Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.12.2008, Az. V ZR 110/08

V. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 106

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[X.]BESCHLUSS V ZR 110/08 vom 18. Dezember 2008 in dem Rechtsstreit - 2 - Der V. Zivilsenat des [X.] hat am 18. Dezember 2008 durch [X.] Dr. [X.], [X.] [X.], die Richterin [X.] und [X.] Czub und [X.] beschlossen: Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der [X.] wird das Urteil der 5. Zivilkammer des [X.] vom 23. April 2008 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die [X.] zur Beseitigung von Bauwerken oder Bauwerksteilen innerhalb der Abstandsflächen nach § 6 [X.] verurteilt worden sind. Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur neuen Verhand-lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückver-wiesen. Die weitergehende Nichtzulassungsbeschwerde wird zurückge-wiesen. Insoweit wirft die Rechtssache keine entscheidungserheb-lichen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf. Eine Entschei-dung ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 ZPO). Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 15.580,98 •. Davon entfallen 13.080 • auf den erfolglosen Teil der Nichtzulassungsbeschwerde. - 3 - Gründe: [X.] Die [X.]en sind Eigentümer benachbarter Grundstücke in [X.] ([X.]). Ihre Grundstücke sind durch die Teilung eines Grundstücks nach einer 1984 notariell beurkundeten Auseinandersetzung einer [X.] entstanden. Für das nicht mit einem öffentlichen Weg verbundene [X.], das die [X.] 1992 von einem der Miterben erworben haben, wurde in der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft ein Wege- und Durchgangsrecht vereinbart und in das Grundbuch des Grundstücks der [X.] eingetragen. 1 Beide Grundstücke wurden damals zu Erholungszwecken genutzt. In der Nähe der jeweiligen Grundstücksgrenze wurden auf beiden Grundstücken [X.] errichtet, die sich teilweise in den nach der Bauordnung des [X.] einzuhaltenden Abstandsflächen befinden. Die Kläger nutzen ihren aus- und umgebauten Bungalow mittlerweile zu Wohnzwecken. Die behördliche Geneh-migung zur Nutzungsänderung ist ihnen jedoch versagt worden; ihre dagegen erhobene Klage wurde von dem Verwaltungsgericht auch wegen der fehlenden Sicherung der Erschließung abgewiesen. 2 Die Klägerin hat von den [X.] die Beseitigung der Baulichkeiten in dem Grenzbereich, ein jährliches Entgelt für ein von ihr zu bewilligendes Notlei-tungsrecht sowie das Unterlassen des Befahrens des Weges mit Personen-kraftwagen verlangt. Die [X.] haben im Wege der Widerklage von der Klägerin die Beseitigung des von ihr errichteten Bungalows verlangt, soweit sich dieser im [X.] befindet. 3 - 4 - Das Amtsgericht hat mit einem Teilurteil der Klage stattgegeben. Das [X.] hat unter Zurückweisung der Berufung der [X.] im Übrigen dem Unterlassungsantrag nur teilweise stattgeben, indem es den [X.] das Befahren des Weges mit motorisierten Fahrzeugen insoweit verboten hat, als es über den Umfang hinausgeht, der zur Nutzung eines kleingärtnerisch oder zu Erholungszwecken genutzten Wochenendgrundstücks erforderlich ist. 4 Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wollen die [X.] ihre Anträge auf Abweisung der Klage weiter verfolgen. 5 I[X.] 1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft. Der Wert der in einem Revisionsverfahren geltend zu machenden Beschwer der [X.] übersteigt die in § 26 Nr. 8 EGZPO bestimmte Wertgrenze von 20.000 •. 