Bundessozialgericht, Urteil vom 22.03.2012, Az. B 8 SO 2/11 R

8. Senat | REWIS RS 2012, 7880

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

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Gegenstand

(Sozialhilfe - Kostenerstattung zwischen Sozialhilfeträgern bei Übertritt aus dem Ausland nach § 108 BSHG aF - Rechtmäßigkeit der Leistungserbringung - Anwendbarkeit auf nach dem 31.12.1993 erbrachte Sozialhilfe - Erstattungsberechtigung des überörtlichen Sozialhilfeträgers - Wechsel der sachlichen Zuständigkeit ohne Wechsel des Wohnorts - späterer Ortswechsel innerhalb des Zuständigkeitsbereichs des überörtlichen Sozialhilfeträgers)


Leitsatz

1. Die bis zum 31.12.1993 geltende Regelung, wonach unter weiteren Voraussetzungen Sozialhilfeaufwendungen für in Deutschland geborene Hilfebedürftige nach deren Übertritt aus dem Ausland durch den überörtlichen Sozialhilfeträger des Geburtsorts an den Sozialhilfeträger des Zuzugsorts zu erstatten waren (§ 108 BSHG aF), gilt auch zugunsten des überörtlichen Sozialhilfeträgers.

2. Die Regelung ist nach einem Wechsel der sachlichen Zuständigkeit wegen der Erbringung von stationären Leistungen vom örtlichen zum überörtlichen Träger der Sozialhilfe selbst dann weiterhin anzuwenden, wenn diese Leistungen später an einem anderen als dem Zuzugsort, aber weiterhin im Zuständigkeitsbereich des überörtlichen Sozialhilfeträgers erbracht werden.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des [X.] vom 22. November 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 91 191,07 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

[X.] zunächst vom Kläger dem Beklagten erstatteter Sozialhilfeaufwendungen in Höhe von 91 191,07 [X.].

2

Die 1941 in [X.] (bis 1975 kreisangehörige Stadt des [X.] ; heute Bezirk der Stadt D) geborene [X.] ([X.]) reiste am 19.5.1987 nach einem über 20-jährigen USA-Aufenthalt wieder nach [X.] ([X.]) ein und bezog ab [X.] Hilfe zum Lebensunterhalt von der [X.] sowie Krankenhilfe nach dem [X.] ([X.]). Ab 15.3.1989 war sie stationär im [X.] Landeskrankenhaus für Psychiatrie (ebenfalls in [X.]) untergebracht. Ab 30.8.1990 wurde sie in das [X.] ([X.]) verlegt. Die Kosten der Sozialhilfe wurden ab 15.3.1989 von dem Beklagten als überörtlichem Sozialhilfeträger übernommen. Für die Jahre 2002 und 2003 erstattete der Kläger in den Jahren 2003 und 2004 vom Beklagten erbrachte Sozialhilfeleistungen in Höhe von insgesamt 91 191,07 [X.], weil [X.] in ihrem (des [X.]) Zuständigkeitsbereich geboren worden war und § 108 [X.] in der bis 31.12.1993 geltenden aF eine solche Erstattungspflicht unter bestimmten Voraussetzungen bei einem Übertritt aus dem Ausland vorsah. Im November 2006 machte er gegenüber dem Beklagten ein [X.]ückerstattungsbegehren für die erstatteten Sozialhilfeaufwendungen geltend, weil nach dem Wechsel der sachlichen Zuständigkeit vom örtlichen ([X.]) zum überörtlichen Träger der Sozialhilfe (wegen der Erbringung stationärer Leistungen) die Erstattungspflicht nach § 108 [X.] aF geendet habe und damit die Kostenerstattung an den Beklagten zu Unrecht erfolgt sei.

