Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.02.2012, Az. 7 AZR 734/10

7. Senat | REWIS RS 2012, 9122

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Gegenstand

Befristung aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs


Leitsatz

Ein nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1, Satz 2 ZPO festgestellter Vergleich ist kein gerichtlicher Vergleich iSv. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG, der geeignet ist, die Befristung eines Arbeitsvertrags zu rechtfertigen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 4. November 2010 - 4 [X.]/10 - aufgehoben.

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des [X.] vom 12. März 2010 - 6 Ca 1848/09 P - teilweise abgeändert.

Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Befristung zum 31. Juli 2009 beendet worden ist.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.993,02 Euro brutto abzüglich 5.065,35 Euro netto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. März 2010 zu bezahlen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin 9 % und der Beklagte 91 % zu tragen. Die Kosten der Berufung und der Revision hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten zuletzt noch darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung am 31. Juli 2009 geendet hat, und über Ansprüche aus Annahmeverzug.

2

Die Klägerin war bei dem beklagten [X.] seit dem 1. August 2002 aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge als teilzeitbeschäftigte Lehrkraft mit 12/27 Wochenstunden im Fach [X.] im Beruflichen Schulzentrum P angestellt. Die mit [X.] vereinbarte (vorletzte) Befristung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Juli 2008 griff sie vor dem [X.] mit einer Befristungskontrollklage an. Am 12. August 2008 fand eine Güteverhandlung statt, die ohne Einigung endete. In einem an das [X.] gerichteten Schreiben vom 26. August 2008 führte der Beklagte ua. aus:

        

„…    

        

wird nach Prüfung der Anregung der Vorsitzenden Richterin mitgeteilt, dass die Klägerin gem. § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 [X.] nochmals für ein Schuljahr, und zwar dieses Schuljahr (bis zum 31.07.2009) im bisherigen Arbeitsumfang (12/27 Wochenstunden, entspricht 44,44 %) beschäftigt werden kann.

        

Aufgrund des am 25.08.08 beginnenden Unterrichtes sollte ein entsprechender gerichtlicher Vergleich möglichst zügig umgesetzt werden.“

3

In einem Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten der Klägerin an das [X.] vom 26. August 2008 heißt es auszugsweise:

        

„…    

        

wird bezugnehmend auf den Schriftsatz des Beklagten vom 26.8.2008 mitgeteilt, dass die Klägerin mit dem Vergleichsvorschlag des Beklagten einverstanden ist. Es wird gebeten, das Zustandekommen des Vergleichs möglichst rasch nach § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG, § 278 Abs. 6 S. 2 ZPO festzustellen. Das Schuljahr hat bereits am 25.8.2008 begonnen und die Klägerin kann erst eingesetzt werden, wenn der Vergleich festgestellt ist.“

4

Der daraufhin getroffene Beschluss des [X.]s vom 27. August 2008 lautet:

        

„Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien ein

        

V e r g l e i c h            

        

folgenden Inhalts zustande gekommen ist:

        

1.    

Die Parteien sind sich einig, dass die Klägerin ab dem 25.08.2008 befristet bis zum 31.07.2009 (§ 14 Abs. 1 Nr. 8 [X.]) als teilzeitbeschäftigte Lehrkraft mit 12/27 Wochenstunden, entspricht 44,44 % der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit einer entsprechenden vollbeschäftigten Lehrkraft, beschäftigt wird.

        

2.    

Im Übrigen sollen die Arbeitsbedingungen aus dem beendeten Arbeitsverhältnis vom [X.], unter Ausnahme der dort vereinbarten Befristung, für dieses Arbeitsverhältnis wieder gelten.

        

3.    

Damit ist der Rechtsstreit erledigt.

        

4.    

Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.“

5

Die Parteien hielten außerdem in einem unter dem 27. August 2008 unterzeichneten Arbeitsvertrag die Befristung des Arbeitsverhältnisses bis zum 31. Juli 2009 schriftlich fest.