6 Diese Grenze wird schon durch den Angriff gegen die Verurteilung zur Beseitigung des Bungalows überschritten, soweit sich dieser in dem [X.] zum Grundstück der Klägerin befindet. Der Wert der Beschwer der [X.] aus der Verurteilung zur Beseitigung eines Bauwerks bestimmt sich nach dem Kostenaufwand, der ihnen aus der Befolgung des Urteils entsteht (Senat, [X.], 313, 319; [X.], [X.]. v. 29. April 2004, [X.], [X.], 352). Diese Beschwer ist unter Berücksichtigung des Verlusts der Gebrauchsfähigkeit der Bauwerkssubstanz durch einen Teilabriss zu bestimmen und schließt daher - entgegen der Ansicht der Erwiderung - auch die Kosten für die [X.] der Nutzbarkeit des Bauwerks ein. Diese Kosten haben die [X.] un-ter Vorlage eines Gutachtens mit 22.750 • glaubhaft dargelegt. 7 - 5 - 2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist in Bezug auf diese Verurteilung begründet. Das angefochtene Berufungsurteil ist insoweit nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben, weil das Berufungsgericht den Anspruch der [X.] auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise ver-letzt hat. 8 a) Die Nichtzulassungsbeschwerde rügt mit Recht, dass das Berufungs-gericht dem in der Berufungsbegründung unter Beweis gestellten neuen [X.] der [X.], dass die Klägerin dem Ausbau des Bungalows im Grenzbereich zugestimmt habe, hätte nachgehen müssen und nicht nach § 531 Abs. 2 ZPO zurückweisen durfte. 9 aa) Die Zurückweisung neuen Vorbringens nach § 531 Abs. 2 ZPO ver-letzt das Gebot zur Gewährung rechtlichen Gehörs, wenn der Umstand, dass der Vortrag erst in der Berufungsinstanz erfolgt, auf unzulänglicher Verfahrens-leitung oder Verletzung richterlicher Fürsorgepflicht durch Unterlassen eines nach der Prozesslage gebotenen richterlichen Hinweises zurückzuführen ist (Senat, [X.]. v. 9. Juni 2005, [X.], NJW 2005, 2624). Ein solcher Verfahrensfehler des erstinstanzlichen Gerichts liegt dann vor, wenn dieses in seinem Urteil den Rechtsstreit anders als nach seinen vorherigen Hinweisen entschieden hat und die davon betroffene [X.] auch bei gewissenhafter [X.] der mündlichen Verhandlung mit einer solchen Wendung des [X.] nicht rechnen konnte (vgl. Senat, [X.]. v. 1. Juli 2007, [X.], NJW-RR 2007, 1221, 1222). Ein Gericht, dass den [X.]en seine Rechtsan-sicht kundgetan hat, dann aber zu einer anderen Ansicht gelangt, muss die [X.]en darauf hinweisen und ihnen vor seiner Endentscheidung durch Urteil Gelegenheit zur Stellungnahme und zu einem der geänderten Rechtsauffas-sung des Gerichts Rechnung tragenden Sachvortrag geben (Senat, [X.]. v. 10 - 6 - 9. November 2006, [X.], BeckRS 2006 14709; [X.]. v. 1. Juli 2007, [X.], aaO). Weist das Berufungsgericht nach einem solchen Verfahrensfehler des erstinstanzlichen Gerichts das neue Vorbringen einer [X.] nach § 531 Abs. 2 ZPO zurück, so perpetuiert es dadurch die Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG. 11 bb) So liegt es hier. 12 (1) Die Verletzung des Grundrechts auf rechtliches Gehör durch das erst-instanzliche Gerichts hat das Berufungsgericht selbst zutreffend festgestellt. Hatte das Amtsgericht in seinem Hinweisbeschluss den [X.]en mitgeteilt, dass die Klage auf Beseitigung des Baus im Grenzbereich nur begründet sei, wenn die Klägerin zu einem rechtzeitigen Widerspruch weiter vortrage, durften die [X.] das so verstehen, dass das Amtsgericht von einer Duldungs-pflicht der Klägerin unter entsprechender Anwendung der Regeln über einen entschuldigten Überbau analog § 912 Abs. 1 BGB ausging. Die Wendung in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils, dass der Bau im Grenzbereich grob fahrlässig gewesen sei und es daher auf einen rechtzeitigen Widerspruch der Klägerin nach dem Beginn der Bebauung an der [X.] nicht ankomme, war für die [X.] überraschend. Erst daraus ergab sich für sie das Erfordernis, zu den Umständen dieser Bebauung weiter vorzutragen. 