Bundessozialgericht, Urteil vom 26.09.2019, Az. B 5 RS 1/19 R

5. Senat | REWIS RS 2019, 3145

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Gegenstand

Rentenüberleitung - Begrenzung des berücksichtigungsfähigen Entgeltes für einen stellvertretenden Minister bei Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr 19 der Anl 1 zum AAÜG - überhöhte Arbeitsverdienste - Stimmberechtigung im Ministerrat - Verfassungsmäßigkeit


Leitsatz

Für die Tätigkeit als stellvertretender Minister der DDR ist eine niedrigere als die regelmäßige Beitragsbemessungsgrenze anzuwenden, auch wenn keine Stimmberechtigung im Ministerrat bestand.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 12. Dezember 2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten im Überprüfungsverfahren über eine Verpflichtung der Beklagten als Versorgungsträger, die Entgelte, die der Kläger vom 1.10.1979 bis 20.12.1989 als Stellvertreter des Ministers für Kohle und Energie in der [X.] erzielt hat, ohne Anwendung einer nach § 6 Abs 2 [X.] des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes ([X.]) niedrigeren als der regelmäßigen Beitragsbemessungsgrenze festzustellen.

2

Der Kläger ist geboren am 25.7.1931. Nach einer Tätigkeit beim [X.] als Werksdirektor und seit Oktober 1975 als Generaldirektor war der Kläger in der [X.] vom 1.10.1979 bis 20.12.1989 als Stellvertreter des Ministers für Kohle und Energie der [X.] tätig. Er gehörte ab dem 1.10.1979 der freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates nach [X.] der [X.] zum [X.] an (im Folgenden: [X.]). Der Bruttojahresverdienst des [X.] betrug in der [X.] als Werksdirektor zwischen 26 621 und 33 070 [X.], in der [X.] als Generaldirektor zwischen 42 024 und 43 200 [X.] und in der [X.] als Stellvertreter des Ministers zwischen 41 100 und 45 000 [X.].

3

Mit Überführungsbescheid vom 29.1.1996 stellte die [X.] als Versorgungsträger für die [X.] Daten nach dem [X.] fest. Als Arbeitsentgelte für den [X.]raum 1.10.1979 bis 20.12.1989 wurden gemäß § 6 Abs 2 Satz 2 [X.] idF vom 15.12.1995 die Beträge nach der [X.] zum [X.] festgestellt. Der Widerspruch des [X.] blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 20.3.1996). Während des Klageverfahrens vor dem [X.] stellte die Beklagte die Daten nach dem [X.] idF des [X.]-Änderungsgesetzes ([X.]-ÄndG) vom 11.11.1996 ([X.] 1674) für [X.] ab dem [X.] neu fest und erweiterte die Feststellung nach dem 2. [X.]-ÄndG vom 27.7.2001 ([X.] 1939) auf [X.] ab dem 1.7.1993 (Bescheid vom 23.5.1997 und Ergänzungsbescheid vom 5.12.2001). Mit Bescheid vom 14.12.2005 hob die Beklagte gemäß dem 1. [X.]-ÄndG vom 21.5.2005 ihre Feststellungen bezüglich des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anwendung einer niedrigeren als der regelmäßigen Beitragsbemessungsgrenze für die [X.] vom 1.10.1975 bis zum 30.9.1979 sowie vom 21.12.1989 bis zum 17.3.1990 für [X.] ab dem 1.7.1993 auf. Für die übrigen [X.]en der Tätigkeit des [X.] als Stellvertreter des Ministers vom 1.10.1979 bis 20.12.1989 verblieb es bei den im Bescheid vom 23.5.1997 getroffenen Feststellungen. Klage und Berufung des [X.] waren ebenso erfolglos wie die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (Gerichtsbescheid vom 27.10.2010, Urteil des [X.] vom [X.], Beschluss des [X.] - [X.] RS 18/13 B).