6

Mit ihrer am 17. Juli 2009 beim [X.] eingegangenen Klage hat die Klägerin die Unwirksamkeit der Befristung zum 31. Juli 2009 geltend gemacht und mit am 1. März 2010 dem Beklagten zugestellter letzter Klageerweiterung hilfsweise [X.] für die [X.] vom 1. August 2009 bis 28. Februar 2010 in rechnerisch unstreitiger Höhe begehrt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Befristung sei unzulässig. Sie beruhe nicht iSv. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 [X.] auf einem gerichtlichen Vergleich. Es habe kein offener Streit über die Wirksamkeit der vorletzten Befristung bestanden. Außerdem habe das [X.] nicht - wie für den Sachgrund nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 [X.] gefordert - ordnungsgemäß am Zustandekommen des Vergleichs mitgewirkt. Ein vom [X.] nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO lediglich protokollierter Vergleichsschluss gebe keinen Sachgrund nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 [X.] ab. Im Übrigen unterliege § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 [X.] unionsrechtlichen Bedenken.

7

Die Klägerin hat, soweit für die Revision von Bedeutung, zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund Befristung zum 31. Juli 2009 beendet wurde;

        

2.    

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 6.993,02 Euro brutto abzüglich 5.065,35 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. März 2010 zu bezahlen.

8

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat sich auf den Standpunkt gestellt, die Parteien hätten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der vorletzten Befristung offen gestritten. In der Güteverhandlung am 12. August 2008 habe die [X.] vorgeschlagen zu prüfen, ob eine weitere befristete Tätigkeit der Klägerin möglich sei. Auf diese Anregung hin habe er die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung überprüft und den Vergleichsvorschlag unterbreitet. Ein gerichtlicher Vergleich iSv. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 [X.] sei auch ein solcher, der - wie im vorliegenden Fall - nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO zustande komme. Im Übrigen verhalte sich die Klägerin widersprüchlich, wenn sie einerseits einem Vergleich mit einer vorgesehenen Befristung bis zum 31. Juli 2009 zustimme, dies andererseits aber wieder in Frage stelle.

9

Das [X.] hat den Befristungskontrollantrag abgewiesen. Einem Antrag auf Zahlung von weiteren 1.632,29 Euro nebst Zinsen als Vergütung für die Prüfung schulfremder Schüler hat es in Höhe von 899,79 Euro nebst Zinsen entsprochen und den Antrag im Übrigen abgewiesen. Das [X.] hat die auf die Abweisung der Befristungskontrollklage und den [X.] beschränkte Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin den Befristungskontrollantrag sowie für den Fall von dessen Stattgabe den Antrag auf Vergütungszahlung aus Annahmeverzug weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet. Die Vorinstanzen haben den Befristungskontrollantrag zu Unrecht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der [X.]en hat nicht aufgrund der Befristung am 31. Juli 2009 geendet. Die Befristungsvereinbarung ist mangels eines sie nach § 14 Abs. 1 [X.] rechtfertigenden sachlichen Grundes unwirksam; sie beruht nicht auf einem gerichtlichen Vergleich iSv. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 [X.]. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Zahlung der Vergütung für den geltend gemachten [X.]raum aus Annahmeverzug.

I. Der zulässige Befristungskontrollantrag hat Erfolg. Die vereinbarte Befristung des Arbeitsvertrags zum 31. Juli 2009 ist rechtsunwirksam. Sie ist nicht durch den Sachgrund nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 [X.] gerechtfertigt. Die Klägerin verhält sich nicht treuwidrig oder widersprüchlich iSv. § 242 BGB, indem sie die Unwirksamkeit der Befristung gerichtlich geltend macht.

1. Der in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 [X.] normierte Sachgrund rechtfertigt die Befristung nicht.

a) Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 [X.] liegt ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrags vor, wenn sie auf einem gerichtlichen Vergleich beruht. Voraussetzung ist die Vereinbarung einer Befristung des Arbeitsverhältnisses in einem gerichtlichen Vergleich, soweit die [X.]en darin zur Beendigung eines Kündigungsschutzverfahrens oder eines sonstigen Feststellungsrechtsstreits über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses eine Einigung erzielen. Der gerichtliche Vergleich, mit dem die [X.]en zur Beilegung einer Rechtsstreitigkeit ein befristetes oder auflösend bedingtes Arbeitsverhältnis vereinbaren, unterliegt keiner weiteren Befristungskontrolle. Deren Funktion erfüllt das Arbeitsgericht durch seine ordnungsgemäße Mitwirkung beim Zustandekommen des Vergleichs, der regelmäßig sogar auf seinem Vorschlag beruht (vgl. [X.] 23. November 2006 - 6 [X.] - Rn. 55, [X.]E 120, 251). Dem Gericht als Grundrechtsverpflichteten iSd. Art. 1 Abs. 3 GG obliegt im Rahmen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle die Aufgabe, den Arbeitnehmer vor einem grundlosen Verlust seines Arbeitsplatzes zu bewahren und damit einen angemessenen Ausgleich der wechselseitigen, grundrechtsgeschützten Interessen der Arbeitsvertragsparteien zu finden. Diese aus Art. 12 Abs. 1 GG abgeleitete Schutzpflicht erfüllt das Gericht nicht nur durch ein Urteil, sondern auch im Rahmen der gütlichen Beilegung eines Rechtsstreits. Schlägt das Arbeitsgericht zur Beendigung des Verfahrens über den Bestand eines Arbeitsverhältnisses einen Vergleich vor, der eine weitere, allerdings zeitlich begrenzte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses vorsieht, ist das im Regelfall eine hinreichende Gewähr dafür, dass diese Befristung nicht deswegen gewählt worden ist, um dem Arbeitnehmer grundlos den gesetzlichen Bestandsschutz zu nehmen ([X.] 23. November 2006 - 6 [X.] - Rn. 55, [X.]O; 26. April 2006 - 7 [X.] - Rn. 27, [X.] [X.] § 14 Vergleich Nr. 1 = EzA [X.] § 14 Nr. 29; vgl. auch 2. Dezember 1998 - 7 [X.] - zu 1 b der Gründe, [X.] § 57a Nr. 4 = EzA BGB § 620 Nr. 156). Neben der Mitwirkung des Gerichts am Zustandekommen eines befristeten Arbeitsverhältnisses setzt der Sachgrund des gerichtlichen Vergleichs das Bestehen eines offenen Streits der [X.]en über die Rechtslage hinsichtlich des zwischen ihnen bestehenden Rechtsverhältnisses im [X.]punkt des [X.] voraus (vgl. [X.] 26. April 2006 - 7 [X.] - Rn. 28, [X.]O; 22. Oktober 2003 - 7 [X.] - zu 1 der Gründe, [X.] BGB § 620 Befristeter Arbeitsvertrag Nr. 255 = EzA BGB 2002 § 620 Nr. 8). Dafür ist erforderlich, dass beide [X.]en gegensätzliche Rechtsstandpunkte darüber eingenommen haben, ob bzw. wie lange zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht. Insbesondere muss der Arbeitnehmer nachdrücklich seine Rechtsposition vertreten und gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht haben. Der Arbeitgeber muss es daraufhin abgelehnt haben, den Arbeitnehmer entsprechend seiner Forderung zu beschäftigen (vgl. [X.] 24. Januar 1996 - 7 [X.] - zu [X.] der Gründe, [X.]E 82, 101).

b) Die an einen gerichtlichen Vergleich iSv. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 [X.] zu stellenden Anforderungen sind vorliegend nicht erfüllt.

[X.]) Allerdings bestand entgegen der Ansicht der Klägerin ein offener Streit über die Wirksamkeit der (vorletzten) Befristung des Arbeitsverhältnisses bis zum 31. Juli 2008. Dem steht nicht entgegen, dass sich der beklagte [X.] zu der Befristung noch nicht schriftsätzlich geäußert hatte. Die Voraussetzung eines „offenen Streits“ soll die missbräuchliche Ausnutzung des durch § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 [X.] eröffneten [X.] verhindern und gewährleisten, dass der gerichtliche Vergleich nicht nur zur Protokollierung einer von den Arbeitsvertragsparteien vor Rechtshängigkeit vereinbarten befristeten Verlängerung des Arbeitsvertrags benutzt wird (vgl. [X.] 26. April 2006 - 7 [X.] - Rn. 28 mwN, [X.] [X.] § 14 Vergleich Nr. 1 = EzA [X.] § 14 Nr. 29). Vorliegend hatte die Klägerin die vorletzte Befristung mit einer Befristungskontrollklage angegriffen und ist nach dem 31. Juli 2008 zunächst auch nicht weiter beschäftigt worden. Besondere Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Befristungskontrollklage nur initiiert war, um „gerichtsfest“ eine weitere Befristung vereinbaren zu können, sind nicht ersichtlich.

