

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

Vertragsärztliche Versorgung - Honorarverteilung - einfache Beiladung der Krankenkassenverbände - Vorstand einer Kassenärztlichen Vereinigung - Ermächtigung zu konkretisierenden Regelungen und Einzelfallentscheidungen - Vorliegen eines besonderen Versorgungsbedarfs - Geltung auch für Regelleistungsvolumen - Praxisausrichtung auf besonders zeitintensive Leistungen aus dem allgemeinen Leistungsspektrum der Fachgruppe - keine vergütungsrelevante Besonderheit - allgemeine Härtefallklausel im Honorarverteilungsvertrag - wirtschaftliche Einbußen durch Regelleistungsvolumen -Nichtvorliegen eines Härtefalls


Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des [X.] vom 17. März 2010 und des [X.] vom 10. Dezember 2008 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Zuerkennung einer Erhöhung des Regelleistungsvolumens ([X.]) für die [X.]/2006 und I/2007.

2

Der Kläger ist seit Februar 1998 als Facharzt für Anästhesiologie in [X.] zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Am 4.6.2007 beantragte er eine Änderung seines [X.]. Er arbeite im Wesentlichen für den [X.], der umfangreiche und lang dauernde Operationen durchführe. Während sein [X.] bei 1586 und 1616 Punkten pro Fall liege, habe er einen Bedarf von 9900 Punkten pro Fall. Der Kläger rechnete im Quartal IV/2006 1 172 985 Punkte ab. Sein [X.] betrug bei 112 Fällen mit einem durchschnittlichen Fallwert von 1617,5 Punkten 181 160 Punkte, was eine Überschreitung um 991 825 Punkte bedeutete. Das Bruttohonorar setzte die beklagte [X.] ([X.]) auf 19 009,89 Euro fest, wovon 5468,79 Euro als [X.] nach Ziffer 7.5 Honorarverteilungsvertrag ([X.]) gezahlt wurden. Im Quartal I/2007 rechnete der Kläger 1 118 815 Punkte ab. Sein [X.] betrug bei 106 Fällen mit einem durchschnittlichen Fallwert von 1615,3 Punkten 171 221,8 Punkte, die Überschreitung damit 947 593,2 Punkte. Er erzielte ein Bruttohonorar in Höhe von 14 237,51 Euro einschließlich eines [X.]es in Höhe von 5524,57 Euro.

3

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom [X.] ab, weil Sonderregelungen zu den [X.] nach einer Festlegung des Vorstands nur noch in Einzelfällen bei Vorliegen einer Sicherstellungsproblematik erfolgen könnten. Den Widerspruch des [X.] wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.12.2007 zurück. In [X.] seien mindestens 33 weitere Anästhesisten niedergelassen, die berechtigterweise die gleichen Leistungen wie der Kläger erbrächten. Zwar rechne der Kläger überdurchschnittlich häufig besonders zeitintensive Operationen ab, es handle sich aber um anästhesiologische Leistungen, die von allen Fachärzten für Anästhesiologie erbracht werden könnten und bei der Ermittlung der [X.]-[X.] berücksichtigt worden seien.

4

Das [X.] hat mit Urteil vom 10.12.2008 den angegriffenen Bescheid der Beklagten aufgehoben und sie zur Neubescheidung verurteilt. Die Beklagte habe verkannt, dass bei dem Kläger ein Ausnahmefall vorliege, in dem ihr Vorstand aus Gründen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung Änderungen an den arztgruppenspezifischen [X.] vornehmen müsse. Dies sei unabhängig von der [X.] oder evtl Ausgleichszahlungen nach Ziffer 7.5 [X.] zu beurteilen. Bei der Feststellung der [X.] komme es nicht allein auf die Versorgung im Umkreis der Praxis an, sondern auf den Versorgungsschwerpunkt der Praxis. Hier liege ein Schwerpunkt der Praxis auf bestimmten Operationen und dem damit einhergehenden besonderen Bedarf an Anästhesieleistungen. Der Kläger habe die Leistungen nach [X.] 05330 des einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen ([X.]) 2005 (Anästhesie und/oder Narkose) und [X.] 05331 [X.] 2005 (Zuschlag zu der Leistung nach [X.] 05330 bei Fortsetzung einer Anästhesie und/oder Narkose je weitere vollendete 15 Minuten Schnitt-Naht-Zeit) im Quartal I/2007 auf 100 Behandlungsfälle 94 bzw 903-mal erbracht, während in der Vergleichsgruppe von 174 Praxen diese Leistungen nur von 95 bzw 75 Praxen erbracht worden seien mit einer Häufigkeit von 3 bzw 8 Leistungen auf 100 Behandlungsfälle bzw bezogen auf die Abrechner dieser Leistungen von 6 bzw 18 Leistungen auf 100 Behandlungsfälle.

