Bundessozialgericht, Urteil vom 20.03.2018, Az. B 1 KR 25/17 R

1. Senat | REWIS RS 2018, 12107

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Gegenstand

Krankenversicherung - Krankenhaus - Abrechnung von Fallpauschalen - Kodierung der Hauptdiagnose


Leitsatz

1. Ein Krankenhaus hat für die Abrechnung von Fallpauschalen als Hauptdiagnose grundsätzlich die "Krankheit" im Sinn einer in den Abrechnungsbestimmungen geregelten, die Symptomatik erklärenden genauen Krankheitsdiagnose zu kodieren.

2. Die zulässige Kodierung einer erklärenden genauen Hauptdiagnose einer Resteklasse wie "Sonstige Krankheiten des autonomen Nervensystems" schließt es grundsätzlich aus, eine Symptomdiagnose wie "Hyperhidrose, umschrieben" als Hauptdiagnose zu kodieren.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 17. Mai 2017 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 2861,64 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.

2

Die Klägerin ist Trägerin eines nach § 108 [X.] zugelassenen Krankenhauses. Sie behandelte den bei der beklagten Krankenkasse ([X.]) versicherten [X.] (im Folgenden: Versicherter) vollstationär vom 3. bis 6.3.2009, kodierte nach dem in diesem Jahr geltenden [X.] als Hauptdiagnose G90.41 (Autonome [X.] als Schwitzattacken) sowie als Nebendiagnose R61.0 (Hyperhidrose, umschrieben), berechnete die Fallpauschale (Diagnosis Related Group 2009 ) [X.] (Eingriffe bei zerebraler Lähmung, Muskeldystrophie oder Neuropathie, Alter < 19 Jahre oder mit schweren [X.], Alter > 15 Jahre) und erhielt hierfür von der [X.] 5437,91 Euro. Die Beklagte forderte später vergeblich 2861,64 Euro zurück. Abzurechnen sei die geringer vergütete [X.] (Plastische Operationen an Haut, Unterhaut und Mamma außer bei bösartiger Neubildung), da Hauptdiagnose R61.0 sei. Die Beklagte rechnete 2861,64 Euro gegenüber unstreitigen Vergütungsforderungen der Klägerin für die Behandlung anderer Versicherter auf. Das [X.] hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 14.4.2014). Das L[X.] hat auf die Berufung der Klägerin das [X.]-Urteil aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 2861,64 Euro nebst 5 vH Zinsen seit dem [X.] zu zahlen. Zu kodieren sei als Hauptdiagnose [X.] (Sonstige Krankheiten des autonomen Nervensystems), die ebenfalls zur DRG [X.] hinführe. Die primäre fokale Hyperhidrose des Versicherten beruhe auf einer Fehlsteuerung des Sympathikusnervs, die eine "die Symptomatik erklärende Diagnose" sei und nach den [X.] ([X.]) die Kodierung eines Symptoms als Hauptdiagnose ausschließe. Die durchgeführte [X.] habe diese zugrunde liegende Erkrankung und nicht nur das Symptom "Schwitzen" behandelt (Urteil vom 17.5.2017).

3

Die Beklagte rügt mit ihrer Revision die Verletzung von § 109 Abs 4 S 3 [X.], § 7 Abs 1 S 1, § 9 Abs 1 S 1 Nr 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG), § 17b Abs 1 S 10 Krankenhausfinanzierungsgesetz ([X.]), der Fallpauschalenvereinbarung ([X.]) 2009 iVm Kapitel XVIII [X.], [X.], [X.] D002f und dem ([X.] nach § 112 [X.] Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung zwischen der [X.] (ua) der [X.]. Nach der durch [X.] D002f in Bezug genommenen Anmerkung zu Beginn von Kapitel XVIII [X.] sei R61.0 zu kodieren.

4

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom 17. Mai 2017 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 14. April 2014 zurückzuweisen.