3

Die nach Ablehnung der [X.]ückerstattung am 15.12.2006 erhobene Klage war erst- und zweitinstanzlich erfolgreich (Urteil des Sozialgerichts <[X.]> Köln vom 26.8.2008; Urteil des Landessozialgerichts <[X.]> Nordrhein-Westfalen vom [X.]). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das [X.] ausgeführt, nach § 112 Zehntes [X.] - ([X.]) seien zu Unrecht gezahlte Beträge zurückzuerstatten. Dies sei hier der Fall, weil eine Erstattung von Sozialhilfeaufwendungen nach § 108 [X.] in der ab [X.] geltenden Fassung für Personen ausgeschlossen sei, die - wie die Hilfeempfängerin [X.] - im Geltungsbereich des [X.] geboren seien. Eine Anwendung von § 108 [X.] in der bis zum 31.12.1993 geltenden, insoweit anders lautenden Fassung scheide nach der Übergangsregelung des § 147 [X.] aus, wonach die Pflicht zur Kostenerstattung bestehen bleibe, die nach der vor dem [X.] geltenden Fassung des § 108 [X.] entstanden sei. Dies sei erst der Fall, wenn von einem erstattungsberechtigten Sozialhilfeträger Kosten für einen Hilfeempfänger tatsächlich aufgewendet worden seien. Daher könnten nur die vor dem [X.] vorgenommenen Erstattungen der Übergangsregelung unterfallen. Welche Auswirkungen daneben der Wechsel vom örtlichen zum überörtlichen Sozialhilfeträger auf die Erstattungspflicht habe, könne danach offen bleiben. Die Erstattung an den Beklagten sei auch nicht deshalb zu [X.]echt erfolgt, weil der Kläger die Verpflichtung zur Kostenerstattung anerkannt habe. Hieraus folge keine rechtliche Verpflichtung des [X.] zur Erstattung der für die Hilfeempfängerin geleisteten Sozialhilfe; eine eigenständige vertragliche Verpflichtung durch Übersendung des Formularschreibens, mit dem auf Aufforderung der Beklagten eine Kostenerstattung zunächst anerkannt worden sei, sei erkennbar nicht gewollt gewesen.

4

Mit der [X.]evision rügt der Beklagte einen Verstoß gegen § 147 [X.]. Maßgebend für dessen Anwendung sei nur, dass die dem einzelnen Kostenerstattungsanspruch zugrundeliegende [X.] zum Zeitpunkt des Beginns der laufenden Hilfegewährung dem Grunde nach entstanden sei. Die [X.] sei auch nicht nach § 108 Abs 5 [X.] wegen einer Unterbrechung von drei Monaten entfallen. Insbesondere stelle der zwischenzeitliche Wechsel der sachlichen Zuständigkeit keine solche Unterbrechung dar.

5

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des [X.] und des [X.] aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Der Kläger beantragt,
die [X.]evision zurückzuweisen.

7

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

8

[X.]ie [X.]evision des Beklagten ist im Sinne der [X.]ufhebung des [X.] und der Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 [X.]bs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ). Entgegen der [X.]nsicht des [X.] ist die Erstattung der Sozialhilfeaufwendungen in Höhe von 91 191,07 [X.] nicht zu Unrecht erfolgt, weil die Leistungen des Beklagten für die [X.] nach dem 31.12.1993 erbracht worden waren und deshalb § 108 [X.] in der bis 31.12.1993 geltenden Fassung nicht anwendbar wäre. Ebenso wenig rechtfertigt vorliegend allein der Wechsel der sachlichen Zuständigkeit vom örtlichen zum überörtlichen Träger der Sozialhilfe den Schluss auf ein Ende der Erstattungspflicht. Ob die Erstattung ggf jedoch aus anderen Gründen zu Unrecht erfolgt ist, kann der [X.] mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen (§ 163 SGG) nicht abschließend beurteilen.