[X.]) Die [X.]en haben die streitbefangene Befristung aber nicht in einem „gerichtlichen Vergleich“ nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 [X.] vereinbart. Sie haben dem Arbeitsgericht mit ihren Schriftsätzen vom 26. August 2008 einen die (erneute) Befristung des Arbeitsvertrags enthaltenden Vergleichsvorschlag unterbreitet. Das Arbeitsgericht hat das Zustandekommen und den Inhalt des Vergleichs mit Beschluss vom 27. August 2008 festgestellt. Der Vergleich ist damit nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1, Satz 2 ZPO geschlossen. Ein solcher Vergleich unterfällt nicht § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 [X.].

(1) Für den gerichtlichen Vergleich nach § 278 Abs. 6 ZPO in der bis zum 31. August 2004 geltenden Fassung (nunmehr § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 2 ZPO) hat der Sechste Senat des [X.] entschieden, dass es sich um einen Sachgrund für die in dem Vergleich vereinbarte Befristung eines Arbeitsvertrags handeln kann ([X.] 23. November 2006 - 6 [X.] - Rn. 55 f., [X.]E 120, 251). Hieran hält der erkennende Senat fest. Nehmen die [X.]en einen schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts, der eine [X.] beinhaltet, durch Schriftsatz gegenüber dem Gericht an und stellt das Gericht durch Beschluss das Zustandekommen des Vergleichs fest (vgl. § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 2, Satz 2 ZPO), rechtfertigt der so geschlossene Vergleich nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 [X.] die Befristung des Arbeitsverhältnisses. Es bestehen keine durchgreifenden Zweifel an der [X.] dieses Verständnisses von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 [X.] (vgl. [X.] 23. November 2006 - 6 [X.] - Rn. 57 bis 59, [X.]O). Nach § 5 der [X.] über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/[X.] vom 28. Juni 1999 ergreifen die Mitgliedst[X.]ten, um Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse zu vermeiden, eine oder mehrere der in § 5 Nr. 1 Buchst. a bis c der Rahmenvereinbarung genannten Maßnahmen. Entschließt sich ein Mitgliedst[X.]t zu einer dieser Maßnahmen oder zu mehreren, hat er das unionsrechtlich vorgegebene Ziel der Verhinderung des Missbrauchs von aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen zu gewährleisten (vgl. [X.] 23. April 2009 - [X.]/07 [X.] - [[X.] [X.]] Rn. 94, 95 mwN, Slg. 2009, [X.]). Wie der [X.] in mehreren Entscheidungen ausgeführt und geklärt hat, ist es Aufgabe der nationalen Gerichte, im Rahmen ihrer Zuständigkeit diesem Ziel bei der Auslegung der nationalen Vorschriften Rechnung zu tragen (vgl. [X.] 23. April 2009 - [X.]/07 [X.] - [[X.] [X.]] Rn. 106, [X.]O; 7. September 2006 - [X.]/04 - [[X.] und [X.]] Rn. 56, Slg. 2006, [X.]; 7. September 2006 - [X.]/04 - [[X.]] Rn. 41, Slg. 2006, [X.]). Die verantwortliche Mitwirkung des Gerichts am [X.] trägt der Missbrauchsverhinderung hinreichend Rechnung.