5

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der beklagten [X.] ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 [X.]G). Das [X.] hat zu Recht auf die Berufung der Klägerin das Urteil des [X.] aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung weiterer 2861,64 Euro nebst [X.] Zinsen ab 22.9.2009 verurteilt. Die von der Klägerin erhobene (echte) Leistungsklage ist im hier bestehenden [X.] zulässig (stRspr; B[X.]E 102, 172 = [X.]-2500 § 109 [X.], Rd[X.] 9; B[X.]E 104, 15 = [X.]-2500 § 109 [X.], Rd[X.] 12; zuletzt B[X.] Urteil vom 26.9.2017 - B 1 KR 9/17 R - Juris Rd[X.], vorgesehen für [X.]-5562 § 9 [X.]) und begründet. Die Beklagte hat den Anspruch der Klägerin auf Vergütung von Krankenhausbehandlung anderer Versicherter in Höhe von 2861,64 Euro (dazu 1.) bislang nicht erfüllt. Dieser Anspruch erlosch nicht dadurch, dass die Beklagte insoweit wegen vermeintlicher Überzahlung der Vergütung für die Behandlung des Versicherten die Aufrechnung in dieser Höhe erklärte. Die Aufrechnung ging ins Leere. Der Klägerin standen wegen der stationären Behandlung des Versicherten die von der [X.] gezahlten 5437,91 Euro zu (dazu 2.). Die Klägerin hat für den bislang nicht erfüllten Vergütungsanspruch in Höhe von 2861,64 Euro für die Behandlung anderer Versicherter der [X.] auch einen Zinsanspruch von [X.] hierauf seit 22.9.2009 (dazu 3.).

8

1. Es ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig, dass die Klägerin aufgrund stationärer Behandlung anderer Versicherter der [X.] Anspruch auf die dort abgerechnete Vergütung weiterer 2861,64 Euro hat; eine nähere Prüfung des erkennenden Senats erübrigt sich insoweit (vgl zur Zulässigkeit dieses Vorgehens zB B[X.] [X.]-2500 § 129 [X.] Rd[X.] 10; B[X.] [X.]-2500 § 130 [X.] Rd[X.]; B[X.] [X.]-5562 § 9 [X.] Rd[X.] 8).

9

2. Dieser Vergütungsanspruch erlosch nicht infolge der Aufrechnungserklärung der [X.]. Die Voraussetzungen des § 387 BGB sind nicht erfüllt. Schulden danach zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann. Ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch wegen überzahlter Vergütung für die Behandlung des Versicherten, mit dem die Beklagte aufrechnete, besteht nicht. Die Klägerin hatte dem Grunde nach Anspruch auf Vergütung für die stationäre Behandlung des Versicherten (dazu a). Sie erfüllte auch die Voraussetzungen der [X.] und rechnete sachlich-rechnerisch richtig 5437,91 Euro ab, die die Beklagte auch zahlte (dazu b).

a) Die Zahlungsverpflichtung einer [X.] entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iS von § 39 Abs 1 S 2 [X.]B V erforderlich und wirtschaftlich ist (stRspr, vgl zB B[X.]E 102, 172 = [X.]-2500 § 109 [X.], Rd[X.] 11; B[X.]E 104, 15 = [X.]-2500 § 109 [X.], Rd[X.] 15; B[X.]E 109, 236 = [X.]-5560 § 17b [X.], Rd[X.]; alle mwN). Diese Voraussetzungen waren nach dem Gesamtzusammenhang der [X.], den Senat bindenden Feststellungen des [X.] (§ 163 [X.]G) erfüllt.

b) Die Klägerin erlangte durch die stationäre Behandlung des Versicherten einen nach [X.] abrechenbaren Vergütungsanspruch. Die Klägerin durfte nach dem maßgeblichen Recht und den dabei anzuwendenden Auslegungsgrundsätzen (dazu [X.]) als Hauptdiagnose iS einer die Symptomatik des Versicherten erklärenden definitiven Diagnose (dazu [X.]) G90.9 (Krankheiten des autonomen Nervensystems, nicht näher bezeichnet) kodieren (dazu [X.]). Diese Diagnose steuert die von der Klägerin abgerechnete [X.] an (dazu dd).