9

Nach § 112 [X.] (in der Fassung, die die Norm durch das Gesetz zur Einführung des [X.] im Sozial- und [X.]rbeitsrecht sowie zur Änderung anderer Vorschriften vom [X.] - [X.] 1983 - erhalten hat) sind gezahlte Beträge zurückzuerstatten, soweit eine Erstattung zu Unrecht erfolgt ist. Von § 112 [X.] werden nicht nur die Erstattungsansprüche nach §§ 102 ff [X.], sondern auch sonstige, diesen vergleichbare, in den besonderen Teilen des [X.], auch dem [X.] (§ 68 [X.] [X.] - <[X.] I> in der bis zum 31.12.2004 geltenden Fassung des [X.] behinderter Menschen - <[X.] IX> vom 19.6.2001 - [X.] 1046), geregelte Erstattungsansprüche zwischen Leistungsträgern erfasst ([X.]-5910 § 147 [X.] [X.]d[X.]2 mwN). § 112 [X.] gilt als allgemeiner [X.]echtsgedanke deshalb auch für Erstattungsansprüche nach § 108 [X.] aF ([X.] aaO).

Grundlage für die ursprüngliche Kostenerstattung ist hier § 108 [X.]bs 1 [X.] (in der bis 31.12.1993 geltenden Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des [X.] vom 10.1.1991 - [X.] 94) iVm § 115 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - ([X.]II). [X.]anach sind die von einem Träger der Sozialhilfe aufgewendeten Kosten für jemanden, der weder im [X.]usland noch im Geltungsbereich des [X.] seinen gewöhnlichen [X.]ufenthalt hat, aus dem [X.]usland in den Geltungsbereich des [X.] übertritt und innerhalb eines Monats nach seinem Übertritt der Sozialhilfe bedarf, von dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe (auch noch nach dem 31.12.2004) zu erstatten, in dessen Bereich der Hilfesuchende geboren ist. [X.] ist im (Zuständigkeits-)Bereich des [X.] in [X.] Stadtbezirk [X.]) geboren; nach § 1 der Landschaftsverbandsordnung für das [X.] (vom 14.7.1994 - Gesetz- und Verordnungsblatt , 657 -, zuletzt geändert durch das 3. Gesetz zur Befristung des Landesrechts [X.] vom 5.4.2005 - GVBl 306) bilden die zum [X.] gehörenden [X.] und kreisfreien Städte der früheren [X.]heinprovinz, zu denen auch [X.] gehört, den Landschaftsverband [X.]heinland. Entsprechendes regelt § 1 der Hauptsatzung des Beklagten vom [X.] (GVBl 786). [X.]anach umfasst sein Gebiet (ua) die kreisfreie Stadt [X.] Mangels Feststellungen des [X.] zum Landesrecht war dem [X.] eine eigene Beurteilung erlaubt. [X.]en Feststellungen des [X.] kann jedoch entnommen werden, dass die Hilfesuchende zum [X.]punkt des Übertritts weder im [X.]usland noch im Geltungsbereich des [X.] einen gewöhnlichen [X.]ufenthalt hatte und innerhalb eines Monats nach ihrem Übertritt Sozialhilfeleistungen bezogen hat.

Ob Sozialhilfeleistungen allerdings auch zu [X.]echt bezogen wurden, also ob ein Sozialhilfeanspruch gegen den Beklagten während der [X.]auer der Unterbringung der Hilfesuchenden im [X.] in den Jahren 2002 und 2003 bestand und deshalb die Leistungen (auch der Höhe nach) rechtmäßig erbracht wurden, hat das [X.] - aus seiner Sicht folgerichtig - nicht festgestellt. Zwar sind im [X.] der §§ 102 ff [X.] die beteiligten Träger grundsätzlich an Bescheide gebunden, mit denen der erstattungspflichtige Träger dem Sozialleistungsberechtigten gegenüber bindend über Grund und Höhe des Leistungsanspruches entschieden hat, sodass sich selbst bei Unrichtigkeit des Leistungsbescheids der Erstattungsanspruch nach diesem Bescheid bemisst, wenn ihn der erstattungspflichtige Träger nicht mehr zu Lasten des Sozialleistungsberechtigten nach §§ 45 ff [X.] aufheben darf ([X.] Soz[X.] 3-1300 § 112 [X.] ff mwN); diese [X.]echtsprechung kann aber nicht auf das [X.] nach § 108 [X.] aF übertragen werden. [X.]ies zeigt schon § 111 [X.]bs 1 Satz 1 [X.], wonach aufgewandte Kosten (nur) zu erstatten sind, "soweit die Hilfe diesem Gesetz entspricht" ([X.]-5910 § 147 [X.] [X.]d[X.] 22 mwN).