4

Mit Antrag vom 28.12.2015 begehrte der Kläger die Überprüfung der für die [X.] seiner Zugehörigkeit zur [X.] im [X.]raum vom 1.10.1979 bis zum 20.12.1989 festgestellten Arbeitsentgelte. Er trug dazu insbesondere vor, er sei zwar Stellvertreter des Ministers, jedoch lediglich "Bereichs-Stellvertreter" gewesen. Er habe nie als erster Stellvertreter des Ministers fungiert und auch nicht an den Sitzungen des [X.] teilgenommen. Überhöhte Einkünfte habe er nicht erzielt. Er habe im streitbefangenen [X.]raum weniger verdient als zuvor als Generaldirektor und lediglich das 1,5fache eines Brigadiers im Bauwesen. Mit Bescheid vom [X.] lehnte die Beklagte eine Änderung des Bescheides vom 14.12.2005 ab. Der Kläger habe eine Beschäftigung als stellvertretender Minister ausgeübt und damit die Voraussetzungen für einen Sondertatbestand iS von § 6 Abs 2 [X.] [X.] idF des 1. [X.]-ÄndG erfüllt. Den Widerspruch des [X.] wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 17.8.2016).

5

Mit Gerichtsbescheid vom [X.] hat das [X.] die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem [X.] beantragt, zum Nachweis der Tatsache, dass er nicht zum Kreis der an der Spitze der staatlichen Verwaltung stehenden und durch das Politbüro berufenen Personen gehörte, vom [X.] die [X.] für den Minister, ersten Stellvertreter und [X.]/Abteilungsleiter sowie die Arbeitsordnung für das [X.] der [X.] einzuholen. Auch hat der Kläger beantragt, eine Auskunft des [X.]s zum Berufungsprozedere des [X.]s/Abteilungsleiters einzuholen zu den Fragen: "Wer wurde durch das Politbüro der [X.] berufen?" und "Stand in der Hierarchie der Leitungsebene der Staatssekretär über dem [X.]/Abteilungsleiter?" Das [X.] hat die Berufung des [X.] zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Wortlaut des § 6 Abs 2 [X.] [X.] sei eindeutig. Es bestehe kein Grund für eine einschränkende Auslegung der Vorschrift dahingehend, dass nur im Ministerrat stimmberechtigte stellvertretende Minister, die ein individuell "überhöhtes" Arbeitsentgelt bezogen, von der Begrenzung erfasst würden. Maßgeblich sei, dass der Kläger als stellvertretender Minister tätig gewesen sei. Die vom Kläger mit seinen Beweisanträgen zur näheren Aufklärung gestellten Tatsachen seien nicht entscheidungserheblich. Das [X.] hat die Revision zugelassen (Urteil vom 12.12.2018).

6

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 6 Abs 2 [X.] [X.] idF des 1. [X.]-ÄndG vom 21.6.2005 ([X.] 1672). Die in § 6 Abs 2 [X.] [X.] enthaltene Aufzählung "Minister, stellvertretender Minister oder stimmberechtigtes Mitglied von Staats- oder Ministerrat oder als ihre jeweiligen Stellvertreter" lasse erkennen, dass eine Stimmberechtigung erforderlich sei. Gemeint sei "Minister oder (andere) stimmberechtigte Mitglieder". Nur der Stellvertreter des Ministers, der zugleich Staatssekretär war, sei stimmberechtigt im Ministerrat gewesen. Dementsprechend verwende der Gesetzestext "stellvertretender Minister" im Singular. Die nicht stimmberechtigten Stellvertreter, die "faktisch" nur als Leiter einer Abteilung tätig gewesen seien, würden dagegen nicht erfasst. Da Staatssekretäre, die gegenüber den ([X.]n weisungsbefugt gewesen seien, nicht in § 6 Abs 2 [X.] [X.] erwähnt würden, könnten auch die nachgeordneten ([X.] nicht unter den Anwendungsbereich der Vorschrift fallen. Er habe auch keinen leistungsfremden, politisch motivierten Arbeitsverdienst erhalten. Dies lasse bereits ein Vergleich mit dem Einkommen eines Bauarbeiters erkennen. Er habe lediglich etwa das doppelte Nettoeinkommen eines Vorarbeiters im Bauwesen verdient. Sein zuvor erzieltes Gehalt eines Generaldirektors sei höher gewesen. Er sei berufen worden durch den Minister für Kohle und Energie und habe nicht zu der höchsten Kadernomenklatur der [X.] gehört. Aufgrund seiner Spezialkenntnisse sei er [X.] des Ministers für Kohle und Energie geworden, nicht "auf einer politischen Schiene". Das [X.] habe den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt und ihn in seinem Recht auf rechtliches Gehör verletzt.