5

Das L[X.] hat die Berufung der Beklagten mit Urteil vom [X.] zurückgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Erhöhung der [X.] nach Ziffer 6.3 letzter Absatz [X.] lägen nicht vor, weil eine Sicherstellungsproblematik nicht gegeben sei. Es sei nicht ersichtlich, dass ohne sein Leistungsangebot die anästhesiologische Versorgung der Versicherten in der Region der Praxis des [X.] nicht mehr gewährleistet sei. Der [X.] sei jedoch deshalb rechtswidrig, weil es an einer allgemeinen Härtefallregelung fehle. Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG fordere eine Ausnahme vom [X.] auch dort, wo sich innerhalb einer [X.] bereits vor Inkrafttreten der Regelung über die [X.] Ärzte mit Leistungen in zulässiger Weise spezialisiert hätten und dieses spezifische Leistungsangebot durch das [X.] der Fachgruppe nicht leistungsangemessen abgedeckt werde. Für die Frage, wann eine solche Spezialisierung vorliege, könne an die Rechtsprechung des B[X.] zu ähnlichen Problemlagen angeknüpft werden. Zum Merkmal der Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs als Voraussetzung für die Erweiterung eines Zusatzbudgets nach dem [X.] 1997 habe das B[X.] ausgeführt, dies setze eine von der Typik der [X.] nachhaltig abweichende Praxisausrichtung, einen besonderen Behandlungsschwerpunkt bzw eine Konzentration auf die Erbringung von Leistungen aus einem Teilbereich des Fachgebiets voraus, für das der Arzt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sei. Indizien für eine solche Spezialisierung seien ein gegenüber dem Durchschnitt der Fachgruppe signifikant erhöhter Anteil der auf den [X.] entfallenden Leistungen am Gesamtpunktzahlvolumen in der Vergangenheit sowie eine im Leistungsangebot bzw in der Behandlungsausrichtung der Praxis tatsächlich zum Ausdruck kommende Spezialisierung. Im Fall des [X.] liege ein Härtefall vor, weil das ihm zuerkannte [X.] seine besondere, vom Durchschnitt der [X.] deutlich abweichende Praxisstruktur nicht berücksichtige. Er betreue in einem besonders hohen Umfang zeitintensive ambulante Operationen eines MKG-Chirurgen. Der Anteil der die Dauer der Anästhesie/Narkose kennzeichnenden Zuschlagsnummer 05331 [X.] 2005 betrage im Quartal IV/2006 55,11 % und im Quartal I/2007 56,99 % des abgerechneten Gesamtpunktvolumens. Eine Sonderregelung scheide nicht deshalb aus, weil der Kläger überproportional fachgruppentypische Leistungen abgerechnet habe. Ein zu berücksichtigender Praxisschwerpunkt könne auch dann vorliegen, wenn in einem für die Vergleichsgruppe außergewöhnlichen Umfang bei nur geringen Fallzahlen spezifische Leistungen abgerechnet würden. Das Fehlen einer Härtefallregelung werde auch nicht durch die unter zahlreichen Vorbehalten stehende Regelung der Ziffer 7.5 [X.] ausgeglichen, die Fallwertminderungen von mehr als 5 % im Vergleich zum [X.] verhindern solle. Schließlich sei das Fehlen einer Härteregelung auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Anfangs- und Erprobungsregelung unbeachtlich.