Sinn und Zweck der Erstattungsregelung des § 108 [X.] aF bestätigen ebenfalls ein solches Verständnis; denn die Erstattung nach § 108 [X.] soll nicht etwa wie die §§ 102 ff [X.] sicherstellen, dass der aufgrund materiellen Sozialrechts verpflichtete Leistungsträger auch dann mit den Kosten der Sozialleistung belastet wird, wenn ein anderer Leistungsträger die Leistung erbracht hat (dazu nur [X.] in Lehr- und Praxiskommentar [X.], 3. [X.]ufl 2011, Vor §§ 102-104, [X.]d[X.] 6). Sie hat keine [X.]uswirkungen auf den Leistungsanspruch des Hilfebedürftigen; insbesondere ist kein [X.]aum für eine [X.]nwendung des § 107 [X.] ([X.]). Sie dient vielmehr der Lastenverteilung unter [X.], um eine als unbillig empfundene Kostenverteilung vor allem der Grenzorte zu vermeiden ([X.]/[X.], [X.], 16. [X.]ufl 2002, § 108 [X.] [X.]d[X.]; [X.] in LPK-[X.], 6. [X.]ufl 2003, § 108 [X.] [X.]d[X.] 4; dazu auch später). Maßgebend für die [X.]echtmäßigkeit der Leistung ist danach gerade nicht ein bestandskräftiger Verwaltungsakt, sondern die materielle [X.]echtslage sowie die Verwaltungsübung - etwa nach den regionalen Sozialhilferichtlinien - am jeweiligen [X.]ufenthaltsort. Systematisch zeigt schließlich auch § 108 [X.]bs 5 [X.] aF, dass der Erstattungsanspruch materiell rechtmäßige Sozialhilfe voraussetzt. [X.]anach entfällt die Verpflichtung zur Erstattung der für einen Hilfeempfänger aufgewandten Kosten, wenn ihm für einen zusammenhängenden [X.]raum von drei Monaten Sozialhilfe "nicht zu gewähren" war; ob dem Hilfebedürftigen (gleichwohl) Sozialhilfe gewährt wurde, ist für die [X.]nwendung von § 108 [X.]bs 5 [X.] aF also nicht von Bedeutung. § 108 [X.]bs 5 [X.] aF hat deshalb auch zur Folge, dass das [X.] die [X.]echtmäßigkeit der ununterbrochen erbrachten Leistung für den gesamten [X.]raum ab dem Übertritt der [X.] bis einschließlich 2001 zu prüfen haben wird.

§ 108 [X.]bs 1 [X.] (hier in der ab [X.] geltenden Fassung des [X.] [X.] <[X.]> vom 23.6.1993 - [X.] 944), der in seinem Satz 3 die [X.]nwendung des Satzes 1 für die [X.] ab [X.] ua für Personen ausschließt, die - wie die [X.] [X.] - im Geltungsbereich des [X.] geboren sind, findet entgegen der [X.]uffassung des [X.] nach der Übergangsregelung des § 147 [X.] (idF des [X.]) keine [X.]nwendung. Nach § 147 [X.] bleibt die Pflicht eines Trägers der Sozialhilfe zur Kostenerstattung nämlich bestehen, die nach der vor dem [X.] geltenden Fassung des § 108 [X.] aF entstanden oder von der [X.] bestimmt worden ist. [X.]ies gilt gemäß § 115 [X.]II auch über den 31.12.2004 hinaus. Wie der [X.] bereits entschieden hat ([X.]-5910 § 147 [X.] [X.]d[X.]4 ff), sind hiervon nicht nur [X.]nsprüche betroffen, die bis zum 31.12.1993 entstanden sind, sondern alle laufenden Erstattungsfälle, also Sozialhilfefälle, die - wie hier - vor dem 31.12.1993 ihren Beginn hatten und nicht für einen zusammenhängenden [X.]raum von mehr als drei Monaten unterbrochen worden sind. Zwar entsteht der eigentliche [X.]nspruch auf Kostenerstattung erst in dem [X.]punkt der tatsächlichen Zuwendung ([X.] aaO), hier hinsichtlich des erstatteten Betrages über 91 191,07 [X.] in den Jahren 2002 und 2003; § 147 [X.] stellt jedoch nach Wortlaut, Systematik, Teleologie und historischer Entwicklung nicht auf die [X.]nspruchsentstehung im eigentlichen Sinn ab, sondern auf die einmal dem Grunde nach entstandene Pflicht, Kosten zu erstatten. Gemeint ist also der eigentliche Kostenerstattungsfall ([X.] aaO).