7

Der Kläger beantragt,
das Urteil des [X.] vom 12. Dezember 2018 und den Gerichtsbescheid des [X.] vom 5. März 2018 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. August 2016 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 14. Dezember 2005 zu ändern und die Entgelte, die der Kläger vom 1. Oktober 1979 bis 20. Dezember 1989 erzielt hat, ohne die Anwendung des § 6 Abs 2 [X.] [X.] festzustellen.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revision des [X.] zurückzuweisen.

9

Die Beklagte ist der Auffassung, das angefochtene Urteil entspreche der Sach- und Rechtslage. Eine teleologische Reduktion des § 6 Abs 2 [X.] [X.] sei nicht möglich. Das [X.] habe bereits entschieden, dass bei generalisierender bzw typisierender Betrachtungsweise davon ausgegangen werden dürfe, dass die in § 6 Abs 2 [X.] [X.] genannten Personen leistungsfremde, politisch begründete und damit überhöhte Arbeitsverdienste bezogen hätten. Deshalb sei eine individuelle Einzelfallprüfung nicht erforderlich.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des [X.] ist nicht begründet. Das [X.] hat zu Recht die Berufung des [X.] gegen den Gerichtsbescheid des SG zurückgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und beschweren den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 [X.] 2 Satz 1 S[X.]). Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch darauf, dass diese den Bescheid vom 14.12.2005 teilweise ändert und die Entgelte, die der Kläger vom 1.10.1979 bis zum 20.12.1989 erzielt hat, ohne das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anwendung einer niedrigeren als der regelmäßigen Beitragsbemessungsgrenze nach § 6 [X.] 2 [X.] [X.] feststellt.

A. Die erstrebte Rücknahme richtet sich nach § 44 [X.], der auch im Rahmen des [X.] anwendbar ist (§ 8 [X.] 3 Satz 2 [X.]; [X.] vgl zuletzt [X.]surteil vom 7.12.2017 - B 5 R[X.]/16 R - [X.], 1 = [X.]-8570 § 1 [X.], Rd[X.] 11 mwN). Da sich § 44 [X.] 1 [X.] nur auf solche bindenden Verwaltungsakte bezieht, die - anders als im Bescheid vom 14.12.2005 - unmittelbar Ansprüche auf nachträglich erbringbare "Sozialleistungen" (§ 11 Satz 1 [X.]) iS der §§ 3 ff und 18 ff [X.] betreffen ([X.], 14, 16 = [X.]-1300 § 44 [X.] 3), kann sich der Rücknahmeanspruch des [X.] nur aus [X.] 2 aaO ergeben. Nach dieser Vorschrift ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar (und damit zugleich bindend) geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen (Satz 1). Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden (Satz 2). Die Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anwendung einer niedrigeren als der regelmäßigen Beitragsbemessungsgrenze nach § 6 [X.] 2 [X.] [X.] begründet oder bestätigt keinen rechtlich erheblichen Vorteil (nicht begünstigender Verwaltungsakt iS von § 45 [X.] 1 [X.]). Sie war im Zeitpunkt des Erlasses (Bekanntgabe iS von § 37 [X.]) des Bescheides vom 14.12.2005 rechtmäßig.