13 (2) Die Verletzung des Verfahrensgrundrechts durch das Amtsgericht führte dazu, dass das Berufungsgericht neuen Vortrag der [X.] nicht nur zum fehlenden Verschulden, sondern auch zur behaupteten Einwilligung der Klägerin hätte zulassen müssen. Die Notwendigkeit, andere Tatsachen für eine den Beseitigungsanspruch ausschließende Duldungspflicht der Klägerin vorzu-tragen, ergab sich für die [X.] erst nach dem erstinstanzlichen Urteil. 14 - 7 - b) Dieser Verfahrensfehler betrifft einen entscheidungserheblichen Punkt. Der Beseitigungsanspruch des Nachbarn ist ausgeschlossen, soweit er zur Duldung verpflichtet ist (§ 1004 Abs. 2 BGB). Ein Bau im Grenzbereich ist von dem Nachbarn zu dulden, wenn der Eigentümer mangels Vorsatzes oder grober Fahrlässigkeit entschuldigt ist und der Nachbar nicht sofort nach Baube-ginn im Grenzbereich Widerspruch erhoben hat (analog § 912 Abs. 1 BGB - sog. entschuldigter Überbau) oder aber wenn der Nachbar sein Einverständnis mit dieser Bebauung erklärt hat (vgl. Senat [X.]Z 62, 141, 145 - sog. rechtmä-ßiger Überbau). 15 Da - wovon auch das Berufungsgericht - ausgeht, die Klägerin dem [X.] im Grenzbereich konkludent zugestimmt haben könnte, wenn sie diesen durch ihr Einverständnis mit einer Beseitigung der Grenzanla-gen zur Durchführung der grenznahen Bebauung gefördert hätte, war dem Vor-trag und den Beweisangebot durch die benannten Zeugen nachzugehen. 16 3. Ohne Erfolg bleibt die Nichtzulassungsbeschwerde dagegen wegen der Verurteilung der [X.] zur Unterlassung einer übermäßigen Nutzung des als Wege- und Durchgangsrecht eingetragenen Mitbenutzungsrechts sowie zur Zahlung einer Entschädigung für ein nach dem [X.]recht von der [X.] zu gewährendes Notleitungsrecht. Von einer weiteren Begründung wird nach § 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO abgesehen. 17 II[X.] Der [X.] beträgt 15.580,98 •. 18 1. Bei der [X.] ist der Gebührenstreitwert - abweichend von dem Wert der Beschwer der verurteilten [X.] - gemäß § 3 ZPO nach 19 - 8 - den Anträgen der Klägerin und dem mit diesem verfolgten Interesse (vgl. [X.], [X.], 313, 317) zu bestimmen, die von dem Berufungsgericht nach den Angaben der Klägerin über die Wertminderung ihres Grundstücks durch die grenznahe Bebauung auf 2.500,98 • bestimmt worden ist. 2. Der Gegenstandswert für den Antrag auf Verurteilung der [X.] zur Zahlung einer Entschädigung für das Notleitungsrecht von 8 [X.]. ist nach § 8 ZPO nach dem 3,5 fachen Jahresbetrag auf 336 • zu bemessen. 20 3. Der Wert des Streits um den Inhalt des eingetragenen Mitbenutzungs-rechts ist entsprechend § 7 ZPO nach dem höheren Wert der Beeinträchtigung des Grundstücks der [X.] für den von ihnen behaupteten Verlust der [X.] des Grundstücks mit einem Wohnhaus auf 12.744 • festzusetzen. 21 [X.] [X.]

Czub Roth
Vorinstanzen: [X.], Entscheidung vom [X.] - 39 [X.]/02 - [X.], Entscheidung vom 23.04.2008 - 5 S 33/07 -

Meta

V ZR 110/08

18.12.2008

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.12.2008, Az. V ZR 110/08 (REWIS RS 2008, 106)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 106

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