6

Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten. Eine Sicherstellungsproblematik bestehe nicht. Die Annahme eines atypischen Falles scheitere hier schon daran, dass der Kläger fachgruppentypische Leistungen überproportional abgerechnet habe. Der [X.] enthalte mit den Ziffern 6.3 letzter Absatz und 7.5 [X.] bereits Härtefallregelungen. Die Rechtsprechung des B[X.] zum Erfordernis einer allgemeinen Härteregelung sei vor der Einführung von [X.] ergangen. Sie könne nur insoweit gelten, als sie nicht im Widerspruch zu den Vorgaben des [X.] stehe. Danach könnten Anpassungen des [X.] nur zur Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen Versorgung vorgenommen werden. Zwar sehe § 87b Abs 3 Satz 3 [X.]B V und in Umsetzung dieser Vorgaben der Beschluss des erweiterten [X.] zur Neuordnung der vertragsärztlichen Vergütung im Jahr 2009 in Teil F [X.] 3.6 vor, dass auch Praxisbesonderheiten bei der Bestimmung des [X.] zu berücksichtigen sind. Diese Regelung entfalte aber keine Rückwirkung, sodass sich aus ihr für den streitigen Zeitraum nichts herleiten lasse.

7

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des [X.] vom [X.] und des [X.] Marburg vom 10.12.2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er hält die angefochtenen Urteile für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das [X.] und das L[X.] haben zu Unrecht den angefochtenen Bescheid aufgehoben und die Beklagte zur Neubescheidung verurteilt. Die Beklagte hat den Antrag des [X.] auf Erhöhung seines [X.] zu Recht abgelehnt.

1. Das L[X.] hat zutreffend ausgeführt, dass eine Beiladung der [X.] als Vertragspartner im Rahmen der Honorarverteilung nicht notwendig gewesen ist. Der [X.] hat bereits entschieden, dass es sich bei der Beiladung der [X.] als Vertragspartner im Rahmen der Honorarverteilung um einen Fall der einfachen Beiladung nach § 75 Abs 1 [X.]G handelt, die im Ermessen des Gerichts steht (stRspr, vgl zuletzt B[X.] [X.] 4-2500 § 75 [X.] Rd[X.] 12). Allein der Gesichtspunkt, dass es in einem Rechtsstreit auf den Inhalt, die Auslegung oder die Wirksamkeit einer (Honorarverteilungs-)Regelung ankommt, führt nicht dazu, dass die Entscheidung gegenüber den an der Normsetzung Beteiligten nur einheitlich ergehen kann und deren Beiladung in jedem Vergütungsrechtsstreit deshalb notwendig wird (vgl B[X.] [X.] 3-2500 § 115 [X.] für die Gesamtvertragspartner; B[X.]E 78, 98, 99 f = [X.] 3-2500 § 87 [X.] für die [X.]; ebenso B[X.] [X.] 4-2500 § 87 [X.] Rd[X.] 6 für den [X.]; B[X.] Urteil vom 11.5.2011 - [X.] [X.]/10 R - Rd[X.] 11 für die Vertragspartner des [X.], zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen). Die vom Gesetzgeber mit der Neufassung des § 85 Abs 4 Satz 2 [X.]B V durch Art 1 [X.] Buchst h des G[X.]V-Modernisierungsgesetzes ([X.]) vom 14.11.2003 ([X.] 2190) beabsichtigte Einbindung der Verbände der [X.]rankenkassen in die Mitverantwortung für eine leistungsgerechte Honorarverteilung (BT-Drucks 15/1525 [X.] zu Art 1 [X.] Buchst h <§ 85>) ändert nichts daran, dass im Honorarstreitverfahren primär über den Anspruch eines Leistungserbringers auf vertragsärztliches Honorar und nur inzident (auch) über die Geltung von Vorschriften des [X.] gestritten wird. Das Unterlassen auch einer sachgerechten und naheliegenden einfachen Beiladung ist kein sachentscheidungshindernder Verfahrensmangel (vgl B[X.]E 95, 141 Rd[X.] 6 = [X.] 4-2500 § 83 [X.] Rd[X.] 14; B[X.] Urteil vom 23.3.2011 - [X.] [X.] 8/10 R - Rd[X.] 11 -, insoweit nicht in [X.] abgedruckt), und eine solche Beiladung kann gemäß § 168 Satz 1 [X.]G in der Revisionsinstanz nicht nachgeholt werden (B[X.] [X.] 4-2500 § 75 [X.] Rd[X.] 13; B[X.] Urteil vom 11.5.2011 - [X.] [X.]/10 R - Rd[X.] 11 mwN, zur Veröffentlichung in [X.] vorgesehen).