(2) Noch nicht entschieden ist bislang, ob auch ein Vergleich, der gemäß § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1, Satz 2 ZPO zustande gekommen ist, einen [X.] nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 [X.] abgibt. Der Sechste Senat des [X.] hat diese Frage ausdrücklich offengelassen (vgl. [X.] 23. November 2006 - 6 [X.] - Rn. 56, [X.]E 120, 251). Die Meinungen im Schrifttum sind geteilt. Überwiegend wird die Auffassung vertreten, es sei nicht gerechtfertigt, einen solchen Vergleich einem gerichtlichen Vergleich, der entweder durch Protokollierung in einer mündlichen Verhandlung oder nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 2, Satz 2 ZPO zustande gekommen ist, gleichzusetzen. Es fehle an der erforderlichen inhaltlichen Mitwirkung des Gerichts (vgl. zB [X.]S/[X.] 4. Aufl. § 14 [X.] Rn. 324; [X.] Der befristete Arbeitsvertrag 2. Aufl. Rn. 262 f.; [X.]/[X.] 5. Aufl. § 14 [X.] Rn. 71; [X.]/Koch ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 40 Rn. 39). Nach anderer Auffassung kann ein gerichtlicher Vergleich iSv. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 [X.] nach beiden Alternativen des § 278 Abs. 6 Satz 1 ZPO zustande kommen (vgl. zB [X.]/[X.] 12. Aufl. § 14 [X.] Rn. 77; [X.] [X.] 3. Aufl. § 14 Rn. 336).

(3) Der nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1, Satz 2 ZPO zustande gekommene gerichtliche Vergleich ist kein gerichtlicher Vergleich iSv. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 [X.]. Dies ergibt die Auslegung von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 [X.].

(a) Nach dem Wortlaut von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 [X.] liegt ein sachlicher Grund für die Befristung des Arbeitsvertrags vor, wenn sie auf einem „gerichtlichen“ Vergleich beruht. Damit ist jedenfalls ausgedrückt, dass eine auf einer außergerichtlichen Einigung - also etwa auf einem Anwaltsvergleich nach § 796a ZPO - beruhende [X.] nicht zur Annahme eines [X.] gereichen soll; privilegiert ist nur der „gerichtliche“ Vergleich. Im Übrigen erweist sich eine grammatikalische Interpretation von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 [X.] vor dem Hintergrund seiner Entstehungsgeschichte eher als unergiebig. Im [X.]punkt der Verkündung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes am 28. Dezember 2000 galt § 278 Abs. 6 ZPO noch nicht. Ein den Prozess beendender Vergleich musste bis Ende 2001 vor Gericht abgeschlossen und nach § 160 Abs. 3 Nr. 1, § 162 ZPO protokolliert werden (vgl. [X.]/[X.] ZPO 28. Aufl. § 278 Rn. 30). Erst mit dem am 1. Januar 2002 in [X.] getretenen Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 ([X.], [X.]. I S. 1887) ist [X.] § 278 ZPO insgesamt neu gestaltet und die Möglichkeit eines gerichtlichen [X.] dahingehend eingeführt worden, dass die [X.]en einen schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz gegenüber dem Gericht annehmen (§ 278 Abs. 6 Satz 1 in der bis zum 31. August 2004 geltenden Fassung). Diese Möglichkeit wurde mit dem am 1. September 2004 in [X.] getretenen [X.] vom 24. August 2004 (1. [X.], [X.]. I S. 2198) erweitert, indem nunmehr ein gerichtlicher Vergleich auch dadurch geschlossen werden kann, dass die [X.]en dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten (§ 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO). Die Gesetzesmaterialien zu § 278 Abs. 6 idF des [X.] und idF des 1. [X.] verhalten sich nicht zu den Auswirkungen der Reform und Novellierung der Vorschrift auf das Teilzeit- und Befristungsgesetz (vgl. BT-Drucks. 14/4722 S. 83 f. und BT-Drucks. 14/6036 S. 121 sowie BT-Drucks. 15/3482 S. 16 f.). Allerdings hat der Gesetzgeber bei den nach Inkrafttreten des [X.] und des 1. [X.] verabschiedeten Änderungen und Überarbeitungen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes auch keinen Modifizierungsbedarf von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 [X.] gesehen (Einfügung von § 14 Abs. 3 Satz 4 [X.] durch Art. 7 des [X.] am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 [[X.]. I S. 4607]; Einfügung von § 14 Abs. 2a [X.] durch Art. 2 des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 [[X.]. I S. 3002]; Neufassung von § 14 Abs. 3 [X.] mit Art. 1 des [X.] der Beschäftigungschancen älterer Menschen vom 19. April 2007 [[X.]. I S. 538]; redaktionelle Anpassung von § 14 Abs. 3 Satz 1 [X.] mit Art. 23 des [X.] der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20. Dezember 2011 [[X.]. I S. 2854]).