B. Anspruchsgrundlage für die vom Kläger begehrte Feststellung ist § 8 [X.] 2, [X.] 3 Satz 1 und [X.] 4 [X.] 1 [X.]. Nach § 8 [X.] 3 Satz 1 [X.] hat die Beklagte als Versorgungsträger für die [X.] der [X.] 1 bis 27 (§ 8 [X.] 4 [X.] 1 [X.]) dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach [X.] 2 aaO bekanntzugeben. Diese Mitteilung hat folgende Daten zu enthalten: Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, das hieraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, die [X.] oder die Daten, die sich nach Anwendung von §§ 6 [X.] 2 und 3 sowie 7 ergeben.

Die Beklagte hat die streitigen Daten rechtmäßig festgestellt. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 [X.] 2 [X.] [X.] liegen vor.

§ 6 [X.] 2 [X.] AAÜG idF vom [X.] ([X.]) lautet:

Für Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem nach [X.]age 1 oder [X.]age 2 [X.]. 1 bis 3 bis zum 17. März 1990, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt wurde als

[…]     

4. Minister, stellvertretender Minister oder stimmberechtigtes Mitglied von Staats- oder Ministerrat oder als ihre jeweiligen Stellvertreter,

[…]     

ist den Pflichtbeitragszeiten als Verdienst höchstens der jeweilige Betrag der [X.]age 5 zugrunde zu legen.

I. Nach dem Wortlaut des § 6 [X.] 2 [X.] [X.] ist Tatbestandsvoraussetzung die Ausübung einer Beschäftigung oder Tätigkeit als "Minister, stellvertretender Minister oder stimmberechtigtes Mitglied von Staats- oder Ministerrat oder als ihre jeweiligen Stellvertreter". Der Kläger war in der streitbefangenen Zeit als Stellvertreter des Ministers für Kohle und Energie tätig. Eine Stimmberechtigung im Ministerrat ist nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht erforderlich. Während der Gesetzestext die Tätigkeit als "Minister" und "stellvertretender Minister" ohne Hinzufügung eines Adjektivs anführt, wird die Tätigkeit als "Mitglied von Staats- oder Ministerrat" nur erfasst, wenn es sich um ein "stimmberechtigtes Mitglied" handelt. Die Tätigkeiten "Minister, stellvertretender Minister" und "stimmberechtigtes Mitglied von Staats- oder Ministerrat" werden alternativ angeführt ("oder"). Die Auslegung des [X.], gemeint sei "Minister oder (andere) stimmberechtigte Mitglieder", findet im Wortlaut keinerlei Stütze. Dafür hätte die Formulierung lauten können "oder anderes stimmberechtigtes Mitglied von Staats- oder Ministerrat". Alternativ wäre als Wortlaut auch denkbar gewesen "oder sonst stimmberechtigtes Mitglied von Staats- oder Ministerrat". Keine dieser oder ähnlicher Formulierungen findet sich im Gesetzestext. Auch überzeugt das Argument des [X.] nicht, der Gesetzestext verwende "stellvertretender Minister" in der Einzahl, weil nur der Stellvertreter des Ministers, der zugleich Staatssekretär war, stimmberechtigt im Ministerrat gewesen sei. Wie die Formulierung "oder stimmberechtigtes Mitglied" verdeutlicht, benennt der Gesetzestext die jeweilige Funktionsbezeichnung und damit auch "Minister" und "stellvertretender Minister" im Singular.

Die Gesetzesformulierung "stellvertretender Minister" impliziert nicht, dass der Stellvertreter des Ministers zugleich dessen Stellvertreter im Ministerrat und damit stimmberechtigt gewesen sein muss. Der [X.] versteht "stellvertretender Minister" und "Stellvertreter des Ministers" als synonyme Bezeichnungen gleicher Funktionen und folgt in diesem Verständnis dem [X.] (vgl [X.] Beschluss vom [X.] - 1 BvL 9/06, 1 [X.] - [X.]E 126, 233 = [X.]-8570 § 6 [X.] 5). Dass diese Begriffe in der [X.] unterschiedliche Tätigkeiten beschrieben haben, ist nicht ersichtlich. Im Übrigen macht dies selbst der Kläger nicht geltend. Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass er in seinem ersten Antrag auf Feststellung seiner Daten nach dem [X.] die Tätigkeit im streitbefangenen Zeitraum ebenfalls als "stellvertretender Minister" angegeben hat.