[X.]er Beklagte war als überörtlicher Sozialhilfeträger nicht von der Erstattungsberechtigung ausgeschlossen; der [X.]nspruch nach § 108 [X.] aF ist weder nach Wortlaut noch nach Sinn und Zweck der [X.]egelung auf örtliche Sozialhilfeträger beschränkt. [X.]ie Vorschrift bezweckt eine Verteilung entstehender Sozialhilfelasten bei Übertritt aus dem [X.]usland im Interesse desjenigen Sozialhilfeträgers, in dessen Zuständigkeitsbereich Personen aus dem [X.]usland übertreten und innerhalb der Monatsfrist sozialhilfebedürftig werden (BVerwGE 124, 265 ff). Hierdurch soll die ungleiche Belastung von [X.] in grenznahen [X.] (BVerwG [X.] 436.0 § 108 [X.] [X.]) sowie in Gebieten mit Flughäfen oder Verkehrsknotenpunkten ([X.] in LPK-[X.], 6. [X.]ufl 2003, § 108 [X.] [X.]d[X.] 4) ausgeglichen und gerecht verteilt werden. [X.]iesen Zweck erfüllt auch eine Verteilung von Sozialhilfeleistungen, die überörtliche Sozialhilfeträger grenznaher Einreisegebiete bzw von Gebieten mit Flughäfen oder Verkehrsknotenpunkten erbringen. [X.]ass überörtliche Sozialhilfeträger für einen mehrere örtliche Sozialhilfeträger umfassenden Bezirk oder insgesamt für ein Bundesland (örtlich und sachlich) zuständig sind, ändert hieran angesichts typischer Einreiserouten bei einem Übertritt aus dem [X.]usland, von denen die überörtlichen Sozialhilfeträger nicht gleichermaßen betroffen sind, nichts. [X.]er Erstattungsanspruch steht deshalb jedem Träger - auch dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe - zu, in dessen Bereich sich der Hilfesuchende nach seinem Übertritt aus dem [X.]usland aufhält, wenn und solange entsprechend des aufgezeigten Schutzzwecks der Norm der Bezug zum Zuzugsort und der zeitliche Zusammenhang gewahrt bleiben (vgl: [X.]/ [X.], [X.], 16. [X.]ufl 2002, § 108 [X.] [X.]d[X.]2; [X.]/Zink, [X.], § 108 [X.] [X.]d[X.]6, Stand März 2001; zur entsprechenden Vorschrift des § 108 [X.]II: [X.] in [X.], [X.] II/[X.]II, § 108 [X.]II [X.]d[X.] 9, Stand Januar 2005).