2. Der in den streitbefangenen Quartalen geltende [X.] entsprach mit der Bestimmung von [X.] den Vorgaben des [X.], die dieser - gemäß der ihm nach § 85 Abs 4a Satz 1 letzter Teilsatz [X.]B V übertragenen Aufgabe - am 29.10.2004 mit Wirkung für die [X.] ab 1.1.2005 beschlossen hatte ([X.] 2004, [X.]). Gemäß Teil III [X.].1 iVm [X.] dieses Beschlusses waren die [X.] verpflichtet, in der Honorarverteilung [X.] in der Weise festzulegen, dass arztgruppeneinheitliche [X.] vorzusehen waren, aus denen durch Multiplikation mit individuellen Behandlungsfallzahlen praxisindividuelle Grenzwerte zu errechnen waren, in deren Rahmen die Vergütung nach einem festen Punktwert (sogenannter Regelleistungspunktwert) zu erfolgen hatte. In der Anlage 1 zum Teil III des Beschlusses waren tabellarisch die erfassten Arztgruppen aufgeführt, die dem [X.] unterlagen. Hierzu zählen auch die Fachärzte für Chirurgie.

[X.]ernpunkte der gesetzlichen Neuregelung sind, wie der [X.] bereits in seinem Urteil vom [X.] (B[X.]E 106, 56 = [X.] 4-2500 § 85 [X.]4, Rd[X.] 14 ff) dargelegt hat, nach § 85 Abs 4 Satz 7 [X.]B V (in der Fassung des [X.] vom 14.11.2003, [X.] 2190) zwei Vorgaben, nämlich die Festlegung arztgruppenspezifischer Grenzwerte und fester Punktwerte, sowie - gemäß § 85 Abs 4 Satz 8 [X.]B V - für darüber hinausgehende Leistungen abgestaffelte Punktwerte. Dementsprechend sah der hier maßgebliche [X.], den die Beklagte und die [X.]rankenkassen für die [X.] vom 1.7.2006 bis zum [X.] geschlossen hatten, in Ziffer 6.3 [X.] die Bildung fallzahlabhängiger praxisindividueller [X.] auf der Grundlage arztgruppenspezifischer [X.] sowie in Ziffer 6.4 [X.] die Bewertung der innerhalb des [X.] liegenden Honorarforderungen mit einem festen Punktwert von 4,0 Cent vor. Der [X.] hat bereits entschieden, dass dem Erfordernis arztgruppenspezifischer Grenzwerte auch eine Regelung genügt, die eine arztgruppeneinheitliche Festlegung nur bei den [X.] vorgibt, dann deren Multiplikation mit den individuellen Behandlungsfallzahlen vorsieht und so zu praxisindividuellen Grenzwerten führt (so im Übrigen die Regelung in Teil III [X.] des Beschlusses des [X.] vom 29.10.2004; vgl B[X.] aaO, Rd[X.] 15) . Der Punktwert unterlag nach Punkt 2.2 der Anlage zu Ziffer 6.3 [X.] einer Quotierung, soweit der zur Verfügung stehende Anteil am [X.] in einer Honorar(unter)gruppe zur Honorierung der angeforderten Leistungen nicht ausreichte. Die über das praxisindividuelle [X.] hinausgehenden Honorarforderungen waren nach Ziffer 6.4 [X.] mit einem Punktwert von mindestens 0,51 Cent zu bewerten.