(b) Unter Berücksichtigung der Gesetzeshistorie sprechen Sinn und Zweck von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 [X.] deutlich dafür, den nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO geschlossenen Vergleich nicht als sachliche Rechtfertigung für eine Befristung erachten zu können.

([X.]) Vor der Kodifizierung der Sachgrundbefristung im Teilzeit- und Befristungsgesetz hat das [X.] den gerichtlichen Vergleich als ausreichende Rechtfertigung für eine in ihm verabredete Befristung befunden, weil er zum einen streitbefriedend wirke, zum anderen aber auch wegen der gerichtlichen Mitwirkung eine hinreichende Gewähr dafür biete, den Arbeitnehmer vor einem grundlosen Verlust seines Arbeitsverhältnisses zu bewahren. In der Entscheidung, die letzteren Aspekt ausdrücklich hervorhebt, heißt es [X.] ([X.] 2. Dezember 1998 - 7 [X.] - zu 1 b der Gründe, [X.] [X.] § 57a Nr. 4 = EzA BGB § 620 Nr. 156):

        

„Schlägt das Arbeitsgericht zur Beendigung eines Rechtsstreits über den Bestand eines Arbeitsverhältnisses einen Vergleich vor, der eine weitere, allerdings zeitlich begrenzte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses vorsieht, ist das im Regelfall eine hinreichende Gewähr dafür, dass diese Befristung nicht deswegen gewählt worden ist, um dem Arbeitnehmer den Schutz zwingender Kündigungsschutzbestimmungen zu nehmen.“

In den Gesetzesmaterialien des zum 1. Januar 2001 in [X.] getretenen Teilzeit- und Befristungsgesetzes ist beim Sachgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 explizit auf die Rechtsprechung des [X.] verwiesen. In der Gesetzesbegründung heißt es (BT-Drucks. 14/4374 S. 19):

        

„Die Vereinbarung der Befristung eines Arbeitsvertrages im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs (Nummer 8) ist nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] ein sachlich rechtfertigender [X.]. Durch die Vereinbarung eines befristeten Arbeitsvertrages kann ein Rechtsstreit über eine vorausgegangene Kündigung, die Wirksamkeit einer Befristung oder eine sonstige Bestandsstreitigkeit beendet werden. Die Mitwirkung des Gerichts an dem Vergleich bietet hinreichende Gewähr für die Wahrung der Schutzinteressen des Arbeitnehmers.“

Der Gesetzgeber hat somit im [X.] an die Rechtsprechung des Senats den gerichtlichen Vergleich deshalb als Sachgrund für eine Befristung anerkannt, weil das Gericht die Möglichkeit und die Obliegenheit hat, beim Abschluss des Vergleichs darauf hinzuwirken, dass bei dessen Inhalt - auch unter Berücksichtigung der [X.] in dem beigelegten Rechtsstreit - die Schutzinteressen des Arbeitnehmers berücksichtigt werden.

([X.]) Eine am konkreten Grad der gerichtlichen Beteiligung am Vergleich orientierte Auslegung des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 [X.] - etwa durch das Erfordernis der tatsächlichen Einflussnahme auf den [X.] oder die Intensität der Erörterung der Sach- und Rechtslage - ist damit nicht zwingend geboten (vgl. [X.] 23. November 2006 - 6 [X.] - Rn. 56, [X.]E 120, 251). Anders als bei einem durch das Gericht im Sinn der §§ 159 bis 160a, 162, 163 ZPO protokollierten Vergleich oder bei einem Vergleich nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 2, Satz 2 ZPO, bei dem sich das Gericht einen ggf. von den [X.]en vorgelegten Einigungsentwurf als seinen Vorschlag zu eigen macht und diesen den [X.]en unterbreitet, ist aber bei einem nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1, Satz 2 ZPO geschlossenen Vergleich der gerichtliche Beitrag von vornherein auf eine Feststellungsfunktion beschränkt. Zwischen den Alternativen des schriftlichen [X.] nach § 278 Abs. 6 Satz 1 ZPO besteht ein struktureller Unterschied. Die Möglichkeit des Gerichts, auf den Inhalt des Vergleichs unter Berücksichtigung der Schutzinteressen des Arbeitnehmers Einfluss zu nehmen, ist bei § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO schon durch die Verfahrensgestaltung begrenzt, denn das Gericht hat in dem Fall, in dem die [X.]en ihm einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten, dessen Zustandekommen und Inhalt - abgesehen von Verstößen gegen Strafgesetze oder gegen §§ 134, 138 BGB (vgl. zB [X.]/[X.]/[X.]/[X.] ZPO 70. Aufl. § 278 Rn. 50) - nach § 278 Abs. 6 Satz 2 ZPO nur noch festzustellen. Dieser strukturell allein in der Protokollierung von (nicht gesetzwidrigen) Einigungsentwürfen liegende gerichtliche Beitrag ist keine „Mitwirkung“ im Sinn einer inhaltlichen Verantwortung, die der verlautbarten Intention des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 [X.] entspricht.