[X.]ie Pflicht zur Kostenerstattung nach § 108 [X.] aF endet auch nicht bei einem Wechsel der sachlichen Zuständigkeit vom örtlichen (hier Stadt [X.]o) zum überörtlichen Träger (dem Beklagten) der Sozialhilfe wegen der Erbringung stationärer Maßnahmen (§§ 99, 100 [X.] iVm § 27 [X.]bs 3 [X.] und § 2 [X.]bs 1 [X.] des Gesetzes zur [X.]usführung des [X.] vom [X.] - zuletzt geändert durch das Maßregelvollzugsgesetz vom 18.12.1984 - GVBl 1985, 14; ab 14.7.1999 § 2 [X.]bs 1 [X.] der Verordnung zur [X.]usführung des [X.] vom 15.6.1999 - GVBl 393), wenn der Hilfebedürftige seinen Wohnort beibehält. [X.]er beschriebene Schutzzweck der Norm (Verteilung entstehender Sozialhilfelasten wegen ungleicher Belastung von [X.]) gebietet für diesen Fall (anders als bei einem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit) keine einschränkende [X.]uslegung der Norm; denn allein der Wechsel der sachlichen Zuständigkeit lässt den Bezug zum Zuzugsort und den zeitlichen Zusammenhang nicht entfallen. Werden auch überörtliche Träger der Sozialhilfe vom Schutzbereich des § 108 [X.] aF erfasst, kann es für den Erstattungsanspruch keine [X.]olle spielen, ob der Hilfebedürftige unmittelbar nach seinem Übertritt aus dem [X.]usland in einer Einrichtung untergebracht wird und der überörtliche Sozialhilfeträger deshalb für etwaige Sozialhilfeleistungen zuständig wird oder ob er vor der [X.]ufnahme in die Einrichtung zunächst - ggf auch nur für kurze [X.] - Hilfe zum Lebensunterhalt vom örtlichen Träger der Sozialhilfe erhält. [X.]uch unter Berücksichtigung der [X.]echtsprechung des [X.] (BVerwGE 124, 265) kann insoweit nur entscheidend sein, ob der Bezug zum Einreiseort ([X.]o) unabhängig von der sachlichen Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers zum [X.]punkt der erstmaligen Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen nach dem Übertritt aus dem [X.]usland aufrechterhalten bleibt. [X.]ie Erstattungspflicht endet deshalb erst und nur dann, wenn der die [X.] nach § 108 [X.] aF rechtfertigende Bezug zum Einreiseort entfällt (BVerwGE 124, 265 ff).

[X.]as ist vorliegend nicht der Fall, weil die Hilfesuchende, ohne einen Ortswechsel vorzunehmen, in [X.]o, dem Zuzugsort, stationär aufgenommen wurde und nach zunächst durch den örtlichen Sozialhilfeträger erbrachter Hilfe zum Lebensunterhalt nunmehr der Beklagte als überörtlicher Träger Sozialhilfeleistungen erbracht hat. [X.]er Bezug zum Einreiseort wurde auch nicht dadurch gelöst, dass die Hilfesuchende am [X.] in das [X.] in [X.] verlegt wurde; kann auch der überörtliche Sozialhilfeträger einen Erstattungsanspruch nach § 108 [X.] aF geltend machen, bleibt die einmal entstandene Erstattungspflicht des überörtlichen Sozialhilfeträgers solange bestehen, wie der Hilfebedürftige im Zuständigkeitsbereich des leistenden überörtlichen Sozialhilfeträgers verbleibt. [X.] ([X.]) gehört zum Zuständigkeitsbereich des Beklagten (§ 1 [X.]bs 1 der Hauptsatzung des Beklagten vom 12.1.1995 - GVBl 72).

Ein etwaiger Erstattungsanspruch entfällt bei einem Wechsel der sachlichen Zuständigkeit auch nicht nach § 108 [X.]bs 5 [X.]. [X.]ie [X.]egelung sieht nur dann einen Wegfall der [X.] vor, wenn dem Hilfesuchenden für einen zusammenhängenden [X.]raum von drei Monaten Sozialhilfe nicht zu gewähren war. Nach den Feststellungen des [X.] hat die [X.] durchgehend Sozialhilfe bezogen. Ob ihr diese auch durchgehend zu gewähren war, wird das [X.] ggf festzustellen haben. Eine Unterbrechung tritt (aber) nicht dadurch ein, dass - jedenfalls ohne Wechsel der örtlichen Zuständigkeit - ein Wechsel in der sachlichen Zuständigkeit aufgrund bundes- oder landesrechtlicher Normen ([X.]usführungsgesetz zum [X.]) eintritt; denn die Unterbrechung iS von [X.]bsatz 5 bezieht sich nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck allein auf die Sozialhilfeleistung, nicht aber auf den zuständigen Träger der Leistung, sodass insoweit eine erweiternde [X.]uslegung auf Fälle wie den vorliegenden ausscheidet. In diesem Zusammenhang ist es auch nicht [X.]ufgabe des [X.]s zu prüfen, ob § 108 [X.]bs 1 [X.] aF und heute § 108 [X.]II noch eine nachvollziehbare sozialpolitische Berechtigung haben, um das Ergebnis einer solchen Prüfung für eine (erweiternde) [X.]uslegung heranzuziehen.