3. Das L[X.] hat zu Recht entschieden, dass eine Erhöhung des [X.] des [X.] nach Ziffer 6.3 letzter Absatz [X.] ausscheidet. Diese Regelung enthält keinen allgemeinen ([X.] für alle denkbaren Ausnahmefälle, sondern lässt Anpassungen nur zur Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen Versorgung zu. Das ergibt sich bereits hinreichend deutlich aus dem Wortlaut der Bestimmung (vgl zur Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsregelungen im [X.] B[X.] [X.] 4-2500 § 87 [X.] Rd[X.]), wonach der Vorstand ermächtigt ist, "aus Gründen der Sicherstellung der ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung praxisbezogene Änderungen an den arztgruppenspezifischen [X.] gemäß Anlage zu Ziffer 6.3 vorzunehmen". Nur für eine Anpassung unter Sicherstellungsgesichtspunkten findet sich im Beschluss des [X.] vom 29.10.2004 eine Ermächtigungsgrundlage. Nach [X.].1 dieses Beschlusses können im [X.] "zur Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen Versorgung und zur Zielerreichung einer Maßnahme in 1. Anpassungen des [X.] vorgenommen werden". Diese Ermächtigung richtet sich an die Vertragspartner des [X.], die im [X.] [X.]e Voraussetzungen für Abweichungen vom [X.] statuieren können. Da [X.] nicht alle Fälle erfasst werden können, die eine Anpassung erfordern, ist nicht zu beanstanden, dass der [X.] den Vorstand der Beklagten aus Gründen der Sicherstellung der Versorgung zu Anpassungen des [X.] im Einzelfall ermächtigt. Nach ständiger Rechtsprechung des [X.]s kann der Vorstand der [X.] zu konkretisierenden Regelungen und Einzelfallentscheidungen, insbesondere zur Beurteilung der Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Freistellung von Obergrenzen, ermächtigt werden (vgl B[X.] [X.] 3-2500 § 85 [X.]1 S 240 f mwN).

Die Beklagte hat zu Recht einen Ausnahmefall unter Sicherstellungsgesichtspunkten verneint. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Entscheidung über die Erhöhung der [X.] des [X.] liegen nicht vor. Zwar reicht allein der Hinweis, dass weitere Ärzte im Planungsbereich der Praxis des [X.] die gleichen Leistungen erbringen, allein zur Verneinung eines [X.] iS der Ziffer 6.3 [X.] nicht aus. Das Merkmal der Sicherstellung ist in diesem Zusammenhang nicht so eng zu verstehen, dass es nur darauf ankommt, ob ohne den Antragsteller die von ihm erbrachten Leistungen im Planungsbereich nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung stehen (s näher dazu Urteil des [X.]s vom heutigen Tag - [X.] [X.] 17/10 R).

Sachgerecht ist es, für die Auslegung der [X.].1 des Beschlusses des [X.] vom 29.10.2004 sowie der Ziffer 6.3 letzter Absatz [X.] die Rechtsprechung des [X.]s zum "besonderen Versorgungsbedarf" als Voraussetzung für eine Erweiterung von Praxis- und Zusatzbudgets, die ebenfalls im Grundsatz auf eine arztgruppeneinheitliche Festlegung angelegt waren (vgl B[X.] [X.] 4-2500 § 87 [X.] 17 Rd[X.]2), heranzuziehen und weiterzuentwickeln. Zwar fassen die [X.] alle Leistungen zusammen, die als typische dem Praxis- und als spezielle den Zusatzbudgets zugewiesen waren (vgl B[X.] [X.] 4-2500 § 87 [X.] 12 Rd[X.] 12 ff). Vergleichbar mit der hier streitigen Regelung ist jedoch die unter der Geltung der Praxis- und Zusatzbudgets im [X.] vorgesehene Möglichkeit, im Einzelfall zur Sicherstellung eines besonderen [X.] eine Budgeterweiterung vorzunehmen. Zur Auslegung des Begriffs "besonderer Versorgungsbedarf" hat der [X.] mehrfach ausgeführt, dass eine im Leistungsangebot der Praxis zum Ausdruck kommende Spezialisierung und eine von der Typik der Arztgruppe abweichende Praxisausrichtung vorliegen müssten, die messbaren Einfluss auf den Anteil der im [X.] abgerechneten Punkte im Verhältnis zur Gesamtpunktzahl hätten (B[X.] [X.] 4-2500 § 87 [X.] 12 Rd[X.] 15 f; [X.] 17 Rd[X.]6). Dabei hat er als mögliches Indiz für die Atypik im Vergleich zur Fachgruppe angesehen, dass im Verhältnis zum [X.] eine signifikant überdurchschnittliche Leistungshäufigkeit in einem Spezialgebiet vorliegt. Zusätzlich sei erforderlich, dass die [X.] für die speziellen Leistungen überdurchschnittlich gering gewesen sei, was voraussetze, dass das Gesamtleistungsvolumen insgesamt signifikant überdurchschnittlich hoch gewesen sei. Erhebliches Gewicht kann nach dieser Rechtsprechung dem Gesichtspunkt zukommen, dass das durchschnittliche Punktzahlvolumen je Patient in dem [X.] die [X.] übersteigt. Aus einer derartig dokumentierten Spezialisierung können Rückschlüsse auf die Sicherstellung eines besonderen [X.] gezogen werden (vgl B[X.] [X.] 3-2500 § 87 [X.]1 S 178).