[X.]) Die Vergütung für Krankenhausbehandlung der Versicherten bemisst sich bei [X.]-Krankenhäusern wie jenem der Klägerin nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage. Die Fallpauschalenvergütung für Krankenhausbehandlung Versicherter in zugelassenen Einrichtungen ergibt sich aus § 109 Abs 4 S 3 [X.]B V (idF durch Art 1 [X.] zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser vom [X.], [X.]) iVm § 7 [X.]ntgG (idF durch Art 2 [X.] Zweites Fallpauschalenänderungsgesetz <2. [X.]> vom 15.12.2004, [X.] 3429) und § 17b [X.] (idF durch Art 18 [X.] [X.] vom [X.], [X.] 378; vgl entsprechend B[X.]E 109, 236 = [X.]-5560 § 17b [X.], Rd[X.] 15 f; B[X.] [X.]-2500 § 109 [X.] Rd[X.] 15; B[X.] [X.]-2500 § 109 [X.]8 Rd[X.] 12; B[X.] [X.]-2500 § 109 [X.] Rd[X.] 10, auch für B[X.]E vorgesehen). Der Anspruch wird auf Bundesebene durch [X.] ([X.], [X.]) konkretisiert. Der [X.] [X.]n und der [X.] gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs 1 S 1 [X.] 1 [X.]ntgG (idF durch Art 19 [X.] 3 GKV-W[X.]) mit der [X.] als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 [X.]ntgG (idF durch Art 2 [X.] 8 2. [X.]) einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbaren sie insoweit [X.] in den [X.] auf der Grundlage des § 9 Abs 1 S 1 [X.] 3 [X.]ntgG (idF durch Art 19 [X.] 3 GKV-W[X.]).

Die vertraglichen Fallpauschalen ergeben sich daraus, dass die nach den aufgezeigten gesetzlichen Regelungen hierzu berufenen Vertragspartner eine [X.] mit einem Fallpauschalen-Katalog als Teil derselben und Allgemeine und Spezielle Kodierrichtlinien für die Verschlüsselung von Krankheiten und Prozeduren ([X.] <[X.]>) vereinbart haben. [X.] und [X.] bilden den konkreten vertragsrechtlichen Rahmen, aus dem die für eine Behandlung maßgebliche [X.]-Position folgt (vgl näher dazu B[X.]E 109, 236 = [X.]-5560 § 17b [X.], Rd[X.]). Im vorliegenden Fall sind maßgebend - jeweils normativ wirkend (vgl dazu B[X.]E 109, 236 = [X.]-5560 § 17b [X.], Rd[X.] 18) - die am [X.] getroffene Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das [X.] ([X.] 2009) einschließlich der Anlagen 1 bis 6 (insbesondere: Anlage 1 und dort Teil a ) und die von den Vertragspartnern auf Bundesebene getroffene Vereinbarung zu den [X.] für das [X.] (Vereinbarung zu den [X.] Version 2009 für das G-[X.]-System gemäß § 17b [X.] vom 17.9.2008, <[X.] [2009]>).

Welche [X.]-Position abzurechnen ist, ergibt sich rechtsverbindlich aus der Eingabe und Verarbeitung von Daten in einem automatischen Datenverarbeitungssystem, das auf einem zertifizierten Programm basiert (vgl § 1 Abs 6 S 1 [X.] 2009; zur rechtlichen Einordnung des Groupierungsvorgangs vgl B[X.]E 109, 236 = [X.]-5560 § 17b [X.], Rd[X.] 19 ff). Zugelassen sind nur solche Programme, die von der [X.], einer gemeinsamen Einrichtung der in § 17b Abs 2 S 1 [X.] und § 9 Abs 1 S 1 [X.] 1 [X.]ntgG genannten Vertragspartner auf Bundesebene, zertifiziert worden sind (vgl B[X.] [X.]-2500 § 109 [X.]8 Rd[X.]). Das den Algorithmus enthaltende und ausführende Programm greift dabei auch auf Dateien zurück, die entweder als integrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind (zB die Zuordnung von [X.]-Diagnosen und Prozeduren zu bestimmten Untergruppen im zu durchlaufenden Entscheidungsbaum) oder an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu letzteren gehören die Fallpauschalen selbst, aber auch die Internationale Klassifikation der Krankheiten ([X.]) in der jeweiligen vom [X.] ([X.]) im Auftrag des [X.] ([X.]) herausgegebenen [X.] Fassung (<[X.]-GM> hier in der Version 2009 idF der Bekanntmachung des [X.] gemäß §§ 295 und 301 [X.]B V zur Anwendung des [X.] vom 28.10.2008, BAnz [X.]0 vom 7.11.2008, S 4016, in [X.] getreten am 1.1.2009), die Klassifikation des vom [X.] im Auftrag des [X.] herausgegebenen [X.] ([X.]; hier in der Version 2009 idF der Bekanntmachung des [X.] gemäß §§ 295 und 301 [X.]B V zur Anwendung des [X.] vom 28.10.2008, BAnz [X.]0 vom 7.11.2008, S 4016, in [X.] getreten am 1.1.2009; zur Grundlage der Rechtsbindung vgl B[X.]E 109, 236 = [X.]-5560 § 17b [X.], Rd[X.]4) sowie die von den Vertragspartnern auf Bundesebene getroffene Vereinbarung zu den [X.] für das [X.] (s oben).