2. Der Klägerin ist es nicht nach § 242 BGB verwehrt, sich auf die Unwirksamkeit der Befristung zu berufen.

a) Es verstößt nicht grundsätzlich gegen [X.] und Glauben, wenn eine [X.] ein unter ihrer Beteiligung zustande gekommenes Rechtsgeschäft angreift. Widersprüchliches Verhalten ist erst dann rechtsmissbräuchlich, wenn dadurch für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen ([X.] 18. Juni 2008 - 7 [X.]/07 - Rn. 32 mwN, [X.] [X.] § 14 Nr. 50 = EzA [X.] § 14 Nr. 50).

b) Vorliegend durfte der Beklagte nicht allein deshalb auf die Wirksamkeit der Befristung vertrauen, weil sie in einem - die Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 [X.] zitierenden - Vergleich zur gütlichen Beilegung des Rechtsstreits über die Wirksamkeit der vorangegangenen Befristung vereinbart worden ist. [X.]widrig könnte das Verhalten der Klägerin ggf. sein, wenn sie in dem Bewusstsein um eine Unwirksamkeit der im Vergleich vereinbarten Befristung den Beklagten zum [X.] gedrängt, also etwa darauf bestanden hätte, den Vergleich aus diesem Grund nur im Weg des § 278 Abs. 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO (und nicht anders) zu schließen. Hierfür gibt es keine Anhaltspunkte.

II. Der dem Senat damit zur Entscheidung angefallene [X.] ist nach § 611 Abs. 1, § 615 Satz 1 BGB iVm. dem Arbeitsvertrag begründet. Der Beklagte war in der vom Antrag umfassten [X.] vom 1. August 2009 bis 28. Februar 2010 mit der Annahme der Dienste der Klägerin in Verzug und hat daher die vereinbarte Vergütung fortzuzahlen (§ 615 Satz 1 BGB). Zur Höhe der schlüssig vorgetragenen Klageforderung hat der Beklagte keine Einwände erhoben. Der Klägerin stehen auch die Prozesszinsen in der geltend gemachten Höhe zu (§§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB).

III. [X.] folgt aus § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Klägerin hatte in der ersten Instanz noch 1.632,29 Euro Entgelt für die Abnahme von Prüfungen geltend gemacht. Unter Berücksichtigung der vom Arbeitsgericht zugesprochenen 899,79 Euro und des [X.] entspricht dies einer Verlustquote von 9 %. In der Berufungs- und Revisionsinstanz hat die Klägerin vollumfänglich obsiegt.

        

    Linsenmaier    

        

    Gallner    

        

    Schmidt    

        

        

        

    Holzhausen    

        

    Glock    

                 

Meta

7 AZR 734/10

15.02.2012

Bundesarbeitsgericht 7. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Zwickau, 12. März 2010, Az: 6 Ca 1848/09, Urteil

§ 14 Abs 1 S 2 Nr 8 TzBfG, § 278 Abs 6 S 1 Alt 1 ZPO, § 278 Abs 6 S 2 ZPO

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.02.2012, Az. 7 AZR 734/10 (REWIS RS 2012, 9122)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9122

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