Diese [X.]riterien sind auch unter Geltung der [X.] geeignet, das Merkmal der Sicherstellung der Versorgung zu konkretisieren. Eine vom Durchschnitt abweichende Praxisausrichtung, die Rückschlüsse auf einen Versorgungsbedarf erlaubt, kann sich auch hier in einem besonders hohen Anteil der in einem speziellen Leistungsbereich abgerechneten Punkte im Verhältnis zur Gesamtpunktzahl zeigen. Zur Begründung einer versorgungsrelevanten Besonderheit genügt es allerdings nicht, lediglich ein "Mehr" an fachgruppentypischen Leistungen abzurechnen. Die überdurchschnittliche Abrechnung von Gesprächsleistungen konnte danach nicht zur Freistellung vom [X.] "Gesprächsleistungen" führen, weil fachgruppentypische Leistungen keine abweichende Praxisausrichtung belegen können (B[X.] [X.] 4-2500 § 87 [X.] 12 Rd[X.] 15 f). Die Überschreitung des praxisindividuellen [X.] muss vielmehr darauf beruhen, dass in besonderem Maße spezielle Leistungen erbracht werden. Dabei wird es sich typischerweise um arztgruppenübergreifend erbrachte spezielle Leistungen handeln, die eine besondere (Zusatz-)Qualifikation und eine besondere Praxisausstattung erfordern. Deutliches Indiz für einen solchen speziellen Leistungsbereich ist die entsprechende Ausweisung dieser Leistungen im [X.].

Der [X.]läger macht hier kein solches spezielles Leistungsspektrum geltend, die Überschreitungen des [X.] resultieren vielmehr aus der besonders langen Dauer der von ihm durchgeführten anästhesiologischen Leistungen. Bis zum Quartal I/2009 ist er nach eigenen Angaben ausschließlich im Bereich der Zahnmedizin tätig gewesen. Aufgrund seiner Zusammenarbeit mit dem [X.] rechnete der [X.]läger überdurchschnittlich oft besonders hoch bewertete Leistungen ab. Bereits mit der Abrechnung der [X.] 05330 [X.] 2005 (Anästhesie und/oder Narkose), die mit 2285 Punkten bewertet ist, überschritt er die dem [X.] zugrunde liegende durchschnittliche Fallpunktzahl von 1617,5 bzw 1615,3 Punkten. Die [X.] 05331 [X.] 2005, der Zuschlag zu dieser Leistung bei Fortsetzung einer Anästhesie und/oder Narkose je weiterer vollendeter 15 Minuten Schnitt-Naht-[X.], ist mit 660 Punkten bewertet. Ein besonderer Versorgungsbedarf hierfür ist nicht feststellbar und ist vom [X.]läger zuletzt auch nicht mehr geltend gemacht worden. Allein der Umstand, dass der [X.]läger eine fachgruppentypische Leistung besonders häufig abrechnet, lässt nicht auf einen besonderen Versorgungsbedarf schließen. Die Praxisausrichtung auf besonders zeitintensive Leistungen aus dem allgemeinen Leistungsspektrum der Fachgruppe vermag schon deshalb keine vergütungsrelevante Besonderheit zu begründen, weil sie weder eine besondere Qualifikation noch eine besondere sachliche und personelle Ausstattung der Praxis erfordert. Soweit der [X.]läger vorträgt, zeitintensive anästhesiologische Leistungen könnten unter Geltung der [X.] nicht wirtschaftlich erbracht werden, trifft dies gegebenenfalls die gesamte Fachgruppe. Mit den [X.] soll auch nicht ein eingeschränktes, sondern ein umfassendes Leistungsprofil abgebildet werden. Es würde dem [X.]onzept der [X.] mit seiner Anknüpfung an fachgruppenbezogene Durchschnittswerte, die alle fachgruppentypischen Leistungen abbilden, widersprechen, wenn ein Teil der Fachgruppe ausschließlich die niedriger bewerteten Leistungen erbringt und abrechnet, während ein anderer Teil ausschließlich die hoch bewerteten Leistungen erbringt und abrechnet und dafür eine individuelle Erhöhung des [X.] erhalten würde.