Die Anwendung der normenvertraglichen [X.] ist nicht automatisiert und unterliegt als Mitsteuerung der prozesshaften Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Die [X.] sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten [X.] gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (vgl B[X.] [X.]-2500 § 109 [X.] 19 Rd[X.] mwN; B[X.]E 109, 236 = [X.]-5560 § 17b [X.], Rd[X.]7; B[X.] [X.]-2500 § 109 [X.]1 Rd[X.] mwN; B[X.] [X.]-5562 § 2 [X.] 1 Rd[X.] 15; zur Auslegung von medizinischen Begriffen im [X.] vgl B[X.] [X.]-1500 § 160a [X.] 32 Rd[X.] 12 ff).

[X.]) Grundsätzlich ist - vorbehaltlich spezieller abweichender Regelungen - die "Krankheit" zu kodieren und nicht ein durch sie ausgelöstes Symptom. Die Krankheit meint insbesondere eine die Symptomatik erklärende definitive Krankheitsdiagnose. Eine erklärende definitive Diagnose schließt den Anwendungsbereich des Kapitels [X.] [X.]-GM und damit auch die Kodierung des Symptoms R61.0 (Hyperhidrose, umschrieben) aus. Ob eine Diagnose eine die Symptomatik erklärende definitive Diagnose ist, bestimmt sich nicht nach einem außerhalb der [X.] liegenden Maßstab iS eines besonders qualifizierten medizinisch-wissenschaftlichen Verständnisses des [X.]. Insbesondere geht es auch nicht um die Feststellung einer "[X.]". Maßstab sind allein die [X.] selbst. Ist eine zutreffend erhobene Diagnose einer Diagnose im [X.]-GM zuzuordnen, die dort als erklärende definitive Diagnose eingeordnet ist, schließt sie ungeachtet ihrer Erklärungstiefe die Kodierung einer Symptomdiagnose aus. Dies folgt aus Wortlaut und Regelungssystem von [X.] D002f und Kapitel [X.] [X.]-GM.