Weitere Ermittlungen des [X.] zur [X.]echtmäßigkeit der Leistungserbringung erübrigen sich nicht dadurch, dass der Kläger den ursprünglichen Erstattungsanspruch "anerkannt" hat. § 112 [X.] setzt nämlich voraus, dass überhaupt eine Erstattung (durch den [X.]ückerstattungsberechtigten) erfolgt ist, er den Erstattungsanspruch also regelmäßig - sei es ausdrücklich, sei es konkludent, etwa durch die Erstattung selbst - jedenfalls zunächst "anerkannt" hat, wenn er nicht hierzu verurteilt worden ist. [X.]ieses § 112 [X.] somit immanente "[X.]nerkenntnis" kann der Empfänger der zu Unrecht erfolgten Erstattung dem [X.]ückerstattungsbegehren nicht entgegenhalten. [X.]as [X.] hat deshalb auch für den [X.] verbindlich (§ 163 SGG) festgestellt, dass eine eigenständige vertragliche Verpflichtung nicht gewollt war; dies war nach [X.] und Glauben vom Beklagten auch nicht so zu verstehen (§ 61 [X.] iVm § 157 Bürgerliches Gesetzbuch ), sodass es auf die Problematik des § 56 [X.] iVm § 126 BGB nicht ankommt.

Ein etwaiger [X.]ückerstattungsanspruch ist auch nicht verjährt. [X.]ückerstattungsansprüche verjähren gemäß § 113 [X.]bs 1 Satz 2 [X.] in vier Jahren nach [X.]blauf des Kalenderjahres, in dem die Erstattung zu Unrecht erfolgt ist. [X.]ie Erstattung erfolgte in den Jahren 2003 bzw 2004, sodass Verjährung nicht vor [X.]blauf des Kalenderjahres 2007 eintreten konnte. [X.]ie Klage ist im [X.]ezember 2006 erhoben worden. Seit diesem [X.]punkt ist die Verjährung gehemmt (§ 113 [X.]bs 2 [X.] iVm § 204 [X.]bs 1 [X.] BGB und [X.]rt 229 § 12 Einführungsgesetz zum BGB). Im Übrigen ist die Verjährungseinrede nicht erhoben worden (vgl zu dieser Voraussetzung [X.], Urteil vom 6.12.1989 - 2 [X.]U 30/89).

[X.]ie Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 [X.]bs 1 und 3, § 63 [X.]bs 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz. [X.]as [X.] wird ggf auch über die Kosten des [X.]evisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Meta

B 8 SO 2/11 R

22.03.2012

Bundessozialgericht 8. Senat

Urteil

Sachgebiet: SO

vorgehend SG Köln, 26. August 2008, Az: S 21 SO 295/06, Urteil

§ 108 Abs 1 S 1 BSHG vom 10.01.1991, § 108 Abs 1 S 1 BSHG vom 23.06.1993, § 108 Abs 1 S 3 BSHG vom 23.06.1993, § 108 Abs 5 BSHG, § 111 Abs 1 S 1 BSHG, § 147 BSHG vom 23.06.1993, § 115 SGB 12

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 22.03.2012, Az. B 8 SO 2/11 R (REWIS RS 2012, 7880)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 7880

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