4. Entgegen der Auffassung des L[X.] liegen auch die Voraussetzungen für die Annahme eines Härtefalles nicht vor. Der [X.] ist nicht wegen Fehlens einer allgemeinen Härteklausel rechtswidrig. Der [X.] hat in ständiger Rechtsprechung (vgl B[X.]E 96, 53 = [X.] 4-2500 § 85 [X.]3, Rd[X.]8; zuletzt B[X.] [X.] 4-2500 § 85 [X.] 45 Rd[X.] 42 mwN) ausgeführt, dass im Hinblick auf den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit im Wege der ergänzenden gesetzeskonformen Auslegung eine ungeschriebene generelle Härteklausel in die [X.] hineinzuinterpretieren ist, wenn ein Honorarverteilungsmaßstab ([X.]) keine oder eine zu eng gefasste Härteklausel enthält. Es besteht keine Veranlassung, hiervon abzuweichen. Als maßgeblichen Gesichtspunkt für die Notwendigkeit einer Härtefallregelung hat der [X.] angesehen, dass der Normgeber des [X.] nicht alle denkbaren besonderen [X.]onstellationen vorhersehen kann (vgl [X.] 3-2500 § 85 [X.]7 S 196; B[X.]E 83, 52, 61 = [X.] 3-2500 § 85 [X.]8 S 210: Honorarbegrenzung auf individueller Bemessungsgrundlage). Das gilt in gleicher Weise für die Vertragspartner des [X.]. Da die generellen Vorgaben des [X.] damit auch nicht in Frage gestellt werden, steht die Vorrangigkeit der von ihm aufgestellten Regelungen einer ungeschriebenen Härteklausel nicht grundsätzlich entgegen.

Eine allgemeine Härteklausel ist auch unter Geltung der [X.] erforderlich. Der Beklagten ist zwar zuzustimmen, dass die Rechtsprechung des [X.]s zum Erfordernis einer generellen Härteregelung überwiegend Vergütungssysteme betraf, bei denen die Honorierung nach einer individuellen, am [X.] von [X.] ausgerichteten Bemessungsgrundlage erfolgte (vgl etwa B[X.] aaO; B[X.] [X.] 4-2500 § 87 [X.]). Auch und gerade bei einem Honorarsystem, das sich in seinen Grundlagen am Durchschnitt orientiert und damit notwendig nivelliert, ist aber zu berücksichtigen, dass in besonderen Einzelfällen Härtesituationen entstehen können. Allerdings sind die Voraussetzungen für die Annahme eines Härtefalles hier eng zu ziehen, weil der [X.] bereits in Ziffer 6.3 und Ziffer 7.5 Regelungen enthält, mit denen einerseits besondere Versorgungsstrukturen und andererseits existenzbedrohende Honorarminderungen berücksichtigt werden. Ein Härtefall kann daher nur noch im seltenen Ausnahmefall in Betracht kommen, wenn trotz dieser Mechanismen im [X.] durch Umstände, die der Vertragsarzt nicht zu vertreten hat, ein unabweisbarer Stützungsbedarf entsteht. Es müssten hier sowohl die wirtschaftliche Existenz der Praxis gefährdet sein als auch ein spezifischer Sicherstellungsbedarf bestehen (vgl B[X.]E 96, 53 = [X.] 4-2500 § 85 [X.]3, Rd[X.] 40; B[X.] Beschlüsse vom 28.10.2009 - [X.] [X.] 50/08 B - Rd[X.] 11 und vom 8.12.2010 - [X.] [X.] 32/10 B - Rd[X.] 17 f). Ansonsten könnten allenfalls noch gravierende Verwerfungen der regionalen Versorgungsstruktur zur Anerkennung einer Härte führen (vgl B[X.]E 94, 50 = [X.] 4-2500 § 72 [X.], Rd[X.] 148 f: Einziger auch konventionell arbeitender Radiologe im Landkreis).