Nach [X.] D002f ist Hauptdiagnose die "Diagnose, die nach Analyse als diejenige festgestellt wurde, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes des Patienten verantwortlich ist". In den Erläuterungen hierzu heißt es weiter: "Der Begriff 'nach Analyse' bezeichnet die Evaluation der Befunde am Ende des stationären Aufenthaltes, um diejenige Krankheit festzustellen, die hauptsächlich verantwortlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthaltes war. (…) Wenn sich ein Patient mit einem Symptom vorstellt und die zugrunde liegende Krankheit zum Zeitpunkt der Aufnahme bekannt ist und behandelt wird bzw. während des Krankenhausaufenthaltes diagnostiziert wird, so ist die zugrunde liegende Krankheit als Hauptdiagnose zu kodieren. (…) Wenn sich ein Patient mit einem Symptom vorstellt und die zugrunde liegende Krankheit zum Zeitpunkt der Aufnahme bekannt ist, jedoch nur das Symptom behandelt wird, ist das Symptom als Hauptdiagnose und die zugrunde liegende Krankheit als Nebendiagnose zu kodieren." Speziell für "Symptome und abnorme klinische und Laborbefunde, die anderenorts nicht klassifiziert sind", aufgelistet im Kapitel [X.] [X.]-GM (R00-R99), bestimmt D002f: "Schlüsselnummern für Symptome, Befunde und ungenau bezeichnete Zustände aus Kapitel [X.] (…) sind nicht als Hauptdiagnose zu verwenden, sobald eine die Symptomatik, etc. erklärende definitive Diagnose ermittelt wurde. Die Anmerkungen zu Beginn von Kapitel [X.] in der [X.]-GM helfen bei der Bestimmung, wann Schlüsselnummern aus den Kategorien R00-R99 dennoch angegeben werden." In der in Bezug genommenen Anmerkung zu Beginn des Kapitels [X.] [X.]-GM heißt es: "Die Kategorien dieses Kapitels enthalten im allgemeinen weniger genau bezeichnete Zustände und Symptome, die ohne die zur Feststellung einer endgültigen Diagnose notwendigen Untersuchungen des Patienten mit etwa gleicher Wahrscheinlichkeit auf zwei oder mehr Krankheiten oder auf zwei oder mehr Organsysteme hindeuten. Im Grunde genommen könnten alle Kategorien in diesem Kapitel mit dem Zusatz 'ohne nähere Angabe', 'unbekannter Ätiologie' oder 'vorübergehend' versehen werden." Weiter benennt die Anmerkung zu Beginn dieses Kapitels Fallgruppen von Zuständen und Symptomen, die die Kategorien R00-R99 betreffen, ua: "a. Patienten, bei denen keine genauere Diagnose gestellt werden kann, obwohl alle für den Krankheitsfall bedeutungsvollen Fakten untersucht worden sind; (…) e. Patienten, bei denen aus irgendeinem anderen Grunde keine genauere Diagnose gestellt wurde (…)". Wann eine "genauere Diagnose" in diesem Sinne vorliegt, definiert die [X.]-GM-Klassifikation nicht ausdrücklich. Aus dem [X.] wird allerdings deutlich, dass Bezugspunkt des Komparativs "genauere Diagnose" die in der "[X.]" benannten Symptome und Zustände sind. Eine "genauere Diagnose", die der Verwendung der "[X.]" entgegensteht, muss deshalb genauer sein als die dort bezeichneten Symptome. Charakteristikum der in Kapitel [X.] aufgeführten Symptome ist, dass sie Krankheitsanzeichen unbekannter Ätiologie darstellen. Dementsprechend sind die Schlüsselnummern der in Kapitel [X.] [X.]-GM gelisteten Symptome nicht zu verwenden, wenn die zugrunde liegende Krankheit iS der [X.] bekannt ist.

Danach schließen auch erklärende definitive Diagnosen, die einer [X.] (vgl dazu sogleich) zuzuordnen sind, die Kodierung eines Symptoms als Hauptdiagnose aus, soweit nicht - wie aufgezeigt - ausnahmsweise ein Symptom trotz bekannter Krankheitsursache vorrangig als Hauptdiagnose zu kodieren ist oder eine andere vorrangige spezielle Regelung eingreift. Hinsichtlich der Schlüsselnummern "Sonstige" und "nicht näher bezeichnet" bestimmt die [X.] [X.]: "Die [X.]' ist dann bei der Kodierung zu verwenden, wenn eine genau bezeichnete Krankheit vorliegt, für die es aber in der [X.] keine eigene Klasse gibt. Die [X.] 'Nicht näher bezeichnete …' ist dann zu verwenden, wenn eine Krankheit nur mit ihrem Oberbegriff (…) beschrieben ist und/oder eine weitere Differenzierung nach den Klassifikationskriterien der [X.] an entsprechender Stelle nicht möglich ist. (…) Die [X.]n dürfen nicht verwendet werden, um Diagnosen 'aufzufangen', die scheinbar nicht anderenorts klassifiziert sind. Die [X.]-Verzeichnisse sind zu verwenden, um die korrekte Schlüsselnummer-Zuordnung zu bestimmen (…)." [X.] D014d bestimmt ergänzend den Vorrang des Systematischen Verzeichnisses vor dem [X.], wenn Letzteres zu einem unspezifischen Kode (zB einem "9-Kode") führt.