II. Nichts anderes ergibt sich aus der Gesetzeshistorie. § 6 [X.] 2 [X.] [X.] wurde durch das 1. [X.]-ÄndG vom [X.] ([X.]) neu gefasst, nachdem die früheren Fassungen der Vorschrift jeweils nicht mit dem [X.] vereinbar waren (vgl Urteil des [X.] vom [X.] - 1 BvL 22/95 und 1 BvL 34/95 - [X.]E 100, 59 sowie den Beschluss vom 23.6.2004 - 1 BvL 3/98, 1 [X.], 1 [X.] - [X.]E 111, 115 = [X.]-8570 § 6 [X.] 3). Der geänderte § 6 [X.] 2 wurde rückwirkend zum [X.] in [X.] gesetzt (Art 2 [X.] 3 1. [X.]-ÄndG). Anders als die früheren Fassungen, die die Begrenzung der Entgelte von bestimmten Entgelthöhen abhängig machten, benennt § 6 [X.] 2 [X.] nunmehr als Tatbestandsvoraussetzung einzelne Beschäftigungen oder Tätigkeiten. Der Gesetzentwurf sah die Fortgeltung der begrenzten rentenrelevanten Verdienste "im Rahmen einer pauschalierenden Regelung" vor und knüpfte allein daran an, dass "ein führendes Partei- und Staatsamt […] bekleidet wurde" (Gesetzentwurf der Fraktionen [X.] und [X.], BT-Drucks 15/5314, [X.]). Danach genügte es, dass "eine der in § 6 [X.] 2 genannten Funktionen ausgeübt" wurde, um für die Berechnung der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung höchstens den Verdienst in Höhe des [X.] nach [X.] 5 des [X.] zugrunde zu legen (Gesetzentwurf aaO, [X.]). Der Gesetzgeber stellte damit typisierend auf die nunmehr explizit aufgeführten Funktionen ab. Eine Stimmberechtigung im Ministerrat für stellvertretende Minister fordern die Gesetzesmaterialien nicht.

Der Anwendung des § 6 [X.] 2 [X.] [X.] steht auch nicht entgegen, dass nach der Begründung zum Gesetzentwurf die Entgeltbegrenzung auf diejenigen Zeiten beschränkt werden sollte, in denen insbesondere solche Funktionen im Parteiapparat der [X.], in der Regierung oder im Staatsapparat ausgeübt wurden, die auch eine Weisungsbefugnis gegenüber dem [X.] ([X.]) sowie dem [X.] ([X.]) umfassten (vgl Gesetzentwurf der Fraktionen [X.] und [X.], BT-Drucks 15/5314, [X.]). Das [X.] hat diesen Gesichtspunkt als ungeeignet angesehen, eine Kürzung des berücksichtigungsfähigen Entgelts nach § 6 [X.] 2 [X.] [X.] zu rechtfertigen, weil die Mitglieder des Ministerrats der [X.] - abgesehen von dem [X.] - keine Weisungsbefugnis gegenüber der [X.] hatten (vgl [X.] Beschluss vom [X.] - 1 BvL 9/06, 1 [X.] - [X.]E 126, 233 = [X.]-8570 § 6 [X.] 5, Rd[X.] 69). Eine solche Weisungsbefugnis wird im Übrigen, wie sich aus der Formulierung "insbesondere" ergibt, nicht für alle in § 6 [X.] 2 [X.] aufgeführten Beschäftigungen oder Tätigkeiten vorausgesetzt.