Gemessen hieran kommt die Annahme eines Härtefalls nicht in Betracht. Eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des [X.] ist nicht vorgetragen. Allein der Umstand, dass ein Vertragsarzt infolge der Nivellierung durch die [X.] wirtschaftliche Einbußen erleidet, vermag keinen Härtefall zu begründen. Den Vertragsarzt trifft auch ein unternehmerisches Risiko (vgl B[X.]E 94, 50 = [X.] 4-2500 § 72 [X.], Rd[X.] 145). Dieses Risiko ist hier im Übrigen durch Zahlungen aufgrund der Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 [X.] zumindest teilweise kompensiert worden. Danach wurde eine Minderung des [X.]es im [X.] gegenüber dem entsprechenden [X.] des Jahres 2004 von mehr als 5 % ausgeglichen (zur Unzulässigkeit der entsprechenden Begrenzung der [X.]erhöhung vgl Urteile des [X.]s vom 18.8.2010 - [X.] [X.]7/09 R = [X.] 4-2500 § 85 [X.]8 sowie [X.] [X.] 16/09 R, [X.] [X.]6/09 R und [X.] [X.]8/09 R -). Ungeachtet der Frage einer Existenzbedrohung sind dem [X.]läger jedenfalls für die streitigen Quartale tatsächlich Ausgleichszahlungen zugeflossen, die zwar seine Verluste gegenüber den Referenzquartalen nicht vollständig ausgeglichen, wohl aber deutlich abgefedert haben. So wurde der [X.] von 110,1692 Euro im Quartal IV/2006 nach Vergleich mit dem [X.] für das Quartal IV/2005 von 180,7544 Euro um 53,0950 Euro je Fall angehoben. Der durchschnittliche [X.] des [X.] betrug in diesem Quartal 169,73 Euro gegenüber 133,64 Euro in der Fachgruppe.

5. Die Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Regelung des § 87b Abs 3 Satz 3 [X.]B V hier keine Bedeutung hat, weil sie keine Rückwirkung entfaltet. Nach dieser Bestimmung sind bei der Honorarverteilung seit dem 1.1.2009 Praxisbesonderheiten und damit atypische Umstände, die eine Abweichung von den generellen Verteilungsregelungen auslösen können, zu berücksichtigen (zum Begriff "Praxisbesonderheit" im Rahmen der Honorarverteilung B[X.] [X.] 4-2500 § 87 [X.] Rd[X.]5). Dass es sich dabei lediglich um eine [X.]larstellung handeln soll, ist nicht ersichtlich. Nach dem Beschluss des erweiterten [X.] vom 27./28.8.2008 (Teil F [X.].6, [X.] 2008, [X.]; vgl dazu auch [X.] in Hauck/[X.], [X.]B V, Stand Mai 2011, [X.] § 87b Rd[X.]2 f) können sich Praxisbesonderheiten aus einem besonderen Versorgungsauftrag oder einer besonderen, für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung ergeben. Abgesehen von dem Fehlen einer Rückwirkung kommt auch bei Zugrundelegung dieser [X.]riterien ein Anspruch des [X.] auf Erhöhung seines [X.] nicht in Betracht.

6. Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 [X.]G iVm einer entsprechenden Anwendung des § 154 Abs 1 VwGO.

Meta

B 6 KA 20/10 R

29.06.2011

Bundessozialgericht 6. Senat

Urteil

Sachgebiet: KA

vorgehend SG Marburg, 10. Dezember 2008, Az: S 12 KA 12/08, Urteil

§ 75 Abs 1 SGG, § 85 Abs 4 S 2 SGB 5 vom 14.11.2003, § 85 Abs 4 S 7 SGB 5 vom 14.11.2003, § 85 Abs 4 S 8 SGB 5 vom 14.11.2003, § 85 Abs 4a S 1 SGB 5 vom 14.11.2003

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 29.06.2011, Az. B 6 KA 20/10 R (REWIS RS 2011, 5290)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 5290

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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B 6 KA 14/11 R (Bundessozialgericht)

Kassenärztliche Vereinigung Hessen - kein Verstoß einheitlicher Fallpunktzahlen für Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten …


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