[X.]) Hiernach ist im Falle des Versicherten G90.9 (Krankheit des autonomen Nervensystems, nicht näher bezeichnet) als erklärende definitive Hauptdiagnose zu kodieren, nicht hingegen R61.0 (Hyperhidrose, umschrieben) als bloße Symptomdiagnose. Nach den [X.], den Senat bindenden (§ 163 [X.]G) Feststellungen des [X.] lag dem Symptom Hyperhidrose eine Erkrankung des autonomen Nervensystems in Form einer Fehlsteuerung des [X.] zugrunde. Die Fehlsteuerung des [X.] ist eine die Symptomatik erklärende definitive Diagnose. Sie ist allerdings entgegen der Auffassung des [X.] keine in die [X.] [X.] (Sonstige Krankheiten des autonomen Nervensystems) einzuordnende Diagnose. Das Alphabetische Verzeichnis des [X.]-GM führt zwar die "Reizung des sympathischen Nervensystems a.n.k." und die "Kompression eines Nervus sympathicus a.n.k." auf und ordnet beide [X.] zu. Nach den Feststellungen des [X.] ist aber weder eine Reizung noch eine Kompression des [X.] gesichert, sondern eben nur eine Fehlsteuerung aus insoweit unbekannter weiterer Ursache. Diese Fehlsteuerung stellt eine im [X.] erfasste "Störung des sympathischen Nervensystems" bzw eine "Störung eines sympathischen Nerven" dar, die dort G90.9 zugeordnet ist. Eine vorrangige anderweitige Einordnung dieser Störung erfolgt durch das Systematische Verzeichnis nicht.

[X.]) Nach der Groupierungslogik steuert die Diagnose G90.9 die [X.] ([X.]) 01 (Krankheiten und Störungen des Nervensystems) an (vgl G-[X.] Version 2009, [X.], [X.]). Dort führt [X.] 5-043 ([X.]) in der operativen Partition zur A[X.] B06 (Eingriffe bei zerebraler Lähmung, Muskeldystrophie oder Neuropathie, Alter < 19 Jahre oder mit schweren [X.]; vgl G-[X.] Version 2009, [X.], [X.], 154) und von dort zur [X.], weil der am 21.8.1990 geborene Versicherte im Zeitpunkt der [X.] schon das 16., aber noch nicht das 19. Lebensjahr vollendet hatte (vgl G-[X.] Version 2009, [X.], [X.]). Hieraus und den weiteren - zwischen den Beteiligten im Übrigen nicht streitigen - [X.] ergibt sich der von der Klägerin in Rechnung gestellte Betrag.

3. Die Klägerin hat auch Anspruch auf Verzugszinsen im Umfang der vom [X.] zuerkannten Zinsen auf den nicht erfüllten Vergütungsanspruch nach Maßgabe des § 288 Abs 1 BGB (vgl B[X.] [X.]-2500 § 69 [X.]; B[X.] Urteil vom [X.] - B 1 KR 10/15 R - Juris Rd[X.] 18 = [X.] 2015/29) iVm mit §§ 12, 14 ([X.] nach § 112 [X.]B V Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung.

4. [X.] beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 [X.]G iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 [X.]G iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 GKG.

Meta

B 1 KR 25/17 R

20.03.2018

Bundessozialgericht 1. Senat

Urteil

Sachgebiet: KR

vorgehend SG Hamburg, 14. April 2014, Az: S 6 KR 159/12, Urteil

§ 109 Abs 4 S 3 SGB 5 vom 23.04.2002, § 301 Abs 2 SGB 5, § 17b KHG vom 26.03.2007, § 7 S 1 Nr 1 KHEntgG vom 23.04.2002, § 9 Abs 1 S 1 Nr 3 KHEntgG vom 26.03.2007, § 11 KHEntgG, Nr D002f DKR 2009, Nr D009a DKR 2009, Nr D014d DKR 2009, Kap 18 ICD-10-GM 2009, Nr G90.8 ICD-10-GM 2009, Nr G90.9 ICD-10-GM 2009

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 20.03.2018, Az. B 1 KR 25/17 R (REWIS RS 2018, 12107)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 12107

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