III. Dass der Tatbestand des § 6 [X.] 2 [X.] [X.] typisierend die Funktion als Stellvertreter des Ministers genügen lässt, entspricht dem erklärten Ziel der Begrenzung von Entgelten. Deshalb besteht auch kein [X.]ass für eine teleologische Reduktion der Vorschrift dahingehend, dass nur im Staats- oder Ministerrat stimmberechtigte Personen erfasst sind. Eine teleologische Reduktion ist nämlich nur dann vorzunehmen, wenn die auszulegende Vorschrift auf einen Teil der von ihrem Wortlaut erfassten Fälle nicht angewandt werden soll, weil Sinn und Zweck der Norm, ihre Entstehungsgeschichte und der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen gegen eine uneingeschränkte Anwendung sprechen ([X.] Beschluss vom 19.8.2011 - 1 BvR 2473/10 ua - Juris Rd[X.]; s auch BSG Urteil vom 18.8.2011 - B 10 EG 7/10 R - [X.], 42 = [X.]-7837 § 2 [X.] 10, Rd[X.] 27; BSG Urteil vom 4.12.2014 - B 2 U 18/13 R - [X.], 18 = [X.]-2700 § 101 [X.] 2, Rd[X.] 27). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

Die Höchstwerte nach [X.] 5 des [X.] sollten bereits nach den früheren Fassungen des § 6 [X.] 2 [X.] verhindern, dass Personen, die durch ihre Tätigkeit einen erheblichen Beitrag zur Stärkung oder Aufrechterhaltung des politischen Systems der ehemaligen [X.] geleistet haben, für die Zeit dieser Tätigkeit eine höhere Rente erhalten als Personen mit durchschnittlichen Verdiensten (vgl bereits den Gesetzentwurf der Fraktionen der [X.], der [X.] und der [X.] zum [X.], BT-Drucks 12/4810, [X.]). Der Gedanke war schon bei Einführung des [X.] nicht neu. Bereits im Staatsvertrag zwischen der [X.] und der [X.] vom 18.5.1990 ([X.]I 537) war vorgesehen, Leistungen aufgrund von Sonderregelungen mit dem Ziel zu überprüfen, ungerechtfertigte Leistungen abzuschaffen und überhöhte Leistungen abzubauen (Art 20 [X.] 2 Satz 2 Staatsvertrag). In der Folge erließ die [X.] der [X.] das Gesetz zur Angleichung der Bestandsrenten an das [X.] der [X.] mit der Begrenzung von Rentenansprüchen und -anwartschaften aus der zusätzlichen Versorgung für Mitarbeiter des Staatsapparates ab 1.7.1990 auf einen Betrag von 1500 [X.] (vgl § 23 [X.] 2 und § 25 [X.] 1 [X.] RAnglG-[X.] vom [X.], GBl [X.] I 1990, 495). Dem folgend war es auch Sinn und Zweck des späteren § 6 [X.] 2 [X.] idF vom [X.] ([X.]), die Zeiten in Funktionen auf den höchsten Ebenen des so genannten Kadernomenklatursystems der [X.] von der Entgeltbegrenzung zu erfassen. Die Betreffenden seien - wie auch die [X.]/[X.]-Mitarbeiter - einkommens- und versorgungsseitig Teil eines Gesamtkonzepts der Selbstprivilegierung innerhalb des Staates gewesen. Es sollte ein Wertungswiderspruch zu der vom [X.] bestätigten und weiterhin geltenden Begrenzungsregelung für Personen, die dem Versorgungssystem des [X.]/[X.] angehört haben (vgl [X.] Beschluss vom 22.6.2004 - 1 BvR 1070/02 - [X.]-8570 § 7 [X.] 2), vermieden werden (vgl Gesetzentwurf der Fraktionen [X.] und [X.], BT-Drucks 15/5314, [X.]). Das Regelungskonzept des § 6 [X.] 2 [X.] ist dementsprechend begrenzt auf Personen, die im [X.] der [X.] an wichtigen Schaltstellen tätig waren. § 6 [X.] 2 [X.] [X.] erfasst Personen in höchsten staatlichen Leitungsfunktionen, bei denen der Gesetzgeber davon ausgehen konnte, dass jedenfalls sie einkommens- und versorgungsseitig von einem System der Selbstprivilegierung profitierten (vgl [X.] Beschluss vom [X.] - 1 BvL 9/06, 1 [X.] - [X.]E 126, 233 = [X.]-8570 § 6 [X.] 5, Rd[X.] 71).

Im staatlichen System der [X.] waren alle wichtigen und verantwortlichen Positionen mit Angehörigen der so genannten Kadernomenklatur besetzt. Das betraf den Sicherheitsbereich, den Verwaltungsapparat, die Wirtschaft, die Wissenschaft, die Bildung, die Kultur, die Medien sowie die Massenorganisationen. Die Nomenklaturkader bildeten das Rückgrat des [X.]-Staates. Sie waren als langfristig über [X.] aufgebaute Führungskräfte verantwortlich für die Umsetzung der Beschlüsse des [X.], des Zentralkomitees ([X.]) der [X.], des Politbüros und des Ministerrates. Die Karriere der Nomenklaturkader stand unter ständiger Kontrolle der [X.] und war systematisch geplant. Jeder Aufstieg in höhere, leitende und verantwortliche Positionen in der [X.] war an politisch-ideologische, fachliche und sicherheitspolitische Anforderungen gebunden. In deren Mittelpunkt standen die unbedingte Treue zur "[X.]", der Stolz auf die Errungenschaften des Sozialismus, die Förderung der [X.] Bewusstseinsbildung der Massen sowie politische und fachliche Kenntnisse (vgl Schlussbericht der [X.] "Überwindung der Folgen der [X.]-Diktatur im Prozeß der deutschen Einheit", BT-Drucks 13/11000, [X.] f).

Mit welchem Inhalt und zu welchen Bedingungen eine der in § 6 [X.] 2 [X.] [X.] aufgeführten Tätigkeiten konkret ausgeübt wurde, ist im Rahmen dieser "pauschalierenden Regelung" unbeachtlich. Es erfolgt keine weitere Prüfung des Einzelfalls. Auf die konkrete Höhe des Einkommens kommt es ebenso wenig an wie auf den vom Kläger vorgenommenen Vergleich mit früheren und anderen Einkommen. Auch ist unbeachtlich, ob und in welchem Umfang der Kläger und seine Familie im Einzelnen auf andere Weise bevorzugt behandelt und begünstigt wurden. Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der Kläger als Stellvertreter des Ministers für Kohle und Energie durch Beschluss des Sekretariats des [X.] der [X.] vom 5.10.1979 bestätigt wurde. Das Sekretariat des [X.] war das Vollzugsorgan der [X.] und für die Auswahl [X.] zuständig. Nach den dem [X.] vorliegenden Verwaltungsakten bezog der Kläger bereits als Generaldirektor der [X.] "entsprechend der Nomenklatur" ein Sondergehalt (Schreiben des [X.], Abteilung Planung und Ökonomie vom [X.] Verwaltungsakte [X.]).

Der Kläger hatte die Stellung als "stellvertretender Minister". Deshalb kann er nicht erfolgreich geltend machen, dass er "faktisch" nur ein dem Staatssekretär nachgeordneter (Bereichs-)Stellvertreter gewesen sei und deshalb nicht von § 6 [X.] 2 [X.] [X.] erfasst sein könne, weil die Vorschrift den ihm übergeordneten Staatssekretär nicht erwähne. Es kann dahingestellt bleiben, ob nicht auch ein Staatssekretär unter den Anwendungsbereich der Vorschrift fällt, ohne dass er - wie vom Kläger geltend gemacht - eigens im Gesetzestext erwähnt werden müsste. Auch unter welches Tatbestandsmerkmal des § 6 [X.] 2 [X.] [X.] Staatssekretäre ggf zu subsumieren sind, kann hier offenbleiben.

IV. § 6 [X.] 2 [X.] [X.] ist auch verfassungsgemäß. Wie bereits das [X.] entschieden hat, ist die Vorschrift mit Art 14 [X.] 1 [X.] vereinbar und verletzt auch nicht den allgemeinen Gleichheitssatz ([X.] Beschluss vom [X.] - 1 BvL 9/06, 1 [X.] - [X.]E 126, 233 = [X.]-8570 § 6 [X.] 5). Das [X.] sah in § 6 [X.] 2 [X.] [X.] eine zulässige Ausgestaltung des Renteneigentums der betroffenen Personen. Die Vorschrift erfasst Funktionen auf höchster Staatsebene, bei denen in typisierender Betrachtungsweise der Schluss gerechtfertigt ist, dass die Position entscheidend durch Parteilichkeit und Systemtreue erlangt wurde und die gewährte Besoldung und Versorgung eben diese honorierte (vgl [X.] Beschluss vom [X.] - 1 BvL 9/06, 1 [X.] - [X.]E 126, 233 = [X.]-8570 § 6 [X.] 5, Rd[X.] 75 ff). Eine Benachteiligung der von § 6 [X.] 2 [X.] [X.] erfassten Personen gegenüber Rentnern, die einem der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme der [X.] angehörten, jedoch keine der in § 6 [X.] 2 [X.] genannten Funktionen innehatten und damit nicht in den Kürzungsmechanismus dieser Bestimmung einbezogen werden, ist durch hinreichende sachliche Gründe gerechtfertigt. Das mit der Regelung verfolgte Ziel der Begrenzung von Arbeitsentgelten oder Arbeitseinkommen der im Gesetz aufgeführten Funktionsträger ist einsichtig und legitim. Die Regelung typisiert auch nicht in unzulässiger Weise (vgl [X.] Beschluss vom [X.] - 1 BvL 9/06, 1 [X.] - [X.]E 126, 233 = [X.]-8570 § 6 [X.] 5, Rd[X.] 84 ff). Der [X.] hat die Ausführungen des [X.] ausdrücklich bestätigt und die [X.] der Beschwerdeführer für offensichtlich unbegründet erachtet ([X.] Entscheidung vom 16.10.2012 - 49646/10 und 3365/11). Spätere [X.], die ebenfalls die Entgeltbegrenzung nach § 6 [X.] 2 [X.] [X.] und deren Auslegung durch die Fachgerichte rügten, waren unzulässig und wurden nicht zur Entscheidung angenommen ([X.] Kammerbeschlüsse vom 9.11.2017 - 1 BvR 1069/14 und 1 BvR 2369/14).

C. Die Verfahrensrüge, das [X.] habe den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt und ihn in seinem Recht auf rechtliches Gehör verletzt, ist bereits unzulässig, weil der Kläger nicht alle Tatsachen bezeichnet, die den Verfahrensmangel ergeben sollen (zu den Voraussetzungen vgl [X.] in [X.]/[X.]/[X.]/[X.], S[X.], 12. Aufl 2017, § 164 Rd[X.] 12a und 12c). Im Übrigen ist sie auch unbegründet, weil sich das [X.] aus den oben genannten Gründen von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus nicht zu weiteren Ermittlungen gedrängt fühlen musste und das Urteil auf dem behaupteten Mangel nicht beruhen kann.

D. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 S[X.].

Meta

B 5 RS 1/19 R

26.09.2019

Bundessozialgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: RS

vorgehend SG Berlin, 5. März 2018, Az: S 23 R 2245/16, Gerichtsbescheid

§ 6 Abs 2 Nr 4 AAÜG, § 8 AAÜG, Anl 1 Nr 19 AAÜG, Anl 5 AAÜG, Art 14 Abs 1 GG

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 26.09.2019, Az. B 5 RS 1/19 R (REWIS RS 2019, 3145)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 3145

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